Archiv der Kategorie: Wissenschaft

Brexit-Idiotie epischen Ausmaßes

Studie zu Einkommensverlusten So stark trifft der Brexit deutsche Regionen

Wenn die Briten die EU verlassen, drohen auch in Teilen Deutschlands empfindliche Einkommensverluste. Forscher haben berechnet, welche Regionen besonders betroffen wären.

Von David Böcking und Alexander Preker

Der Brexit sei eine „Idiotie epischen Ausmaßes“. Das sagte ein sichtlich wütender Mann im südenglischen Swindon kürzlich britischen Reportern. Seit 24 Jahren arbeitet er nach eigenen Angaben im örtlichen Honda-Werk – das der japanische Autohersteller nun schließt. Hinter der Entscheidung stand offenbar auch die Sorge vor einem ungeregelten EU-Austritt.

Von Hamsterkäufen und Lkw-Staus bis hin zur Angst vor schlechter medizinischer Versorgung wurden schon viele mögliche Brexit-Folgen diskutiert. Doch wie groß ist die Gefahr für einzelne Regionen? Gibt es ähnlichen Ärger wie in Swindon bald auch in anderen Regionen Großbritanniens oder der EU? Das untersucht eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, die am Donnerstag veröffentlicht wird und dem SPIEGEL vorab vorlag.

Auf Basis einer Modellrechnung haben die Forscher bis auf die Ebene von Regierungsbezirken und Metropolen prognostiziert, wie sehr die jeweiligen Handelsströme nach Großbritannien durch den Brexit beeinträchtigt werden. Dabei wird zwischen einem weichen und einem harten Brexit unterschieden, also mit oder ohne Vertrag, der die künftigen Handelsbeziehungen regelt.

Mit Abstand am stärksten betroffen wäre demnach wenig überraschend Großbritannien selbst. Bei einem harten Brexit drohen dort Einkommensverluste von jährlich 57 Milliarden Euro – was jährlich im Schnitt rund 900 Euro pro Einwohner entspricht. Den Süden Englands, der besonders enge Handelsbeziehungen zum nahen Festland pflegt, würde es in jedem Szenario am härtesten treffen. In London prognostizieren die Forscher sogar Pro-Kopf-Verluste von rund 2800 Euro im Jahr.

Doch schon an zweiter Stelle nach den Briten folgen die Deutschen. Insgesamt droht ihnen bei einem harten Brexit ein Minus von rund zehn Milliarden Euro, das wären Pro-Kopf-Verluste von 115 Euro. Doch auch hier sind einzelne Regionen besonders stark betroffen.

Die höchsten Verluste hätte mit insgesamt gut zwei Milliarden Euro Nordrhein-Westfalen, und hier insbesondere die Regierungsbezirke Düsseldorf und Köln. Falls Großbritannien ohne Vertrag die EU verlässt, rechnen die Autoren dort mit Verlusten von 650 und 558 Millionen Euro, das entspricht jeweils durchschnittlich 126 Euro pro Kopf und Jahr.

Es folgen der Bezirk Oberbayern, der insgesamt 526 Millionen beziehungsweise 115 Euro pro Kopf verlieren würde, und Stuttgart, wo 473 Millionen Euro auf dem Spiel stehen, 116 Euro je Bürger.

Allerdings könnte Oberbayern die Brexit-Verluste nach Ansicht der Autoren besser abfedern als Düsseldorf oder Köln. Denn dort sitzen weltweit tätige Konzerne wie Audi in Ingolstadt oder BMW in München, für die der Handel mit China und den USA deutlich wichtiger ist.

Chinesen und Amerikaner würden der Studie zufolge zu den Gewinnern eines harten Brexits gehören: Wenn Zölle und andere Hemmnisse den Handel in Europa verteuern, dürfte ein Teil davon sich in ihre Weltregionen verschieben.

Bezirke in Nordrhein-Westfalen dagegen wären den Forschern zufolge besonders stark betroffen. Nach Frankreich und den Niederlanden sei Großbritannien in dem Bundesland der drittwichtigste Handelspartner, sagt Mitautor Dominic Ponattu. „Regionen mit produktivem Mittelstand wären von einem Brexit besonders betroffen.“

Den Berechnungen, die die Autoren für die Regionen entsprechend der Regierungsbezirke in ganz Europa erstellt haben, liegen Daten zum regionalen Bruttoinlandsprodukt zugrunde. Auf dieser Grundlage haben sie ein Gleichgewichtsmodell des Handels entwickelt – und untersuchten, was passiert, wenn die Preise steigen, Zölle erhoben werden und die Produktivität langsamer wächst.

