Archiv der Kategorie: Politik Gesellschaft

Bei No-Deal-Brexit: Was die Brexit-Zollsenkungen bedeuten würde.

Ein Beitrag von Marcus Theurer aus der FAZ

Großbritannien will im Falle eines No-Deal-Brexit die meisten Importgüter zumindest vorerst zollfrei ins Land lassen: Nach Handelsvolumen gerechnet würden auf 87 Prozent der Einfuhren in diesem Fall keine Zölle erhoben, teilte die Regierung am Mittwoch mit. Allerdings sind derzeit bereits 80 Prozent der eingeführten Waren zollfrei, nicht zuletzt wegen des Freihandels innerhalb der EU, welche Großbritannien verlassen wird. Die EU-Kommission wiederum stellte am Mittwoch klar, sie werde im Falle eines No-Deal-Brexit auf Importe aus Großbritannien dieselben Zölle erheben wie sie für andere Länder außerhalb der EU bereits heute gelten.

London will bestimmte Lebensmittel, Autos und andere Waren nach einem möglichen ungeordneten Brexit mit Einfuhrzöllen belegen, vor allem um heimische Hersteller vor preisgünstigerer ausländischer Konkurrenz zu schützen. Dies würde auch die deutsche Autoindustrie treffen, für die Großbritannien ein wichtiger Exportmarkt ist und die bisher zollfrei auf die Insel liefern können. Denn auf Importfahrzeuge aus der EU würde Großbritannien nach einem No-Deal-Brexit denselben Zollsatz von 10 Prozent erheben wie auf Autoimporte aus dem Rest der Welt. Volkswagen kündigte deshalb am Mittwoch bereits Preiserhöhungen im Königreich an.

In der britischen Wirtschaft sorgte die Ankündigung für Empörung. „Das ist keine Art und Weise, wie man ein Land regiert“, beschwerte sich Carolyn Fairbairn, die Generaldirektorin des größten britischen Unternehmensverband CBI, in einem BBC-Interview. „Das wirkt wie ein Vorschlaghammer auf unsere Volkswirtschaft“, sagte Fairbairn. Einerseits würde die Importkonkurrenz für britische Unternehmen durch den Wegfall von Zollhürden steigen. Andererseits würden die britischen Exporte in die EU durch neue Zölle verteuert. Denn das Königreich will beim Brexit auch die Zollunion des Staatenbundes verlassen, die einen zollfreien Warenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten erlaubt.

Sonderregel für Nordirland

Nach den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) muss Großbritannien nach dem Brexit auf EU-Importe dieselben Zollsätze erheben wie auf Einfuhren aus allen anderen Ländern. Das schreibt die sogenannte Meistbegünstigungsklausel der WTO vor. Die Regierung in London könnte nun entweder alle Importzölle streichen, wie dies manche Brexit-Anhänger gefordert haben. Dies hätte für britische Verbraucher den Vorteil, dass viele Waren günstiger würden. Andererseits könnten die billigeren Importgüter aber heimische Hersteller verdrängen und Arbeitsplätze in Großbritannien vernichten.

Im Endeffekt habe sich die Regierung für einen Kompromiss entschieden, sagt der Handelsökonom Peter Holmes von der Universität Sussex. „Wir würden eine Liberalisierung des Handels sehen, aber keine dramatische.“ Gleichwohl würde der angekündigte abrupte Wegfall von Zollmauern für manche Branchen zu einem „Schock“ führen, sagte Holmes. Zwar sind manche Importwaren aus Drittstaaten im Rahmen der gemeinsamen EU-Handelspolitik mit hohen Zöllen belegt. Doch insgesamt sind die Zollsätze in den vergangenen Jahrzehnten bereits ohnehin stark gesenkt worden. Nach Berechnung der Weltbank liegen die Einfuhrzölle der EU für Importe aus Drittländern im Schnitt bei 2,3 Prozent.Eine Sonderregel planen die Briten für Nordirland: Auf Einfuhren aus der Republik Irland ins britische Nordirland sollen keine Zölle erhoben werden. Die Regierung in London will so politisch brisante Grenzkontrollen an der irischen Landgrenze vermeiden. Davon allerdings könnten Schmuggler profitieren. Auch die EU-Kommission hat Bedenken: Die geplante Sonderregel für Nordirland gebe „Anlass zur Sorge“, sagte ein Sprecher.

