Archiv der Kategorie: Wissenschaft

Trend zur individualisierten Medizin nimmt Fahrt auf

(Leibniz) Die Personalisierung der Medizin schreitet voran, dies belegte eindrucksvoll das Symposium „Personalisierte Medizin – Diagnostik – Medizintechnik“ des Forschungsverbunds Leibniz Gesundheits­techno­logien am 20. März 2019 in Berlin. Vorgestellt wurden dabei Innovationen von Forschungs­ein­rich­tungen, Kliniken und der Industrie: Angefangen bei künstlicher Intelli­genz zur Unterstützung des Patientengesprächs, über die individuelle Therapie von Tuberkulose bis hin zur lichtbasierten Schnelldiagnostik von Sepsis. Zugleich nahm die Veranstaltung aber auch rechtliche, soziale und ethische Fragestellung der Individualisierung des Gesundheitswesens in den Fokus.

„Die Zeit des Mittelwerts ist vorbei. Das Zeitalter der Präzisionsmedizin hat begonnen. Die Medizin nimmt zunehmend das Individuum in den Blick mit seiner einzigartigen biologischen Ausstattung und psychosozialen Situation“ – so fasste Prof. Ernst Rietschel, ehemaliger Präsident der Leibniz-Gemeinschaft und früherer Vorstandsvorsitzender des Berlin Institute of Health, das eintägige Symposium des Forschungsverbunds Leibniz Gesundheitstech­nologien abschließend zusammen. Vor mehr als 100 Gästen hatten zuvor Wissenschaftler, Ärzte, Industrieentwickler, Ethiker und Juristen den aktuellen Stand der personalisierten Medizin in seiner Vielschichtigkeit beleuchtet.

Die wissenschaftliche Organisation der Veranstaltung und Leitung durch das Programm übernahmen Prof. Jürgen Popp, Sprecher des Forschungs­verbunds „Leibniz Gesundheitstechnologien“ und Direktor des Leibniz-Instituts für Photonische Technologien, sowie Prof. Wolfram Eberbach, Ethikzentrum der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Rechtsanwalt in der Erfurter Kanzlei Bietmann Rechtsanwälte PartmbH.

Von der KI-basierten Anamnese bis zur personalisierten Therapie

So stellte beispielsweise Dr. Martin Christian Hirsch die App „Ada“ vor, mit der Patienten noch vor dem Arztbesuch eine individuelle Vor-Anamnese mit Hilfe künstlicher Intelligenz durchführen können. Insbesondere in Hinblick auf tausende seltenen Krankheiten könnte dies eine große Hilfe für Mediziner darstellen, erklärte Hirsch: „KI-Systeme von Ada Health ersetzen keine Ärzte. Sie machen allerdings das stets wachsende medizinisches Wissen besser handhabbar und schaffen für Ärzte Freiräume, sich wieder stärker empathisch um den Patienten kümmern zu können“. Solche Systeme können künftig eine wichtige Rolle in Gebieten mit mangelnder ärztlicher Versorgung spielen, weshalb die Firma mit der Fondation Botnar und der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung kooperiert.

Darüber hinaus spielten auch Ansätze für personalisierte Diagnostik und Therapie-Monitoring in Kliniken bei dem Symposium eine wichtige Rolle. Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Photonische Technologien (Jena) stellten lichtbasierte Verfahren zur schnellen Erreger- und Resistenz­bestimmung bei Sepsis vor und zeigten wie multimodale Bildgebung die Tumorrand-Erkennung während der Operation ermöglichen könnte. Leibniz-Forscher des FZ Borstel präsentierten indes Ansätze zur Charakterisierung neuer Biomarker zur individualisierten Diagnostik und Therapie bei Asthma und COPD und zeigten zudem auf, welche Verbesserung eine umfassend individualisierte Tuberkulose-Therapie verspricht.

Doch die Vielzahl neuer Möglichkeiten für personalisierte Diagnostik und Therapien gehen zugleich einher mit rechtlichen und ethischen Herausforderungen. Prof. Christiane Woopen, Vorsitzende des Europäischen Ethikrates, warf in ihrem Vortrag unter anderem die Frage auf: Wie gehen wir mit Algorithmen um, mit denen wir eine individuelle Sterbewahrscheinlichkeit berechnen können? Einerseits lassen sich daraus leicht Alptraumszenarien entwerfen, andererseits kann eine solche Berechnung auch die angemessene Versorgung von Patienten am Lebensende verbessern, zum Beispiel durch rechtzeitige Aufnahme in ein Hospiz. Technologien zu Personalisierung seien demnach weder gut noch schlecht, die Gesellschaft müsse sich jedoch rechtzeitig über gewünschte und nicht gewünschte Folgen für das Zusammen­leben austauschen.

„Think and act Leibniz“ – Zusammenarbeit über Disziplingrenzen hinweg

Für Prof. Mathias Kleiner, Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, ist die im Symposium präsentierte disziplinübergreifende Zusammenarbeit der Schlüssel, um eine individualisierte Medizin bis zum Patienten zu bringen: „Interdisziplinarität beschleunigt die Translation von Wissen in neue Medizinprodukte und stellt zugleich sicher, dass ökonomische, ethische und soziale Fragestellungen nicht aus dem Blick geraten. Die interdisziplinäre Kooperation im Leibniz-Forschungsverbund liefert damit einen wichtigen Beitrag, um personalisierte Diagnosen und Behandlungen in Kliniken und Arztpraxen zu etablieren.“

Künstliche Intelligenz bestimmt Industrie der Zukunft

(KIT) Kunden wollen individuelle Lösungen, Produktlebenszyklen werden immer kürzer und neue Geschäftsmodelle entstehen: Die industrielle Fertigung muss mit dynamischen Veränderungen Schritt halten. Eine interdisziplinäre Gruppe mit Forscherinnen und Forschern aus Maschinenbau, Elektrotechnik, Informationstechnik und Informatik entwickelt am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) am Anwendungsfall des Remanufacturing ein agiles Produktionssystem, das sich autonom und dynamisch an wechselnde Produktspezifikationen anpasst. Die Carl Zeiss Stiftung fördert das Projekt AgiProbot mit drei Millionen Euro.

