Archiv der Kategorie: Politik Gesellschaft

Stickoxid Grenzwert politisch gesehen

SCHMALLENBERG/HAGEN.   Beim Thema
Feinstaub spielen Autos nicht die Hauptrolle. Ein Schmallenberger
Lungenspezialist hält die Debatte daher für Hysterie.

Nicht nur über E-Auto-Quoten, Fahrverbote und die
Nachrüstung von Diesel-Fahrzeugen wird gestritten, sondern auch über
tatsächliche Gefährdung, die von Stickoxiden und Feinstaub überhaupt ausgeht.
Ein Überblick über den Stand der Forschung und der Diskussion.

Die
Alarmisten

38 000 Menschen seien 2015 vorzeitig gestorben, weil
Dieselfahrzeuge die Abgaswerte nicht eingehalten haben, 11 400 davon in der EU.
Insgesamt seien in dem Jahr durch Stickoxide aus Dieselautos in den größten elf
Autoländern 107 600 Menschen vorzeitig zu Tode gekommen. Das hat ein Team von
Environmental Health Analytics in Washington hochgerechnet.

Der
Skeptiker

„Ich
verstehe die Hysterie um Feinstaub nicht“, sagt Prof. Dieter Köhler. Der
Lungenspezialist, zeitweise Präsident der Deutschen Gesellschaft für
Pneumologie und bis 2013 ärztlicher Direktor des Fachkrankenhauses Kloster
Grafschaft: „In den Mengen, über die wir reden, ist er keine
Gesundheitsgefährdung. Zigarettenrauch hat millionenfach mehr Feinstaub als die
Luft an Hauptverkehrsstraßen.“

Böller
treiben Feinstaubbelastung extrem in die Höhe

Berlin 
Silvesterböller sind nicht nur laut und hell, sie sorgen auch für dicke Luft:
In vielen Städten stieg die Feinstaubbelastung stark an.

Die
Silvesterknallerei hat die Belastung mit gesundheitsschädlichem Feinstaub in
einigen Städten weit in die Höhe getrieben. Wie Messungen des Umweltbundesamtes
zeigen, zündeten die Feiernden in Berlin und Erfurt ihre Böller und Raketen
besonders früh. Während sich der Rest der Republik noch zurückhielt, lagen die
Feinstaub-Werte in beiden Städten schon um 22 Uhr im roten Bereich.

In Berlin, in
Hamburg, München, in Magdeburg und in mehreren Städten des Ruhrgebiets wurden
dann nach Mitternacht Stundenmittelwerte von teilweise mehr als 1000 Mikrogramm
pro Kubikmeter Luft gemessen.

In Berlin hielt
sich die „dicke Luft“ bis 6 Uhr, während sie andernorts schon langsam abklang.
Aus Baden-Württemberg lagen am Neujahrstag noch keine umfassenden Messdaten
vor.

Wie schnell die
Feinstaubbelastung nach dem Silvesterfeuerwerk abklingt, hängt vor allem von
den Wetterverhältnissen ab. Kräftiger Wind hilft, die Schadstoffe rasch zu
verteilen.

Die Probleme der Forscher

Die überwältigende Mehrheit der Wissenschaftler sieht
einen statistischen Zusammenhang zwischen Stickstoffdioxid und negativen
gesundheitlichen Auswirkungen. Allerdings ist es aus mehreren Gründen
schwierig, einen direkten Ursache-Wirkung-Zusammenhang nachzuweisen:
Stickstoffdioxid kann die Bildung von Ozon fördern und zu mehr Feinstaub führen
– beides gefährdet die Atemwege und das Herz-Kreislauf-System –, tritt aber
nicht isoliert auf. Und auch die Kombination findet man in einer so niedrigen
Dosierung, dass auf dieser Basis keine aussagekräftigen Tierversuche möglich
sind. Und die vergleichenden Langzeit-Studien von Bevölkerungsgruppen, die an
stark befahrenen Straßen wohnen und abseits, weisen zwar Unterschiede auf, doch
diese sind gering. „In dieser Größenordnung können kleinste Störfaktoren das
Ergebnis massiv beeinflussen – etwa ob jemand im Monat eine Zigarette mehr
raucht, als er angegeben hat, oder ob er seine Blutdruckmedikamente nicht so
regelmäßig einnimmt wie er sollte“, gibt Dieter Köhler zu bedenken.

Die
Quellen des Feinstaubs

Der
weitaus größte Teil des Feinstaubs in der Luft kommt nicht von Autoabgasen,
sondern hat natürliche Ursachen: Auf- und absteigende Luft wirbelt Dreck auf.
Auch beim Autoverkehr kommt nur der kleinere Teil des Feinstabs aus dem
Auspuff: Reifenabrieb, Verwirbelungen und Bremsen erzeugen deutlich mehr –
daran würden auch Elektroautos nichts ändern. Laut Umweltbundesamt übersteigen
inzwischen die Emissionen aus Holzheizungen die des Straßenverkehrs. In Köln
und Düsseldorf stammt rund ein Viertel der Stickoxide vom Schiffsverkehr auf
dem Rhein. Ein großer Anteil des Feinstaubs stammt auch aus der Landwirtschaft:
Beim großflächigen Düngen mit Gülle wird sehr viel Ammoniak freigesetzt, aus
dem Feinstaub entstehen kann.

Vergleichszahlen

Zwischen
1990 und 2014 haben sich die Stickoxid- und die Feinstaubbelastung mehr als
halbiert: Die Maßnahmen wirken. Die Luft wird sauberer. Die Grenzwerte sind
allerdings sehr unterschiedlich festgelegt: An Straßen dürfen 40 Mikrogramm
Stickstoffdioxid im Kubikmeter Luft sein, am Arbeitsplatz im Innenraum mehr als
20 Mal so viel: 950 Mikrogramm. Kopierer und Laserdrucker sind so betrachtet um
ein Vielfaches gefährlicher als Dieselautos.

Feinstaub

Wissenschaftler vom
Krebsinstitut in Mailand ließen 2004 in einer geschlossenen Garage einen Ford
Mondeo Turbodiesel eine halbe Stunde laufen. Sie maßen Feinstaubwerte, lüfteten
und brannten im gleichen Raum in der gleichen Zeit drei Zigaretten ab. Die Belastung
war zehn Mal so hoch.

Schmallenberger Arzt kritisiert Hysterie um Diesel-Abgase

Die Diskussion um
den Abgas-Skandal hat bundesweit volle Fahrt
aufgenommen. Sie dreht sich um Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge in Großstädten,
um Eintauschprämien und um Strafen für Autobauer – Anlass ist die Sorgen vor zu
viel Stickoxiden und Feinstaub in der Luft, die jeder einatmet. Genau diese
Ängste hält Professor Dieter Köhler für übertrieben und hysterisch. Der
Lungenspezialist plädiert für eine sachlichere und vor allem genauere Debatte.

Welchen
Kraftstoff tanken Sie in Ihr Auto?

Professor Dieter Köhler:
Diesel. Ich habe mich für einen Diesel-Motor entschieden, weil er weniger CO2
produziert. Grundsätzlich würde ich mich auch wieder dafür entscheiden.

Wie kann
ausgerechnet ein Lungenspezialist das angesichts des Abgasskandals sagen?

Ganz
einfach: Feinstaub ist eine der größten Seifenblasen der Forschung. Unter
diesen Begriff fallen auch die Stickoxide, über die wir in der Diesel-Debatte
reden. Ich verstehe diese ganze Hysterie um den Feinstaub nicht. In den Mengen,
über die wir hier reden, ist er keine Gesundheitsgefährdung. Zigarettenrauch
zum Beispiel hat millionenfach mehr Feinstaub als die Luft an
Hauptverkehrsstraßen.

Aber es gibt
eine Reihe von Studien, die dafür sprechen, dass eine hohe Feinstaub-Belastung
die Lebenserwartung verkürzen kann.

Diese
Studien haben aber schwerwiegende Fehler. Verglichen wurden
Bevölkerungsgruppen, die an viel befahrenen Straßen leben und andere, die
abseits wohnen. Die Unterschiede, die dabei festgestellt wurden, sind minimal.
Wir reden hier über Grenzwerte im Mikrogramm-Bereich und einer Erhöhung der
vorzeitigen Todesfälle um 1,05 Prozent. In dieser Größenordnung können kleinste
Störfaktoren das Ergebnis massiv beeinflussen – etwa ob jemand im Monat eine
Zigaretten mehr raucht als er angegeben hat oder ob er seine
Blutdruckmedikamente nicht so regelmäßig einnimmt wie er sollte. Sehr
verdächtig ist auch, dass in den Studien keine Dosisabhängigkeit nachgewiesen
werden konnte. Es gibt keinen Giftstoff, bei denen die Menge keine Rolle
spielt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Feinstaub eine Rolle bei der Sterblichkeit
spielt, ist also extrem gering.

Wenn Sie
damit recht haben – wie erklären Sie sich, dass auch namhafte Wissenschaftler
anders argumentieren?

Es gibt
eine Ideologisierung in der Medizin genauso wie in allen Wissenschaften. Das
vorurteilslose Fragen ist aus der Mode gekommen. Und mit einer
Minderheitsmeinung, die nicht politisch opportun ist, wird man kaum gehört.

Was
wünschen Sie sich für die weiteren Debatten um Diesel-Motoren und Abgaswerte?

Die
Argumente sollten besser ausgetauscht werden und man sollte nicht gleich in
eine ideologische Ecke gestellt werden, sobald man nur den Mund aufmacht. Auch
ich bin gegen den Verbrauch fossiler Energien und für die Reduktion der
Verkehrsdichte sowie von CO2 – aber in Bezug auf Feinstaub und Stickoxide muss
man die Kirche im Dorf lassen und die wirklichen Gefährdungspotentiale so
bewerten, wie sie sind.