13.03.2019: „Entwicklungshilfe“: Neue Studie staatlich oder privat? Mit einer Stellungnahme von Jean Pütz.

In meiner 40jährigen Arbeit als Wissenschaftsjournalist habe ich mich sehr um die „Problematik Entwicklungshilfe'“ bemüht. Schon als Student war ich in Köln Vorsitzender eines internationalen Studentenbundes ISSF, der sich mit Arbeits- und Studienaufenthalten in Afrika und Südamerika organisierte,  um junge Menschen die Praxis zu zeigen und auf die Probleme aufmerksam zu machen. Sechs Wochen arbeiteten sie in den Niederlassungen deutscher Firmen in diesen Ländern. Mit diesem Geld, das sie dort verdienten, konnten sie sechs Wochen die dortigen Universitäten besuchen oder Entwicklungsprojekte konkret anzuschauen. Heute weiß ich, dass die Entwicklungshilfe unbedingt mit der dortigen Bevölkerung und nicht nur mit deren Regierung abgestimmt werden muss. In dem Zusammenhang Privatisierung möchte ich bemerken: Das eine tun und das andere nicht lassen, aber nicht nur wegen eines kurzfristigen Profits, sondern auf langfristige  und sozialen, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit beachten.

Ihr Jean Pütz

Neue Studie kritisiert zunehmende Privatisierung der Entwicklungszusammenarbeit

Staatlicher Entwicklungszusammenarbeit mit Finanzinvestoren und Agrarkonzernen. Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass der wachsende Einsatz privater Gelder nicht geeignet ist, um Hunger und Armut strukturell zu bekämpfen.
Die Autoren der Studie „Agrarkonzerne und Finanzindustrie: Die neuen Lieblinge der Entwicklungszu-sammenarbeit?“ widersprechen der Aussage, wonach nur mit Investitionen des Privatsektors die nach-haltigen Entwicklungsziele (SDGs) erreicht werden können. Sie kritisieren, dass das Entwicklungsministerium mit seinem Schwerpunkt auf Privatinvestitionen die eigentlichen Zielgruppen – marginalisierte Bevölkerungsgruppen – aus dem Blick verliere. Da es meist keine Informationen über die finalen EmpfängerInnen der Gelder gebe, seien konkrete menschenrechtliche Wirkungen in der Regel unbekannt.

Roman Herre, Agrarreferent von FIAN Deutschland und Ko-Autor der Studie: „Im Gepäck der SDGs war die Botschaft enthalten, dass zu ihrer Umsetzung gewaltige 2,5 Billionen Dollar pro Jahr fehlen – und nur privates Geld dieses Loch stopfen könne. Diese Botschaft wird nicht hinterfragt. Sie führte zur Neuausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit und hat damit möglicherweise mehr Wirkkraft entfaltet als die Entwicklungsziele selbst.“

Ein konkreter Aspekt, der von den Autoren kritisch betrachtet wird, ist die zunehmende Kooperation mit Agrarkonzernen, mit der die Landwirtschaft – vor allem auf dem afrikanischen Kontinent – zu marktför-migen und inputintensiven Systemen umstrukturiert werden soll. Diese Kooperation werde im Rahmen einer Vielzahl von Initiativen realisiert, darunter die Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika (AGRA) oder die Neue Allianz für Ernährungssicherung der G7-Staaten. Lena Michelsen, Agrarreferentin von der Entwicklungsorganisation INKOTA kommentiert: „Initiativen wie AGRA setzen vor allem auf den Einsatz von chemischen Düngemitteln und Hybridsaatgut und dienen damit in erster Linie den Expansi-onsbestrebungen großer Konzerne wie Yara und Bayer. Kleinbauern und -bäuerinnen geraten in immer stärkere Abhängigkeiten, und auch die Umwelt leidet unter dem längst gescheiterten Modell der Grünen Revolution. Die von der Bundesregierung zugesagte Förderung in Höhe von zehn Millionen Euro ist eine völlige Fehlinvestition.“