„Die industrielle Fertigung muss zunehmend maßgeschneiderte Produkte liefern und gleichzeitig hocheffizient sein“, erklärt Professorin Gisela Lanza, Sprecherin des Projekts AgiProbot (kurz für Agiles Produktionssystem mittels mobiler, lernender Roboter mit Multisensorik bei ungewissen Produktspezifikationen). Bisherige Lösungen zur Optimierung der klassischen Linienproduktion stoßen heute an ihre Grenzen. Denn alle Strategien setzen voraus, dass die unterschiedlichen Produktionsszenarien bereits im Vorfeld bekannt sind. „Das reicht nicht aus, um der zunehmenden Volatilität gerecht zu werden“, sagt Lanza. „Wir werden in Zukunft nicht alles vordenken können.“

Die Forschungsgruppe setzt deswegen auf ein agiles Produktionssystem, das alle relevanten Teilsysteme integriert, selbstständig lernt sowie dynamisch auf vorher nicht bekannte Anforderungen reagiert und die individuell bestmögliche Lösung ermittelt. Multimodale Sensoren erfassen simultan sich ergänzende Umweltinformationen –etwa Bewegung und Berührung. Sie sind  unter anderem in der Anlagentechnik, in Industrierobotern und in Fahrzeugen implementiert und sammeln die jeweils produktionsrelevanten Daten. Auf dieser Datenbasis versorgen zum einen fahrerlose Transportsysteme die modular aufgebauten Fertigungsstationen mit den notwendigen Warenströmen. Zum anderen nutzen kollaborierende, mobile und autonome Roboter die Daten, um ihre Handlungsstrategien anzupassen.

Über spezielle Algorithmen lernt das Produktionssystem mittels Künstlicher Intelligenz (KI) und bereits vorhandenem technischem Vorwissen. Die Algorithmen unterstützen aber auch das Lernen aus den Bewegungen und Blicken der Menschen, mit denen die Industrieroboter kollaborieren.

Ziel des Projektes ist es, eine Demonstrator-Fabrik für das Remanufacturing von Elektromotoren aus der Automobilindustrie zu entwickeln. Sie sollen in einem agilen und automatisierten Prozess demontiert und für die Wiederverwendung aufbereitet werden. „Das Remanufacturing ist ein Bereich von hoher wirtschaftlicher Relevanz, der deutlich macht wie wichtig ganzheitliche, domänenübergreifende und intelligente Produktionssysteme in Zukunft werden“, betont Projektkoordinator Dr. Benjamin Häfner. Bislang werden dort die einzelnen Prozessschritte wie die Demontage, Reinigung, Prüfung oder Aufarbeitung in aller Regel manuell und nicht vernetzt durchgeführt, weil der qualitative Zustand der einzelnen Bauteile zu unterschiedlich ist und die hieraus entstehenden Warenströme bislang zu komplex sind für eine klassische Automatisierung.

Das Projekt AgiProbot – Agiles Produktionssystem mittels mobiler, lernender Roboter mit Multisensorik bei ungewissen Produktspezifikationen – wird von der Carl Zeiss Stiftung bis Februar 2024 mit drei Millionen Euro gefördert. Unter Federführung des Instituts für Produktionstechnik (wbk) beteiligen sich am KIT die Institute für Industrielle Informationstechnik (IIIT), für Anthropomatik und Robotik (IAR), für Fördertechnik und Logistiksysteme (IFL) und für Arbeitswissenschaft und Betriebsorganisation (ifab) an dem Projekt.

Bienen im Bundesforschungsministerium – Mit einer kurzen Anmerkung von Jean Pütz

Liebe Frau Bundesministerin Karliczek, liebe Frau Marx,

auf diesen Trichter bin ich schon länger gekommen und meine Streuobstwiesen danken es mir. Ich freue mich, dass das BMBF nicht nur redet, sondern auch etwas dafür tut.

Mit freundlichen Grüßen
Jean Pütz

BMBF startet ökologisches Engagement zum Schutz der Bienen

Sie sind für unser Ökosystem unverzichtbar: Bienen. Ohne Bienen würde es im Garten nicht so üppig blühen, die Obst- und Gemüseernte fiele deutlich geringer aus. Leider haben sich die Lebensbedingungen für Bienen in den vergangenen Jahren dramatisch verschlechtert. Insbesondere die Wildbienen sind stark gefährdet. Aber auch für die Honigbiene ergeben sich erschwerte Lebensbedingungen.

Deshalb siedelt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) seit kurzer Zeit auf seinen Liegenschaften in Bonn und Berlin Honig- und Wildbienen an. Es leistet damit einen aktiven ökologischen Beitrag zum Schutz der Insekten und knüpft an weitere Maßnahmen der Bundesregierung für die Bienengesundheit und die Imkerei an. Dazu gehört das „Aktionsprogramm Insektenschutz“, mit dem die Lebensbedingungen für Insekten verbessert werden sollen. Die Initiative „Bienen füttern“ und die „Bienen-App“ informieren, welche Blühpflanzen besonders bienenfreundlich sind.

Gemeinsam mit zahlreichen Akteuren leistet die BMBF-Initiative einen aktiven Beitrag zum Schutz der Insektenvielfalt. Bundesministerin Anja Karliczek betont: „Bienen sind zwar kleine Nutztiere, aber von großer Bedeutung für unser Ökosystem. Wir wünschen uns möglichst viele Nachahmer unserer Initiative. Denn nur gemeinsam können wir die Insekten wirksam schützen, zum Beispiel durch Blühflächen im eigenen Garten oder auf dem Bürodach.“

Pünktlich zum Frühlingsbeginn wurden in Bonn zwei Honigbienenvölker angesiedelt. Unter regelmäßiger fachkundiger Betreuung durch eine Imkerin werden sie hoffentlich bald den ersten BMBF-Honig produzieren. Damit die Bestäuber während der Vegetationsphase ausreichend Nahrung finden können, wurde bereits im Vorjahr die Bepflanzung auf der Liegenschaft mit zusätzlichen bienenfreundlichen Pflanzen ergänzt.

Etwa die Hälfte der heimischen Wildbienen ist in ihrem Bestand gefährdet. Vor diesem Hintergrund rückt das BMBF an seinem Berliner Dienstsitz die Wildbienen in den Mittelpunkt und schafft mit seinem Engagement Lebensraum für diese Bestäuber und für andere Insekten. Dafür wurde bereits eine Wildblumenwiese zur Ergänzung der bestehenden Bepflanzung angelegt. Nun sollen die Wildbienen dieses neu geschaffene Biotop für sich erobern.

