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Was bringen Russland-Sanktionen ? Nach Morning Briefing Gabor Steingart eine Luftnummer

(Morning Briefing) – Unser Ex-Kanzler Gerhard Schröder sagt zu den Sanktionen gegen den russischen Staat:

Glaubt man wirklich, man könnte Russland mit Sanktionsdrohungen in Probleme bringen? Das Land hat in seiner Geschichte bewiesen, dass es davon nicht sehr viel beeindruckt ist.

Schröder hat recht. Nur weil er in den Aufsichtsräten diverser russischer Energiefirmen sitzt und beim heutigen SPD-Kanzler nicht hoch im Kurs steht, ist sein Satz nicht falsch. Die Wahrheit ist oft politisch unkorrekt. Sie nimmt keine Rücksichten auf die Kalküle der politischen Akteure, auch nicht auf die der NATO.

Die Regierungen in London, Paris, Washington und Berlin wollen beim westlichen Publikum den Eindruck erwecken, sie würden den russischen Machthaber jetzt so richtig in die Zange nehmen. Führungsstärke soll demonstriert werden. Vorhang auf für Ursula von der Leyen:

Russland wird einen Preis zu zahlen haben und Präsident Putin muss seinen Leuten erklären, warum dieser Preis so hoch ausfällt.

Doch die Wahrheit sieht deutlich anders aus. Russland zahlt in kleiner Münze. Das Land wird durch die westlichen Sanktionen berührt, aber nicht verletzt. Putin muss die westlichen Beschlüsse kennen, aber nicht fürchten. Seine Kreise werden nicht ernsthaft gestört. Hier die entscheidenden sieben Gründe, warum das so ist:

1. Auf dem Primärmarkt ist allen US-Amerikanern schon seit 2019 der Kauf russischer Schuldtitel in Fremdwährungen verboten, seit vergangenem Jahr auch der in Rubel. Das heißt: Russland hat längst andere Finanziers für seine Staatsschuld gefunden.

2. Hinzu kommt: Der russische Staat ist arm, aber solide finanziert. Den Auslandsschulden in Höhe von 56 Milliarden Dollar stehen Währungsreserven von rund 630 Milliarden Dollar gegenüber.

3. Die gesamte staatliche Verschuldung, ausgedrückt in Prozent des Bruttosozialprodukts, beträgt laut Internationalem Währungsfonds keine 15 Prozent, auch weil Putin die einfache Bevölkerung kurz hält. Wäre Russland Teil der Eurozone, stünde das Land auf Position 1 der am solide finanziertesten Staaten.

4. Die Bankmanager in Moskau, Wladiwostok und Sankt Petersburg haben von den bisherigen Sanktionsbeschlüssen nichts zu befürchten. Die FAZ-Wirtschaftskorrespondentin Katharina Wagner mit Sitz in Moskau schreibt heute Morgen zu Recht:

5. Der Beschluss, Nord Stream 2 nicht zu genehmigen, hat weder für den Devisenhaushalt der Russischen Föderation noch für die Gasversorgung der Bundesrepublik eine messbare Auswirkung. Die Röhre ist bekanntlich leer. Nach drei Jahren Bauzeit muss das Bauwerk nun eben ein paar weitere Jahre warten, bis es in Betrieb geht. Nord Stream 1, das die Bundesrepublik derzeit mit 110 Milliarden Kubikmeter Gas versorgt, ist von den Sanktionsbeschlüssen bislang nicht tangiert.

6. Für Amerika und die Bundesrepublik ist der Handel mit Russland – selbst wenn er zu 100 Prozent verboten würde – ökonomisch unbedeutend. Nur zwei Prozent der deutschen Exporte gingen 2021 in die Russische Föderation. Amerika exportiert in Putins Reich 0,37 Prozent seiner Ausfuhren. Und auch Russland seinerseits ist durch den Entzug der deutschen Waren und Dienstleistungen nicht wirklich zu verletzen. Die Handelsbeziehungen mit den Chinesen – dem russischen Handelspartner Nummer 1 (siehe Grafik) – sind mehr als doppelt so werthaltig.

7. Selbst das Einfrieren der Oligarchen-Gelder auf den westlichen Konten kann die Putin-Freunde nicht schocken. Denn erstens muss dieses Geld für die Zeit des Einfrierens wahrscheinlich sogar verzinst werden. Und zweitens kann Putin seine Freunde aus dem riesigen Staatsschatz von 630 Milliarden Dollar (siehe Punkt 1) fürstlich für ihre Loyalität entlohnen.