DIREKTOR DES FACHKRANKENHAUSES

  • Von 1986 bis 2013 war Professor Dieter Köhler ärztlicher
    Direktor des Fachkrankenhauses Kloster Grafschaft
    , danach ging er
    in den Ruhestand.
  • An der Universität Freiburg hat der Mediziner sich habilitiert
    mit einer Studie über Aerosole – also kleinste Partikel in der
    Luft
    , die umgangssprachlich auch als Feinstaub bezeichnet werden.
  • Als Professor hat Köhler an den Universitäten Freiburg und
    Marburg gelehrt – die Universität Marburg kooperiert in
    der Ausbildung junger Mediziner bereits seit 2012 mit dem Fachkrankenhaus
    Kloster Grafschaft.
  • Außerdem war Köhler zeitweise Präsident der Deutschen
    Gesellschaft für Pneumologie
    .
  • Als fachlicher Berater ist er auch in der
    Bundespolitik gefragt.
  • Köhler lebt in Winkhausen und ist Präsident des
    dortigen Golfclubs
    .

Das
Fazit

Dr.
Ulrich Franck vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig sieht „aus
Kenntnis der Literatur und aus eigenen Studien(…) Hinweise auf eine die
menschliche Gesundheit schädigende Wirkung von Stickstoffdioxid“, schätzt die
Risiken im Vergleich zu anderen Risiken allerdings als geringer ein. Prof. Nino
Künzli vom Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institut in Basel hält
eine „auch mit weniger Stickoxiden belastete Stadtluft für gesünder“. Das alles
heißt: Weniger verbrannte fossile Energien, weniger Verkehr und sauberere Luft
sind besser. Aber Diesel-Pkw-Abgase sind, anders als man derzeit den Eindruck
haben könnte, keines unserer wichtigsten Gesundheits-Probleme.

Schlimme Folgen des BREXIT – Vernunft spielt keine Rolle

Brexit: Schleichender Niedergang

Solides Wirtschaftswachstum
und fast Vollbeschäftigung: Großbritannien geht es trotz Brexit offenbar
immer noch gut. Stimmt das? Eine Analyse

Von Marcus Gatzke

Boris Johnson und andere Brexit-Hardliner nannten es abschätzig "Project Fear": Die Warnungen vor den ökonomischen Folgen eines EU-Austritts seien nur dazu da, die britische Öffentlichkeit zu verängstigen. Michael Gove, britischer Justizminister zum Zeitpunkt des Referendums im Jahr 2016, verstieg sich sogar zu der Aussage, die Menschen in Großbritannien hätten genug von Experten, die sowieso meist falschlägen.
Nun sind mehr als zwei Jahre vergangen – und der britischen Wirtschaft
scheint es immer noch gut zu gehen. Hatten die Brexiteers am Ende
recht? 

Untersuchungen zeigen: Die
Wirtschaftsprognosen, die rund um den Volksentscheid im Juni 2016
veröffentlicht wurden, waren in der Mehrheit zu pessimistisch. Ökonomen überschätzten die kurzfristigen negativen Folgen des Brexit-Referendums. Die von manchen Experten befürchtete Rezession ist ausgeblieben. Das macht es Populisten wie Boris Johnson oder Jacob Rees-Mogg bis heute erheblich leichter, für einen harten Ausstieg aus der EU zu
polemisieren; schließlich herrscht trotz Brexit-Entscheidung noch immer
fast Vollbeschäftigung

Ein genauer Blick aber zeigt: Der EU-Austritt ist für Großbritannien schon jetzt schmerzhaft.

  1. Das Wachstum lässt nach

Großbritanniens Wirtschaft wächst – aber erheblich schwächer als vor dem Referendum.
Während die britische Ökonomie zuletzt nur noch um 1,2 Prozent zugelegt
hat, lag das Wachstum in der restlichen EU bei 2,3 Prozent. Eine
ähnliche Entwicklung zeigt sich auch weltweit: Großbritannien ist vom Wachstumsspitzenreiter innerhalb der G7-Staaten zu einem Schlusslicht geworden. 

Aber was heißt das konkret? Nach Berechnungen von Ökonomen verliert die britische Wirtschaft pro Woche 350 Millionen Pfund. Bis
Mitte 2018 habe sich das Minus auf rund zwei Prozent des
Bruttoinlandsprodukts (BIP) summiert, haben sie in einer Modellrechnung
ermittelt. Bis Ende 2019 könnte es sich auf 3,4 Prozent erhöhen. Die
Forscher nennen zwei mögliche Ursachen: eine wachsende Unsicherheit, die
sich kurzfristig negativ auf Investitionen und Konsum auswirke, sowie
ein reduzierter Handel mit dem europäischen Festland. Die Konsequenz:
Großbritannien werde durch den Brexit dauerhaft ärmer. Andere Forscher kommen sogar auf noch größere Verluste.

  1. Die Investitionen stagnieren

Eine Vielzahl von britischen
und ausländischen Unternehmen hat seit dem Referendum angekündigt,
geplante Investitionen in Großbritannien zu überdenken oder sogar einen
anderen Standort auszuwählen. Deshalb haben private Investitionen seit
Mitte 2016 nur noch leicht zugelegt, obwohl die britische Wirtschaft
weiterhin wächst und nahezu Vollbeschäftigung herrscht. In den ersten beiden Quartalen dieses Jahres sind die Investitionen sogar wieder gesunken. 

Dabei sollte gerade die gute
Lage auf dem Arbeitsmarkt für Unternehmen ein Anreiz sein, in neue
Technologien zu investieren. Stattdessen haben vor allem Firmen aus der Automobilindustrie ihre Pläne erst mal auf Eis gelegt. Vor dem Referendum war die britische Notenbank noch von einem "robusten Wachstum" ausgegangen. Experten gehen davon aus,
dass die britische Wirtschaft wegen der Brexit-Entscheidung bislang
Investitionen in Höhe von 22 Milliarden Pfund verloren hat.

  1. Das Pfund schwächelt

Das britische Pfund hat nach
dem Brexit-Votum schockartig gegenüber dem Dollar und dem Euro an Wert
verloren. Zwei Jahre später hat sich der Wechselkurs nur wenig erholt.
Der Grund ist auch hier: Unsicherheit. Investitionen werden
zurückgehalten, bis klar ist, in welchem Verhältnis Großbritannien
künftig zur Europäischen Union steht. Ein fallender Wechselkurs macht
Importe teurer und führt tendenziell dazu, dass die Inflation im Land
steigt.

Aber ein billiges Pfund ist
per se nicht nur negativ. Die Abwertung kann die Wettbewerbsfähigkeit
der Exportindustrie erhöhen, da die Unternehmen ihre Produkte auf dem
Weltmarkt günstiger anbieten können. Großbritannien ist aber kein
klassisches Exportland. Die Exportquote, also das Verhältnis zwischen Güterexporten und BIP,
liegt bei rund 16 Prozent – werden Dienstleistungen mitberücksichtigt,
sind es rund 30 Prozent. Zum Vergleich: Der Durchschnitt in der
restlichen EU (ohne die Briten) liegt bei 36 (respektive 49) Prozent.
Großbritanniens Wirtschaft ist nicht auf den Export von Gütern
spezialisiert, sondern vor allem von der Finanzindustrie in London
abhängig. Sie macht rund sieben Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung
aus. 

Schleichender Niedergang

Großbritannien verliert an Attraktivität


  1. Der Arbeitsmarkt ist noch robust

Auf dem britischen Arbeitsmarkt sieht es dagegen immer noch gut aus. Die Arbeitslosenquote ist mit vier Prozent so niedrig, wie seit den Siebzigerjahren nicht mehr.
Dies liegt allerdings auch daran, dass Arbeitslose, etwa weil sie in
Rente gehen, nach einer gewissen Zeit nicht mehr in der Statistik
auftauchen und die sogenannte Gig Economy in den vergangenen Jahren zahlreiche Teilzeitbeschäftigte und
Scheinselbstständige geschaffen hat. Trotzdem: Die Beschäftigung steigt
auch nach dem Referendum, es werden sogar vermehrt Vollzeitstellen
geschaffen.

Unter dem Strich bleibt für
die britischen Beschäftigten aber kaum mehr übrig. Die Inflation ist in
den vergangenen zwei Jahren in der Spitze auf 2,8 Prozent gestiegen, das
Lohnwachstum lag trotz der hohen Beschäftigung und der niedrigen
Arbeitslosigkeit nur marginal höher. Ein möglicher Grund für die
gestiegene Inflation ist der schwache Wert des Pfundes: Importe sind
teurer geworden und die Unternehmen reichen ihre höheren Kosten nach und
nach an die Konsumenten weiter.    

Der Arbeitsmarkt ist zudem ein nachlaufender Faktor. Es braucht meist länger, bis negative Ereignisse sichtbar werden. Bernard Fingleton von der Universität Cambridge hat errechnet:
Sollte sich das Handelsvolumen zwischen der EU und Großbritannien durch
den Brexit um lediglich zwei Prozent reduzieren und nicht durch mehr
Handel mit anderen Teilen der Welt ausgeglichen werden, würden bis 2025
allein in der Region London 66.500 Jobs wegfallen. In anderen Teilen
Großbritanniens wären die Verluste niedriger, aber immer noch spürbar.

  1. Die Zuwanderung geht zurück

Viele EU-Bürger, die in
Großbritannien leben und arbeiten, treibt nach dem Referendum die Sorge
um: Werde ich langfristig bleiben können oder muss ich gehen?
Mittlerweile ist klar, dass sich für die EU-Bürger, die bereits auf der
Insel leben und arbeiten, nur wenig ändern wird. Aber die Stimmung im
Land gegenüber Ausländern hat sich verschlechtert. Und der niedrige
Wechselkurs des Pfunds macht den Standort für osteuropäische
Arbeitskräfte, die Geld nach Hause schicken wollen, weniger attraktiv.

Zog es zwischen Juni 2015 und Juni 2016 noch insgesamt 284.000 EU-Bürger nach Großbritannien,
waren es zwischen März 2017 und März 2018 nur noch 226.000. Im gleichen
Zeitraum stieg die Zahl der EU-Bürger, die Großbritannien verlassen
haben, auf 138.000. Aus anderen Regionen der Welt kommen dagegen leicht
mehr Zuwanderer als noch vor zwei Jahren. 