Mit welchen weiteren Maßnahmen man nicht nur Wildbienen und Insekten, sondern auch zahlreiche weitere gefährdete Arten schützen kann, ist die Mission der jüngst gestarteten „Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt“. Die Initiative ist im BMBF-Rahmenprogramm „Forschung für Nachhaltige Entwicklung (FONA³)“ angesiedelt und trägt zur Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) sowie zur Hightech-Strategie 2025 der Bundesregierung bei.

Sternwarte der ESO feiert ein halbes Jahrhundert astronomischer Forschung

La-Silla-Observatorium wird 50!— Die erste Sternwarte der ESO feiert ein halbes Jahrhundert astronomischer Forschung

Seit ihrer Einweihung im Jahr 1969 steht die Sternwarte La Silla der ESO an der Spitze der Astronomie. Ihre Palette modernster Instrumente hat es Astronomen ermöglicht, bahnbrechende Entdeckungen zu machen und den Weg für zukünftige Generationen von Teleskopen geebnet. Auch nach 50 Jahren Beobachtungen gehen die Teleskope der ESO in La Silla weiter an die Grenzen der Astronomie, entdecken fremde Welten und enthüllen den Kosmos in atemberaubenden Details.

Der Bau von La Silla auf dem Gipfel des chilenischen Berges Cinchado-Nord am Rande der Atacama-Wüste begann 1965, drei Jahre nach der Gründung der ESO [1]. Der Standort wurde wegen seiner Erreichbarkeit, des trockenen Klimas und der idealen Beobachtungsbedingungen ausgewählt – perfekt für den Bau einer weltweit führenden Sternwarte.

Die Beobachtungen begannen mit den relativ kleinen ESO 1-Meter- und ESO 1,52-Meter-Teleskopen. Die Anzahl und Vielfalt der Teleskope auf La Silla hat mit zunehmender Entwicklung der Sternwarte zugenommen, so dass der Standort nun 13 operative Teleskope beherbergt – nicht nur von der ESO, sondern auch von Ländern, Universitäten und Kooperationen auf der ganzen Welt. Zu diesen Teleskopen gehören TRAPPIST-Süd, das Rapid Eye Mount-Teleskop (REM) und das TAROT-Teleskop, das für die Entdeckung von Gammastrahlen-Ausbrüchen eingesetzt wird.

Auch 50 Jahre nach seiner Einweihung bleibt La Silla eine Hochburg der ESO an der Spitze der Astronomie und liefert Daten für über 200 Publikationen pro Jahr. Obwohl das Flaggschiff der ESO heute das Very Large Telescope (VLT) am Paranal ist, betreibt die ESO am Standort La Silla immer noch zwei der produktivsten Teleskope der 4-Meter-Klasse der Welt. Das erste große Teleskop der ESO, das ESO 3,6-Meter-Teleskop, beherbergt den weltweit führenden Planetenjäger – den High Accuracy Radial Velocity Planet Searcher (HARPS), einen Spektrografen mit unübertroffener Präzision, der viele fremde Welten entdeckt hat.

Das zweite noch in Betrieb befindliche ESO-Teleskop auf La Silla – das New Technology Telescope (NTT) mit seinem 3,58 Meter messenden Hauptspiegel – beschritt neue Wege im Teleskopbau und war das erste der Welt mit einem computergesteuerten Hauptspiegel. Diese innovative Technologie, die aktive Optik genannt wird, wurde bei der ESO entwickelt und wird heute bei den meisten großen Teleskopen der Welt eingesetzt. Neben der Durchführung einer Vielzahl wissenschaftlicher Beobachtungen war dieses Teleskop maßgeblich daran beteiligt, den Weg für das VLT zu ebnen.

Beide Teleskope erhalten Verbesserungen, um sie in der astronomischen Spitzenklasse zu halten. Das NTT wird in Kürze das bahnbrechende SoXS-Instrument beherbergen, einen Spektrografen, der entwickelt wurde, um vorübergehende und variable astronomische Ereignisse aus fotografischen Durchmusterungen nachzubeobachten. Das ESO 3,6-MeterTeleskop wird mit NIRPS ausgestattet sein, einem Infrarot-Planetenjagdinstrument, das die bereits beeindruckenden Fähigkeiten von HARPS ergänzen wird. Diese Neuankömmlinge werden zusammen mit neuen Gastteleskopen wie ExTrA und BlackGEM dafür sorgen, dass das La Silla-Observatorium weiterhin an der Spitze der astronomischen Wissenschaft steht.

Viele der zehn wichtigsten Entdeckungen der ESO wurden mit Hilfe von Teleskopen auf La Silla gemacht. Zu den Höhepunkten der umfangreichen wissenschaftlichen Forschung der letzten fünf Jahrzehnte gehören: die Entdeckung der beschleunigten Expansion des Universums – ein Ergebnis, das den Nobelpreis 2011 in Physik einbrachte; die Entdeckung eines Planeten beim nächstgelegenen Stern; die Beobachtung des ersten Lichts von einer Gravitationswellenquelle; die Bestimmung der genauesten Entfernungen zu nahegelegenen Galaxien durch das von Chile geführte Araucaria-Projekt und die Entdeckung von sieben Planeten um einen ultrakühlen Zwerg im System TRAPPIST-1.

Zwei besondere astronomische Ereignisse erschütterten die Routine von La Silla und erregten wochenlang die Aufmerksamkeit des Orchesters von Teleskopen: die Explosion der Supernova SN 1987A und die Kollision des Kometen Shoemaker-Levy 9 mit Jupiter. Vor allem letzteres beeinträchtigte das Leben auf La Silla mit 10 auf Jupiter getrimmten Teleskopen und Live-Presseveranstaltungen in Garching und Santiago, die die Medien über die neuesten Entwicklungen der verhängnisvollen Kollision unterrichteten.

Neben seinen astronomischen Durchbrüchen hat La Silla eine äußerst wichtige Rolle bei der Entwicklung der Astronomie in Chile gespielt, und chilenische Astronomen benutzen in La Silla routinemäßig Teleskope für ihre wissenschaftliche Forschung. Der Betrieb und die kontinuierliche Weiterentwicklung von ESO-Einrichtungen einschließlich La Silla hat auch eine Vielzahl von Möglichkeiten für das Engagement der chilenischen Industrie, des Ingenieurwesens und der Wissenschaft eröffnet. Die Teleskope von La Silla dienten auch als Trainingsort für neue Generationen von europäischen und chilenischen Astronomen, wie zum Beispiel die ESO-NEON Observing Schools zeigen, die regelmäßig in La Silla stattfinden.