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Intransparenz der Finanzinstitutionen. Allein die DEG, Tochter der staatlichen Entwicklungsbank KfW, hat mehr als die Hälfte ihrer 7,2 Milliarden Euro Entwicklungsgelder an Finanzinstitute vergeben. Auch haben sich Kredite und Beteiligungen der DEG an Unternehmen in Finanzoasen – darunter den Kaimaninseln oder Mauritius – innerhalb von zehn Jahren verfünffacht. Zur Legitimierung solcher Konstrukte werden oft fragwürdige Kennzahlen und indirekte Wirkungen herangezogen. So erklärt die DEG in ihrem jüngsten Jahresabschluss, dass „DEG-Kunden rund 1,5 Millionen Menschen beschäftigen“. Roman Herre kritisiert: „Aus entwicklungspolitischer und menschenrechtlicher Perspektive müsste untersucht werden, ob durch solche Finanzierungen auch Arbeitsplätze abgebaut wurden. Dies ist besonders bei Agrarfinanzierungen im globalen Süden ein bedeutender Aspekt: Die dortige kleinbäuerliche Landwirtschaft beschäftigt je nach Region 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung. Werden Menschen hieraus verdrängt – wie besonders bei großflächigen Agrarinvestitionen – dann verlieren sie oftmals ihre Lebensgrundlagen.“

 

Karl Jaspers zum Todestag – Mit einer Ehrung von Jean Pütz

Karl Jaspers, mein Philosoph und Ideengeber

Dieses Zeitzeichen über Karl
Jaspers ist fantastisch. Karl Jaspers hat meine intellektuelle Geburt
gestaltet. Ihm verdanke ich meine gesamte Philosophie und ertappe mich
dabei, dass ich immer wieder auf seine Philosophie in meinem Leben
zurückgegriffen habe. Seine Ansprache zu seiner Verleihung des
Friedenspreises des Deutschen Buchhandels in der Paulskirche in Frankfurt 1958 hat ganz entscheidend meine Einstellung zum Leben geprägt. Meine
Weltsicht, meine Sicht auf das Ganze, meine bewusste Toleranz, meine
Hinwendung zur Vernunft, die er bei Immanuel Kant gefunden hatte. Ich
bin ihm zu Dank verpflichtet. Vor allen Dingen seine Vorstellungen von
„aktivem“ Frieden, den man permanent erkämpfen muss durch Teilnahme am
politischen Leben, durch Zivilcourage und Mitarbeit. Karl Jaspers
meinte, jeder sei ein Philosoph, und deshalb müsse Philosophie
verständlich und nicht abgehoben sein. Ich habe zeitlebens mich darum
bemüht habe, jedermann an den Errungenschaften von Wissenschaft und
Technik durch verständliche Erklärungen daran teilnehmen zu lassen,
jedoch populär und nicht populistisch. Das versuchte ich mit einem
sogenannten ‚lösungsorientierten‘ Journalismus, allerdings ohne auf
weitreichende Technologiefolgenabschätzung zu . Heutzutage versuche ich
diese Arbeit weiterzuführen, in dem ich mich über die sozialen Medien
einmische – nicht im Sinne von bad News is good News, aber mit
kritischem Verstand.  Der Vernunft eine Chance und mit Vernunft in die
Zukunft sind meine heutigen Schwerpunkte, um zu verhindern, dass der
technische Turmbau zu Babel zusammenbricht, und damit unsere Vorstellung
vom individuellen Leben der Menschenwürde und Demokratie.

Karl Jaspers starb am 26. Februar 1969, 11  Jahre nach seiner Rede anlässlich der Verleihung des Friedenspreises.

Hier der Link zu dem fantastischen ‚Zeitzeichen‘ im WDR-Hörfunk.

Autor: Christoph Vormweg

Redaktion: Hildegard Schulte


https://wdrmedien-a.akamaihd.net/medp/podcast/weltweit/fsk0/184/1842290/wdrzeitzeichen_2019-02-26_karljaspersphilosophtodestag26021969_wdr5.mp3

Volkswirtschaftliche Misswirtschaft voraussehbar

Die Türkei ist ein besonders krasses
Beispiel für die globale Schuldenmanie, die nach der Finanzkrise auf die
Schwellenländer übergesprungen ist. Die Risiken waren bekannt, die
Warnungen nicht zu überhören. Aber all das hat nichts genützt.

Die Story ist schnell erzählt. Zwei selbsternannte starke Männer
verstricken sich in einen Streit. Keiner der beiden will nachgeben. Der
eine, US-Präsident Donald Trump, verhängt Sanktionen gegen ein Land, mit
dem Amerika seit sieben Jahrzehnten eine strategische Partnerschaft in
der Nato pflegt.

Der andere, der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan, ruft
sein Volk zur patriotischen Tat, um eine akute Wirtschafts- und
Währungskrise abzuwenden: Kauft keine iPhones, tauscht eure Dollars in
Lira! Und er begibt sich auf die Suche nach neuen Partnern.