Ab 2021 und einem
vollzogenen Brexit sollen EU-Bürger genauso behandelt werden wie
Migranten aus dem Rest der Welt. So will es zumindest die britische
Premierministerin Theresa May. Gerade die Zuwanderung von
Geringqualifizierten soll stark reduziert werden. Das allerdings
kritisieren britische Unternehmerverbände als ignorant und elitär. Auch verschiedene britische Ökonomen sehen eine deutlich geringere Migration negativ für die wirtschaftliche Entwicklung.

Ursprünge heutiger Konflikte

Friedensordnungen nach 1918: Am DHI Washington diskutieren Historiker Ursprünge heutiger Konflikte

Washington DC und Bonn, den 12. März 2018 – 100 Jahre nach Ende des
Ersten Weltkriegs beschäftigen sich vom 22. bis 24. März 2018 40
Historikerinnen und Historiker aus 10 Ländern am Deutschen Historischen
Institut (DHI) Washington mit dessen Langzeitfolgen. Unter dem Titel
„Settlement and Unsettlement: The Ends of World War I and their
Legacies” diskutieren sie ein Thema von höchster Relevanz: Wie und warum
erwuchsen aus dem langjährigen Bemühen um einen nachhaltigen Frieden in
Europa und der Welt zugleich Konflikte, die in vielen Fällen – wie im
Nahen Osten – bis heute einer Lösung harren. Das DHI Washington
organisiert die vierte Stiftungskonferenz der Max Weber Stiftung in
Kooperation mit den beiden größten Historikerverbänden der Gegenwart und
dem National History Center.

Der Waffenstillstand vom 11. November 1918 gilt gemeinhin als Ende des
Ersten Weltkriegs. Am DHI Washington zeigen nun international
renommierte Historikerinnen und Historiker, dass er kaum mehr als ein
Mosaikstein in einem langwierigen Friedensbildungsprozesses war, an
dessen Ende Entscheidungen mit weitreichenden politischen und
diplomatischen Konsequenzen standen. Die Zerschlagung multiethnischer
und multinationaler Imperien, die – wie das Habsburger und das
Osmanische Reich aber auch das Deutsche Kaiserreich – der europäischen
Geschichte bis 1918 ihren Stempel aufgedrückt hatten, war ein zentraler
Faktor für die Entstehung einer neuen Weltordnung. Inspiriert von der im
Kern revolutionären Prämisse, dass Nationen ein Selbstbestimmungsrecht
zukomme, schufen Politiker und Diplomaten zahlreiche neue Staaten und
Grenzen. Ausgehend vom Ideal ethnisch homogener Nationalstaaten
entstanden so erstmals nationale Minderheiten und damit einhergehend
Bevölkerungsbewegungen von beispiellosem Ausmaß — und dies nicht nur in
Ost- und Ostmitteleuropa. So begann mit dem griechisch-türkischen
Bevölkerungsaustausch nach dem Lausanner Vertrag von 1923 ein
Jahrhundert der Massenvertreibungen. Auch die Unterteilung des Nahen
Ostens in mehrere Proto-Nationalstaaten steht für die zum Ende des
Ersten Weltkrieges erfolgte Neuvermessung der politischen Welt, die im
Zentrum der großen Tagung steht.

Diese Tagung ist bereits die vierte Stiftungskonferenz der Max Weber
Stiftung – Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland (MWS).
Die Stiftung unterhält weltweit derzeit zehn Institute wie dasjenige in
Washington sowie weitere Forschungsgruppen und Büros in ausgewählten
Ländern. Mit diesen Forschungsinfrastrukturen ist sie ein zentraler
Akteur in der internationalen Exzellenzforschung in den Geistes- und
Sozialwissenschaften. Das Format der Stiftungskonferenzen bringt
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aller Institute einmal im Jahr
zusammen, um mit Forschenden aus aller Welt zentrale historische Fragen
international vergleichend und interdisziplinär zu diskutieren. Die
Bedeutung des Formats lässt sich an den Partnern ablesen, auf die
Institute der MWS zählen können. In Washington sind es der Verband der
Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD), die American
Historical Association (AHA) und das National History Center Washington
(NHC), das für die amerikanische Geschichtswissenschaft eine öffentliche
Bühne bietet.

Deutschland – das innovativste Land der Welt ? Wie lange noch?

Deutschland – das innovativste Land der Welt?

von Norbert Arnold , Eric Steilmann

Viele Indikatoren sprechen für die innovative
Leistungsstärke Deutschlands. Das Weltwirtschaftsforum sieht Deutschland sogar
auf Platz 1 in Bezug auf Innovationsfähigkeit. Trotzdem sind weitere
Anstrengungen geboten, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu
verbessern. Dies gilt auch für Wissenschaft und Forschung, die am Beginn der
Innovationskette stehen. Das Wissenschaftsnetzwerk der Konrad-Adenauer-Stiftung
hat dazu Handlungsempfehlungen erarbeitet.

7. Februar 2019

Das Weltwirtschaftsforum (WEF) ermittelt jährlich die
internationale Wettbewerbsfähigkeit von 140 Volkswirtschaften. Untersucht
werden zwölf Aspekte. Weltweit führend ist Deutschland im Bereich
„Innovationsfähigkeit“. Ausschlaggebend dafür sind u. a. die große Zahl an
angemeldeten Patenten und die ausgeprägte Kundenzufriedenheit bei deutschen
Produkten. Auch auf anderen Feldern nimmt Deutschland Spitzenplätze ein (Global
Competitiveness Report 2018, viii, 28 f., 239–241).

Dass Deutschland im Bereich Innovation weltweit führend ist,
liegt auch an den jährlich steigenden Innovationsausgaben von Unternehmen.
Allein im Jahr 2016 beliefen sie sich auf 158,8 Milliarden Euro. Kein anderes
Land in Europa investiert so viel in Innovationen. Die Erfolge sind sichtbar:
Allein mit Produktinnovationen wurden im Jahr 2016 über 700 Milliarden
umgesetzt, Tendenz steigend. Ein ähnlicher Trend ist für die Anmeldung von
marktrelevanten Patentanmeldungen zu verzeichnen. Hier liegt Deutschland, in
Relation zur Einwohnerzahl, sogar vor den Vereinigten Staaten (Bundesbericht
Forschung und Innovation 2018, 15 f.).

Die erzielten Erfolge dürfen indes nicht zu Untätigkeit
führen. Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) warnt in ihrem
Jahresgutachten 2018, sich zu stark auf die Förderung der aktuellen Stärken der
deutschen Wirtschaft zu fokussieren. Dies könnte sich als hinderlich für die
Erschließung neuer Anwendungsfelder herausstellen.

Neue Ideen kommen aus Forschung und Entwicklung. Deutschland
hat – am Anfang der Innovationskette – ein leistungsfähiges
Wissenschaftssystem. Unterschiedliche Indikatoren verweisen darauf: So
publizieren immer mehr Wissenschaftler aus Deutschland in renommierteninternationalen Fachzeitschriften. Die
Studierendenzahlen aus dem In- und Ausland sind gestiegen. Gleiches gilt auch
für die Anzahl der in der Forschung tätigen Personen (EFI: Jahresgutachten
2018; 89, 114, 116).

Hochschulen kommt hinsichtlich der Sicherung des
Innovationspotenzials eine zentrale Rolle zu.Sie betreiben Forschung und bilden wissenschaftlichen Nachwuchs aus –
oft in Kooperation mit anderen öffentlich geförderten Forschungseinrichtungen
und innovierenden Unternehmen. Ein weiterer Eckpfeiler sind die
nichtuniversitären Forschungseinrichtungen. Sie betreiben erkenntnis- und
anwendungsorientierte Spitzenforschung auf international anerkanntem hohemNiveau. Auch sie tragen zur
Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands bei.

Um leistungsfähig zu bleiben, müssenWissenschaft und Forschung auch künftig
intensiv gefördert werden. Die USA und Großbritannien, haben hier nach wie vor
einen Vorsprung.Andere Länder, wie
China, holen auf.

Handlungsempfehlungen

Das Wissenschaftsnetzwerk der Konrad-Adenauer-​Stiftung
empfiehlt zur Stärkung von Wissenschaft und Forschung (Wissenschaftsnetzwerk:
Die Zukunft des deutschen Wissenschaftssystems, 2018) u. a.:

ein dauerhaftes
Engagementdes Bundes in Wissenschaft
und Forschung, das über die bisherigen Pakte hinausgeht und zueinem umfassenden und konsistenten „Bündnis
für Bildung, Wissenschaft und Innovation“ führt;

ein
„Hochschulqualitätssicherungsgesetz“ als bundesweit einheitlicher Rahmen zur
Qualitätssicherung;

mehr Freiräume
und Eigenverantwortung von Universitäten, so dass sie ausdifferenzieren, ihre
Profile schärfen und ihre Stärken weiter ausbauen können;

einen
konsequenten Ausbau von Fachhochschulen/Hochschulen für angewandte
Wissenschaften und Dualen Hochschulen, die dem steigenden Bedarf nach
anwendungsorientierter und unternehmensnaher Forschung und Ausbildung
entsprechen;

Verbünde von Hochschulen
und nichtuniversitären Forschungseinrichtungen, überall dort, wo es inhaltlich
sinnvoll ist, um Synergien zu nutzen;

eine
stärkere, vom Bund unterstützte, Internationalisierung von Wissenschaft und
Forschung, so dass es gelingt, herausragende Wissenschaftler und Studierende
für Deutschland zu gewinnen.

Menschenrechtsverstöße in Sierra Leone – Mit persönlicher Meinung von Jean Pütz

Meine
persönliche Meinung:

ich
veröffentliche diesen Beitrag ohne prüfen zu können, ob die Fakten stichhaltig
sind. Trotzdem halte ich es für notwendig darauf hinzu weisen, dass Afrika nur
dann aus der schrecklichen Verknüpfung von Korruption, brutalem Kapitalismus
westlicher oder chinesischer Provinienz herauskommen, wenn die deutsche und
europäische Entwicklungspolitik auf diese Gefahren reagiert. Zumindest was
Deutschland anbelangt haben wir die Verpflichtung wesentlich mehr Geld für die
Entwicklung Afrikas bereitzustellen als bisher üblich. Die Projekte müssen
unbedingt die ortsansässige Bevölkerung einbeziehen, nur dann sind sie
nachhaltig. Zu vermeiden ist vor allen Dingen der Trend zur industriealisierten
Landwirtschaft, in dem die Firma Bayer AG mit dem Erwerb von Monsanto eine
Weltmarktführerschaft übernehmen will. Das Buch "Traurige Tropen" von
Levi Strauss hat diese Gefahren vor mehr als 50 Jahren deutlich gemacht. Die
Politik kann also nicht behaupten, dass sie davon nichts gewusst hätten. Dort
wird schon genau beschriben die humanitären Probleme, die durch rücksichtslosen
Abbau der für die westliche  und fernöstliche Zivisilation notwendigen
Rohstoffe erwachsen.