La Silla hat sowohl Herausforderungen als auch Erfolge erlitten; während die Sternwarte fast perfekte Beobachtungsbedingungen vorfindet, ist sie auch von regelmäßiger tektonischer Aktivität bedroht. Die Erdbeben in La Silla haben bisher keine größeren Probleme verursacht, obwohl die Region gelegentlich in der Nähe des Epizentrums der schweren Erdbeben liegt. Die Sternwarte ist nun einem weiteren beunruhigenden Risiko ausgesetzt – die Lichtverschmutzung durch die nahe gelegene Panamerikana-Schnellstraße bedroht den dunklen Himmel von La Silla.

Mit dem fünfzigjährigen Bestehen dieser renommierten Sternwarte wird sie nicht nur die professionelle, sondern auch die Amateurastronomie und die breite Bewunderung für astronomische Phänomene fördern – in diesem Jahr wird von La Silla aus eine totale Sonnenfinsternis sichtbar sein. Wenn der Mond das Antlitz der Sonne bedeckt und den Tag zur Nacht macht, werden Hunderte von Besuchern nicht nur dieses spannende astronomische Ereignis feiern, sondern auch das wissenschaftliche Erbe von La Silla, der ursprünglichen Sternwarte der ESO.

Endnoten

[1] „La Silla“ – Spanisch für „Der Stuhl“ oder „Der Sattel“ – kommt von dem Namen, den lokale Köhler Cinchado-Nord gegeben haben, dem sattelförmigen Berg, der zum Standort der ersten Sternwarte der ESO wurde.

Weitere Informationen

Die Europäische Südsternwarte (engl. European Southern Observatory, kurz ESO) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Die Organisation hat 16 Mitgliedsländer: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, die Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz und die Tschechische Republik. Hinzu kommen das Gastland Chile und Australien als strategischer Partner. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO verfügt über drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Chile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf dem Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts und zwei Teleskope für Himmelsdurchmusterungen: VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt, arbeitet im Infraroten, während das VLT Survey Telescope (VST) für Himmelsdurchmusterungen ausschließlich im sichtbaren Licht konzipiert ist. Die ESO ist außerdem einer der Hauptpartner bei zwei Projekten auf Chajnantor, APEX und ALMA, dem größten astronomischen Projekt überhaupt. Auf dem Cerro Armazones unweit des Paranal errichtet die ESO zur Zeit das Extremely Large Telescope (ELT) mit 39 Metern Durchmesser, das einmal das größte optische Teleskop der Welt werden wird.

Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsländern (und einigen weiteren Staaten) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg.

 

Gehirn speichert Neues in mentaler Landkarte

pte20190328018 Forschung/Technologie, Medizin/Wellness

Wissenschaftler haben Aktivitätsmuster im Denkorgan mithilfe von MRT-Scanner aufgezeichnet

Leipzig/Nimwegen (pte018/28.03.2019/10:30) – Neue Wissensinhalte werden im Hippocampus als Schaltzentrale des Gehirns entlang räumlicher Dimensionen in einer Art mentaler Landkarte gespeichert. Das haben die beiden Forscher Stephanie Theves und Christian F. Doeller vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften herausgefunden. Mit Kollegen vom Donders Institut der Radboud Universität ist es ihnen gelungen, die Aktivitätsmuster im Gehirn aufzuzeichnen.

Neue Konzepte lernen

„Geht man zum Beispiel durch die Stadt, in der man wohnt, kann man eine Abkürzung nehmen, ohne sie je vorher ausprobiert zu haben, weil im Gehirn die räumlichen Orientierungswege in der Stadt repräsentiert sind. So ähnlich ist es beim Erwerb von Wissen auch“, sagt Theves. Die Studienteilnehmer haben über zwei Tage ein neues Konzept erworben, indem sie lernten, zuvor noch nie gesehene abstrakte Bilder anhand bestimmter Merkmale in zwei Kategorien einzuordnen. Im Anschluss wurde im MRT-Scanner getestet, ob das Gehirn die für das neu zu lernende Konzept relevanten Merkmalsdimensionen kombiniert und in einem raumähnlichen Format abspeichert, in welchem einzelne Exemplare lokalisiert werden können.

„Wir sind daran interessiert, dass die Probanden neue Konzepte lernen, weil wir dann die Distanzen innerhalb des konzeptuellen Raumes messen können, während Wissen erworben wird“, verdeutlicht Theves. Das Team will klären, wie nah gezeigte Objekte einander im gedanklichen Raum sind, indem sie die Signale des Hippocampus aufzeichnen. „Interessant ist, dass wir so eine exakte Skalierung der Objekte im Raum sehen können, woraus wir schließen, dass die Informationen im Gehirn kartenartig repräsentiert sind.“

Intelligenz besser verstehen

Dass Menschen so flexibel bei der Anwendung von neuem Wissen agieren können, liegt den Forschern nach mit großer Wahrscheinlichkeit an der nun in den Versuchen bestätigten Organisationsstruktur. Langfristig könnten die Ergebnisse der Experten dazu beitragen, zentrale Aspekte menschlicher Intelligenz zu erklären – wie zum Beispiel die Fähigkeit, zu schlussfolgern oder zu generalisieren. Das Verständnis, wie Wissensrepräsentationen erworben werden und im Gehirn organisiert sind, könnte außerdem genutzt werden, um Unterrichtsmethoden für effizientes Lernen zu optimieren, so Theves abschließend.

Die EU, ein schwieriges Gebilde, aber lebensnotwendig

Es gibt viele Gründe, warum die EU-Mitglieder sich unterschiedlich entwickeln. Die Erfahrungen Italiens sind besonders lehrreich. Seit die Integration der Länder in Europa vorangetrieben wurde, hat es einen wirtschaftlichen Abstieg erlebt.

(EEAG Report) Die Unzufriedenheit mit der EU nimmt vielerorts zu und populistische und nationalistische Parteien gewinnen an Einfluss. Den europäischen Einigungsprozess für die schwache ökonomische Entwicklung in bestimmten Ländern sowie die in vielen Gebieten ausbleibende Konvergenz verantwortlich zu machen, greift jedoch zu kurz. Die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes hängt einerseits von Schocks ab, die ihren Ursprung häufig außerhalb der EU haben, andererseits von den politischen Entscheidungen der einzelnen Länder und ihren Institutionen, die es erleichtern oder erschweren können, sich an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen.