Anders als in früheren Handelsmodellen berücksichtigen die Autoren hier auch die geografische Entfernung zwischen den Handelsmärkten, laut Ponattu ein entscheidender Faktor. Auch kulturelle Faktoren wie Sprache spielen eine Rolle, da die Forscher etwa davon ausgehen, dass auch die Verbreitung von Englischkenntnissen in einem Land sich auf die Handelsbeziehungen nach Großbritannien auswirken.

 

Quantenforschung trifft Praxis

Nummer: 022/2019 | 21.03.2019

Die Quantenwelt verstehen – und wirtschaftlich nutzen

30 Millionen Euro für Quantenbildgebung und Quantensensorik

Erkenntnisse aus der Quantenforschung sollen rasch in die Anwendung gelangen, das ist das Ziel einer Forschungsinitiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und der Fraunhofer-Gesellschaft. Rund 30 Mio. Euro stehen dafür bereit, knapp 80 Prozent davon (24 Mio. Euro) aus dem Haushalt des BMBF finanziert. Die verbleibenden Mittel stellen die Bundesländer, insbesondere Baden-Württemberg mit einer Sonderfinanzierung in Höhe von 5 Mio. Euro.

Bundesforschungsministerin Anja Karliczek betont: „Deutschland will die Chancen von Quantentechnologien nutzen und ihre Entwicklung aktiv mitgestalten. Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung wollen wir in die Anwendung bringen. Dafür schaffen wir als Bundesregierung mit dem Programm ‚Quantentechnologien‘ jetzt die Voraussetzungen. Die technische Beherrschung der Quanteneffekte bis hin zu einzelnen Atomen, Elektronen und Photonen birgt enorme Potenziale, beispielsweise kann sie mit hochpräziser Bildgebung eine bessere Diagnostik ermöglichen. Wir wollen die Vernetzung von Forschung und Wirtschaft verstärken, damit wir diese Potenziale künftig nutzen können. Neben der quantenbasierten Bildgebung und Sensorik planen wir weitere Leuchttürme zur Quantenkommunikation und zum Quantencomputing. Damit machen wir große Schritte in das wichtige Zukunftsfeld der Quantentechnologien.“

Deutschland ist stark in der Quantenphysik und Quantentechnologien der ersten Generation. Diese Stärke möchte die Bundesregierung nutzen. Dafür hat sie im September 2018 das Rahmenprogramm „Quantentechnologien – von den Grundlagen zum Markt“ beschlossen.

Auf dieser Basis startet jetzt eine strategische Initiative des Bundesforschungsministeriums und der Fraunhofer-Gesellschaft zur Quantenbildgebung und Quantensensorik. Insgesamt elf Fraunhofer-Einrichtungen arbeiten im Rahmen der Initiative für das Ziel, mehr Forschungswissen aufzubauen und anwendungsnahe Technologien für enge Kooperationen mit der Wirtschaft zu entwickeln.

Die neuartigen Bildgebungsverfahren und Sensoren nutzen Quanteneffekte, um Abbildungen mit einem neuen Maß an Empfindlichkeit und Präzision über optische Verzerrungen hinweg zu erfassen oder kleinste Magnetfelder und elektrische Ströme zu vermessen. Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig: Messungen werden wesentlich genauer, beispielsweise in der medizinischen Diagnostik oder in neuartigen Navigationssystemen. Mit Quantentechnologien können auch elektronische Komponenten und Speichermedien auf kleinsten nanometrischen Dimensionen entwickelt werden.

Im Rahmen der Initiative werden die Quantum Photonics Labs (QPL) am Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik in Jena gefördert. Damit entsteht ein Transferzentrum für universell einsetzbare quantenoptische Technologien. Das Zentrum besitzt Modellcharakter für das strategische Ziel einer nationalen Infrastruktur von Applikationslaboren – für und mit Partnern aus Forschung und Industrie.