Insbesondere
ist es die Aufgabe Europas, die kräftig bei der verbrecherischen Kolonisation
und beim Sklaven mitgewirkt haben, den Afrikanern mit Hilfe von der Bevölkerung
angepasster Technologie und kostenlosen Patenten zu helfen sich zu entwickeln –
nicht nur wegen des Umweltschutzes.

Als junger
Student war ich in Köln Vorsitzender des Internationaler Studentenbund für
übernationale Förderation (ISSF). Seitdem verfolge ich mit Grauen die
Entwicklung Afrikas, die nicht nur durch den Klimawandel und Terrorismus
bedroht wird. Insbesondere die Chinesen spielen dabei eine unrühmliche Rolle
und kaufen riesige Ländereien auf, um industrielle Landwirtschaft zu
implantieren und Rohstoffe abzubauen. Ebenso spielen rein am Profit orientierte
westliche Unternehmen eine  verhängnisvolle Rolle. Damals hatten wir
Kontakt mit vielen afrikanischen Studenten und das Interesse hat sich auch bei
meiner späteren journalistischen Tätigkeit ausgewirkt. Ich war oft in Afrika
und habe Reportagen realisiert, häufig mit der Absicht, Probleme an Ort und
Stelle dar zu stellen und Problemlösungen zu ananlysieren. Leider werden viel
zu wenig die Animositäten der jeweiligen Bevölkerung dabei berücksichtig. Ich
hoffe, dass zumindest die bundesrepublikanische Entwicklungspolitik das mit in
Betracht zieht.

Welche
katastrophalen Auswüchse es auch heute noch gibt, können Sie am folgenden
Beitrag sehen.

Ihr Jean
Pütz

Pressemitteilung
vom 21. Februar 2019

Sierra
Leone: Landnahme durch Palmöl-Firma SOCFIN beenden

Einen Monat nach neuen gewaltsamen Vorfällen auf den SOCFIN-Plantagen
in Sierra Leone, die zu brutaler Repression und dem Tod von zwei Personen
führten, analysiert ein Bericht der Menschenrechtsorganisation FIAN  den
Landkonflikt aus menschenrechtlicher Perspektive. Eine Koalition von
sierra-leonischen und internationalen Organisationen fordert die Regierung von
Sierra Leone sowie ihre internationalen Partner auf, LandrechtsverteidigerInnen
zu schützen und die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen zu stoppen.

Seit
2011 hat das multinationale Unternehmen SOCFIN mehr als 18.000 Hektar Land für
industrielle Palmölplantagen im Süden von Sierra Leone (Malen Chiefdom, Bezirk
Pujehun) erworben. Seitdem tobt ein Landkonflikt zwischen SOCFIN, den lokalen
Behörden und den betroffenen Gemeinden.

Der
Konflikt hat in jüngster Zeit ein neues Ausmaß von Gewalt erreicht: am 21.
Januar wurden nach einer Auseinandersetzung zwischen EinwohnerInnen, der
Polizei und dem Militär zwei Menschen erschossen. Kurz darauf wurden in den
umliegenden Dörfern Polizei- und Militärrazzien durchgeführt. Menschen wurden
geschlagen, Häuser zerstört und Eigentum geplündert. Hunderte Personen flohen
aus ihren Häusern. Die Polizei verhaftete 15 Personen und setzte damit eine
lange Reihe willkürlicher Verhaftungen und gerichtlicher Schikanen gegen
LandrechtsaktivistInnen der Organisation MALOA (Malen Land Owners and Users
Association) fort.

Einen
Monat nach den tragischen Ereignissen veröffentlicht die belgische Sektion der
Menschenrechtsorganisation FIAN heute den Bericht "Land Grabbing for Palm Oil in Sierra Leone: Analysis of
the SOCFIN Case from a Human Rights Perspective ".
Der Bericht
dokumentiert die Aktivitäten von SOCFIN in Sierra Leone und zeigt auf, wie das
Unternehmen mit Unterstützung nationaler und lokaler Eliten die lokale
Bevölkerung hindert, ihre Rechte wahrzunehmen. Analysiert werden unter anderem
Auswirkungen auf die Rechte auf Nahrung, Wasser, Bildung und eine gesunde
Umwelt sowie die Rechte von Arbeitnehmenden, Frauen und älteren Menschen.

Der
Bericht dokumentiert zudem Hinweise auf Korruption und mangelnde Transparenz:
große Geldbeträge, die den Grundeigentümern als Pachtzahlungen zukommen
müssten, flossen stattdessen von SOCFIN an lokale Eliten – ohne jegliche
Transparenz, wie die Mittel verwendet wurden. Darüber hinaus deckt der Report
eine große Diskrepanz zwischen den Versprechungen von SOCFIN im Rahmen ihres
Aktionsplans zur sozialen Unternehmensverantwortung und der Realität vor Ort
auf: von den 16.433.375 US Dollar, die SOCFIN angekündigt hatte (für Gebäude,
Straßen, Schulen, Krankenhäuser, ein Vertragslandwirtschafts-Programm etc)
wurden zwischen 2011 und 2017 lediglich 2.583.784 Dollar tatsächlich
verausgabt.

Seit
Beginn der Tätigkeit von SOCFIN wurden die Gemeinschaften, die sich gegen das
Landgeschäft wehrten, systematisch kriminalisiert, was in den tragischen
Ereignissen des letzten Monats gipfelte. Hunderte von
LandrechtsverteidigerInnen wurden willkürlich verhaftet und juristisch
schikaniert. Vor diesem Hintergrund fordern 34 sierra-leonische und
internationale Organisationen den Staat Sierra Leone und seine internationalen
Partner dringend auf:

• die sich noch im Gefängnis befindlichen LandrechtsaktivistInnen von
Malen unverzüglich freizulassen (es sei denn, es liegen eindeutige Beweise für
Straftaten vor), alle Formen der Kriminalisierung zu beenden und den Schutz der
MenschenrechtsverteidigerInnen zu gewährleisten;

• die von den Gemeinschaften in Malen erlittenen
Menschenrechtsverletzungen und -verstöße zu beheben und eine dauerhafte Lösung
des Konflikts zu finden. In einem ersten Schritt fordert MALOA die Regierung
auf, eine gründliche Untersuchung des Falls durch unabhängige
MenschenrechtsexpertInnen einzuleiten, die als Grundlage für Maßnahmen zur
Behebung aller Menschenrechts-Verletzungen vor Ort dient.

Darüber
hinaus fordern die Organisationen die internationale Gemeinschaft (Afrikanische
Union, Vereinte Nationen, EU-Außendienst, die Heimatstaaten von SOCFIN,
Partnerstaaten von Sierra Leone etc) auf:

• aktive Maßnahmen zum Schutz der Menschenrechtsverteidiger zu ergreifen,
einschließlich einer Überwachung der Situation der inhaftierten Personen und
der lokalen Bevölkerung;

• alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um
sicherzustellen, dass SOCFIN die Menschenrechte achtet, Haftung für
Menschenrechtsverletzungen übernimmt und für alle Missbräuche im Zusammenhang
mit seinen Geschäften in Sierra Leone verantwortlich gemacht wird;

• alle verfügbaren Mittel der Diplomatie zu nutzen, um eine dauerhafte
Lösung für den Konflikt zu finden, die auf den Rechten und Bedürfnissen der
lokalen Bevölkerung basiert.

Luxemburg,
die Schweiz und Belgien sind die Heimatstaaten von SOCFIN. Heimatstaaten sind
aufgrund der Menschenrechtsnormen verpflichtet, die Bevölkerung in den Gaststaaten
der Unternehmen vor der Beeinträchtigung der Menschenrechte durch diese
Unternehmen zu schützen und den Opfern Zugang zu Rechtsmitteln zu gewähren. Die
Forderungen richten sich auch die deutsche Bundesregierung, die im Jahr 2014
eine Landpartnerschaft mit der Regierung von Sierra Leone eingegangen ist.

Niemand will mehr körperlich arbeiten

Das Handwerk kämpft um Fachkräfte. Viele junge Menschen studieren
lieber, als einen Beruf zu erlernen. Das spüren die Betriebe
ausgerechnet jetzt heftig, da ihre Auftragsbücher randvoll gefüllt sind.

Viele
Handwerksbetriebe sind auf Monate ausgebucht und suchen verzweifelt
Fachkräfte. „Derzeit sind die Auftragsbücher unserer Betriebe zum Teil
so sehr gefüllt, dass sie sogar schon Aufträge ablehnen müssen, weil sie
schlicht nicht genügend Fachkräfte haben, um alles abzuarbeiten“,
berichtet der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Fast die
Hälfte der Firmen habe Schwierigkeiten, Personal zu finden.

Die
Zahl der gemeldeten offenen Stellen bezifferte der Verband auf rund
150.000 – vermutlich liege sie aber noch höher. Die Gründe für diese
Entwicklung liegen laut ZDH in sinkenden Schulabgängerzahlen und einer
erhöhten Neigung zu studieren. „Damit ging die Entwertung der dualen
Ausbildung einher“, bemängelt der Verband. „Über viele Jahre haben sich
zu wenig Jugendliche für eine Lehre im Handwerk entschieden.“

Notwendig
sei ein Bewusstseinswandel: „Einer beruflichen Ausbildung muss wieder
die Wertschätzung unserer Gesellschaft entgegengebracht werden, die ihr
gebührt.“

Unter den Talaren der Muff von 1000 Jahren

Deutsche Hochschullandschaft bedarf dringend einer Reformation. Von der internen Diktatur des Ordinarius zur Demokratie des Fachbereichs.
Dazu ein Konzept mit Exzellenz Charakter.