Fazit: Der Westen ist ein Maulheld vor dem Putin sich im derzeitigen Stadium des Geschehens nicht fürchten muss. Das „härteste Sanktionsregime gegen Russland“, wie die britische Außenministerin Liz Truss behauptete, ist weniger für Putin als für die Medien gemacht. Man will gar nicht die Wirklichkeit erreichen, sondern nur die Schlagzeile des nächsten Morgens.

Corona: 330 Mrd. Euro Wirtschaftsverlust

(pte) – 330 Mrd. Euro: Diese Summe haben ifo-Forscher errechnet, wenn es um die wirtschaftlichen Ausfälle durch Corona in Deutschland für die Jahre 2020 und 2021 geht. „Dies entspricht einem volkswirtschaftlichen Verlust in Höhe von zusammen zehn Prozent der Wirtschaftsleistung des Jahres 2019“, sagt ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser.

Wertschöpfungsverluste, Bildung

Doch trotz der immensen Zahl könnte das tatsächliche Ausmaß noch deutlich höher ausfallen. Denn künftige Wertschöpfungsverluste, die etwa durch Ausfälle in der Bildung entstehen, sind in den heute, Donnerstag, präsentierten Zahlen noch gar nicht berücksichtigt. „Bei der Berechnung stützen wir uns auf die Konjunkturprognose des ifo Instituts vom Dezember 2019 für die Jahre 2020 und 2021. Ohne die Krise wäre die deutsche Wirtschaft in diesen Jahren um 1,3 Prozent pro Jahr gewachsen“, heißt es.

Die ifo-Prognose stand damals im Einklang mit jenen der anderen Forschungsinstitute und der Deutschen Bundesbank. „Dies ist die schwerste Weltwirtschaftskrise seit der Großen Depression in den 1930er-Jahren. Es war daher richtig, dass die deutsche Regierung die Wirtschaft entschlossen stabilisiert hat. Nicht durch eine klassische nachfrageorientierte Konjunkturpolitik, sondern durch Stabilisierung der Finanzmärkte und Überbrückungshilfen für Beschäftigte, Selbständige und Unternehmen“, so ifo-Präsident Clemens Fuest.

Schulden, Digitalisierung, Home-Office

Folgen der Krise sind den Experten nach nun höhere Staatsschulden, eine schlechtere Bildung und ein Digitalisierungsschub, der die Wirtschaft verändere mit Home-Office und Online-Handel. Die deutsche Wirtschaftsleistung brach 2020 um 4,6 Prozent ein und konnte auf dem niedrigeren Niveau 2021 um 2,7 Prozent zulegen. „Dennoch blieb die gesamtwirtschaftliche Leistung spürbar unter ihren Möglichkeiten“, resümiert Wollmershäuser.

China ist Deutschlands Top-Handelspartner

(pte) – Die Volksrepublik China war im Jahr 2021 zum sechsten Mal in Folge der wichtigste Handelspartner Deutschlands. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, wurden nach vorläufigen Ergebnissen Waren im Wert von 245,4 Mrd. Euro zwischen beiden Staaten gehandelt. Der Umsatz im Außenhandel mit China stieg damit um 15,1 Prozent gegenüber 2020.

Platz 2 Niederlande, Platz 3 USA

Auf den Rängen 2 und 3 der wichtigsten Handelspartner folgen laut den Wiesbadener Statistikern die Niederlande mit einem Umsatz von 206,1 Mrd. Euro (plus 20,1 Prozent) und die USA mit 194,1 Mrd. Euro (plus 13,4 Prozent). Die Bedeutung Chinas für die deutschen Importe wächst stetig: 1980 lag China noch auf Rang 35 der wichtigsten Importstaaten, 1990 schon auf Rang 14. Seit 2015 ist die Volksrepublik der Staat, aus dem die meisten Warenimporte nach Deutschland kommen.

2021 wurden Waren im Wert von 141,7 Mrd. Euro aus China importiert, das waren 20,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Auf den Rängen 2 und 3 der wichtigsten Importstaaten lagen 2021 weiterhin die Niederlande (105,7 Mrd. Euro; plus 21,5 Prozent) und die USA (72,1 Mrd. Euro; plus 6,5 Prozent). Damit war der Wert der aus China importierten Waren fast doppelt so hoch wie der Wert der Einfuhren aus den USA.

