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Energie-Embargo schädigt Russland, wirft es aber nicht um

(Business-Insider) – Putin gibt zu, dass die westlichen Sanktionen Russlands Öl- und Gasindustrie schaden – und droht mit Konsequenzen

Der russische Präsident Wladimir Putin räumte am Donnerstag ein, dass die westlichen Sanktionen der russischen Öl- und Gasindustrie schaden.

Putin warnte vor weiteren Sanktionen und drohte mit Konsequenzen für die Länder, die sich für ein Embargo entscheiden.

Trotz der weitreichenden Sanktionen rechnet das russische Finanzministerium im April mit Einnahmen von 9,6 Milliarden US-Dollar aus dem Energiesektor.

Der russische Präsident Wladimir Putin räumte am Donnerstag ein, dass die westlichen Sanktionen Russlands Öl- und Gasindustrie schaden. Er warnte davor, dass eine weitere globale Störung der Energieindustrie seines Landes „äußerst schmerzhafte“ Folgen für diejenigen haben könnte, die darauf abzielen, die russische Wirtschaft zu behindern.

Putin äußerte sich dazu am Donnerstag während eines Videotreffens der Regierung von seinem Haus in der Nähe von Moskau aus. Der Präsident sagte, Banken aus „unfreundlichen Ländern“ würden die russischen Energieexporte belasten, indem sie die Überweisungen verzögerten.

Das Eingeständnis des Präsidenten erfolgt, nachdem viele der größten Exportabnehmer Russlands in der Europäischen Union erwägen, russische Öl- und Gaslieferungen zu verbieten. Ein Embargo auf russische Gas- und Öl-Importe wurde bisher durch Länder wie Deutschland verhindert, da sie zum großen Teil abhängig von den russischen Lieferungen sind. Doch der Druck steigt, nachdem in den vergangenen Tagen russische Kriegsverbrechen in ukrainischen Orten wie Butscha entdeckt wurden. Sowohl die USA als auch Kanada haben bereits russische Öl- und Gasimporte verboten.

Putin warnt vor Konsequenzen, sollten sich weitere Länder für ein Importverbot aus Russland einigen. Der Präsident betonte am Donnerstag, dass Erdgas auf dem Weltmarkt knapp sei und sagte voraus, dass sich die Auswirkungen auf den Lebensstandard der Menschen bemerkbar machen würden, wenn Europa sich an andere Länder wende, um Energieimporte bereitzustellen. „Es gibt in Europa keine vernünftige Alternative zu russischem Gas“, sagte Putin laut der us-amerikanischen „New York Times“.

Russland erwartet trotz Sanktionen Einnahmen in Milliardenhöhe

Russlands Rohöl wird bereits mit einem massiven Abschlag auf dem Weltmarkt gehandelt, da die sinkende Nachfrage zu einem Rückgang der Rohölproduktion geführt hat, der sich laut „The Wall Street Journal“ auf die gesamte russische Energieversorgungskette auswirkt. Gas- und Ölverkäufe machten im vergangenen Jahr 45 Prozent des russischen Wirtschaftshaushalts aus. Ökonomen warnen Russland vor steigender Arbeitslosigkeit, Inflation und einer harten Rezession in naher Zukunft.

Putin sagte am Donnerstag, Russland müsse sich auf dem asiatischen Markt neu ausrichten, um die ausfallenden Exporte in die westlichen Länder zu kompensieren. Die dafür nötige Infrastruktur ist jedoch nicht aufgebaut. Es könnte Jahre dauern, bis Pipelines fertiggestellt und Lieferketten arbeitsfähig sind.

Trotz der westlichen Sanktionen wird Russland nach Schätzungen des russischen Finanzministeriums im April voraussichtlich rund 9,6 Milliarden US-Dollar aus Energieverkäufen einstreichen. Selbst inmitten von Sanktionen hat Russland genug Abnehmer, um den Energiesektor über Wasser zu halten. Der Nachrichtenagentur „Reuters“ zufolge hat allein Indien seit Kriegsbeginn mindestens 13 Millionen Barrel russisches Öl gekauft.

Kein Krieg gegen die Russen! – nur gegen Putin und seinen Hofstaat

(The Pioneer Briefing) – Mit der Kraft der Gräuelbilder versucht man, die deutsch-russische Aussöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg als unzeitgemäße Anschauung zu diskreditieren. In den Köpfen der Menschen will man das auslösen, was Stefan Zweig einen „Aufpeitschungsdienst“ nannte: Da ist sie wieder, die „unbändige Lust, Gefühle und Ideen noch ganz heiß aus sich herauszustoßen.“

Einen Helmut Kohl, der ein großer Versöhnungspolitiker war, schützt sein Jahrhunderterfolg einer friedlichen deutsch-deutschen Vereinigung, notariell beurkundet von Michael Gorbatschow. Auch an Willy Brandt, den Vater aller Entspannungspolitiker, traut man sich nicht heran. Der Friedensnobelpreis wirkt wie eine Boosterimpfung gegen die Gifte der Gegenwart.

Aber alle anderen finden sich im Fadenkreuz der Scharfmacher wieder: Schröder. Steinmeier. Merkel. Peng.

 

Seit den Gräueltaten von Butscha wird mit einer Grundkonstante der deutschen Außenpolitik seit 1945 abgerechnet. Der Konsens, dass, nach dem Angriffskrieg der deutschen Wehrmacht mit mindestens 27 Millionen getöteten Russen in den deutsch-russischen Beziehungen eine schuldbewusste Demut zu walten habe, scheint beendet. Das politische Konzept vom Wandel durch Annäherung, gedacht auch als Neuanfang nach einer mörderischen Beziehung, wird nun von vielen im Ordner der gescheiterten Ideen abgeheftet.