Meine persönliche Bemerkung:
Das folgende Manuskript hat mir mein Sohn, Joern Pütz, zur Verfügung gestellt. Er ist Doktor der Biochemie, er forscht in Frankreich am zentralen Forschungsinstitut CNRS in Straßburg in der biochemischen Abteilung, die bereits 4 Nobelpreisträger hervorgebracht hat. Gleichzeitig lehrt er an der Universität zu Straßburg, außerdem ist er Vizepräsident dieser Universität, Beauftragter für deutsch-französische Beziehungen seines Wissenschaftszweiges und Mitbegründer des European Campus Oberrhein, gen. Eucor, in dem sich die Universitäten Straßburg, Basel, Freiburg zusammengefunden haben. Diese Tätigkeiten eröffneten ihm einen guten Überblick über die europäischen Hochschullandschaften, insbesondere der Universitäten.
Weil er weiß, dass ich mich als Wissenschaftsjournalist sehr um das Renomée und die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft bemühe, hat er mir das folgendes Manuskript zugesandt, das in unnachahmlicher Weise die Unzulänglichkeiten des heutigen Universitäts-Systems offen legt.
Ich empfehle es allen, denen die Unzulänglichkeit dieser Problematik bewusst ist, weil es nicht nur den ‚Ist-Zustand‘ beschreibt, sondern auch konstruktiv die Möglichkeiten der Korrektur kreativ vorschlägt.
Viele Grüße
Ihr Jean Pütz