China-Abhängigkeit gefährlich

Diese Pressemitteilung kann ich aus eigener Erfahrung vielfach bestätigen. Hier nur ein Beispiel:

Einer meiner Freunde hat eine Firma, die unglaublich kreative Werkzeugschleifmaschinen entwickelt hat. Bis auf den tausendstel Millimeter genau lassen sich damit komplexe Werkzeuge und Objekte mit Präzision und fünf Achsen-Bewegungen herstellen. Die Zuführung der Rohobjekte erfolgt in selbst entwickelter Roboter-Methode auf Basis von Künstlicher Intelligenz. Um zu expandieren, benötigte er Kapital. Da in Deutschland die Genialität dieser Maschine nicht gewürdigt werden konnte, sprangen die Chinesen umgehend ein. Voraussetzung: Er musste auch eine Produktionsstätte in China errichten. Jetzt hat er das Problem, dass aus China ein sanfter Druck ausgeübt wird, ihnen die Firma mit sämtlichen Know How zu verkaufen. Doch das Angebot liegt meines Erachtens weit unter Wert.

Ähnlich ist es der Firma KUKA passiert, die von chinesischen Kapitalgebern übernommen wurde. An die vielen  in Deutschland entwickelten Technologien – ich erinnere da nur an Transrapid oder an Stahl- und Eisen-Produzenten, die in Deutschland aus ökologischen Gründen nicht mehr haltbar waren, doch von Chinesen Teil für Teil, Schraube für Schraube abgebaut wurden, mit dem Effekt, dass sie heute den CO2-Gehalt der Atmosphäre verpesten.

Auch chinesische Wissenschaftsjournalisten, die hier in Deutschland bevorzugt behandelt wurden, halfen fleißig bei dem kostenlosen Technologie-Transfer. Auch die von dem kommunistischen System übernommene globale Marktwirtschaft entbehrt jeglicher sozialer und ökologischer Qualität. So hat sich China als angebliches Schwellenland Vorteile erschlichen, die ihm nach und nach die Hegemonie über die Weltwirtschaft verschaffen werden. Seidenstraße und Kreditaktivitäten in Afrika lassen schön grüßen. Nicht nur mit seltenen und dringend benötigten Rohstoffen wird die Weltwirtschaft immer mehr abhängig von China. Das liegt auch am Erwartungshorizont der Chinesen. Sie rechnen mit über 100 Jahren, während Deutschland auf kurzfristige Gewinnmöglichkeiten setzt. Der Manchester-Kapitalismus, der in China verachtet wird, ist jedoch das Vehikel, um die Weltwirtschaft zu kapern.

Zum Schluss möchte ich noch auf einen philosophischen Aspekt hinweise, der auf den Ideengeber Konfuzius zurück zu führen ist: Das möchte ich einmal in einfachen Worten übersetzen ‚Es kommt nicht darauf an, dass das Rad immer wieder neu erfunden wird, sondern dass wir besser werden als unser Meister‘ Wir Deutschen waren lange Zeit die Meister der Chinesen, mit dem Erfolg, dass wir immer mehr als Industrie-Nation abgehängt werden. Dahinter steht aber auch, dass Deutschland im fiktiven Größenwahn schwimmt. die Mehrzahl der Deutschen glaubt – angetrieben durch Populismus mancher Parteien, dass wir immer noch die Lehrmeister der Welt sind und es sich deshalb lohnt, wegen der notwendigen Klimarettung Verzichtsmethoden zu entwickeln, die die ganze Welt retten sollten. Doch keiner folgt uns.

Jean Pütz

(pte) – Die Abhängigkeit großer deutscher Wirtschaftsbranchen vom Geschäft in China könnte sich mittelfristig zum Problem auswachsen. „Deutsche Firmen befinden sich auf dem Weg zu einer gefährlichen Abhängigkeit vom Wohlwollen der chinesischen Führung. Sie dienen dem geopolitischen Machtanspruch Chinas, wenn sie ihr Know-how in das Land transferieren, und können von heimischen Firmen verdrängt werden“, so Rolf J. Langhammer, Handelsforscher am IfW Kiel

Zahl der Tochterfirmen gestiegen

Seine Sicht untermauert der Wirtschaftsforscher damit, dass die Zahl an Tochterunternehmen und Produktionsstätten deutscher Unternehmen in China seit den 1990er-Jahren kontinuierlich angestiegen ist. So seien zuletzt rund sieben Prozent der gesamten Auslandsinvestitionen Deutschlands in China getätigt wurden. Laut Langhammer entspricht dies etwa 89 Mrd. Euro (Datenbasis 2019). 2000 waren es noch nur rund ein Prozent, hält der Ökonom fest.