Bühne frei für die neue Schonungslosigkeit. Putins Armee mordet in Butscha und anderswo. Und bei uns wird innenpolitisch zurückgeschossen.

 

CDU-Chef Friedrich Merz hat seine parteipolitische Bazooka bereits in Stellung gebracht; er verlangt die Einsetzung einer Enquete-Kommission, die sich um die Verstrickungen, wie er es nennt, von SPD-Politikern in der Ostpolitik kümmern soll. Das dann auch die Rolle von Angela Merkel untersucht werden müsste, fordert er nicht. Aber das ist ein für ihn durchaus vorteilhafter Kollateralschaden.

„Ich lade Frau Merkel ein, Butscha zu besuchen und zu sehen, wozu die Politik der Zugeständnisse an Russland in 14 Jahren geführt hat“, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Videobotschaft.

„Alle Russen sind gerade unsere Feinde“, heizt der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, das Klima an. Er habe keinerlei russische Freunde und er wolle auch keine haben. Russland sei für ihn ein „Feindstaat” und werde „wahrscheinlich auch nach dem Krieg, ein Feindstaat bleiben“, sagte er der FAZ.

Diese neue Gnadenlosigkeit ist bereits auf die deutsche Zivilbevölkerung übergesprungen. „Aufgrund der schweren Menschenrechtsverletzungen durch den geistesgestörten Putin lehnen wir grundsätzlich die Behandlung russischer Patienten ab“, schrieb die Direktorin der Universitätsklinik München in einem offiziellen Schreiben. Nach Bekanntwerden kassierte die Uni-Leitung diese Anweisung. Die Selektion an der Klinikpforte findet nicht statt.

Der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer aus New York, ruft den Betreiber einer europäischen Klinikkette an und fordert ihn auf, seine Kliniken in Russland zu schließen, wissend, dass dies den Tod von Patienten bedeuten würde. Der CEO verweigert sich.

Wer sich nicht schnell genug vom russischen Präsidenten distanziert, verliert seinen Job, wie Valery Gergiev, der russische Chefdirigent der Münchner Philharmoniker.

Wer – wie Merkel – den Dialog mit Putin auch nach dessen völkerrechtswidriger Krim-Annexion aufrecht erhielt, steht plötzlich als zwielichtige Type in allen Zeitungen.

Jetzt, wo Krieg herrscht und die heißeste Ware unter der Sonne der Schützenpanzer ist, wird tabula rasa gemacht mit Gesprächsdiplomatie, kulturellen Austauschprogrammen und dem Geist der Aussöhnung. Die evidenzbasierte Auseinandersetzung mit einem jahrelang lustlosen Nato-Engagement, zu hoher Energieabhängigkeit und den potemkinschen Dörfern namens Minsk 1 und Minsk 2 geht im Spektakel unter.

Hardliner aller Länder verlangen nach politischer Härte, militärischer Rüstung und kultureller Polarisierung. Man könnte meinen, der Kalte Krieg wird als Remake nochmal auf die Bühne geholt. Der Westen will sich spüren.

Der mediale Wind bläst denen, die zu Maß und Mitte aufrufen, eiskalt ins Gesicht. Unverhohlen wird nach einer deutschen Kriegsbeteiligung gerufen. FAZ-Herausgeber Berthold Kohler spricht vom „Hindernis in den Köpfen der Politiker, das überwunden werden muss“ und fordert die Aufrüstung der ukrainischen Soldaten mit “Waffen, mit denen sie in die Offensive gehen können.“

Stefan Zweig sprach von den „Hasstrommeln”, die geschlagen werden. Er hat die Grundstimmung vor dem Krieg in seinem Erinnerungsbuch „Die Welt von Gestern“ trefflich beschrieben:

Fazit: Die Deutschen sollten denselben Fehler nicht zum dritten Mal begehen. Wir bekämpfen Putin. Aber wir bekämpfen nicht die russischen Bürger. Im besten Falle wird es später heißen: Die Deutschen haben aus ihrer Geschichte gelernt. Diesmal wurde nicht zurückgehasst.

Die sieben Irrtümer Putins im Ukraine Krieg

(Morning Briefing) – Wenn man den Kriegsverlauf mit den Augen der Ukrainer betrachtet, sieht und spürt man ein elendiges Drama.

Wenn man den Krieg von den Kommandohöhen der westlichen Politik aus betrachtet, gibt es durchaus lichte Momente – und sei es die Tatsache der Geschlossenheit.

Wenn man Putins Krieg mit den Augen von Putin sieht, muss man von Rohrkrepierer sprechen. Es sind vor allem die folgenden Irrtümer, die seine Kalkulation über den Haufen geworfen haben:

Irrtum 1: Er hat die Moral der eigenen Truppe falsch eingeschätzt. Offenbar sind die jungen Soldaten, die hier mehrheitlich zum Einsatz kommen, nicht so skrupellos, wie von der Armeeführung gewünscht. Der britische Geheimdienstchef Jeremy Fleming sagte jetzt bei einem Vortrag in Australien:

„Die russischen Soldaten verweigern in hoher Zahl die Befehle und zerstören sogar ihr eigenes Equipment. Ihnen fehlt es mittlerweile an Waffen und an Kampfmoral.“

Irrtum 2: Mit der ukrainischen Widerstandskraft – und fast möchte man von Widerstandslust sprechen – hat Putin nicht gerechnet. Der Westen übrigens auch nicht: Die ukrainische Armee schlägt sich wacker und ihr Präsident Selenskyj schafft es, dem Westen immer neue Waffenlieferungen abzutrotzen. Die Versorgungswege der Russen wurden mehrfach unterbrochen, was den Blitzkrieg mittlerweile in einen Stellungskrieg verwandelt hat.