BKT 2018/1 in Frankfurt
Gute Perspektiven in der Wissenschaft ermöglichen – das Lehrstuhlprinzip abschaffen!
Gute Arbeitsbedingungen, planbare Karrierewege oder langfristige Berufsperspektiven – das alles ist an den meisten Hochschulen leider die Ausnahme. Deshalb bleibt der Kampf für gute Arbeitsbedingungen für uns Juso-Hochschulgruppen selbstverständlich. Wir geben uns nicht mit kleinen Verbesserungen zufrieden, sondern setzen uns dafür ein, dass es attraktive und planbare Karrierewege in der Wissenschaft gibt, die mehr als nur einem sich selber reproduzierenden Männerzirkel zugänglich sind. Die aktuelle Hochschul- und Wissenschaftspolitik richtet sich fast nur noch an den Faktoren Geld und Personal aus und stellt die Organisationsformen und -strukturen der Hochschulen kaum noch in Frage. Doch gerade hier ließe sich noch einiges verändern, um Arbeitsbedingungen zu verbessern und gute Perspektiven in der Wissenschaft zu ermöglichen.
Der Status Quo
Die Arbeitsbedingungen an deutschen Hochschulen sind größtenteils unterirdisch – besonders im Mittelbau. Fast 90 Prozent aller wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen haben einen befristeten Arbeitsvertrag und somit keine verlässlichen Aussichten auf einen Karriereweg in der Wissenschaft. Aufgrund unsicherer Beschäftigungsverhältnisse ist eine langfristige Lebens- und eventuelle Familienplanung fast unmöglich. Die einzige Gruppe, die an Hochschulen bleibend gesicherte Perspektiven hat, ist die der Professor*innen. Doch das Verhältnis zwischen unbefristeten und befristeten Positionen verschlechtert sich seit Jahren kontinuierlich. Während die Stellenzahl im akademischen Mittelbau seit Jahren stark ansteigt, liegt die Anzahl der Professuren in etwa bei dem gleichen Wert wie vor 20 Jahren. Dieses eklatante Missverhältnis führt dazu, dass die Chancen eine Professur zu erreichen und damit eine unabhängige und unbefristete Stelle zu erhalten, fortwährend sinken. Der Anstieg der befristeten Stellen kann jedoch weder auf den Bereich der Promovierenden, noch auf
Drittmittelstellen reduziert werden – auch bei Stellen, die durch Grundmittel finanziert werden, nimmt der Befristungsanteil zu.
Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung steht, dass Befristungen weitgehend eingeschränkt werden sollen. Doch der komplette Wissenschaftsbereich soll davon weiter konsequent ausgeschlossen bleiben. Durch die großzügigen rechtlichen Möglichkeiten des Sonderarbeitsrechts für Befristungen in der Wissenschaft durch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) haben sich riesige Differenzen zwischen Arbeitsverhältnissen in der Wissenschaft und anderen Tätigkeitsbereichen ergeben: gegenüber einer Befristungsquote von beinahe 90 Prozent im akademischen Mittelbau, sind es in der freien Wirtschaft nur etwa sieben Prozent. Hochschulen befristen nicht, weil sie es müssen, sondern weil sie es können. Viele junge Menschen können sich einen solch unsicheren Karriereweg jedoch nicht leisten und wählen stattdessen keine wissenschaftliche Laufbahn. Denn die Chancen eine der wenigen Professuren zu bekommen, sind sehr gering und sich bis zu zwölf Jahre immer nur von Befristung zu Befristung zu hangeln ist keine besonders attraktive Aussicht.
Die chronische Unterfinanzierung der Hochschulen durch die Länder und deren unflexiblen Stellenpläne ist ein weiterer Anlass für die Hochschulen befristete Verträge zu schließen. Die zusätzlichen finanziellen Mittel, die vom Bund durch die Exzellenzinitiative und die Hochschulpakte bereitgestellt werden, schaffen durch die Befristung der Mittel ebenso ausschließlich befristete Stellen für wissenschaftliches Personal. Wir begrüßen daher die geplante Verstetigung des Hochschulpakts, eine große Veränderung der Befristungspraxis in der Wissenschaft ist dadurch jedoch nicht zu erwarten. Denn viele Hochschulleitungen sehen im Gegenteil gar keinen Bedarf Befristungen einzuschränken. Das sogenannte Leistungsprinzip ist in der Wissenschaft so stark verankert, dass Hochschulen sich durch hohe Flexibilität große Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit versprechen – dabei können sie feste Mitarbeiter*innen, die für vermeintliche intellektuelle Stagnation stehen, nicht gebrauchen. Durch die Exzelleninitiative wird diese Strategie auch noch finanziell belohnt.
Das Lehrstuhlprinzip
Viele der weitreichenden Probleme, die die Arbeitsbedingungen an den Hochschulen betreffen, resultieren aus dem System wie Hochschulen strukturiert sind – dem Lehrstuhlprinzip. Lehrstühle sind planmäßige Stellen einer Professur, die unbefristet und meist auf Lebenszeit vergeben werden. Während Professor*innen, die einen Lehrstuhl innehaben, also sehr gute Arbeitsbedingungen haben, sieht das für die Mitarbeiter*innen an den Lehrstühlen schon deutlich anders aus. Nirgendwo sonst ist die Hierarchiestruktur zwischen Professor*innen und deren Mitarbeiter*innen so groß wie an deutschen Hochschulen. Die Ausrichtung der Forschung, das komplette Personalmanagement, die Betreuung der Promovierenden – Professor*innen haben innerhalb des Lehrstuhls weitreichende Kompetenzen und können viele Entscheidungen fast im Alleingang treffen. Sie bestimmen über Personaleinstellungen, Vertragsverlängerungen und Erfolg oder Misserfolg von Promotionsprojekten. Alle, die an einem Lehrstuhl arbeiten oder zukünftig arbeiten wollen, sind auf das Wohlwollen des*der Professor*in angewiesen – denn Chef*in und Gutachter*in ist dieselbe Person.
Diese Struktur führt zu doppelten Abhängigkeiten: Neben dem direkten Arbeitsverhältnis, kommen massive persönliche Abhängigkeiten dazu. Die Karrierewege der wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen hängen stark von einer einzigen Person ab. Ausbeutung, Schikanen, Mobbing und sexuelle Übergriffe sind an den Hochschulen leider keine Einzelfälle. Das große
Machtgefälle in der Wissenschaft begünstigt nicht nur Übergriffe, es erschwert auch die Aufklärung. Viele Betroffene trauen sich gar nicht erst Anzeige zu erstatten und scheuen vor einer offiziellen Beschwerde zurück, um nicht in die Schusslinie zu geraten und den eigenen Arbeitsplatz zu riskieren. Aus Angst vor persönlichen Konsequenzen für die von Befristung zu Befristung währende Karriere oder das eigene Promotionsprojekt werden außerdem prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Überstunden und ein enormer Arbeitsdruck hingenommen. Die eigene wissenschaftliche Qualifikation wird lieber in die Freizeit verschoben als auf das eigene Recht zu beharren und somit ein schlechtes Verhältnis zum*zur Professor*in zu riskieren. Eine Beschwerde scheint oft aussichtslos und hat meistens nur negative Konsequenzen für die Person, die sich beschwert, da die persönliche Abhängigkeit zum*zur Professor*in weiterbesteht.
Durch den stetig wachsenden akademischen Mittelbau, den steigenden Anteil von Drittmittel finanzierter Forschung und die stagnierende Zahl der Professuren werden die Hierarchisierung und die persönlichen Abhängigkeiten sogar eher noch größer. Diese Abhängigkeiten sind zudem wissenschafts- und innovationshemmend. Sie verhindern in besonderem Maß kritische Wissenschaft und risikofreudige oder ergebnisoffene Forschung, da lieber dem Willen des*der Professor*in gefolgt wird, statt eigene Ideen umzusetzen und dabei eventuell den eigenen Arbeitsplatz oder die Promotion zu riskieren.
Doch das hohe Machtgefälle ist nicht das einzige Problem. Lehrstuhlinhaber*innen haben neben der Personalgewalt auch eine weitreichende Handhabung über die Finanzmittel. Die Verwaltung von Geldern und Personal verbraucht jedoch zunehmend Zeit, die ihnen für die Hauptaufgaben von Forschung und Lehre fehlen. Viele Professor*innen beschweren sich selber darüber, dass sie zu viel Zeit für Verwaltungsaufgaben „verschwenden“ würden, anstatt selbst forschen zu können. Hochschulen leben aber gerade davon, dass auch Professor*innen forschen und vor allem auch lehren. Durch die stark steigende Zahl von Studierenden bei nur leicht steigender Zahl von Professuren über die letzten Jahre hat sich die Betreuungsrelation zunehmend verschlechtert. Professor*innen halten meist nur noch große Vorlesungen und kaum eigene Seminare oder Übungen. Auch der akademische Mittelbau ist mit den vielen Befristungen nicht auf Stetigkeit in der Lehre oder die gezielte Förderung von Student*innen ausgelegt.
Die Macht an den Hochschulen ist auf einen sehr kleinen Kreis begrenzt. Nur neun Prozent des gesamten wissenschaftlichen Personals, nämlich die Professor*innen, entscheiden alleine über den Fortgang und die Ausrichtung der Wissenschaft. Die Basis, auf der diese Macht beruht, ist weiterhin das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1973, das geurteilt hat, dass bei allen Entscheidungen, welche die Forschung unmittelbar betreffen, die Hochschullehrer*innen einen „ausschlaggebenden Einfluss“ haben müssen. Die Wissenschaftsfreiheit an Hochschulen ist deshalb alleine den Professor*innen vorbehalten. Und das sowohl in den Senaten, in denen die Gruppe der Professor*innen häufig eine absolute Mehrheit hat, als auch in den Lehrstühlen, an denen es kaum demokratische Strukturen gibt und die Professor*innen alleinige Entscheidungskompetenzen haben.
Anstatt das Lehrstuhlprinzip und die große Machtfülle von Professor*innen kontinuierlich abzubauen, wurde sie über Jahre hinweg gestärkt. Viele Hochschulleitungen und weitere Akteur*innen, wie die Hochschulrektorenkonferenz (sic!) oder die Allianz für Forschungseinrichtungen, vertreten die strategischen Organisationsinteressen der Hochschulen und Forschungseinrichtungen anstatt die breitere Professor*innenschaft – der akademische Mittelbau ist politisch fast nirgendwo angemessen repräsentiert.
Um gute Arbeitsbedingungen und Karriereperspektiven in der Wissenschaft und an Hochschulen zu schaffen, geben wir uns nicht mit kleinen Schritten zufrieden. Es braucht eine echte Strukturreform der Hochschulen und eine Abkehr vom Lehrstuhlprinzip, um das Machtgefälle zwischen Professor*innen und dem akademischen Mittelbau zu durchbrechen und persönliche Abhängigkeiten zu verhindern. Karriere- oder sogar ganze Lebenswege von Wissenschaftler*innen dürfen nicht von den Gutdünken einzelner Professor*innen abhängen. Freie und kritische Forschung muss überall möglich und darf nicht durch verrostete Strukturen verhindert werden.
Das Departmentprinzip
Das Lehrstuhlprinzip verhindert viele progressiven Reformen im Hochschulbereich. Doch welche Alternativen gibt es, um bessere Perspektiven und gute Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft zu schaffen? Ein weltweit oft vorkommendes System ist das sogenannte Departmentprinzip, welches beispielsweise in den USA, Großbritannien oder Skandinavien verbreitet ist. Dabei teilen sich die Hochschulen in verschiedene Departments auf, welche den hiesigen Fachbereichen entsprechen. Die Departments sind nicht einem*einer Professor*in zugeordnet, sondern werden von Professor*innen geleitet, die innerhalb des Departments regelmäßig neu gewählt werden. Die Mitarbeiter*innen, die an einem Department arbeiten sind nicht einzelnen Professor*innen unterstellt, sondern dem gesamten Fachbereich. Grundfinanzierte Ressourcen wie Räume oder Forschungsgeräte werden innerhalb des Departments zwischen den Professor*innen geteilt.
In der Bundesrepublik ist es Hochschulen gesetzlich in fast allen Bundesländern grundsätzlich erlaubt das Departmentprinzip für einzelne Fachbereiche einzuführen. So gibt es schon einige Departments, wie z.B. das Department für Politikwissenschaft an der Universität Bremen oder das Department für Biologie an der Universität Köln.
Das amerikanische Departmentprinzip lässt sich sicherlich nicht eins zu eins auf das deutsche Hochschulsystem übertragen, da zum einen das Dienstrecht anders ist und es zum anderen auf einem sehr großen Gefälle zwischen großen Forschungsuniversitäten, deren Abschlüsse alleine Spitzenpositionen garantieren, und kleineren Universitäten und Colleges, die eher mit Fach- und Berufsschulen vergleichbar sind, beruht. Jedoch bestehen in dem System an sich große Chancen, Karrierewege in der Wissenschaft zu öffnen und bessere Arbeitsbedingungen für Wissenschaftler*innen zu schaffen. Zum einen gibt es bei einer Department-Struktur deutlich mehr Professor*innen. In einem Rechenbeispiel der Jungen Akademie könnte die Gesamtzahl der Professor*innen an Hochschulen durch eine Umstellung des Systems insgesamt verdoppelt werden, während dadurch grundfinanzierte Mittelbaustellen abgebaut werden. Dadurch würde sich zum einen die Betreuungsrelation zu den Professor*innen verbessern und zum anderen würde aus den grundfinanzierten Personalmitteln mehr Geld für unbefristete Arbeitsverhältnisse aufgewendet. Weiterhin sind Departments deutlich demokratischer aufgebaut und haben flachere Hierarchien als Lehrstühle. Statt einem*einer einzigen Professor*in gibt es einen Vorstand, der entweder regelmäßig gewählt oder von den Professor*innen rotierend besetzt wird. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen und die Mitarbeiter*innen in Technik und Verwaltung sind ebenfalls dem Department und nicht den einzelnen Professor*innen unterstellt. Alle weiteren grundfinanzierten Ressourcen wie Räume oder Forschungsgeräte werden bei einer Department-Struktur unter den Professor*innen in einem Department geteilt, statt nur einer*einem zu gehören. Dies bietet die Möglichkeit, dass junge Wissenschaftler*innen mit Tenure-Track und etablierte Professor*innen verstärkt kooperativ zusammenarbeiten, anstatt in einem Konkurrenzverhältnis um Ressourcen zu
stehen. Die persönlichen Abhängigkeiten sind hier deutlich weniger ausgeprägt, da es mehrere Chef*innen und Gutachter*innen gibt, anstatt von einer Person abhängig zu sein.
Auswirkungen der Department-Struktur auf die einzelnen Statusgruppen
Professor*innen haben eine Vielzahl an Aufgaben in Forschung, Lehre, Personalmanagement, Selbstverwaltung und Transfer, denen sie oft nicht in angemessenem Umfang gerecht werden. Durch Umwandlung von wissenschaftlichen Mitarbeiter*innenstellen in Professuren verteilen sich einige Anforderungen, wie das Personalmanagement oder die Prüfungsaufgaben, auf mehr Professor*innen, wodurch deutlich mehr Zeit für die Kernaufgaben in Forschung und Lehre bleibt. Die Rolle der Professor*innen könnte sich von vorwiegend Managementtätigkeiten hin zu mehr Forschen und Lehren wandeln. Innerhalb des Departments kann die fachliche Breite erhöht und diversere Forschungsschwerpunkte etabliert werden. Durch die Department-Struktur können Professor*innen außerdem auf gemeinsame Ressourcen zugreifen, die allen zur Verfügung stehen.
Durch die Umwandlung von akademischen Mittelbaustellen in Professuren werden diese Stellen aufgewertet. Aus abhängigen und häufig befristeten Stellen würden unabhängige, unbefristete und finanziell bessergestellte Stellen. Dadurch haben Wissenschaftler*innen bessere Karriereaussichten in der Wissenschaft. Nachwuchswissenschaftler*innen mit Tenure-Track können in einem frühen Stadium ihrer wissenschaftlichen Laufbahn eigene Forschung und Lehre verwirklichen und haben langfristige Perspektiven. Die Besetzung dieser Stellen findet nicht mehr größtenteils durch die einzelnen Lehrstühle statt, sondern ist Aufgabe von Berufungskommissionen.
Für Studierende verbessert sich durch eine Umstellung die Betreuungsrelation zu den Professor*innen. So können mehr und kleinere Veranstaltungen auch von Professor*innen gehalten werden. Durch eine Erhöhung der Forschungsschwerpunkte in den Departments stehen Studierenden schon im Studium eine größere Themenauswahl zur Auswahl.
Die Umstellung auf das Departmentprinzip bietet die Chance, dass die Hochschulen demokratischer, diverser und internationaler werden. Durch mehr Professuren kann die Attraktivität für Karrieren in der Wissenschaft steigen, was gerade für junge Wissenschaftler*innen von großer Bedeutung ist. Die großen Machtgefälle zwischen Professor*innen und dem akademischen Mittelbau würden verringert, wodurch die Karrierewege von Wissenschaftler*innen nicht mehr nur von einer Person abhängen. Doch eine Abkehr vom Lehrstuhlprinzip verbessert die Situation von Wissenschaftler*innen nicht automatisch. Darüber hinaus müssen weitere Reformen des Hochschulsystems erfolgen, um gute Arbeitsbedingungen für alle Wissenschaftler*innen zu ermöglichen.
Reformbedarf an Hochschulen
Neben den vielen Chancen, die eine Umstellung vom Lehrstuhl- auf das Departmentprinzip bietet, bleiben viele Problemfelder weiterhin offen. Das Departmentprinzip verbessert zwar die Perspektive eine Professur zu bekommen, es braucht jedoch auch abseits der Professur verlässliche Karrierewege in der Wissenschaft. Für Daueraufgaben an Hochschulen braucht es auch mehr Dauerstellen: unbefristete Stellen im akademischen Mittelbau, in Technik und Verwaltung, in der Lehre, und im Management. Nur durch eine Entfristungsoffensive können doppelte Abhängigkeiten vermieden werden und nur so kann die wissenschaftliche Karriere auch für junge Wissenschaftler*innen attraktiv sein. Daher wollen wir die Grundfinanzierung
der Hochschulen erhöhen, damit diese zusätzlichen Professuren schaffen und gleichzeitig Mittelbaustellen entfristen können.
Der Hochschulpakt muss verstetigt und finanziell deutlich aufgewertet werden, um spürbare Auswirkungen zu zeigen. Doch eine Erhöhung der Professuren verbessert zwar die Betreuungsrelation zu Professor*innen, wenn jedoch im gleichen Maß Mittelbaustellen wegfallen, ändert sich an der Situation erstmal nicht viel. Der Einsatz von Professor*innen in der Lehre bringt an sich keine direkten Vorteile mit sich, denn viele Professor*innen haben nie gelernt wie gute Lehre aussieht. Um Verbesserungen in der Lehre zu erreichen müssen Dozent*innen kontinuierlich didaktisch weitergebildet werden, damit neue Lehrmethoden auch in die Praxis umgesetzt werden können. Hierfür müssen die Hochschulen ausreichend Angebote bereitstellen.
Durch die Strukturen eines Departments und die Wahl eines Vorstandes werden Hierarchien flacher. Doch auch in Departments gibt es Unterschiede zwischen den Professor*innen: In den USA gibt es beispielsweise „full professors“, „associate professors“ oder „assistant professors“. Diese sind in etwa mit den Besoldungsgruppen W1-W3 vergleichbar. Es darf nicht sein, dass W3-Professor*innen die Entscheidungskompetenzen innehaben, während die anderen nur die Hilfsarbeiten ausführen. Um das zu verhindern, müssen alle Professuren die gleichen Mitbestimmungsmöglichkeiten haben und in die Entscheidungen im Department eingebunden werden. Neben der Struktur scheitert an Hochschulen vieles an einer unzureichenden Grundfinanzierung. Doch auch der Wille, gute Arbeitsbedingungen für den Mittelbau zu schaffen, ist bei den Hochschulen nicht ausreichend vertreten. Daher wird eine Erhöhung der Grundfinanzierung – die dringend nötig ist – die Probleme alleine nicht lösen können. Es braucht einen grundlegenden Kulturwandel in der Wissenschaft! Einen Kulturwandel hin zu einer Wissenschaft, die nicht vom Wettbewerb als überlegenden Steuerungsmechanismus ausgeht, der eine effiziente Verteilung der Ressourcen auf die vermeintlich Besten und Leistungsfähigen verspricht, und diejenigen belohnt, die in den Antragsgremien und Gutachter*innenkreisen sitzen und die meisten Drittmittel einwerben, sondern eine Wissenschaft und Gesellschaft, in der auch freie und kritische Forschung möglich ist, die für die Wissenschaft unerlässlich und überlebensnotwendig ist.
Wissenschaftlerinnen* stärken
Während mittlerweile mehr Frauen* als Männer ein Studium aufnehmen, sind sie je höher sie in der wissenschaftlichen Karriereleiter kommen immer unterrepräsentierter. Der Anteil der Professorinnen* liegt seit Jahren bei knapp über 20 Prozent und scheint sich auch nicht sonderlich zu erhöhen. Wissenschaftliche Karrieren sind besonders für Frauen* nicht sonderlich attraktiv. Reproduktions- und Care-Arbeit wird nach wie vor überwiegend von Frauen* geleistet. Daher sind die Arbeitsbedingungen in akademischen Mittelbau – keine sichere Berufsperspektive, Dauerbefristungen, Überstunden und eine männlich dominierte Umgebung – eine besondere Belastung für Wissenschaftlerinnen*. Mangelnde qualifizierte Frauen* sind keineswegs das Problem, die Strukturen an Hochschulen schrecken jedoch ab.
Männernetzwerke an Hochschulen müssen durchbrochen werden. Das funktioniert nur durch harte gesetzliche Regelungen – allein durch Anreize wird es keine großen Veränderungen geben. Die Schaffung von mehr Stellen wird nicht automatisch dazu führen, dass mehr Frauen* und jüngere Menschen diese auch besetzen und die Professor*innenschaft dadurch diverser wird. Das Wissenschaftssystem ist dermaßen männlich geprägt – von den Professor*innen über die Hochschulleitungen bis zu den Berufungskommissionen – dass durch die vielen Männernetzwerke ein Großteil dieser Stellen weiter durch Männer besetzt
würden. Hier braucht es klare gesetzliche Regelungen, die das verhindern. Für Professuren muss eine verbindliche Frauen*quote von 50 Prozent gelten, um Frauen* in Führungs- und Schlüsselpositionen zu bringen, ohne dass sie von männlich dominierten Strukturen abhängig sind.
Das Professorinnenprogramm, das vom Bund und den Ländern finanziert wird und Frauen* nach der Promotion im Wissenschaftssystem halten soll, wird von der neuen Bundesregierung fortgeführt. Dabei werden von 2018 bis 2022 etwa 200 Millionen Euro für Professuren von Frauen* gefördert. Das Programm ist ein Schritt in die richtige Richtung, indem es Anreize für die Hochschulen schafft Frauen* als Professorinnen* einzustellen, reicht aber bei weitem nicht aus, um große Veränderungen herbeizuführen. Seit 2008 wurden durch das Programm etwa 525 Berufungen herbeigeführt. Um die Anzahl der Professorinnen* flächendeckend zu erhöhen, muss das Professorinnenprogramm finanziell deutlich aufgewertet werden. Darüber hinaus müssen weitere Programme zur Förderung von Frauen* in der Wissenschaft etabliert werden. insbesondere müssen diese Programme Wissenschaftlerinnen* schon zu Beginn und während ihrer wissenschaftlichen Karriere fördern, damit mehr Frauen* eine Professur erlangen können.
Gute Perspektiven für Wissenschaftler*innen schaffen
Anstatt nur über die Höhe von Finanzmitteln zu diskutieren muss auch endlich wieder über die Struktur der Hochschulen gesprochen werden. Das Lehrstuhlprinzip ist antiquiert und muss dringend reformiert werden. Die Vorhaben der Bundesregierung sind vollkommen unzureichend, um große Veränderungen zu erreichen. Eine gute Wissenschaft lebt jedoch von Wissenschaftler*innen mit guten Perspektiven. Wir setzen uns für ein Wissenschaftssystem ein, dass auch besonders für Frauen* und junge Menschen – durch planbare Karrierewege und gute Arbeitsbedingungen – attraktiv ist. Ohne gute Arbeitsbedingungen sind weder gute Lehre noch kritische Wissenschaft möglich. Auf dem Weg dahin sind Gewerkschaften wie die GEW unsere natürlichen Bündnispartner*innen.
Um die Arbeitsbedingungen an Hochschulen zu verbessern und dauerhafte und langfristige Perspektiven und Karrierewege für Wissenschaftler*innen zu schaffen, fordern wir:
• die Abschaffung des Lehrstuhlprinzips, um die Macht von Professor*innen einzuschränken und persönliche Abhängigkeiten zu verhindern.
• die Einführung des Departmentprinzips, mit dem Ziel ein modernes und demokratisches Wissenschaftssystem zu etablieren.
• eine Entfristungsoffensive im akademischen Mittelbau, um langfristige und planbare Karrierewege zu schaffen.
• eine grundlegende Reform des WissZeitVG, um auch in der Wissenschaft klare Grenzen für Befristungen zu schaffen. Verträge müssen für mindestens zwei Jahre befristet sein.
• die Schaffung von mehr Professuren, um für den akademischen Mittelbau bessere Perspektiven in der Wissenschaft zu etablieren.
• das Durchbrechen von verkrustete Personalstrukturen, um Männernetzwerke zu durchbrechen und Frauen* und jungen Menschen neue Perspektiven zu ermöglichen.
• eine Frauen*quote von 50 Prozent für Professuren und den akademischen Mittelbau, um Frauen* in der Wissenschaft zu stärken.
• die finanzielle Aufwertung des Professorinnenprogramms, um mehr Professuren von Frauen* fördern zu können.
• einen Kulturwandel in der Wissenschaft, die nicht vom Wettbewerb lebt, sondern gute Chancen für alle bietet und kritische Wissenschaft zulässt.
• die Ausfinanzierung des hochschulischen Personalbedarfs in der Grundfinanzierung durch die Länder und den Bund.
• die sofortige, langfristige Verstetigung des Hochschulpakts, um die Planungssicherheit für die Hochschulen zu gewährleisten und dauerhafte Unterstützung durch den Bund zu leisten.
• einen deutlichen Ausbau der Grundfinanzierung der Hochschulen, um gute Lehre und kritische Wissenschaft zu fördern.
• die Abkehr von der Exzellenzinitiative, um das Potential für herausragende Forschung nicht nur an einigen wenigen, sondern an allen Hochschulen zu ermöglichen.