Im Verarbeitenden Gewerbe, also etwa in den Bereichen Chemie, Maschinenbau oder Automobil, stiegen die Auslandsinvestitionen in China laut dem Experten von gut zwei Prozent im Jahr 2000 auf zuletzt sogar 14 Prozent (61 Mrd. Euro). Allein die Autoindustrie investierte demnach jüngst 24 Prozent ihrer ausländischen Geldanlagen in der Volksrepublik (26 Mrd. Euro).

Demgegenüber meiden die USA als weltgrößter Auslandsinvestor bislang diese Wachstumsregion, sie setzen stattdessen auf Investitionen in Europa. 2020 flossen nur rund zwei Prozent aller Auslandsinvestitionen nach China (110 Mrd. Euro). Bei Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes waren es gut sechs Prozent (54 Mrd. Euro). 2000 lag der Anteil der US-Auslandsinvestitionen in China gleichauf mit denen Deutschlands, also bei rund einem Prozent beziehungsweise zwei Prozent im Verarbeitenden Gewerbe.

Staaten üben sich in Zurückhaltung

„Die Zurückhaltung von US-Firmen ist umso erstaunlicher, als China seit vielen Jahren eine der am dynamischsten wachsenden Weltregionen ist und Firmen einen äußerst lukrativen Absatzmarkt bietet. Außerdem gewährt China ausländischen Firmen in den letzten Jahren auch allmählich Zugang zum Dienstleistungssektor, in dem US-Firmen weltweit führend sind. Ganz offenbar sind die Bedenken zu groß, von China für den Wissenstransfer oder das Ausspähen sensibler und sicherheitsrelevanter Informationen ausgenutzt zu werden“, meint Langhammer.

Dem Fachmann nach führen die USA Investitionskontrollen zum Schutz der nationalen Sicherheit nicht nur gegenüber ausländischen Firmen durch, die sich in den USA niederlassen wollen. Auch die Expansion von US-Firmen außerhalb der USA wird reguliert, um sicherzugehen, dass dadurch nicht sensible Infos in ausländische Hände fallen können. Deutschland dagegen reguliert über das Außenhandelsgesetz nur die Aktivitäten ausländischer Firmen im Inland, nicht die Investitionen inländischer Firmen im Ausland. China drängt ausländische Unternehmen dazu, den eigenen Markt weniger durch Handel als über Tochterunternehmen vor Ort zu beliefern.

 

Geben und Nehmen als staatliche Leistung einmal aufgegliedert

(Wirtschaftswoche) – Es ist eine immense Summe: 1,6 Billionen Euro hat der deutsche Staat 2020 eingenommen, in Zahlen: 1.600.000.000.000. Das ist, Schätzungen des Finanzministeriums zufolge, so viel, wie die komplette Coronapandemie den Staat bislang zusätzlich gekostet hat. Das Geld stammt aus Steuern und Abgaben und damit von jedem von uns, sei es über die Einkommensteuer, die Mehrwertsteuer oder die Sozialbeiträge.

Die Abgabenlast in Deutschland ist hoch: Der Teil des Einkommens, den die Bürger in der ein oder anderen Form an den Staat abgeben müssen, gehört zu den größten der Welt. Nach Berechnungen der OECD können alleinstehende Durchschnittsverdiener gerade einmal gut die Hälfte ihrer Einkünfte behalten, die restlichen 49 Prozent fließen an den Staat. Nur Belgien langt demnach stärker zu.

Auf der anderen Seite, so das gängige Narrativ, stehen die Empfänger sozialer Leistungen, die sozial Schwächeren, denen der Staat etwa mit Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Wohngeld oder Grundsicherung unter die Arme greift.

Die einen zahlen also, die anderen bekommen Geld? Die Realität ist deutlich komplizierter, wie neue Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln zeigen.

Ob jemand mehr Geld bekommt, als er einzahlt, hängt demnach besonders vom Alter ab. Jugendliche gehören zu den Netto-Empfängern und bekommen etwa Bildung und Gesundheitsleistungen bezahlt. Fangen die Menschen an zu arbeiten, kehrt sich das Verhältnis mit Mitte 20 um, bis sie mehr einzahlen, als sie bekommen. Der statistische Höhepunkt ist laut IW Köln mit Mitte 50 erreicht, wo der durchschnittliche Deutsche jedes Jahr 20.500 Euro an den Staat zahlt.