Prof. Dr. Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, fasst die zukünftige strategische Ausrichtung zusammen: „Die Fraunhofer-Gesellschaft erachtet die Quantentechnologien als bedeutende Chance für die Zukunft des Hightech-Standorts Deutschland und Europa. Im Schulterschluss mit dem BMBF werden wir die Quantentechnologien intensiv und mit Nachdruck fördern. Es wird Zeit, die wertvollen Erkenntnisse aus langjähriger Forschung zu nutzen. Diese besondere Technologie ist der Grundstein für den Aufbau einer international kompetitiven Industrie und einer selbstbestimmten Gesellschaft in den globalen Entwicklungen des digitalen Wandels.“

Hässliches monokromates Licht der Natriumdampf-Straßenbeleuchtung kann durch noch sparsamere LED-Leuchten ersetzt werden

Eine neuartige, noch sparsamere LED-Straßenleuchte haben Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickelt. Indem sie die herkömmlichen Hochleistungsdioden durch eine spezielle Anordnung schwächerer LEDs ersetzten, konnten die Wissenschaftler den Stromverbrauch noch einmal um 20 Prozent senken. Das vermindert den CO2-Ausstoß und Kommunen könnten Millionen an Stromkosten sparen. Die Pfalzwerke Netz AG hat im Rheinland-Pfälzischen Maxdorf jetzt erstmals Straßenlaternen mit den neuen Leuchtköpfen ausgestattet.

„Es ist uns gelungen, den Wirkungsgrad und die Lebensdauer der Lampen gegenüber herkömmlichen LED-Leuchten noch einmal deutlich zu steigern“, sagt Michael Heidinger vom Lichttechnischen Institut (LTI) des KIT. Er hat eine trickreiche Schaltung erdacht, die Alterung und Versagen einzelner Leuchtdioden abfängt. Eine größere Zahl von LEDs parallel zu schalten, sei schwierig, da der Ausfall einer einzelnen Diode zu einem Versagen des gesamten Systems oder Teilbereichs führt – ein Phänomen, das man etwa von dekorativen Lichterketten kennt. Die Alternative, die LEDs in Reihe zu schalten, habe ebenfalls Nachteile, da hier mit steigender Zahl der Dioden sehr hohe Spannungen benötigt werden. Weil die als nicht lebensbedrohlich geltende Berührungsspannung bei 120 Volt liegt, konnten bislang nur bis zu 40 LEDs in einer Reihenschaltung verbaut werden. Jetzt ist es möglich, viele Leuchtpunkte – bei den hier eingesetzten Leuchtmodulen sind es 48 – kostengünstig auf einer Platine zu montieren. Dazu sind die Leuchten sicherer zu handhaben, da es Heidingers neues Schaltkonzept erlaubt, mit Spannungen von 20 Volt zu arbeiten, wo sonst über 120 Volt notwendig sind.

Von den stromsparenden Eigenschaften der neuartigen LED-Leuchte dürften zukünftig auch Städte und Gemeinden profitieren: Die Umstellung der alten konventionellen stromfressenden Straßenbeleuchtung auf LED-Technik ist vielerorts bereits in vollem Gange. So umfasst etwa die Stadtbeleuchtung einer mittleren Großstadt mit rund 320 000 Einwohnern wie Karlsruhe nach Angaben der Stadtwerke über 55 000 Lampen (etwa 35 Prozent davon LEDs), deren Stromverbrauch im Jahr 2018 etwa 10 800 Megawattstunden betrug. Jährliche Strom- und Wartungskosten: rund drei Millionen Euro. Die zusätzlichen Einsparpotenziale sind erheblich. „Bei einer vollständigen Umstellung auf die neuartigen LEDs sind noch einmal finanzielle Einsparungen von bis zu 30 Prozent möglich“, sagt Stefan Lang, bei den Pfalzwerken verantwortlich für Technologie und Innovation.