Weltbevölkerung explodiert unkontrolliert weiter

pte20140919007 Medizin/Wellness, Bildung/Karriere

Weltbevölkerung explodiert unkontrolliert weiter

Bis 2100 Anstieg auf 12,3 Mrd. erwartet – Bildungskampagnen gefordert

(pte007/19.09.2014/10:30) – Das Wachstum der Weltbevölkerung wird bis
2100 nicht zum Stehen kommen, wie die University of Washington http://washington.edu errechnet hat. Damit könnte die Unwelt weiter belastet werden und sich
auch der Klimawandel verstärken. Das Team um Adrian Raftery kommt zu dem
Schluss, dass die Bevölkerung in Afrika viel rascher anwachsen wird als
erwartet und damit den langsameren Anstieg und den Bevölkerungsrückgang
in anderen Regionen weit mehr als ausgleichen wird.

Differenzen unter Experten

Laut Kritikern wie Wolfgang Lutz vom International Institute for Applied Systems Analysis http://iiasa.ac.at sind die daraus gezogenen Schlüsse zu pessimistisch. Auch würden die
Auswirkungen von verbesserter Bildung auf die Anzahl der Kinder nicht
berücksichtigt. Bisher dachte man, das rasche Wachstum werde sich in den
nächsten Jahrzehnten verlangsamen und noch vor dem Ende des
Jahrhunderts einpendeln.

"Berechnungen gingen bis vor zehn Jahren davon aus, dass die
Weltbevölkerung bis 2050 auf rund neun Mrd. ansteigen wird und es dann
zu einer Anpassung oder einem Rückgang kommt. Unsere Ergebnisse legen
nahe, dass eine derartige Entwicklung unwahrscheinlich ist", so Raftery.
Er geht davon aus, dass die Weltbevölkerung von derzeit 7,2 Mrd.
Menschen bis zum Jahr 2100 auf 9,6 bis 12,3 Mrd. ansteigen wird.