Es gibt daher viele Gründe, warum die Entwicklungen der EU-Länder unterschiedlich verlaufen und warum manche Länder in einigen Phasen besser zurechtkommen, in anderen aber schlechter. Gleichzeitig existieren systematische Unterschiede zwischen Ländern hinsichtlich ihrer Fähigkeit, notwendige Reformen zum richtigen Zeitpunkt umzusetzen. Es ist wichtig, die den Länderentwicklungen zugrundeliegenden Mechanismen zu verstehen. Wir fokussieren uns auf strukturellen Wandel und Reformen in den EU-15-Staaten, da die fehlende Konvergenz zwischen diesen Ländern nach Jahrzehnten der Integration besonders erstaunlich ist, und untersuchen einige Länderbeispiele im Detail.

Im Falle eines Schocks bestimmt eine Reihe ökonomischer, politischer und institutioneller Faktoren, ob Reformen unternommen werden. Der europäische Integrationsprozess ist eine Antwort auf verschiedene Krisen in der Vergangenheit, bietet aber auch die Chance, von neuen Entwicklungen zu profitieren. Diese müssen aber politisch koordiniert werden, um die Kosten und Nutzen angemessen zu verteilen.

Italiens starke Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg

Die Erfahrung Italiens ist dabei besonders lehrreich. Das Land hat einen relativen wirtschaftlichen Abstieg erfahren, seit 1992 die Integration der Volkswirtschaften in Europa durch das Binnenmarktprogramm vorangetrieben wurde und Informationstechnologien sich zunehmend ausbreiteten. Diese Entwicklungen hatten Auswirkungen auf alle Länder, aber für Italien waren diese entweder besonders negativ oder das Land hat auf die entstehenden Herausforderungen nicht die richten Antworten gefunden. Um dem auf den Grund zu gehen ist es nützlich, etwas weiter zurück zu blicken, insbesondere auf Italiens starke wirtschaftliche Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg. Abbildung 1 zeigt das reale BIP pro Kopf für Italien, Frankreich und Deutschland, relativ zum Durchschnitt aller westeuropäischen Länder. Die Normalisierung gleicht Ereignisse aus, die ganz Europa betroffen haben (Kriege, technologisches Zurückfallen und Aufholen gegenüber den USA etc.) und hebt landesspezifische Entwicklungen hervor. Die Daten gehen zurück bis in das Jahr 1870, als Italien und Deutschland gerade als Nationalstaaten zu existieren begannen.

In Italien endete 1992 die politische Hegemonie der christdemokratischen Partei (Democrazia Christiana, DC). Während der gesamten Nachkriegszeit war die DC stets Teil häufig wechselnder Regierungskoalitionen. Strafrechtliche Untersuchungen brachten dieses System 1992 allerdings zu Fall. In der Folge fokussierte sich der politische Wettbewerb auf die Auseinandersetzung zwischen einer rechten Allianz von Silvio Berlusconis Forza Italia mit kleineren Parteien sowie verschiedenen Mitte-Links-Koalitionen unter der Führung von Romano Prodi.

Bei Europas Integration in die globale Wirtschaft sind die Auswirkungen nicht nur zwischen Individuen unterschiedlich, sondern auch zwischen Ländern. Freier Handel zwischen zwei Volkswirtschaften erhöht den durchschnittlichen Wohlstand in beiden Ländern, hat aber unterschiedliche Auswirkungen auf verschiedene Berufsgruppen und Produktionsfaktoren. Viele Studien zeigen, dass die Handelsintegration mit nicht-europäischen Volkswirtschaften für die Kernländer der EU von größerem Nutzen hinsichtlich sich eröffnender Exportmöglichkeiten war als für die Peripheriestaaten.

Italien könnte, relativ gesehen, insgesamt zu den Verlierern dieses Mechanismus zählen. Wenn beispielsweise die Globalisierung Deutschland ermöglicht, mehr Maschinen nach China zu verkaufen und Kleidung eher aus Vietnam als aus Italien zu kaufen, profitiert der durchschnittliche Deutsche davon mehr als der durchschnittliche Europäer und deutlich mehr als der durchschnittliche Italiener. Der strukturelle Wandel, den die Globalisierung und der technologische Fortschritt notwendig machen, ist dabei an sich nicht länderspezifisch. Er wirkt sich auf Sektoren und Berufsgruppen aus sowie auf Regionen und Städte, in denen die jeweiligen Produktionsfaktoren eine mehr oder weniger große Rolle spielen. Die relative Bedeutung von positiv und negativ betroffenen Sektoren auf aggregiertem nationalem Level bestimmt jedoch die Relevanz dieses Wandels für die verschiedenen Länder.

Fabriken produzierten trotz Krise weiter

Um zu verstehen wie die wirtschaftliche Integration zur anhaltenden wirtschaftlichen Stagnation Italiens führte, ist es notwendig, mögliche landesspezifische Gründe für die enttäuschende Entwicklung zu finden. In Italien waren Märkte, Politikmaßnahmen und Institutionen nicht dazu in der Lage, auf den Strukturwandel zu reagieren. Arbeits- und Finanzmärkte sollten die Produktionsfaktoren in hochproduktive Firmen und Sektoren lenken. Calligaris et al. (2016) dokumentiert jedoch, dass Italien nicht nur einen fast ununterbrochenen Rückgang in durchschnittlicher Faktorproduktivität aufwies, sondern auch einen starken und kontinuierlichen Anstieg von Produktivitätsunterschieden zwischen Firmen. Dieses Phänomen ist besonders im Nordwesten ausgeprägt, wo viele traditionelle Fabriken lange Zeit weiter produzierten, nachdem ihre Arbeiter schon lange neuen Beschäftigungen hätten nachgehen sollen. Das Ausmaß der Fehlallokation von Produktionsfaktoren ist eindeutig verknüpft mit Indikatoren von schwacher Unternehmensführung, -kontrolle und -finanzierung sowie falscher Belegschaftszusammensetzung, unzureichender Internationalisierung und Innovationsfähigkeit und Vetternwirtschaft. Dies gilt sowohl für die Zeit vor als auch nach der Einführung des Euros.