Das Ende dieser Geschichte ist noch nicht geschrieben. Aber es ist
möglich, dass die Schäden groß und dauerhaft sein werden – für die
türkische Bevölkerung, aber auch für die geopolitische Rolle der USA und
die Sicherheit Europas.

Die Story von den zwei alten, sturen Männern ist nicht falsch. Aber
sie verdeckt andere, tiefergehende Zusammenhänge. Denn in der
Wirtschaftskrise am Bosporus zeigen sich auch grundlegende
Unzulänglichkeiten des globalen Finanzkapitalismus.

Es stimmt schon: Ausgelöst wurde die derzeitige Zuspitzung – der
rapide Verfall der Währung, der sprunghafte Anstieg der Inflation –
durch den Konflikt zweier nationalpopulistischer Führungsfiguren. Doch
die eigentlichen Ursachen liegen tiefer. Die Probleme der Türkei sind,
so gesehen, kein Einzelfall, sondern ein Symptom.

Henrik Müller

manager magazin

Henrik Müller ist Professor für wirtschaftspolitischen Journalismus an
der Technischen Universität Dortmund. Zuvor war Müller stellvertretender
Chefredakteur des manager magazins.

Die aktuelle Krise wirft zwei große Fragen auf: Wie kann es
eigentlich sein, dass die türkische Volkswirtschaft über Jahre immer
höhere Schulden aufgetürmt hat? Und: Warum waren internationale
Investoren überhaupt bereit, diese gigantischen Summen zu verleihen?

Angst vor der Pleitewelle

Dass Grundlegendes schiefläuft, ist seit Jahren bekannt. Bereits im
Sommer 2013 war es zu einem Ausverkauf an den Börsen diverser
Schwellenländer gekommen. Auslöser war damals die Ankündigung der
US-Notenbank Fed gewesen, allmählich den Krisenmodus zu verlassen und
weniger Geld in die Märkte zu pumpen.

Die Aussicht auf steigende US-Zinsen schürte die Angst vor einer
Pleitewelle in den Schwellenländern. Die Fed stellte daraufhin zunächst
ihre Pläne zurück.

Im Sommer 2014 warnte dann die Bank für Internationalen
Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel erneut vor dem rapiden Schuldenaufbau
in den Schwellenländern. Und es waren nicht die Staaten oder die
Privatbürger, die in großem Stil Kredite aufnahmen, sondern die
Unternehmen. Schon damals warnte die BIZ insbesondere vor der
Entwicklung in der Türkei.

Risikoreich war nicht nur die Höhe der Schulden, sondern auch ihre
Zusammensetzung. Weil in den USA, der Eurozone, Japan und anderen
reichen Ländern die Zinsen extrem niedrig waren – die großen Notenbanken
pumpten massiv Geld in die Märkte, und sie tun dies zum Teil bis heute
-, liehen sich Unternehmen Dollars und Euros.

Mehr als 90 Prozent der internationalen Anleihen und mehr als 80
Prozent der internationalen Bankkredite, die an Unternehmen in den
Schwellenländern vergeben worden waren, lauteten auf ausländische
Währung, so die BIZ im Jahr 2014.

Firmen liehen sich Geld in Dollar oder Euro. Ihre Einnahmen jedoch
bezogen sie überwiegend in heimischer Währung. Ein Vabanque-Spiel: Im
Falle einer Abwertung würde es für hochverschuldete Unternehmen
erheblich teurer, ihre Fremdwährungsschulden zu bedienen. Auch an neue
Kredite zu kommen, würde schwieriger und kostspieliger – spätere Pleiten
nicht ausgeschlossen.

Die Risiken waren bekannt, die Warnungen nicht zu überhören. Dennoch ging das Schuldenspiel immer weiter.

Die Folgen sind ziemlich dramatisch. Seit 2008 hat sich das Volumen
der Dollar-Kredite, die an die Schwellenländer vergeben wurden, mehr
als verdoppelt: auf inzwischen sagenhafte 3,6 Billionen.

Mancher Schuldner droht nun in der Schuldenfalle steckenzubleiben.
Denn der Dollar ist in den vergangenen Monaten deutlich stärker
geworden. Und weil die US-Zinsen steigen, werden Anschlussfinanzierungen
tendenziell noch teurer – falls sie überhaupt zu bekommen sind.