Irrtum 3: Der Westen hat wider jede Erwartung mit großer Geschlossenheit reagiert. Auch wenn das Nato-Mitglied Türkei sich an den Sanktionen nicht beteiligt und Deutschland weiter Gas aus Russland bezieht: Der Rückzug von McDonald’s bis Mercedes-Benz aus dem russischen Markt verfehlte seine Wirkung nicht. Zumindest hat die russische Propaganda seither Sprachschwierigkeiten.

Irrtum 4: Putin rechnete offenbar damit, dass Amerika sich aus der Welt zurückzieht und die Ukraine kampflos hergeben wird. Doch Putin hat die politische Dynamik im Jahr der US-Zwischenwahlen unterschätzt; dort spürt der Entspannungspolitiker Biden den Populisten Trump im Nacken. Nach der Schmach von Kabul kann sich der Demokrat – wenn er das Weiße Haus halten will – den Fall von Kiew nicht leisten. Biden erlebte als Kriegspräsident seine Wiederauferstehung.

Irrtum 5: China steht an der Seite Russlands, dürfte Putin kalkuliert haben. Doch die Führung in Peking hat ihm mittlerweile deutlich gemacht, dass sie alle weiteren Eroberungspläne ablehnt und auch in der Ukraine keine weitere Eskalation wünscht. Dafür sind die Interessen der Chinesen und Russen zu unterschiedlich: Die Volksrepublik China sucht Geschäftspartner, keine Waffenbrüder. Sie möchte nicht den militärischen Schlagabtausch mit dem Westen, sondern die ökonomische Dominanz über ihn.

Irrtum 6: Der Westen hat Putins Drohung mit der Atombombe zwar gehört, aber sich davon nicht ins Bockshorn jagen lassen. Die Ukraine wird derzeit mit Waffen vollgepumpt. So führt denn die Ukraine im Moment einen klassischen Stellvertreterkrieg. Die Arbeitsteilung ist bekannt: Das kriegführende Land trägt das menschliche Risiko, Amerika zahlt in Dollar.

Fazit: Mit roher Gewalt wird Putin keines seiner Kriegsziele je erreichen. Oder wie Sigmar Gabriel es formuliert:

„Putins Versuch, mit den Ideen des 19. Jahrhunderts und den Mitteln des 20. Jahrhunderts die Geschicke des 21. Jahrhunderts zu bestimmen, ist bereits jetzt umfassend gescheitert. “

Ideenausverkauf gefährlich

Genau das ist in Deutschland im Zusammenhang mit dem profitträchtigen Handel mit China vernachlässigt worden, zum Teil mit wurden Patente, die Milliarden gekostet haben, den Chinesen kostenlos überlassen. Da erinnere ich nur an die Magnet-Schwebebahn ‚Transrapid‘, die mittlerweile in China zu einem das gesamte Land überdeckenden Mobilitäts-Netz ausgebaut wird – nur weil eine Grünen-Ideologie die Chancen verkannt hat. Demnächst kann China auf tausende von Inlandflügen umweltschonend verzichen.

Jean Pütz

(pts) – In einer Umfrage, die vor Kurzem von gfs.bern durchgeführt wurde, thematisierte Interpharma die Triebkräfte der Innovation in der Schweiz. Grossmehrheitlich ist die Bevölkerung davon überzeugt, dass ein starker Schutz des geistigen Eigentums die Innovationskraft der Unternehmen fördert. Die Schweiz muss sich daher bei der WTO weiterhin gegen jegliche Aufhebung von Patenten wehren.

Die Schweiz verfügt über keine eigenen Rohstoffvorkommen. Daher hat sie ihre Forschungskapazitäten weiterentwickelt und ist so im Laufe der Jahre zu einem der innovativsten Länder geworden. Ein erstklassiges Bildungssystem, Universitäten mit internationalem Renommee, offene Grenzen oder ein starker Schutz des geistigen Eigentums werden von über 8 von 10 befragten Personen als grundlegende Innovationstreiber in unserem Land erachtet.

Zudem gehen 80 Prozent der Schweizer Bevölkerung davon aus, dass der Schutz des geistigen Eigentums die Innovationskraft der Unternehmen begünstigt:

Die Schweiz muss sich weiterhin gegen eine Ausnahmeregelung für die COVID-19-Impfungen einsetzen.

Interpharma ist der Ansicht, dass die laufenden Verhandlungen bei der Welthandelsorganisation (WTO), die auf eine Schwächung der Rechte des geistigen Eigentums abzielen, in die falsche Richtung gehen und die Entwicklung künftiger Innovationen gefährden. Eine der wichtigsten Lehren aus der Pandemie ist nämlich, dass Innovation und Partnerschaften bei der Entwicklung der Impfstoffe und der Impfstoffversorgung eine grundlegende Rolle gespielt haben. Die Basis dafür bildet ein stabiles und solides System zum Schutz des geistigen Eigentums. Eine Schwächung dieses Systems hätte schädliche Folgen: Die Produktion und die erforderlichen Partnerschaften würden beeinträchtigt und die Forschung und die Entwicklung gebremst, was sich negativ auf die Investitionen im Hinblick auf eine künftige Pandemie auswirken würde.

Die Pharmaindustrie hat im Jahr nach der Zulassung der COVID-19-Impfstoffe 12 Milliarden Impfdosen hergestellt. Heute kann die Industrie pro Monat über eine Milliarde Impfdosen produzieren. Das Problem liegt nicht in der Produktion, sondern beim Transport der Impfstoffe und beim Verimpfen. Eine Aufhebung des Patentschutzes hätte keine einzige zusätzliche Impfung zur Folge, sondern würde im Gegenteil die Reaktion der wissenschaftlichen Gemeinschaft auf künftige Mutationen und Pandemien entscheidend beeinträchtigen. Die aktuellen Vorstösse müssen zugunsten von Massnahmen fallen gelassen werden, die zwar schwieriger umzusetzen sind, die aber das Leben der Bevölkerung effektiv verbessern würden: Unterstützung der Länder bei Vorbereitungsmassnahmen, Förderung einer gerechten Verteilung und Stimulation der Innovation.