Im Alter kehrt sich das Verhältnis dann erneut um und aus den Netto-Zahlern werden Netto-Empfänger. Je älter die Senioren, desto mehr Geld beziehen sie vom Staat. Ab den 85. Lebensjahr sind es durchschnittlich 30.500 Euro pro Jahr. Bei all diesen Zahlen rechnet das IW nicht nur „harte“ Finanztransfers ein, sondern etwa auch staatliche Unterstützung für Kitas und Schulen, das Gesundheitswesen oder Altersbezüge.

All das sind natürlich nur Durchschnittswerte, die viele individuell unterschiedliche Situationen abbilden. Doch zu denen geben die IW-Forscher immerhin eine Annäherung

Die größten Unterschiede entstehen naheliegenderweise durch das Einkommen. Wer mehr verdient, zahlt mehr ein. Auch die Bildung spielt eine große Rolle: Je niedriger der Bildungsgrad, desto höher die Abhängigkeit von Sozialtransfers. Die untersten Einkommen sind fast ihr ganzes Leben lang Netto-Empfänger.

Auf der anderen Seite bekommen Besserverdiener im Alter dafür deutlich mehr Geld, nämlich etwa doppelt so viel wie Geringverdiener. Sie haben ja auch mehr eingezahlt.

Das zeigt sich besonders deutlich bei Männern. Im Laufe ihres Arbeitslebens verdienen sie deutlich mehr als Frauen, zahlen also auch mehr ein. Seinen Höhepunkt findet das mit 54 Jahren, wo der statistische Mann 26.000 Euro einzahlt, aber nur 6000 Euro bekommt. Zum Vergleich: Bei Frauen gehen im selben Alter 14.000 Euro an den Staat bei ebenfalls 6000 Euro Empfang.

Dafür bekommen Männer im Alter im Schnitt auch mehr, an die 35.000 Euro pro Jahr sind es bei Über-80-Jährigen. Bei Frauen sind es fast 10.000 Euro weniger. Der Grund liegt in den deutlich niedrigeren Renten und Pensionen, die natürlich direkt aus den niedrigeren Erwerbseinkommen resultieren.

Die immensen Altersausgaben veranlassen die Autoren zu einer Warnung. Schließlich befindet sich Deutschland mitten im demografischen Wandel, die Zahl der Alten steigt und die Alten werden immer älter.

„Für den Fiskus wird das zu einem rechnerischen Problem“, bilanziert Martin Beznoska, Steuerexperte beim IW und verantwortlich für den Steuer-Rechner: „Wegen des demografischen Wandels wird es immer dringender, die Sozialsicherungssysteme zu reformieren.“

Italien – nicht nur bescholtene Wirtschaftsnation

(FAZ) – Warum lieben wir Italien so? Sind es die großartigen Zeugnisse der Vergangenheit? Michelangelos Fresken, das Kolosseum in Rom, der berühmte schiefe Turm von Pisa? Ist es die unwiderstehliche Eleganz der italienischen Mode? Die Kreativität moderner Unternehmen? Vielleicht ist es von allem etwas, das uns an diesem Land so fasziniert. So außergewöhnlich wie die Wirtschaft Italiens ist eine Kampagne, die den italienischen Export unterstützen und das Label „Made in Italy“ fördern soll. „Be IT“ ist ihr Name, und ihre Kernaussage heißt: „Italy is simply extraordinary – Italien ist einfach außergewöhnlich.“

Das neue ehrgeizige Projekt wurde vom Ministerium für auswärtige Angelegenheiten und internationale Zusammenarbeit (MAECI) in Zusammenarbeit mit ICE – einer Agentur für die Auslandsförderung und Internationalisierung italienischer Unternehmen – ins Leben gerufen. Die Kampagne ist global ausgerichtet, ihr Fokus richtet sich auf 26 Länder auf drei Kontinenten.