Angewiesen auf ausländisches Geld

Wie gesagt, die Türkei ist kein Einzelfall, aber ein besonders
krasses Beispiel für die globale Schuldenmanie, die nach der Finanzkrise
von 2008 von den westlichen Volkswirtschaften auf die Schwellenländer
übersprang.

Nach Zahlen des Internationalen Währungsfonds (IWF) vergaben
türkische Banken über Jahre deutlich mehr Kredite in Fremdwährung als in
Lira. Dazu kommen Fremdwährungsanleihen türkischer Schuldner. Insgesamt
lautet ein Viertel der ausstehenden Verbindlichkeiten auf Euro, Dollar
und Yen, so die OECD.

Die rapide Abwertung der Lira ist vor allem deshalb so brisant,
weil die Türkei auf ständige Mittelzuflüsse aus dem Ausland angewiesen
ist: In der Leistungsbilanz klafft ein Loch von fünf Prozent der
Wirtschaftsleistung. Die Inflation steigt, was die Währung weiter unter
Druck setzt und die Lage weiter verschlechtert. Betroffen sind auch
Banken in der Eurozone, die womöglich einen Teil ihrer
Türkei-Forderungen abschreiben müssen.

Andere Länder wie Indien, Brasilien oder Südafrika drohen in den
Strudel des Misstrauens mitgezogen werden, auch wenn die Bedingungen
dort deutlich besser sind.

Am Ende steht die Frage: Wer ist eigentlich schuld?

Luxemburg steht für Lebensqualität

Luxemburg steht für Lebensqualität

In der Studie „Inclusive development Index“, bei
der 103 Länder nach der dort gebotenen Lebensqualität eingestuft werden,
belegt Luxemburg Platz 3 hinter Norwegen und Island.

25-qualité-vieLaut einer Studie des World Economic Forum (WEF) zählt Luxemburg zu den Industriestaaten, die die beste Lebensqualität bieten . Beim inklusiven Entwicklungsindex 2018 belegt Luxemburg Platz 3 von 103 bewerteten Ländern. Vor dem Großherzogtum liegen nur noch Norwegen und Island in der Gruppe der Länder mit einer fortschrittlichen Wirtschaft und
sein Ergebnis ist besser als das der G7-Staaten, d. h. Deutschland (12),
Kanada (17), Frankreich (18), Großbritannien (21), USA (23), Japan (24)
und Italien (27).

Die soziale Inklusion nimmt ab

Die Studie zeigt auch, dass Luxemburg eines
der Länder mit der schnellsten und nachhaltigsten Entwicklung ist, aber
die Ergebnisse in Sachen Inklusion sind nicht ganz so gut. Im Vergleich
zu 2017 verliert das Großherzogtum sogar einen Platz. Dieses Phänomen scheint aber ein allgemeines Phänomen zu sein, denn im Laufe der letzten fünf Jahre und trotz eines weltweiten Wirtschaftswachstums hat die soziale Inklusion in 20 der 29 Länder mit einer fortschrittlichen Wirtschaft abgenommen
oder ist unverändert geblieben. Die Bewertungen für Luxemburg in Sachen
Lebenserwartung/Gesundheit und Schadstoffemissionen sind auch eher
bescheiden.

Der Inclusive development Index (IDI),
der 103 Länder nach ihren Leistungen in Sachen Wachstum, Gerechtigkeit
und nachhaltige Entwicklung einstuft, legt das Augenmerk vor allem auf
die Lebensqualität. Um zu seinen Ergebnissen zu gelangen untersucht das
Weltwirtschaftsforum die Situation jedes Landes in Sachen BIP pro Kopf, Armutsrate, Staatsverschuldung oder Durchschnittseinkommen der Haushalte.

(Dieser Artikel wurde von der Redaktion von luxembourg.lu verfasst)

Defizite in der zeitgeschichtlichen Bildung

War
die DDR ein Unrechtsstaat? Wie haben die „68er“ Deutschland verändert?
Was versteht man unter dem „Deutschen Herbst“? Viele junge Menschen
wissen zu wenig über die Zeitgeschichte ihres Landes. Fehleinschätzungen
von historischen und aktuellen Ereignissen sind die Folge. Vor dem
Hintergrund zunehmender populistischer und extremistischer Rhetorik ist
diese Situation besonders gefährlich. Es ist wichtig, die Wahrnehmung
zeitgeschichtlicher Bildung als dringende gesellschaftspolitische
Aufgabe zu stärken – und entsprechend zu agieren.