Darüber hinaus haben die bislang einzigartigen Lampen Leuchteigenschaften, die für das menschliche Auge angenehmer sind. „Viele kleine LEDs werden aus einiger Entfernung als Flächenstrahler wahrgenommen. Sie blenden dadurch weniger als Hochleistungs-LEDs, die als Punktlichtquelle wahrgenommen werden“, sagt Klaus Müller, Geschäftsführer der Gratz Luminance GmbH, welche die neuen Außenleuchten im baden-württembergischen Weinsberg herstellt. Obendrein sind sie günstiger in der Anschaffung: Denn Kleinleistungs-LEDs sind billiger als Hochleistungs-LEDs, sodass das neue System zu einem niedrigeren Preis hergestellt und angeboten werden kann – obwohl mehr Leuchtdioden benötigt werden. Schließlich sei der Umstieg auf die neue Lampentechnik unkompliziert und damit preiswert: „Unser Leuchtenkopf kann einfach auf bestehenden Masten montiert werden“, erklärt Müller.

Die Leuchten werden im Feldtest in Maxdorf nun eingehend erprobt. Auch andere Kommunen interessieren sich für die Technik. Die Serienfertigung wird vorbereitet. „Wir hoffen die Leuchte im zweiten Halbjahr 2019 ausgewählten Pilotkunden anbieten zu können“, so Müller.

Details zum KIT-Zentrum Information · Systeme · Technologien (in englischer Sprache): http://www.kcist.kit.edu

Beton aus abgefangenem Kohlendioxid (CO2)

21. März 2019

Neue Ideen zur Nutzung von CO2 ausgezeichnet:

Beton aus Kohlendioxid

• Unternehmen aus Kanada, Norwegen und Deutschland prämiert
• Covestro sponsert Innovationspreis von Forschungsinstitut

Beton, Treibstoff oder Chemikalien aus CO2 herstellen – für diese bahnbrechenden Ideen sind drei Unternehmen aus Kanada, Norwegen und Deutschland mit einem neuen Innovationspreis prämiert worden. Sie nahmen die Auszeichnung des renommierten nova-Instituts am Mittwoch auf einer Konferenz zur CO2-Nutzung mit rund 200 Teilnehmern in Köln entgegen. Der Preis wird vom Werkstoffhersteller Covestro gesponsert, der selbst intensiv und erfolgreich an der Erforschung und praktischen Verwendung von Kohlendioxid als Rohstoff arbeitet.

Im Vorfeld hatte es 20 Einreichungen für den Preis „Best CO2 Utilisation 2019“ gegeben, den das nova-Institut erstmals vergibt. Dabei spielt das Recycling von Kohlendioxid eine zentrale Rolle. Jede Idee hat den Anspruch, langfristig industriell umgesetzt werden zu können. Dies zeige, welche Bedeutung das Thema inzwischen habe und wie aktiv zahlreiche Unternehmen auf diesem Gebiet bereits seien, so Michael Carus, Geschäftsführer des nova-Instituts.

CO2 mit anderen Augen sehen

„CO2 wird zunehmend mit anderen Augen gesehen, nämlich als wertvoller Rohstoff“, betonte auch der Covestro-Vorstandsvorsitzende Dr. Markus Steilemann, der die drei Preisträger kürte. „Damit gelingt es der Chemieindustrie, ihre Produktion nachhaltiger zu machen, fossile Ressourcen wie Erdöl zu ersetzen und die Kreislaufwirtschaft voranzutreiben.“

Fünf nominierte Unternehmen stellten ihre Lösungen auf der Konferenz in Kurzvorträgen vor, die Sieger wurden anschließend vom Publikum gewählt. Der erste Preis ging an das Unternehmen Carbicrete aus Kanada. Es hat ein Verfahren entwickelt, um Beton ohne Zement herzustellen. Dieser wird durch gemahlene Stahlschlacke ersetzt und die Mischung anschließend durch CO2 anstelle von Wärme und Dampf ausgehärtet. Das neue Produkt ist kostengünstiger, hochwertiger und nachhaltiger als Beton auf Zementbasis.

Auf den zweiten Platz kam die norwegische Firma Nordic Blue Crude, der es gelungen ist, aus CO2, Wasser und erneuerbarer Energie synthetisches Rohöl zu produzieren. Dieses kann als Diesel oder Kerosin verwendet und zu Benzin veredelt werden. Auf Rang drei folgte die Gesellschaft b.fab aus Dortmund – für ein Verfahren, um CO2, Wasser und erneuerbare Energie effizient in wertschöpfende Chemikalien wie Milchsäure umzuwandeln.