Das riesige Potential der italienischen Wirtschaft

„Be IT“ verfolgt zwei Ziele. Zum einen soll die  internationale Öffentlichkeit auf originelle und innovative Weise über Italien informiert werden. Dabei geht es vor allem um das außergewöhnliche Potential der italienischen Wirtschaft und ihre zugrunde liegenden Werte. Eine wichtige Rolle spielt die Internationalisierung der Lieferketten. Kleine und mittlere italienische Unternehmen sollen dabei unterstützt werden, sich auf ausländische Märkte einzustellen. Dahinter steckt eine Vision, deren Strategie auf mittel- als auch auf langfristige Ergebnisse gerichtet ist.

Die am 29. November 2021 gestartete Kampagne dauert noch bis August 2022 und ist in zwei Phasen unterteilt. Ihr Hauptkonzept basiert auf einer „Karte der Werte“.

All diese Werte sollen die Komplexität und den Auftritt der Marke Italien im doppelten Sinn darstellen: hier der „Italian Way of Making“, dort der „Italian Way of Life“.

Wie wirkt Italien als Marke? Cool!

Die Karte wurde auf Grundlage einer genauen Quellenrecherche und vorbereitender Tests entwickelt. In der Analyse ging es auch um die Frage, welches Merkmal primär mit Italien als Marke identifiziert wird. Die Antwort: „Coolness“. Was sich dahinter verbirgt, wollten die Experten noch genauer wissen und fächerten die einzelnen Werte in weitere Makro-Werte und Dimensionen auf. So entstand ein flexibles Design- und Content-Creation-Tool, das es ermöglicht, die Identität der Marke Italien aus verschiedenen Blickwinkeln darzustellen und ihre Darstellung an das verwendete Medium, das Ziel und den jeweils passenden Referenzkanal anzupassen.

In der zweiten Phase werden gezielte Kampagnen gestartet, die darauf abzielen, die Produktionsketten des „Made in Italy“ zu fördern. Die Bewertungsphase erstreckt sich von November 2021 bis März 2022; weitere Kampagnen laufen von März bis August 2022.

An der Kommunikationskampagne waren über 20 Werbekanäle beteiligt, darunter Facebook, Instagram, Google, Snapchat, TikTok, die großen Nachrichtenmagazine verschiedener Länder, Linkedin, Spotify sowie spezielle Kanäle wie das russische soziale Netzwerk Vkontakte und WeChat in China.

Botschaften in 19 Sprachen übersetzt

Außerdem gibt es mehr als 40 Tools, mit deren Hilfe die Inhalte kommuniziert werden – darunter Fotos, Social Cards, Videos, interaktive Videos, Dokumentationen, Podcasts und Partnerschaften. Es gibt über 2000 Kampagnen-Ressourcen (Banner, Bilder, Videos), und mehr als 300 Ideengeber waren an der Influencer-Marketing- und Content-Creation-Kampagne in den 26 Zielländern beteiligt. Die Botschaften wurden in 19 Sprachen übersetzt – bei einer Zielgröße von einer Milliarde Menschen und rund 11 Milliarden Seitenaufrufen.

Auch Nachhaltigkeit spielt eine wichtige Rolle – dank einer Partnerschaft mit der Plattform „Treedom“, die das Pflanzen von Bäumen in vielen Ländern der Welt ermöglicht. Für das Projekt Be IT entsteht der erste Wald des „Made in Italy“. Um das Erlebnis noch intensiver zu gestalten, gibt es auf Spotify eine Playlist der Werte des „Made in Italy“. Und auf der Website sind zahlreiche Persönlichkeiten zu erleben, die Italien international und weltweit bekannt gemacht haben.

Krieg nur noch von Verrückten ausgelöst und angenommen?

(Morning Briefing) – Das Lieblingsinstrument dieser Tage ist die Kriegstrommel. Politiker, Militärs und die Medien schlagen geradezu lustvoll Alarm. Seit Tagen lancieren amerikanische Militärs das Gerücht, dass am Mittwoch der Einmarsch der russischen Soldaten in der Ukraine bevorstünde. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier setzte gestern – anlässlich seiner Amtszeitverlängerung – einen dramatischen Appell ab:

In vielen Medien werden bereits Analogien zur Situation vor dem Ersten Weltkrieg gezogen. Das soll gelehrig und bedeutsam klingen. Nur: Mit der politischen, militärischen und ökonomischen Realität im 21. Jahrhundert und den objektiven russischen Interessen haben diese Analysen nicht viel gemein.