Handwerk ist Hightech

(Luxemburger Wort) – Das Dasein als Handwerker ist körperlich anstrengend, langweilig, man macht sich die Hände schmutzig, wird schlecht bezahlt, es gibt kaum Aufstiegschancen und überhaupt sind Handwerkerberufe nichts wert.

Diese Vorurteile haben sich über die Jahrzehnte in den Köpfen der Menschen eingebrannt, mit ernst zu nehmenden Konsequenzen: Eltern raten ihren Kindern von einer handwerklichen Laufbahn ab und die Berufsausbildung ist mittlerweile ein Sammelbecken für schwache Schüler, denen nichts anderes übrig bleibt, als diesen Weg einzuschlagen. Dem gegenüber steht ein Sektor, der händeringend nach gut ausgebildeten Fachkräften sucht.

Das Image des Handwerks muss also dringend aufgewertet werden. Das sagt die CSV, die dazu eine Interpellation beantragt hatte. Dass diese es erst am Donnerstag, neun Monate nach dem Antrag, auf die parlamentarische Tagesordnung geschafft hat, ist nach Dafürhalten des arbeitspolitischen Sprechers Marc Spautz ein Zeichen für den geringen Stellenwert des Handwerks – auch in der Politik.

Das Handwerk habe in Luxemburg eine lange Tradition, sagte Spautz, aber die Zeiten hätten sich geändert. „Handwerk ist heute Hightech“, sagte Spautz, also anders als früher. Und spannender. Er plädierte für eine Image-Kampagne – bei Schülern ab der Grundschule und bei den Eltern, „um ihnen zu zeigen, dass das Handwerk interessant ist und Zukunfts- und Karrierechancen bietet“. Luxemburg müsse mehr Handwerker ausbilden, statt sich auf ausländische Fachkräfte zu verlassen.

Damit das gelingen kann, muss die Ausbildung aufgewertet und vor allem die Orientierung verbessert werden, meinte Spautz. Dass es bei der Orientierung hakt, hatte zuletzt auch der Generaldirektor der Handwerkskammer, Tom Wirion, im Gespräch mit dem „Luxemburger Wort“ klargemacht. Spautz plädierte – wie Tom Wirion – für eine Orientierung in der unteren Sekundarstufe nach Talenten, und er schlug die Einführung eines verpflichtenden Praktikums im Classique vor, „damit auch diese Schüler mit dem Handwerk in Kontakt kommen“.

Für sie müssten zusätzliche Ausbildungsperspektiven geschaffen werden, zum Beispiel durch eine Aufwertung des Technikerdiploms und durch neue Ausbildungsmodelle – Stichwort Doppelabschluss Abitur/DAP, wie er im Koalitionsprogramm vorgesehen, aber bis dato nicht umgesetzt worden ist. Neue Ausbildungsperspektiven, aber auch durch eine Ausweitung des Angebots an weiterführenden Studien (BTS, Bachelor) und eine Zusammenarbeit mit ausländischen Hochschulen und Universitäten.

An Bildungsminister Claude Meisch (DP) lancierte Spautz den Appell, das Image und den Stellenwert des Handwerks zu verbessern. Claude Lamberty (DP) fand, der Minister habe bereits viel auf den Weg gebracht, um das Handwerk und die Berufsausbildung aufzuwerten, allerdings brauche es einen Mentalitätswandel in der Gesellschaft, damit das Erlernen eines Handwerks wieder „erste Wahl“ wird.

Auch Tess Burton (LSAP) warnte vor einer „Orientierung nach unten“, denn: „Wir brauchen gut ausgebildete Fachkräfte, denn die Anforderungen im Handwerk werden immer komplexer.“

Charles Margue (Déi Gréng) zufolge hat die Gesellschaft ein gestörtes Verhältnis zum Handwerk: „Wir brauchen Handwerker, aber wir liefern nicht. Jedenfalls nicht genug.“ Auch er stellte fest, dass handwerkliche Berufe nicht die Anerkennung haben, die sie verdienen und lancierte einen Appell an die Eltern, sich zu informieren und ihre Kinder zu unterstützen, „wenn sie Interesse am Handwerk haben“. Margue und Burton bemängelten, dass es kaum Brücken vom Classique ins Handwerk gebe.

Margue fand es darüber hinaus „beunruhigend, dass Schüler in internationalen Schulen kaum bis gar nicht mit dem Wirtschaftszweig in Kontakt kommen“.

Fred Keup (ADR) bedauerte, dass viele junge Menschen mit einer Handwerkerausbildung sich wegen der höheren Gehälter für einen Job im öffentlichen Dienst entscheiden und schlug vor, Betriebe finanziell zu unterstützen, wenn Beschäftigte in den ersten drei Jahren den Betrieb verlassen.

Myriam Cecchetti (Déi Lénk) beklagte die hohe Misserfolgs- und Schulabbrecherquote in der Berufsausbildung, die bereits im Fondamental absehbar sei. Sie sieht die Lösung in einer Gesamtschule (tronc commun), die sich dem Lernrhythmus aller Schüler anpasst.

Sven Clement (Piraten) bedauerte seinerseits, dass Schüler sich zwischen Abitur und dem Erlernen eines Handwerks entscheiden müssten und forderte neue Optionen, um Abitur und Handwerk miteinander zu verbinden.