Solche Schwächen der italienischen Wirtschaft bestanden bereits vor der Stagnation, wie auch andere Probleme: etwa das organisierte Verbrechen und Korruption, die tief in der regionalen Heterogenität des Landes verwurzelt sind, ein ineffizientes Rechtssystem und ein nicht gerade konstruktives politisches Klima. Letzteres kann wiederum auf kulturelle Faktoren wie den Einfluss des Privatfernsehens und ein teilweise dysfunktionales Bildungssystem zurückgeführt werden. Während viele der Probleme auch während vorangegangener Boomphasen bestanden, wurden sie durch die aktuellen Entwicklungen zu einer deutlich größeren Belastung. Die italienischen Arbeitskräfte sind beispielsweise deutlich schlechter ausgebildet als in anderen Industrieländern. Dies hatte keinen negativen Effekt auf die Produktivität des Landes, so lange es traditionelle Güter produzierte, wurde allerdings zum Problem, als die ökonomische Integration und technologische Fortschritte einen Wandel hin zur Hightech-Produktion erforderlich machten. Selbst unter idealen Voraussetzungen würde es Generationen dauern, um das Bildungssystem den veränderten Anforderungen anzupassen. In Italien dauerte es jedoch zu lange, bis allein die Notwendigkeit von Reformen akzeptiert wurde. In diesem und auch anderen Aspekten muss sich Italien verändern, hat sich aber als weniger wandlungsfähig als andere Länder erwiesen.

Italien ist natürlich nicht das einzige Land, das Erfahrungen mit zunehmend turbulenten politischen Entwicklungen und einer andauernden Verringerung seiner Produktivität machte. Es existieren aber auch Beispiele für positivere Reformerfahrungen von Ländern, die den relativen Abstieg umkehren konnten. Dazu gehören Dänemark, die Niederlande, Schweden, Finnland und Deutschland. Diese Fälle zeigen, dass zwar auch Glück eine Rolle spielt, sinnvolle und zeitgemäße Reformen aber durchaus entscheidenden Einfluss haben. Darüber hinaus sind einige politische Systeme von Natur aus kohärenter und pragmatischer. Anpassung scheint in kleineren und homogeneren Ländern einfacher, in denen Entscheidungsträger Reaktionen auf Schocks besser koordinieren können.

Grundsätzlich sind Reformen keine einmalige Anstrengung. Zukünftige Entwicklungen können neue Reaktionen erfordern und es gibt kein Patentrezept, das hierbei zu befolgen ist. Es ist zu leicht, die Nachteile von Lösungen der Vergangenheit zu ignorieren, aber auch vereinfachende Scheinlösungen helfen nicht weiter. Der Wohlstand der Nationen hängt zwar teilweise von Umständen außerhalb der Kontrolle einzelner Länder ab, aber auch von konstruktiven Politikreaktionen auf diese Schocks. Die politischen Prozesse einiger Länder sind dafür gut geeignet, andere müssen an ihren Institutionen arbeiten. Alle Länder sollten sich jedoch bewusst sein: Neue Wege, die Gewinne und Verluste angemessen zu verteilen, helfen dabei, Stillstand zu vermeiden und sich dem unvermeidlichen Wandel anzupassen.

Schaumstoff in Sportstudios schädlich

pte20190327004 Medizin/Wellness, Sport/Events

„Foam Pits“, Matten und Co enthalten oftmals gesundheitsgefährdende Brandschutzmittel

(pte004/27.03.2019/06:15) – Mit Schaumstoffwürfeln gefüllte Gruben in Gymnastikstudios, sogenannte „Foam Pits“ sowie Matten und anderes Sportgerät, enthalten oft Brandschutzmittel, die beim Training freigesetzt werden und dem Menschen schaden. Das ergibt eine Studie des Silent Spring Institute http://silentspring.org . Foam Pits sind mit Schaumstoffteilen gefüllte Gruben, in denen Gymnasten Sprünge üben. Die Schaumstoffteile bestehen aus Polyurethan, einem Material, in dem brandhemmende Chemikalien enthalten sind.

Gesundheit hat Vorrang

Brandschutzmittel wurden in vergangenen Studien mit medizinischen Problemen wie Schilddrüsenerkrankungen, Aufmerksamkeitsdefizitstörung, Unfruchtbarkeit und Krebs in Verbindung gebracht. „Bei einem Flammschutzmittel sollte darauf geachtet werden, dass es keine Halogenide oder Borsalze enthält. Es gibt heutzutage sehr effektive, gesundheitlich unbedenkliche Brandschutzmittel“, so Berit Schwesinger, Geschäftsführerin des Brandschutzanbieters AISCO http://aisco.de , im Gespräch mit pressetext.

In Gymnastikstudios wurden auch hohe Mengen davon im Staub gefunden. Laut Studienautorin Courtney Carignan sind besonders professionelle Gymnasten gefährdet, die bereits in der Kindheit mit dem Training beginnen und sehr häufig ins Studio gehen. Deswegen sollte die Ausrüstung keine Brandschutzmittel enthalten. Carignan empfiehlt Gymnasten auch, nach dem Training und vor dem Essen ihre Hände zu waschen.

„Hier ist die Fragestellung sehr wichtig, ob das Brandschutzmittel erst nachträglich auf den Schaumstoff aufgesprüht oder schon während der Herstellung eingearbeitet wurde. Nur Letzteres macht Sinn. Es ist nicht in Ordnung, wenn das Mittel nur aufgesprüht wird. Denn durch die mechanische Beanspruchung wird das Flammschutzmittel abgetragen und der Brandschutzeffekt ist schon bald weg. Es kann alleine durch nachträgliches Einsprühen kein effektiver Brandschutz gewährleistet werden“, sagt Schwesinger.

Ersatzteile ohne Brandschutzmittel

Für die Studie wurden Handreinigungstücher von zehn Gymnasten vor und nach einem zweistündigen Training mit den Gruben untersucht. Die Proben wurden auf ein Dutzend verschiedener Brandschutzmittel überprüft. Dann wiederholten die Forscher das Experiment und tauschten die Schaumstoffwürfel durch Ersatzteile ohne Brandschutzmittel aus. An den Händen der Gymnasten fanden sich bei der zweiten Untersuchung um 5,6 Mal weniger Überreste von brandhemmenden Chemikalien.