Blick auf die Gedenkstätte Auschwitz. | © bipolars polaroids / Flickr / CC BY 2.0© bipolars polaroids / Flickr / CC BY 2.0
Das
Unterrichtsfach Geschichte sollte gestärkt werden, Zeitgeschichte
größeres Gewicht erhalten, fordert die Autorin. Zeitzeugengespräche und
Gedenkstättenbesuche – wie die im Bild abgebildete KZ-Gedenkstätte
Auschwitz – sind aktiv zu fördern.

Es fehlt an zeitgeschichtlichem Wissen

Vielen Jugendlichen fehlt das Verständnis für die historische
Bedingtheit aktueller Entwicklungen. Ihr Interesse, sich mit der
deutschen Vergangenheit auseinanderzusetzen, ist gering. Die Folge: Es
fehlt das notwendige Wissen, um beispielsweise sicher zwischen einer
Demokratie und einer Diktatur unterscheiden zu können. Bei einer Umfrage
des Forschungsverbunds SED-Staat stuften weniger als zwei Drittel der
Jugendlichen das wiedervereinigte Deutschland als Demokratie ein; mehr
als ein Drittel behauptete, dass Menschenrechte in der alten und neuen
Bundesrepublik, im Nationalsozialismus und in der DDR gleichermaßen
gewährleistet wurden.

Die Defizite in der zeitgeschichtlichen Bildung wirken sich auf das
Orientierungsvermögen in aktuellen politischen Fragen aus:
Persönlichkeiten, Ereignisse und Parteien mit ihren unterschiedlichen
weltanschaulichen Konzepten und Zielen können nicht ausreichend
unterschieden werden.

Weshalb die gering ausgeprägte Urteils- und Demokratiefähigkeit junger Menschen gefährlich ist

Eine freiheitliche, demokratische und offene Gesellschaft braucht
Menschen mit solidem zeitgeschichtlichem und gesellschaftspolitischem
Grundwissen. Dazu zählt die Fähigkeit, gesellschaftliche Entwicklungen
analysieren, einordnen und beurteilen zu können. Fehlt das Vermögen,
zwischen einer demokratischen Meinung und verfassungsfeindlichen
Äußerungen zu unterscheiden, gerät Demokratie in Gefahr.

Junge Menschen müssen Akteuren am Rand des politischen Spektrums etwas
entgegensetzen können und wollen, wenn diese den Nationalsozialismus
verherrlichen oder vor einer Islamisierung Deutschlands warnen. Eine
intensive, pädagogisch hochwertige Auseinandersetzung mit
zeitgeschichtlichen und aktuellen politischen Ereignissen befähigt sie
dazu und trägt damit zur Wehrhaftigkeit der Demokratie bei.

Was ist zu tun?

Um zeitgeschichtliches Wissen zu fördern, ist es unbedingt notwendig,
das Unterrichtsfach Geschichte zu stärken. Geschichtsunterricht muss in
allen Schulen als eigenständiges Fach erhalten bleiben; eine
Verschmelzung mit Erdkunde oder Gemeinschaftskunde sollte vermieden
werden. Darüber hinaus muss Geschichtsunterricht in einer ausreichenden
Stundenzahl erteilt werden. Deutsch, Mathematik, Fremdsprachen und
Naturwissenschaften sind zweifellos sehr wichtig – trotzdem darf der
Geschichtsunterricht nicht zu kurz kommen.

Schließlich sollte Zeitgeschichte im Geschichtsunterricht größeres
Gewicht erhalten. Gegebenenfalls sind Lehrpläne zu überarbeiten und
Lehrpersonen fortzubilden. In jedem Fall muss gewährleistet sein, dass
Schulabgänger ausreichend über das „Dritte Reich“, die DDR und die
Bundesrepublik Deutschland informiert sind.

Zeitzeugengespräche und Gedenkstättenbesuche sind aktiv zu fördern. Sie
schaffen eine emotionale Auseinandersetzung und dadurch ein tieferes
Verständnis für die Lebensbedingungen in den verschiedenen Regimen. Sie
sind aber nur dann nachhaltig, wenn eine intensive pädagogische Vor- und
Nachbereitung erfolgt: Teilnehmer müssen über das Erfahrene sprechen
und einen Bezug zur Gegenwart erkennen können. Solche Angebote sollten
sich keineswegs nur an Schüler, sondern auch an andere Altersschichten
und Menschen mit Migrationshintergrund richten.