„Wir sind auf den hier vorgeschlagenen Pisten drauf“, meinte Bildungsminister Claude Meisch (DP). Zusammen mit den Berufs- und Arbeitnehmerkammer sowie dem Patronat sei er dabei, die Programme an die Berufsrealität anzupassen. Man habe neue Ausbildungen geschaffen, verstaubte reformiert und sie zum Teil mehrsprachig gemacht.

Auch sei man dabei, für alle Ausbildungen einen Zugang zu weiterführenden Studien zu schaffen. „Wir haben Ruhe in die Berufsausbildung gebracht“, meinte der Minister, „sodass wir jetzt ein positives Bild nach außen ausstrahlen und uns auf das Wesentliche konzentrieren können: die Weiterentwicklung und das Image der Berufsausbildung.“

Frieden schaffen und auf Stolz und Hass verzichten

Vorschlag eines meiner Facebook-Abonnenten, der zum Denken anregt

Mark Borchert schrieb mir einen beachtenswerten Kommentar zu meinem Beitrag bei Facebook anlässlich des Russland Ukraine Kriegs, Ausrufezeichen der Titel war David gegen Goliath und David verliert.
Herr Jean Pütz
Ich kann sämtlichen Ihrer Worte zustimmen.
Natürlich möchte jeder sein Hab und Gut schützen und dieses nicht in Feindes Hand geben. Die Bürger der Ukraine haben ihren Stolz aber der wird leider dazu führen das dieses Land in Schutt und Asche gelegt wird und es noch mehr Tote gibt. Diese Toten sind vermeidbar denn als kleiner Koala Bär kann man nicht gegen einen Grizzly anstinken. Noch können die Ukrainer ihr Land und Volk retten. Auch wenn sie sich jetzt bis aufs letzte Hemd aufreiben, werden die Gespräche über die Zukunft der Ukraine von anderen Mächten geklärt.
Stolz kann einen auch töten und das ist den Menschen wohl nicht bewußt. Die Ukraine kann später nur als Pufferzone zwischen dem Westen und Osten fungieren und weder der Osten, noch der Westen dürfen die Ukraine für sich beanspruchen.
Ich hoffe das sich die führenden Ukrainer Gedanken machen und nicht noch weitere Leute in den Tot gehen müssen bevor sie merken, daß sie sich in einem Kampf befinden den sie jetzt nicht gewinnen können.

Wladimir Putin und sein Reichtum

(Manager Magazin) – Wie reich ist Wladimir Putin? Die Schätzungen reichen von einer schlichten 77-Quadratmeter-Wohnung bis hin zu einem Vermögen von 200 Milliarden US-Dollar. Fakt ist: Der Kreml-Chef ist so mächtig, dass er seinen Besitz beliebig vermehren und dessen Nachweis verschleiern kann. Putin liebt Luxus – seine inoffiziellen Besitztümer im Überblick.

 

Um etwas über den offiziellen Besitz des Wladimir Wladimirowitsch Putin (69) zu erfahren, hilft ein Blick in die Wahlliste zur Präsidentenwahl 2018. Eine Wohnung mit 77 Quadratmetern und eine Garage mit 18 Quadratmetern sind dort aufgelistet. Hinzu kommt nach Angaben des Kreml ein Jahresgehalt von umgerechnet rund 140.000 US-Dollar für den amtierenden Präsidenten. Von diesem Einkommen dürfte sich Putin auch ein oder zwei Autos für seine Garage geleistet haben.

So weit die offiziellen Angaben, die als unteres Ende für die Schätzungen von Putins Reichtum dienen. Am oberen Ende rangiert die Schätzung von Hedgefonds-Gründer und Russland-Kenner Bill Browder, der mit seinem Unternehmen „Hermitage Capital“ zeitweise größter Auslandsinvestor in Russland war. Browder schätzte das Privatvermögen von Wladimir Putin bei einer Anhörung vor dem US-Senat im Jahr 2017 auf 200 Milliarden Dollar: Putin sei damit einer der reichsten Menschen der Welt.

Wer Putins Vermögen bemessen will, braucht nicht in Grundbücher zu schauen oder Kontolisten einzusehen. Der Herrscher im Kreml ist so mächtig, dass er mühelos ein Heer von Oligarchen als Strohmänner einsetzen kann, um seinen wahren persönlichen Reichtum zu verschleiern. „Alles, was zu Russland gehört, betrachtet Putin als sein Eigentum“, sagte der im Exil lebende Oligarch Sergej Putatschew dem „Guardian“. „Jeder Versuch, seinen persönlichen Besitz festzustellen, wird daher fehlschlagen.“

Vor allem nach seiner Wiederwahl zum Staatspräsidenten 2012 habe Putin ein System aus Korruption und Mittelsmännern genutzt, um immer größere Vermögen in die eigene Tasche zu lenken. Eine Gruppe von engen Vertrauten – die meisten kennt Putin noch aus KGB-Zeiten – dient ihm dabei als wandelnde persönliche Brieftasche.

Ein bemerkenswerter Text zum Zeitgeist 2022

(Morning Briefing) – Wir erleben in diesen Tagen einen Rückruf in die Geschichte: Eine alte Öl- und Militärmacht greift den Westen an und katapultiert ihn binnen weniger Tage zurück in seine eigene Vergangenheit – eine Welt, in der die Leopard-Panzer rollen, das fliegende Lazarett abhebt und der Krieg in Großbuchstaben auf Seite eins der Zeitungen steht.

Das Modewort der Saison heißt nicht mehr Nachhaltigkeit, sondern NATO. Aus den Lautsprechern dringt jetzt nicht mehr Hip-Hop, sondern leichte Marschmusik.

Der Kern vom Kern unseres Unbehagens an dieser Moderne, die so gar nicht modern wirkt, ist ein philosophischer. Mit Fug und Recht darf man sich die Frage stellen: Gibt es überhaupt Fortschritt?