Covestro selbst hat mit wissenschaftlichen Partnern eine Technologie entwickelt, um CO2 in der Kunststoffproduktion zu nutzen. Das Unternehmen stellt damit bereits chemische Komponenten (Polyole) für Schaumstoff und für Bindemittel her, die in Matratzen und Sportböden Verwendung finden. Zahlreiche weitere Anwendungen sind in der Entwicklung.

Wissenschaftsblogs – eine wichtige Informationsquelle – Mit einer persönlichen Meinung von Jean Pütz

Liebe Besucher meiner Homepage !

Mein Freund, Reiner Korbmann, einer der profiliertesten Wissenschaftsjournalisten Deutschlands, unterhält eine Homepage mit dem Titel ‚Wissenschaft kommuniziert‘. Er organisiert jedes Jahr eine Auswahl der besten Wissenschafts-Blogs. Es wird Sie interessieren, diese Blogs anzuklicken. Unsere Kultur ist auf Wissenschaft aufgebaut, ohne sie, das Verständnis und ihre Würdigung würde dieser ‚Turmbau zu Babel‘ zusammenbrechen. Wir ziehen alle an einem Strang.
Ihr Jean Pütz

Der „Wissenschafts-Blog des Jahres 2018“:

Der Theorieblog der Leibniz-Universität Hannover erhält Gold
Ein Forum für politische Theorie, Philosophie und Ideengeschichte, 2010 ins Leben gerufen von vier jungen Politikwissenschaftlern in Hannover, heute ein bundesweites Netzwerk. Ziel: Der deutschsprachigen Theorie-Community einen Ort zu bieten, der Information, Austausch und Diskussion ermöglicht.  Wissenschaftliche Ideen können hier genauso diskutiert werden wie tagespolitische Ereignisse oder die Befindlichkeiten der Disziplinen. Sein Anliegen: Gleichermaßen nützliche Information zu bieten wie anregende Reflexion.

So finden sich Ankündigungen zu interessanten Tagungen, etwa im Januar in Dresden zu der gerade auch für die Wissenschaftskommunikation spannende Frage, ob angesichts der sich wandelnden Welt auch eine neue Begrifflichkeit für Öffentlichkeit gefunden werden muss, ebenso wie eine tiefgehende Analyse der Tweets von der Tagung der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaften (immerhin 3682 Tweets!) und natürlich ein inhaltlicher Bericht. Ein reiner Wissenschaftsblog, der gar nicht versucht populär zu sein, und dem es dennoch gelingt, durch seine Vielseitigkeit für interessierte Außenstehende attraktiv zu sein. Wieder einmal eine überraschende, aber durchaus stimmige Wahl unserer Leser.

Der „Wissenschafts-Blog des Jahres 2018“ in Silber:

Der „Zukunftsblog“ der ETH Zürich auf dem zweiten Platz
Die ETH Zürich ist ohne Zweifel eine der renommiertesten Universitäten Europas. Sie will mit dem „Zukunftsblog“ ihre Kompetenz für eine Zukunft mit Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Gesundheit unterstreichen. Der „Zukunftsblog“ war 2017 bereits „Wissenschafts-Blog des Jahres“, im Jahr vorher ebenfalls zweiter der jährlichen Wahl. Im Mittelpunkt des Blogs stehen Nachrichten und Meinungen von Wissenschaftlern zu den Themen Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Gesundheit.

Naturgemäß enthält er Informationen vor allem aus der  ETH-Forschung. Hier berichten die Beteiligten selbst – vom Doktoranden bis zum Professor, auch anderer Hochschulen – umso höher ist das Niveau der Darstellung einzuschätzen: spannend, verständlich, inhaltsreich und direkt aus dem Forscherleben gegriffen. Der Zukunftsblog der ETH ist ein Musterbeispiel, wie eine Hochschule, ein Forschungsschwerpunkt oder ein Institut mit etwas Engagement der Beteiligten Blogs für die Kommunikation nutzen kann. Voraussetzung dafür ist sicherlich ein Redaktionsteam, das sich um Themen, um Beiträge und um die attraktive Aufarbeitung der Posts kümmert.