Es ist der israelische Historiker und Bestsellerautor Yuval Noah Harari, der im aktuellen „Economist“ daran erinnert, dass der klassische Krieg seine Funktion, die Ausweitung von Macht und Wohlstand, in der Moderne weitgehend eingebüßt hat. Deshalb sei der Krieg zwischen den großen Mächten auch de facto ausgestorben:

Es sind folgende fünf Gründe, die den Krieg vom historischen Normalfall des 18., 19. und 20. Jahrhundert zum Ausnahme-Phänomen des 21. Jahrhunderts befördert haben:

1. Kriege sind immer der Ausdruck der technologischen Möglichkeiten und der ökonomischen Kosten-Nutzen-Abwägungen der Herrscher. Harari sagt:

Das bedeutet: Ändern sich die technologischen und die ökonomischen Voraussetzungen, so ändern sich auch der Charakter und die Häufigkeit des Krieges.

2. Die Fähigkeit der Atommächte, sich gegenseitig zu vernichten, hat den Krieg seiner Rationalität beraubt und ihn in einen Akt des kollektiven Selbstmords verwandelt. Deshalb fürchten die Großmächte China, Russland und Amerika zwar noch immer den Atomkrieg, aber sie bereiten ihn nicht vor. Der Krieg hat für sie seine Führbarkeit verloren.

3. Die wichtigsten Quellen für Wohlstand waren früher Rohstoffe und Nahrungsmittel, also Goldminen, Weizenfelder und Ölquellen. Die wichtigste Quelle für Wohlstand in der heutigen Welt ist Wissen. Aber Wissen kann man nicht mit einem Panzer erobern und mittels eines Folterknechts auch nicht ausbeuten.

4. Als Reflex auf diese ökonomischen und technologischen Veränderungen bevorzugen die Wähler der Nationalstaaten nicht mehr den Typus des militärischen Eroberers. Selbst George W. Bush und Donald Trump, gar nicht zu reden von Merkel und Co, sagt Harari, seien deswegen andere Politikertypen als Attila der Hunnenkönig. Der normale Politiker verdanke seinen Aufstieg nicht dem Krieg, sondern einem Reformversprechen im Innern.

Russen und Amerikaner mussten Afghanistan reumütig verlassen. Auch die Kriege in Vietnam und im Irak brachten den Kriegsherren nicht die gewünschten Ergebnisse. Seit 1945, sagt der Historiker, ist es selten geworden, dass internationale Grenzen neu gezogen wurden. Nicht ein einziger Staat verschwand seither durch Krieg von der Landkarte

Allerdings: Ein gedankliches Schlupfloch lässt der Historiker für seine Argumentation dennoch gelten: So wenig wie die Existenz des klassischen Krieges ein Naturgesetz gewesen sei, sei auch das Verschwinden des Krieges in der Moderne kein Naturgesetz

Oder anders ausgedrückt: Wir sind im Falle des russisch-westlichen Wettdrohens die Zeitzeugen eines vor großem Publikum durchgeführten Intelligenztests.

 

 

Globalisierung am Ende ?

(Handelsblatt) – Seit Monaten leiden Unternehmen an fehlendem Material, ob Mikrochips, Rohstoffe oder Brennstoffe. Die Engpässe haben Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf den Plan gerufen.

Mit Milliardensubventionen will der Minister Fabriken zur Produktion von Halbleitern nach Deutschland holen, um unter anderem die Abhängigkeit von Asien zu verringern. Darüber wird Habeck am Montag auch mit seinem französischen Amtskollegen Bruno Le Maire in Paris sprechen. Frankreich drängt seit langem darauf, die europäische Souveränität auch wirtschaftlich zu stärken.

Manch einer sieht das schon als Blaupause für einen generellen Wandel der Wirtschaft hin zu mehr nationaler Autonomie und weniger internationalem Handel. Schon vor der Pandemie hatte sich die Globalisierung verlangsamt. Als durch Corona auch noch Lieferketten blockiert wurden, hat das insbesondere deutsche Unternehmen schwer getroffen.

Ist die Turboglobalisierung endgültig am Ende?

Fünf Analysen aktueller Handelsströme und von Zukunftsszenarien für Deutschland lassen einen klaren Schluss zu: Die Globalisierung ist nicht an ihrem Ende angelangt. Sie wandelt sich aber grundlegend.

1. Deutschland handelt so viel mit dem Ausland wie nie zuvor

Trotz Lieferengpässen brummt der deutsche Außenhandel. Waren im Wert von mehr als 125 Milliarden Euro exportierte Deutschland allein im November, der Import lag bei 114 Milliarden Euro – beides Rekordwerte. Gleichzeitig geht die Wirtschaftsleistung seit dem späten Herbst sogar zurück.