Die kurze Antwort lautet: Im Moment nicht. Die längere Antwort lautet: Ja, aber anders als wir dachten.

Wir träumten von Frieden, Dialog und Interessenausgleich. Aber die Herrscher in weiten Teilen der Welt und die mit ihnen eng verbundene Rüstungsindustrie träumen einen anderen Traum. Wir sind gerade aus unserem Traum aufgewacht und in ihrem gelandet.

Geradezu panikartig erhöhen wir unsere Versicherungsprämie für die nationale Sicherheit, was nichts anderes bedeutet, als dass wir verstärkt mit den alten Mächten paktieren. 100 Milliarden Euro zusätzlich für die Bundeswehr, das fünffache dessen, was der Ministerin für Bildung und Forschung zur Verfügung steht. Kein Wunder: Die Rüstungsaktien (und nicht die Hersteller von Solaranlagen und Windparks) sind die Gewinner der Saison.

Die Demokratie erlebt ihren Siegeszug auf der ganzen Welt. Das ist das, was wir hofften. Aber das ist nicht das, was wir sehen. Die Autokratien wachsen und sie halten zusammen. Die Taliban haben eben erst den Westen aus Afghanistan vertrieben. Im UN-Sicherheitsrat wurde der Angriff von Russland auf die Ukraine von elf der 15 Länder verurteilt, Russland stimmte erwartungsgemäß dagegen, China, Indien und die Vereinigten Arabischen Emirate enthielten sich.

Die fossilen Brennstoffe seien ein Auslaufmodell und die Ölkonzerne die Dinosaurier der Moderne. Das ist das, was man uns erzählt hat.

Der Blick auf die Performance der Öl- und Gaskonzerne und ihre Wertpapiere malt ein anderes Bild: Die fünf Branchengrößen Exxon Mobil, Chevron, Shell, BP und Total Energies melden die höchsten Gewinne seit sieben Jahren. Das Nettoergebnis von „Big Oil“ lag im vergangenen Jahr bei fast 90 Milliarden Dollar.

Wenn wir im derzeitigen Tempo die fossilen Rohstoffe weiter ausbeuten, sagt eine Studie der TU München, können wir uns noch 100 Jahre an Mutter Erde schadlos halten. Das bedeutet: Das Ende des Öl-Zeitalters kommt. Aber nicht mal mehr zu Lebzeiten unserer Enkelkinder.

Die Hoffnung war diese: Im Internet-Zeitalter kann man sich digital austauschen und demnächst auch in 3D im Metaverse. Diese Entwicklung werde die Fortbewegung mit Auto, Bahn und Flugzeug disruptieren, sprich limitieren. Die Welt erblüht klimaneutral.

Die Wahrheit ist: Der Autoverkehr und der Flugverkehr erleben einen nicht enden wollenden Boom. 2019 wurden 8,5 Milliarden Personenkilometer in der Luft zurückgelegt. Die Prognosen von Boeing gehen davon aus, dass sich diese Kapazität bis 2040 auf fast 20 Milliarden Personenkilometer mehr als verdoppeln wird.

Und was wurde für die Welt des Geldes nicht alles geweissagt? Neue, dezentrale Währungen würden den Dollar, den Euro und den Yen ablösen, hieß es in den Wirtschaftsteilen der Zeitungen. Und richtig ist: Der Bitcoin und die Blockchain-Technologie beherrschen die großen Kongresse. Doch in Wahrheit ist die Dollardominanz ungebrochen. Amerika denkt nicht daran, seine stärkste Waffe aus der Hand zu legen. „Der Bitcoin ist wie eine Geschlechtskrankheit und muss besiegt werden,“ sagte erst kürzlich Charlie Munger, der Stellvertreter von Warren Buffett.

Die Auflistung dieser Irrtümer, die auch dann Irrtümer bleiben, wenn sie populär sind, sollte uns nicht mutlos, wohl aber realistisch stimmen. Die Welt bewegt sich. Es gibt ihn, diesen geheimnisvollen inneren Motor. Die Geschichte der Menschheit ist eine Fortschrittsgeschichte.

Aber: Die alte Welt ist wehrhafter als wir bisher gedacht hatten. Womöglich ist Putins Invasion nur das Wetterleuchten einer Übergangszeit, in der die Jahrhunderte sich nicht nur berühren, sondern ineinander verkeilen.

Die Moderne kommt. Aber die Vergangenheit will nicht vergehen. Und wenn sie vergeht, dann auf keinen Fall kampflos. Wir sind Zeitzeugen einer historischen Auseinandersetzung, die auf mehreren Plätzen gleichzeitig ausgefochten wird: Die Vergangenheit hat die Moderne zum Duell herausgefordert.

Folgt dem Russland-Ukraine-Krieg eine ebenso zerstörende Auseinandersetzung in der Sahelzone?

Unabhängig von den politischen terroristischen Auseinandersetzungen sollte nicht vergessen werden, dass dieses von der Sonne verwöhnte riesige Gebiet auf unserem Globus Chancen hat, die die ganze Welt mit regenerativer Energie versorgen könnten. Dem steht entgegen, dass der dort herrschende Terrorismus und Stellvertreter-Krieg zwischen autoritären Staaten und westlichen demokratischen Ländern nur deshalb eine solche  katastrophale Entwicklung ermöglicht, weil die dort lebenden Bürger extremer Armut ausgesetzt sind. Wer morgens nicht weiß, wie er seine Kinder ernähren soll, ist natürlich sämtlichen terroristischen und verschwörungstheoretischen Einflüssen hilflos ausgesetzt. Für sie – insbesondere jungen Menschen – ist der ‚heilversprechende‘ Terrorismus eine Alternative. Dabei könnten diese Länder über die Fotovoltaik mit anschließender Wasserstoff- und daraus entstehender regenerativer Methanol-Produktion zum dezentralen Energie-Lieferanten der Welt werden. Diese grüne Methanol kann alle fossilen Energieträger ersetzen, ohne aufwendige und kostenträchtige Eingriffe in die Infrastruktur. Dafür braucht es nur eine geschickte Friedenspolitik, wie sie im Beitrag beschrieben ist. Dieses Win-Win-Verhältnis auf Augenhöhe mit Industrie- und Entwicklungsländern ist allein deshalb so erfolgreich, weil in der Historie immer dort Arbeitsplätze geschaffen wurden, wo Energiequellen entstanden. Ich gebe zu, dass dies der Wunschtraum eines einsamen Rufers in der Wüste ist, aber die Hoffnung stirbt zuletzt.