Es bedarf eines ganzheitlichen Ansatzes in der zeitgeschichtlichen
Bildung, denn ein gemeinsamer Kern historischen Wissens ist für den
gesellschaftlichen Zusammenhalt unentbehrlich.

Demokratie und Freiheit gefährdeter denn je

Demokratie und Freiheit gefährdeter denn je

Anneliese Rohrer eröffnet "Bürgerdialog" bei den Toleranzgesprächen

Anneliese Rohrer mit Weckruf in Fresach
Anneliese Rohrer mit Weckruf in Fresach
[ Fotos ]

Fresach (pte033/01.06.2017/13:55) –

"Nutzen wir unsere Freiheit und schützen wir damit unsere Demokratie,
denn sie ist vielerorten gefährdeter als wir denken", appellierte die
Presse-Kolumnistin Anneliese Rohrer in ihrer Festansprache zu den
Europäischen Toleranzgesprächen 2017 am Donnerstag im Kärntner Bergdorf
Fresach http://fresach.org . Die streitbare Kolumnistin zitierte dabei John Adams, einen der
Gründerväter der Vereinigten Staaten. Dieser meinte schon 1780, es habe
noch nie eine Demokratie gegeben, die nicht Selbstmord begangen hätte.
"Heute liegt es an uns: Wollen wir den Selbstmord verhindern oder
leisten wir Beihilfe?", so Rohrer mahnend zum Auftakt des Bürgerdialogs
über die Freiheit.

In ihrem Plädoyer für mehr Mut und Engagement der
Zivilgesellschaft forderte sie die anwesenden Teilnehmer auf, sich aktiv
in die Politik einzumischen, vorauseilenden Gehorsam zu vermeiden und
sich über komplexe Sachverhalte ausreichend zu informieren. Komplexität
schaffe Verwirrung, und das verstärke den Wunsch nach mehr Stabilität,
Sicherheit und Autorität. "Dabei hat jeder von uns die Freiheit, sich
über die oft kritisierte Komplexität der EU zu informieren. Nur durch
Information können wir die Freiheit absichern und werden gegen Fake News
immun", erläuterte die Journalistin in ihrer Keynote.

Fake News und Selbstoptimierung

Alternative Fakten und Fake News werden zunehmend als
ernste Bedrohung für Grund- und Freiheitsrechte verstanden. Deshalb
widmete sich auch Hannes Swoboda, Präsident des Denk.Raum.Fresach, in
seinem Eröffnungsstatement diesem Thema. Der langjährige
EU-Parlamentarier bezweifelte dabei, ob soziale Medien wirklich so
sozial seien oder nicht doch auch den Sinn für die Realität oftmals
trüben können.

Die Vernetzung unserer digitalen Kontakte dürfe nicht
das Eigene in den Mittelpunkt stellen und nur die Selbstoptimierung
vorantreiben, sondern müsse ein Beitrag zur Gemeinschaft sein. "Um das
zu schaffen, brauchen wir Mut und dürfen nicht nur ‚mitlaufen‘. Denn
wenn wir nur Mitläufer sind, dann ist die Freiheit verloren", erklärte
Swoboda und nannte als mutige Vorbilder Papst Franziskus oder Martin
Luther.

Denkraum der Freiheit, Lebensraum der Gnade

Anlässlich des 500-jährigen Jubiläums der Reformation
wird dem Kirchenreformer Martin Luther bei der dritten Auflage der
Toleranzgespräche eine besondere Bedeutung eingeräumt, wie Michael
Bünker, Bischof der Evangelischen Kirche A.B., sagte. Ebenso werden
religiöse Freiheit und Unfreiheit eingehend thematisiert. "Es ist
dringend notwendig, den Zwängen unwürdiger Bedingungen wie etwa Not,
Hunger, Armut oder Einsamkeit entgegenzutreten. Doch gleichzeitig müssen
wir auch den menschlichen Egoismus und die Machtgier zurückdrängen",
sagte Alois Schwarz, Bischof der Diözese Gurk-Klagenfurt. Dadurch
entstehe nicht nur ein Denkraum der Freiheit, sondern ein Lebensraum der
Gnade.