Entwicklung in Afrika im Fokus

"Der größte Unterschied zwischen unseren Ergebnissen und älteren
Berechnungen besteht darin, dass wir von einem starken Anstieg in Afrika
ausgehen", erklärt Raftery. Bis 2100 sollen laut dem Wissenschaftler in
Afrika mehr als vier Mrd. Menschen leben. Als unterer Wert geht er von
3,5 Mrd. aus. Die Anzahl der Kinder pro Frau liegt zwar laut Raftery
nicht mehr bei 6,5 Kindern.

Derzeit bekommen die Frauen jedoch durchschnittlich 4,6 Kinder. Dieser
Wert ist nicht, wie erwartet, weiter gesunken. Hauptverantwortlich dafür
ist, dass mehr Mütter und Kinder eine HIV-Infektion überleben und der
Mangel an Verhütungsmitteln zum Tragen kommt. In Nigeria zum Beispiel
gehen die Vereinten Nationen davon aus, dass die Bevölkerung abnehmen
wird.

Da aber die Anzahl der Kinder nicht wie erwartet zurückgeht, könnte die
Bevölkerung Raftery nach bis zum Jahr 2100 von 160 Mio. auf 914 Mio.
ansteigen. Laut den Berechnungen liegt die Wahrscheinlichkeit, dass es
zu einer Stabilisierung der Bevölkerungszahlen kommt, bei nur 30
Prozent. Lutz und Raftery sind sich jedoch in einem einig: Verbesserter
Zugang zu Verhütungsmitteln und bessere Bildung für Frauen sind
entscheidende Faktoren für eine Beeinflussung der Bevölkerungszahlen in
Afrika.

Europa muss mehr Industriepolitik wagen

Europa muss mehr Industriepolitik wagen

Immer mehr Unternehmen und Politiker machen sich
dafür stark. Zu Recht. Denn nur so können europäische Firmen global
konkurrieren.

Kommentar von Alexander Hagelüken / Süddeutsche Zeitung

Wenn sich die Welt so rasch wandelt wie derzeit,
kann nicht alles beim Alten bleiben. Dieser Überzeugung folgen gerade
eine Reihe deutscher Unternehmen und Politiker. Sie sprechen sich für
Industriepolitik aus, obwohl man das von ihnen nicht unbedingt erwartet
hätte. Der Versicherer Allianz gehört dazu, der Mittelständler Voith – und nun die Kanzlerin, die sich
für eine europäische Strategie starkmacht. Tatsächlich wird es Zeit,
damit aufzuhören, jede Industriepolitik reflexartig zu verdammen.
Deutschland klammert sich an Dogmen fest, über die wirtschaftliche
Kraftzentren wie China oder die Vereinigten Staaten lachend hinweggehen.

Es mag ja sein, dass keiner den Staat braucht auf
perfekten Märkten, auf denen eine große Zahl von Firmen unter gleichen
Rahmenbedingungen konkurrieren. Die wirtschaftliche Realität sieht
allerdings häufig anders aus, wie etwa der Berliner Ökonom Sebastian
Dullien nachweist. Da erringen Unternehmen einen Vorsprung, den sie sich
nicht mehr nehmen lassen – in dem sie kleine Rivalen aufkaufen. Oder
die spezifische Technologie eines Produktes begünstigt, dass ein Monopol
entsteht. Gerade in den neuen Digitalbranchen dominieren einzelne
Firmen wie Facebook, Microsoft oder Google. Da lohnt sich das
Nachdenken, was der Staat tun kann, um mit europäischen Unternehmen
etwas dagegenzusetzen. Und so mehr Wettbewerb zu schaffen.

Abwarten ist keine Lösung

Was Europa nicht wagt, tun andere im gigantischen Maßstab. Die
zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt steckt viel Geld in den Plan "China 2025". Mit reichlich Hilfe sollen heimische
Firmen Weltmarktführer werden, von der Elektromobilität über künstliche
Intelligenz bis zu neuen Werkstoffen und Medizin. Wer dann noch weiß,
dass ausländische Firmen in China nicht so frei agieren dürfen, wie es
Chinas Unternehmen in Europa beanspruchen, der versteht: Abwarten ist
keine Lösung.

Aber was genau tun? "Wir brauchen europäische Champions, die sich
auf dem Weltmarkt gegen die riesigen Wettbewerber aus den Vereinigten
Staaten und China behaupten können", heißt es beim Maschinenbauer Voith.
Bei Siemens oder der Allianz klingt es ähnlich. Hinter den wohlklingenden Sätzen
verbirgt sich eine gewisse Ratlosigkeit, wie genau erfolgreiche
Industriepolitik denn nun auszusehen hätte. Diese Leere erklärt sich
daraus, dass gerade deutsche Ökonomen bisher dafür keine Konzepte
entwickeln, sondern den reinen Glauben an den Markt predigen.

Aber diese Position ist überholt. Es war nicht der Staat, sondern der
von allen Fesseln befreite Markt spekulierender Banken, der mit der
Finanzkrise die größte Wertevernichtung der jüngeren Geschichte
produzierte. Und umgekehrt gibt es (neben den Pleiten) durchaus
Erfolgsbeispiele staatlicher Industriepolitik. Dazu gehört Airbus, dem
Desaster des Riesenvogels A380 zum Trotz: Ohne die Starthilfe
durch Europas Regierungen wäre es bei der Dominanz von Boeing geblieben –
und Tausende Jobs in Europa wären nie entstanden. Zu den Erfolgen zählt
auch, dass Südkoreas Regierung gegen den Rat der Weltbank nationale
Champions bei Stahl, Werften oder Elektro förderte, woraus Weltkonzerne
wie Samsung entstanden.

Von Planwirtschaft kann nicht die Rede sein

Für Europa gilt es nun, das Werkzeug zu entwickeln, das in die
Zeit passt. Es bleibt ja richtig, Forschung und Entwicklung zu fördern.
Aber warum nicht besonders gezielt in bestimmten Bereichen, die man sich
trauen darf, Schlüsselbranchen zu nennen? Weil so eine Förderung
danebenliegen kann? Das passiert Privatinvestoren auch. Und es liegt
doch auf der Hand, dass bestimmte Bereiche wichtig werden. Soll
Deutschland beim Mobilfunkstandard 5G wirklich vom chinesischen
Netzwerkausrüster Huawei abhängig sein? Sollen nur asiatische Firmen
Batteriezellen bauen, die für Elektroautos so zentral sind?

Wer das erwägt, kann dann noch einen Schritt weitergehen. Und
überlegen, ob das europäische Wettbewerbsrecht global genug orientiert
ist – und eine Fusion der Zugsparten von Siemens und Alstom als
Gegengewicht zum doppelt so großen chinesischen Weltmarktführer CRRC
nicht doch sinnvoll wäre. Oder, ob sich deutsche Unternehmen in einer
Branche mit außereuropäischen Fast-Monopolisten eine Weile schützen
lassen, bis sie stark genug für den Wettbewerb sind.

Man mag am Industrie-Papier von Wirtschaftsminister Peter Altmaier im Detail manches unsinnig finden. Doch er stößt die richtige Debatte
an. Damit beschäftigt sich nun Ende März ein EU-Gipfel. Das ist kein
Zeichen von Planwirtschaft, sondern bezeugt, dass Europa den Wandel in
der Welt ernst nimmt.

Deutschland die Nation der Miesepeter? Ohne Rheinland läge es an letzter Stelle

Welche europäische Bevölkerung ist die Fröhlichste? Es sind die Schweizer!

Graz, zum Neujahrstag 2019:

Im Journal of Mental Health erschien aus dem
Trinity College in Dublin das Resultat der Erhebung eines
„Fröhlichkeitsindex“ an ~38.000 Teilnehmern aus 21 europäischen Ländern
im Rahmen des European Social Survey (1). Auf einer Fröhlichkeitsskala
von 27 (extreme Fröhlichkeit) bis zu einem unteren Grenzwert von  5
(überhaupt nicht fröhlich) liegt die Schweiz an der Spitze, gefolgt von
den Niederlanden, Belgien und Dänemark. Österreich nimmt den 9.,
Deutschland den 15. Platz ein, die  „Schlusslichter“  sind Estland,
Polen und Litauen.

Ausgewertet wurden von den frei zugänglichen Daten des Surveys folgendeFragen:

  • Wie oft waren sie in der vergangenen Woche glücklich?
  • Wie sehr haben Sie in der letzten Woche das Leben genossen?
  • Wie oft treffen Sie sich in der Freizeit mit Verwandten, Freunden oder Kollegen?
  • Wie wichtig ist es für Sie, eine gute Zeit zu haben? Verwöhnen Sie sich auch einmal?
  • Nutzen Sie jede Chance, Spaß zu haben? Ist es für Sie wichtig, etwas zu tun, was Ihnen Freude bereitet?

Männer hatten einen höheren Fröhlichkeitsindex
als Frauen, mit zunehmendem Alter nahm die Fröhlichkeit ab. Auch bei
höherem Haushaltseinkommen war man fröhlicher, ebenso bei guter
Gesundheit.

Ein gesunder junger Schweizer mit hohem Einkommen  ist nach dieser Erhebung der fröhlichste Europäer.

Der „DGE-Blogger“ Helmut Schatz wünscht  den DGE-Mitgliedern sowie allen Leserinnen und Lesern

EIN GLÜCKLICHES, FRÖHLICHES UND GESUNDES NEUES JAHR 2019

Er ist kein junger Schweizer mit hohem
Einkommen, wenn auch einigermaßen gesund. Er meint trotzdem, bei allen
Fährnissen des Lebens recht glücklich zu sein, und sogar mit zunehmendem
Alter noch glücklicher und fröhlicher zu werden.

Auch beim Erfassen von Fröhlichkeit und Glück
gilt nicht ein statistische Durchschnittsresultat, sondern es ist wie in
der personalisierten Medizin: Das  Individuelle ist das letztlich Entscheidende.

Literatur

(1) Brendan D. Kelly: Exploring end explaining
the „Santa Claus effect“: cross-sectional study of jollity in 21
European countries.
Journal of Mental Health 2017. 26(6):538-542.