Jean Pütz

(Bosch) – Die Ukraine-Krise oder – wie die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock sie nannte – die Russland-Krise, stand zu Recht im Mittelpunkt der Münchner Sicherheitskonferenz 2022 (MSC). Abseits der Hauptbühne forderten Redner:innen Europa jedoch auf, bei aller Konzentration auf die Ukraine eine andere Krise nicht aus den Augen zu verlieren: „Die Sahelzone ist auch eine europäische Herausforderung“, sagte Hanna Serwaa Tetteh, Sonderbeauftragte des UN-Generalsekretärs für die Afrikanische Union, am Rande der Diskussionsveranstaltung „Jenseits von Putschen, Interventionen und Sanktionen – Wie geht es weiter mit Stabilisierung und Peacebuilding in der Sahelzone?“, zu der die Robert Bosch Stiftung im Rahmen der MSC eingeladen hatte. Neben Tetteh diskutierten Comfort Ero, Präsidentin und CEO der International Crisis Group, sowie General Tom Middendorp, Vorsitzender des International Military Council on Climate and Security.

Die politische und humanitäre Lage in der Sahelzone hat sich über die letzten 12 bis 18 Monaten erheblich verschlechtert. Gewalt und Instabilität spitzen sich zu und verursachen ein nie dagewesenes Ausmaß an Ernährungsunsicherheit und Vertreibung in der Region. Wie ein in München vorgestellter Bericht des Sahel and West Africa Club (SWAC) bei der OECD zeigt, sind die Grenzen in der Region besonders stark von Gewalt betroffen. Die Afrikanische Union und die Wirtschaftsgemeinschaft der afrikanischen Staaten (ECOWAS) haben nach den jüngsten Militärputschen die Mitgliedschaft von Burkina Faso und Mali  ausgesetzt. ECOWAS hat Mali mit schweren Sanktionen belegt. Nach der Ankündigung von Präsident Macron am 17. Februar 2022, dass Frankreich sich aus Mali zurückzieht, werden auch andere westliche Staaten ihr Engagement überdenken. Weder Sanktionen noch militärische Interventionen haben bisher dazu geführt, die Sicherheit der Menschen in der Region zu verbessern.

Wenn weder Militäreinsätze noch Sanktionen zum Erfolg führen, was sonst könnte Frieden in der Sahelzone schaffen? Die Diskussion mündete nicht in einem umfassenden Aktionsplan für die Region, doch ein Punkt erschien Podiumsteilnehmenden und Gästen gleichermaßen wichtig: Die Verantwortung für die Entwicklung der Region muss fest in den Händen der Regierenden vor Ort liegen. Die Krise in der Sahelzone sollte in erster Linie als eine Krise der Regierungsführung behandelt werden. Sie kann nicht gelöst werden, wenn sie ausschließlich als Sicherheitsherausforderung betrachtet wird. Diejenigen, die an der Macht sind und ihrer Verantwortung für das Wohlergehen der Bürger:innen nicht gerecht werden, sollten von ihren internationalen Partnern zur Rede gestellt werden. Gleichzeitig sollten internationale Gemeinschaft und regionale Organisationen die Länder der Sahelzone weiter bei den Herausforderungen zur Seite stehen, die die diese nicht allein aus eigener Kraft bewältigen können. Dazu gehören beispielsweise die Anpassung an den Klimawandel, der die Region besonders hart trifft, oder die Entwicklung von Bildungssystemen und Berufschancen, die den Bedürfnissen einer Bevölkerung gerecht werden, die die jüngste der Welt ist. Doch auch die Bekämpfung des internationalen Terrorismus und der organisierten Kriminalität muss eine gemeinsame Aufgabe bleiben. Nicht zuletzt brauchen die Sahel-Staaten Unterstützung bei der Bekämpfung von Desinformationskampagnen, die deutliche Ähnlichkeiten mit denen aufweisen, denen die Ukraine seit Jahren ausgesetzt ist und die wahrscheinlich aus derselben Quelle stammen.

Außerdem sollten die westlichen Partner der Sahel-Länder eine ehrliche Bilanz der Erfolge und Misserfolge ihrer bisherigen Interventionen ziehen, bevor – um erneut aus der Debatte zu zitieren – „der internationale Zirkus von Mali, wo die Europäer gescheitert sind, nach Niger weiterzieht, um dort erneut in ähnlicher Weise zu scheitern.“ Sie sollten sich die Zeit nehmen, den lokalen Friedensakteur:innen zuzuhören, die jeden Tag ihr Leben aufs Spiel setzen, um die Sicherheit und die Lebensgrundlagen der vom Konflikt betroffenen Gemeinschaften zu verbessern. Ihre Erfahrung und ihr Wissen werden allzu oft nicht ernst genommen und ihre Arbeit wird dadurch erschwert, dass in die Region entsandte Fachleute aus dem Ausland ihre Beiträge als unbedeutend abtun. Es ist entscheidend für jeglichen Fortschritt auf dem Weg zum Frieden in der Sahelzone diejenigen in seine Gestaltung einzubeziehen, die am stärksten von Unsicherheit und Gewalt betroffen sind.