Um die Sicherheit des Studios zu gewährleisten, überprüfte ein Brandschutzinspektor die Räumlichkeiten vor dem Experiment. Da das Studio Sprinkleranlagen und andere Brandschutzmaßnahmen hatte, wurde es als sicher eingestuft. Ko-Autor Robin Dodson meint, das Brandschutzmittel an den Schaumstoffwürfeln wäre nicht nur schädlich, sondern auch wenig effektiv bei der Verhinderung von Bränden. Es gäbe deswegen keinen Grund, Gymnasten diesen Chemikalien auszusetzen.

Schwesinger dazu: „Schwer oder leicht entflammbarer Schaum, beide schmelzen bei Feuer. Ein Flammschutzmittel verhindert nur die Entzündbarkeit. Es fragt sich also, ob ein Flammschutzmittel bei derartigen Schaumstoffen sinnvoll ist. Gesundheitlich bedenklich kann auch ein billiger Schaum sein, auch ohne Flammschutzmittel, in dem dieser durch Alterung Stäube aufwirbelt, die dem Menschen über Hautkontakt oder Atemwege schaden können.“

 

KI sagt Lebensdauer von Akkus vorher

pte20190327002 Forschung/Technologie, Umwelt/Energie

Maschinenlernendes System verspricht haltbarere Smartphones und schnellere Entwicklung

(pte002/27.03.2019/06:05) – US-Forscher haben eine KI entwickelt, die abschätzt, ob ein Lithium-Ionen-Akku lange halten wird. Schon nach fünf Ladezyklen weiß das System mit gut 95-prozentiger Sicherheit, ob eine Speicherzelle eine lange Lebensdauer hat und daher beispielsweise für Smartphones oder E-Autos taugt. Die KI, die in Kooperation mit der Stanford University http://stanford.edu und dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) http://mit.edu sowie Toyota entstanden ist, soll auch die Entwicklung neuer Akku-Designs beschleunigen.

Schlaues Daten-Orakel

Die Lebensdauer eines Akkus ist dadurch begrenzt, wie viele Ladezyklen dieser ohne signifikanten Kapazitätsverlust hält. Wenn Hersteller das vorab beurteilen könnten, wäre es möglich, nur Akkus, die auch wirklich mehrere Jahre tägliches Aufladen aushalten, in Geräte wie Handys zu verbauen und weniger haltbare Exemplare dort zu nutzen, wo die Lebensdauer kaum eine Rolle spielt. Eben das könnte dank der maschinenlernenden KI tatsächlich möglich werden. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass wir das Verhalten komplexer Systeme weit in die Zukunft vorhersagen können“, erklärt Richard Braatz, Chemietechnik-Professor am MIT.

Wie die Forscher in „Nature Energy“ berichten, haben sie das System mit einigen hundert Mio. Datenpunkten von den ersten 100 Lade- und Endladezyklen etlicher Akkus trainiert. Der Algorithmus konnte dann vorhersagen, wie viele weitere Ladezyklen jeder dieser Akkus noch hält, ehe er 20 Prozent Kapazität einbüßt. Die Abschätzung lag dabei im Schnitt innerhalb von neun Prozent vom tatsächlichen Wert, der je nach Akku 150 bis 2.300 Zyklen betrug. Bei der groben Abschätzung nach nur fünf Zyklen, welche Akkus langlebig sein werden, lag die KI lediglich in 4,9 Prozent der Fälle falsch.

Entwicklung beschleunigen

Für die Wissenschaftler geht es aber auch darum, die Weiterentwicklung der Akku-Technologie zu erleichtern. „Der normale Weg, neue Akku-Designs zu testen ist, die Zellen zu laden und zu entladen, bis sie versagen“, erklärt Peter Attia, Stanford-Doktorand in Materialwissenschaft und -technik. Gerade bei langlebigen Akkus kann genau dies Monate oder Jahre dauern. „Das ist ein teurer Flaschenhals in der Akku-Forschung.“

„Trotz all der Zeit und des Geldes, die in Akku-Entwicklung fließen, wird Fortschritt noch in Jahrzehnten gemessen“, meint auch Patrick Herring vom Toyota Research Institute http://www.tri.global . Das KI-System könne zeitaufwendige Akku-Tests wesentlich beschleunigen. Das soll beispielsweise helfen, schneller wirklich haltbare Akkus zu finden, die in nur zehn Minuten aufgeladen werden können. Denn solche Schnelllade-Akkus wären für Elektroautos interessant und könnten deren Durchbruch auf dem Massenmarkt vorantreiben.

Kontrolle von Brücken und Gebäuden wird sicherer

Mit Verfahren der additiven Fertigung lassen sich komplexe Bauteile passgenau und kostengünstig herstellen. Das ist vor allem dann sinnvoll, wenn die Teile in geringer Stückzahl benötigt werden. Da die Technologie noch jung ist, fehlt es allerdings bislang an geeigneten Verfahren zur Qualitätsprüfung während der Fertigung. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) schauen daher in den Prozess: Sie entwickeln Verfahren, mit denen sie während der Herstellung überwachen können, ob Fehler am Bauteil entstehen. So lassen sich zukünftig aufwendige Qualitätskontrollen nach der Fertigung und die Ausschussproduktion verringern. Die Herstellung von Bauteilen, beispielsweise für Anwendungen in der Luft- und Raumfahrt oder in der Medizintechnik, wird damit schneller und kostengünstiger werden.

Die BAM nimmt im Projekt „Prozessmonitoring in der additiven Fertigung“ (ProMoAM) die Herstellung von Bauteilen aus metallischen Ausgangsmaterialien unter die Lupe. Dazu gehören unter anderem Bauteile, die per selektivem Laserschmelzen im Pulverbettverfahren entstehen. Bilden sich zum Beispiel Gasporen oder entstehen Risse? Und wenn ja: Was ist die Ursache und wie lässt sich die Entstehung von Qualitätsmängeln vermeiden?

Um das herauszufinden, entwickelt das Projektteam Verfahren der Spektroskopie und der zerstörungsfreien Prüfung zur Kontrolle des Herstellungsprozesses. „Da im Pulverbettverfahren die Bauteile lagenweise gefertigt werden, bildet jede Schicht irgendwann im Fertigungsprozess einmal die Oberfläche und kann dann von uns gut überwacht werden“ erklärt Projektleiter Dr. Simon Altenburg. „Diesen Vorteil nutzen wir für das sogenannte In-situ-Monitoring“. Zum Einsatz kommen dabei beispielsweise thermografische und optische Verfahren.