„Wir hatten im Welthandel ein perfektes V“, sagt Gabriel Felbermayr, Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo). Nach dem Abschwung sei die Phase der Stagnation im Welthandel, mit der viele gerechnet hätten, nicht gekommen.

Getrieben wird die Entwicklung von der weltweit überdurchschnittlichen Nachfrage. Weil die Menschen während der Lockdowns ihr Geld nicht für Dienstleistungen, etwa im Kino oder beim Friseur ausgeben konnten, investieren sie es stattdessen in Waren. Allerdings ist die Produktion durch die Lieferengpässe noch immer eingeschränkt. Deutschlands Außenhandel könnte also noch viel stärker anziehen.

Trotz Omikron ist bislang nicht abzusehen, dass es doch noch zu einem Einbruch kommen könnte. Die Auslandsnachfrage war im Dezember zuletzt zwar etwas zurückgegangen. Sie liegt aber noch deutlich über dem Vorkrisenniveau.

2. Deutlich schnellere Erholung als nach der Finanzkrise

Die Weltfinanzkrise von 2008 hat die Globalisierung bereits nachhaltig verändert. Während das globale Handelsvolumen vom Anfang der 2000er-Jahre bis zur Finanzkrise jährlich rund 1,5-mal so schnell wuchs wie die Weltwirtschaft, nahmen Handel und Wirtschaftsleistung bis 2019 nur noch gleich schnell zu.

Manchem Globalisierungsgegner erscheint die Pandemie wie der optimale Abschied von der Internationalisierung. Doch das Gegenteil ist der Fall: Der deutsche Außenhandel hat sich viel schneller von den Problemen als damals erholt.

Etwas mehr als eineinhalb Jahren nach Ausbruch des Coronavirus in Deutschland haben die Exporte das Vorkrisenniveau schon wieder erreicht. Nach der Finanzkrise hatte das mehr als vier Jahre gedauert.

3. Deutschland kann sich ein Ende der Arbeitsteilung nicht leisten

Der Modekonzern C&A denkt um: Eine neue Fabrik hat das Unternehmen nicht in Asien, sondern in Mönchengladbach errichtet. Bis zu 800.000 Jeans pro Jahr will C&A dort herstellen. Kann das eine Blaupause für die gesamte deutsche Wirtschaft sein?

Das Ifo-Institut hat errechnet, was passieren würde, wenn jegliche Produktionen nach Deutschland zurückgeholt würden – „Reshoring“ nennt sich das. Die deutsche Wirtschaftsleistung würde laut dem Modell um fast zehn Prozent zurückgehen.

„Gäbe es einen globalen Trend hin zu stärker national ausgerichteten Lieferketten, stünde für die deutsche Wirtschaft sehr viel auf dem Spiel“, sagt Lisandra Flach, Leiterin Außenwirtschaft am Ifo. Auch die Wirtschaftsleistung der deutschen Handelspartner würden schrumpfen.

Neben dem „Reshoring“ wird das „Nearshoring“ diskutiert, bei dem die Produktion in der EU, in Nordafrika und in der Türkei angesiedelt würde. Doch auch dieses Vorgehen würde die deutsche Wirtschaftskraft um 4,2 Prozent schmälern.

Das Unternehmen muss sich Alternativen suchen: Diversifizierung und Puffer. „Anstatt sich nur auf einen Lieferanten zu verlassen, sollte man Ersatzlieferanten finden, um das Risiko zu senken“, erklärt Reinwald.

Bislang sind die Lieferbeziehungen deutscher Firmen nicht besonders divers. Importe, die nicht anderen EU-Ländern, der Schweiz oder Großbritannien entstammen, kommen zu einem Drittel aus China und einem Sechstel aus den USA.

Doch die Lieferengpässe bewegen zum Umdenken: Mehr als die Hälfte der deutschen Unternehmen wollen ihre Lieferketten anpassen, zeigt eine Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK). Wert legen dabei 78 Prozent auf die Zuverlässigkeit. Das Preis-Leistungs-Verhältnis spielt nur noch für zwei Drittel eine Rolle.

Darüber hinaus dürfte die Lagerhaltung der Unternehmen steigen. „Eine komplette Abkehr von der Just-in-time-Produktion wird es nicht geben“, vermutet Ökonom Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft. „Aber einen Krisenpuffer werden die meisten aufbauen.“