Der „Wissenschafts-Blog des Jahres 2018“ in Bronze:

„Mikrobenzirkus“ von Susanne Thiele auf Platz drei
Kann man sich für winzige Plagegeister begeistern, wie Bakterien, Viren, Pilze usw.? Man kann! Und wie, das führt Susanne Thiele vor. Die Mikrobiologin ist fasziniert von den winzigsten Organismen und schafft es, diese Begeisterung an die Leser ihres Blogs weiterzugeben: Sie erzählt Geschichten, etwa vom Sauerkraut, sie zeigt wunderschöne Bilder, etwa die unterschiedlichsten Mikroben auf Agarplatten in leuchtenden Farben und sie variiert das Thema Mikroben tatsächlich so kreativ und vielfältig wie ein Zirkusprogramm.

Man mag eine Abscheu gegen die Kleinstorganismen haben (die andererseits so lebenswichtig für uns sind), man kommt aber nicht an ihren attraktiven Seiten vorbei, die die Bloggerin in ihrem Ideenreichtum und ihrem Engagement jeweils neu erfindet. Das ist ein gut gemachter, optisch attraktiver Blog, wie man sich ihn als Blogger wünscht, und der in der Lage ist, eine in der Öffentlichkeit meist nur mit Krankheiten verbundene Disziplin aus den negativen Assoziationen herauszuholen. Da wiederum kommt Susanne Thiele ihr privater Blog auch beruflich zugute, denn sie ist Pressesprecherin des Helmholtz-Instituts für Infektionsforschung in Braunschweig.

Sonderpreis der Redaktion zum „Wissenschafts-Blog des Jahres 2018“:
Baking Science Traveller ist wirklich ein ganz besonderer Blog: Da macht die Mathematikerin Isabelle Beckmann ihre drei Hobbies zum Blog-Thema: Backen, Wissenschaft und Reisen – und verbindet alle drei. Herausgekommen ist dabei ein Blog, der zeigt, dass Wissenschaft irgendwie nah am Menschen und seinem Leben ist, nicht nur funktionierende Ergebnis-Produktion. Da wird dann in Memoriam zum 77. Geburtstag von Stephen Hawking ein Kuchenrezept veröffentlicht: „Der Brownie Nebel, lokalisiert im Sternbild der Kakaobohne!“, angereichert mit Aphorismen des verstorbenen Astrophysikers. Das Leben ist bunt, Isabelle Beckmann macht die Wissenschaft bunt und menschlich. Da kommen natürlich Erklärungen und fassbare Beschreibungen nicht zu kurz, von Eulers Graphentheorie bis zu den Gravitationswellen. Kurzum: Ein Blog, der nie langweilig wird, Wissen mit Genuss verbindet und von der Begeisterung der Autorin lebt. Einziger Nachteil vielleicht, dass man die schön fotografierten Werke von Isabelle Beckmann nicht riechen und schmecken kann ;-).

Mehr Interesse für die „Wissenschafts-Blogs des Jahres 2018“
Noch kurz etwas für die Statistiker: Mit 3.498 Stimmen fanden die „Wissenschafts-Blogs des Jahres 2018“ deutlich mehr Interesse als in den Vorjahren. Wieder schafften nur drei Blogs einen zweistelligen Prozentanteil der Stimmen, bei den anderen Kandidaten ging es ziemlich eng zu. So lagen zwischen dem zehnten – noch hier erwähnten Wissenschafts-Blog und dem elften nur zwei Stimmen. Aber Mehrheit ist Mehrheit. Sehr viel ausgeglichener ging es bei der Wahl zum „Blogteufelchen der Wissenschaftskritik“ zu.

Dies war die achte Wahl zum „Wissenschafts-Blog des Jahres“. Standen früher vor allem die großen Wissenschafts-Blogs mit hohen Zugriffszahlen im Mittelpunkt, etwa (der nach allen zugänglichen Quellen Marktführer) „Astrodicticum“ oder die Wissenschafts-Blogs großer Medien und Organisationen, etwa der FAZ-Blog „Planckton“so sind es heute die thematisch kleineren Blogs, meist von engagierten Einzelpersonen oder von Gemeinschaften betrieben, die ein Thema fördern wollen. Aus Sicht der Redaktion ist das eine gute Entwicklung, denn vor allem geht es mit dieser Wahl darum, unbekannte, gute Blogs aus der Fülle der Websites ans Licht zu holen und damit Ideen und Aufbereitung bekannt zu machen. Um dies aber so fortzusetzen, brauchen wir weiter viele Vorschläge von unseren Lesern. Also bitte: Melden Sie sich.