Die einzelnen Messergebnisse werden schließlich zu einem 3D-Datensatz zusammengefügt, der der Geometrie des Bauteils entspricht. Der komplette Datensatz liefert den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern umfangreiche Informationen über das Innere des Bauteils und somit die Qualität. Zudem sind Rückschlüsse möglich, an welchen Stellen das additive Fertigungsverfahren verbessert werden kann.

Das Projektteam nutzt für seine Arbeit die umfangreiche Erfahrung der BAM in der forschungsbasierten und industrienahen Entwicklung von zerstörungsfreien und chemischen Analyseverfahren in industriellen Prozessen.

Die Qualität additiv gefertigter Teile muss stimmen, vor allem wenn sie für den sicheren Betrieb von Industrieanlagen oder Motoren eine wichtige Rolle spielen. „Unser Ziel ist es, zukünftig die Herstellung von Bauteilen während des Prozesses so zuverlässig zu überwachen, dass nach der Fertigung keine Prüfungen mehr erforderlich sind“, so Altenburg.

Die Qualitätskontrolle im laufenden Prozess wird die additive Fertigung von komplexen Teilen einfacher und schneller machen. So unterstützt die BAM mit ihrem Know-how den erfolgreichen Einsatz additiver Fertigungsverfahren in der Praxis.

Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM)

Darmbakterien und Hormone

62. Deutscher Kongress für Endokrinologie vom 20. bis 22. März 2019 in Göttingen

Mikroorganismen mit großer Wirkung: Welchen Einfluss haben unsere Darmbakterien auf Hormonhaushalt und Fruchtbarkeit?

Göttingen, März 2019 – Der menschliche Körper gleicht einer großen Wohngemeinschaft: Auf der Haut, im Darm und an vielen anderen Stellen des Körpers leben Milliarden von Mikroorganismen. In Studien mehren sich die Hinweise darauf, dass die Zusammensetzung des Darmmikrobioms mit darüber entscheidet, ob jemand gesund oder krank ist, an Gewicht zulegt und sich depressiv oder seelisch ausgeglichen fühlt. Ob und wie das Mikrobiom auch unseren Hormonhaushalt beeinflusst und beispielsweise das Polyzystische Ovar-Syndrom (PCOS), das mit Übergewicht und ungewollter Kinderlosigkeit einhergehen kann, mitverursacht, diskutieren Experten auf der Pressekonferenz des 62. Kongresses für Endokrinologie (20. bis 22. März 2019) am 20. März 2019 in Göttingen.
Entzündliche Darmerkrankungen, Diabetes, Adipositas, Hautkrankheiten und Allergien – viele menschliche Leiden sind in den letzten Jahren mit Veränderungen des Darmmikrobioms in Zusammenhang gebracht worden. „Zu den wenigen Gewissheiten zählt, dass die mikrobielle Gemeinschaft aus Bakterien, Archaebakterien, Viren und Pilzen zum Stoffwechsel beiträgt und die Verdauung von Zucker, Fetten und anderen Nährstoffen beeinflusst“, erklärt Professor Dr. med. Heide Siggelkow, Kongresspräsidentin und Ärztliche Leiterin MVZ ENDOKRINOLOGIKUM Göttingen, Zentrum für Hormon- und Stoffwechselerkrankungen, Nuklearmedizin und Humangenetik, Osteologisches Zentrum DVO.
Wie das Zusammenspiel der Mikroorganismen aber genau funktioniert, welche Arten und Zusammensetzung für die Gesundheit eines Menschen entscheidend sind und wie Ursache und Wirkung in diesem komplexen Gefüge verteilt sind, sei derzeit noch Gegenstand intensiver Forschung.
Mit Hinweisen auf ein Wechselspiel zwischen Hormonen und Darmbakterien bringen Grazer Wissenschaftler nun ein weiteres Erkrankungsbild ins Spiel: das Polyzystische Ovar-Syndrom (PCOS). Das PCOS betrifft rund zehn Prozent aller Frauen weltweit und ist unter anderem durch überhöhte Spiegel männlicher Geschlechtshormone gekennzeichnet. Diese führen zu betont männlicher Körperbehaarung, Akne, aber auch zu Haarausfall. Die Regelblutung kann unregelmäßig werden oder ganz ausbleiben. Und es kann zu den namensgebenden „polyzystischen“, also viele Follikelbläschen aufweisenden Eierstöcken
(Ovarien) führen. Frauen mit PCOS haben oft Fertilitätsprobleme, können also nicht schwanger werden, sind häufig deutlich übergewichtig und haben ein erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes, aber unter anderem auch Depressionen und Angststörungen.
Im Rahmen einer Pilotstudie haben Professor Dr. med. Barbara Obermayer-Pietsch von der Medizinischen Universität Graz und ihre Arbeitsgruppe Frauen mit PCOS untersucht und deren Darmmikrobiom mit dem gesunder Probandinnen verglichen. Dabei zeigte sich, dass sowohl die Zahl als auch die Art der Mikroben mit den Symptomen und Hormonveränderungen bei PCOS korrelierte. Auch die Durchlässigkeit der Darmwand und Entzündungsfaktoren bei PCOS standen im Zusammenhang mit der mikrobiellen Vielfalt. „Wir gehen aufgrund unserer Studienergebnisse davon aus, dass die Zusammensetzung des Mikrobioms auch einen Einfluss auf unsere Geschlechtshormone und ihre Funktion hat“, sagt Obermayer-Pietsch, die auch Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Endokrinologie und Stoffwechsel ist.
Bislang wird das PCOS hauptsächlich durch Gewichtsreduktion und Hormongaben behandelt. „Wenn sich unsere Beobachtungen in größeren Studien bestätigen, könnte etwa die Anwendung prä- oder probiotischer Therapeutika infrage kommen, um die Darmflora positiv zu beeinflussen“, betont Obermayer-Pietsch. Auch insulinsensitivierende Mittel wie das in der Diabetestherapie schon sehr lange und erfolgreich verwendete Medikament Metformin könnten einen höheren Stellenwert bekommen. „Metformin, das direkt auf die Darmflora wirkt, wird bislang noch zu wenig bei der PCOS-Behandlung eingesetzt. Sollten Studienergebnisse die positive Wirkung bestätigen, wäre das eine weitere Therapieoption“, ergänzt Kongresspräsidentin Siggelkow.