Ihren Stimmen Gehör zu verschaffen und sie bei ihrer Arbeit vor Ort zu unterstützen, sind Schlüsselelemente der Strategie der Robert Bosch Stiftung für eine lokal geführte Friedensförderung. Es ist sehr bedauerlich, dass die diesjährigen Reise- und Anwesenheitsbeschränkungen verhindert haben, dass Vertreter:innen der Sahelländer an den Debatten über ihre Länder auf der MSC 2022 teilnehmen. Wir sollten dafür sorgen, dass sie es beim nächsten Mal auf die Hauptbühne schaffen.

 

Was bringen Russland-Sanktionen ? Nach Morning Briefing Gabor Steingart eine Luftnummer

(Morning Briefing) – Unser Ex-Kanzler Gerhard Schröder sagt zu den Sanktionen gegen den russischen Staat:

Glaubt man wirklich, man könnte Russland mit Sanktionsdrohungen in Probleme bringen? Das Land hat in seiner Geschichte bewiesen, dass es davon nicht sehr viel beeindruckt ist.

Schröder hat recht. Nur weil er in den Aufsichtsräten diverser russischer Energiefirmen sitzt und beim heutigen SPD-Kanzler nicht hoch im Kurs steht, ist sein Satz nicht falsch. Die Wahrheit ist oft politisch unkorrekt. Sie nimmt keine Rücksichten auf die Kalküle der politischen Akteure, auch nicht auf die der NATO.

Die Regierungen in London, Paris, Washington und Berlin wollen beim westlichen Publikum den Eindruck erwecken, sie würden den russischen Machthaber jetzt so richtig in die Zange nehmen. Führungsstärke soll demonstriert werden. Vorhang auf für Ursula von der Leyen:

Russland wird einen Preis zu zahlen haben und Präsident Putin muss seinen Leuten erklären, warum dieser Preis so hoch ausfällt.

Doch die Wahrheit sieht deutlich anders aus. Russland zahlt in kleiner Münze. Das Land wird durch die westlichen Sanktionen berührt, aber nicht verletzt. Putin muss die westlichen Beschlüsse kennen, aber nicht fürchten. Seine Kreise werden nicht ernsthaft gestört. Hier die entscheidenden sieben Gründe, warum das so ist:

1. Auf dem Primärmarkt ist allen US-Amerikanern schon seit 2019 der Kauf russischer Schuldtitel in Fremdwährungen verboten, seit vergangenem Jahr auch der in Rubel. Das heißt: Russland hat längst andere Finanziers für seine Staatsschuld gefunden.

2. Hinzu kommt: Der russische Staat ist arm, aber solide finanziert. Den Auslandsschulden in Höhe von 56 Milliarden Dollar stehen Währungsreserven von rund 630 Milliarden Dollar gegenüber.

3. Die gesamte staatliche Verschuldung, ausgedrückt in Prozent des Bruttosozialprodukts, beträgt laut Internationalem Währungsfonds keine 15 Prozent, auch weil Putin die einfache Bevölkerung kurz hält. Wäre Russland Teil der Eurozone, stünde das Land auf Position 1 der am solide finanziertesten Staaten.

4. Die Bankmanager in Moskau, Wladiwostok und Sankt Petersburg haben von den bisherigen Sanktionsbeschlüssen nichts zu befürchten. Die FAZ-Wirtschaftskorrespondentin Katharina Wagner mit Sitz in Moskau schreibt heute Morgen zu Recht:

5. Der Beschluss, Nord Stream 2 nicht zu genehmigen, hat weder für den Devisenhaushalt der Russischen Föderation noch für die Gasversorgung der Bundesrepublik eine messbare Auswirkung. Die Röhre ist bekanntlich leer. Nach drei Jahren Bauzeit muss das Bauwerk nun eben ein paar weitere Jahre warten, bis es in Betrieb geht. Nord Stream 1, das die Bundesrepublik derzeit mit 110 Milliarden Kubikmeter Gas versorgt, ist von den Sanktionsbeschlüssen bislang nicht tangiert.

6. Für Amerika und die Bundesrepublik ist der Handel mit Russland – selbst wenn er zu 100 Prozent verboten würde – ökonomisch unbedeutend. Nur zwei Prozent der deutschen Exporte gingen 2021 in die Russische Föderation. Amerika exportiert in Putins Reich 0,37 Prozent seiner Ausfuhren. Und auch Russland seinerseits ist durch den Entzug der deutschen Waren und Dienstleistungen nicht wirklich zu verletzen. Die Handelsbeziehungen mit den Chinesen – dem russischen Handelspartner Nummer 1 (siehe Grafik) – sind mehr als doppelt so werthaltig.

7. Selbst das Einfrieren der Oligarchen-Gelder auf den westlichen Konten kann die Putin-Freunde nicht schocken. Denn erstens muss dieses Geld für die Zeit des Einfrierens wahrscheinlich sogar verzinst werden. Und zweitens kann Putin seine Freunde aus dem riesigen Staatsschatz von 630 Milliarden Dollar (siehe Punkt 1) fürstlich für ihre Loyalität entlohnen.

Fazit: Der Westen ist ein Maulheld vor dem Putin sich im derzeitigen Stadium des Geschehens nicht fürchten muss. Das „härteste Sanktionsregime gegen Russland“, wie die britische Außenministerin Liz Truss behauptete, ist weniger für Putin als für die Medien gemacht. Man will gar nicht die Wirklichkeit erreichen, sondern nur die Schlagzeile des nächsten Morgens.