Sicherheit durch Vertrauensbildung

Während Schwarz auf die Bedeutung der inneren Freiheit
aufmerksam machte, forderte Christine Muttonen, Vorsitzende der
parlamentarischen OSZE-Versammlung, den Umgang mit Freiheit nicht nur
Regierungen und Allianzen zu überlassen, sondern Parlamente und die
Zivilgesellschaft verstärkt einzubinden. "Nach dem Fall des Eisernen
Vorhangs haben wir uns in Europa vom Prinzip der militärischen
Abschreckung verabschiedet und auf Sicherheit durch Vertrauensbildung
und Kooperationen gesetzt. Diese Sicherheit steht jetzt auf dem Spiel",
so Muttonen.

Die Aspekte der Freiheit sind vielfältig und ihre
Zukunft vor allem in Zeiten stärker werdender autoritärer Strömungen
nicht ganz so gewiss wie noch vor einigen Jahren. Deshalb seien die
Toleranzgespräche nicht nur ein Forum zum Austausch, sondern eine
wertvolle Gelegenheit zur gegenseitigen Ermutigung, tapfer aufzustehen
und sich für die Freiheit einzusetzen, meinte Manfred Sauer,
Superintendent der Evangelischen Kirche in Kärnten und Osttirol und
Obmann des Veranstalters Denk.Raum.Fresach.

Die Europäischen Toleranzgespräche werden aus Mitteln
der EU, des Bundes und des Landes Kärnten unterstützt. Wesentliche
Förderer sind ebenso die Stadt Villach und die Evangelische Kirche
Österreich. 2017 steht "Die Zukunft der Freiheit und die Folgen der
Globalisierung" auf dem Programm, neben der Religionsfreiheit und der
Meinungs- und Versammlungsfreiheit stehen am Unternehmerinnentag (2.
Juni) in Fresach der Freihandel, Freie Märkte und unternehmerische
Freiheit vs. Bürokratie auf der Agenda.

Leibniz-Gemeinschaft veröffentlicht Eckpunktepapier

Bundestagswahl 2013

Leibniz-Gemeinschaft veröffentlicht Eckpunktepapier

Die
Leibniz-Gemeinschaft gibt erstmalig ein Eckpunktepapier heraus, in dem
sie Empfehlungen für die Entwicklung der deutschen
Wissenschaftslandschaft nach der Bundestagswahl 2013 formuliert. Mit
diesem Papier fördert die Leibniz-Gemeinschaft die Diskussion und den
Austausch über die
Zukunft des Wissenschaftssystems.

In
ihrem Eckpunktepapier spricht sich die Leibniz-Gemeinschaft zunächst
für eine Fortsetzung des Paktes für Forschung und Innovation aus. Der
Aufwuchs der außeruniversitären Forschungseinrichtungen sollte u. a.
Kooperationen mit Hochschulen dienen. Die Leibniz-Gemeinschaft plädiert
für eine Aufhebung des Kooperationsverbots nach Artikel 91b GG. Durch
eine stärkere Beteiligung des Bundes bei der Hochschulfinanzierung soll
gewährleistet werden, dass Hochschulen und außeruniversitäre
Forschungseinrichtungen als gleichrangige Partner im Wissenschaftssystem
agieren können.

Die
Leibniz-Gemeinschaft hebt im Eckpunktepapier weiterhin die
Karriereperspektiven in der Wissenschaft hervor. Verlässliche und
transparente Karriereperspektiven für Nachwuchswissenschaftlerinnen und
Nachwuchswissenschaftler sind nicht nur ebenso wichtig wie die
Chancengerechtigkeit von Frauen und Männern, sondern eine zentrale
Voraussetzung dafür. Für eine weitere Verbesserung der Rahmenbedingungen
sind zudem Wissenschaftsfreiheitsgesetze auf Landesebene und unter
Einbeziehung der Hochschulen nötig.

Neben
einer verbesserten Grundfinanzierung der Hochschulen spricht sich die
Leibniz-Gemeinschaft für eine einheitliche 70:30
Bund-Länder-Finanzierung aller außeruniversitären
Forschungseinrichtungen aus. Dies soll verhindern, dass Verschiebungen
einzelner Einrichtungen unter den außeruniversitären
Forschungsorganisationen aus anderen als wissenschaftlichen Erwägungen
erfolgen.

Die
Leibniz-Gemeinschaft begrüßt die Stärkung ihres Senats im
Aufnahmeprozess neuer Institute oder bei Erweiterungen bestehender
Institute. Dies soll einer deutlicheren Schwerpunktbildung der
Leibniz-Gemeinschaft dienen.

In
Hinblick auf das Auslaufen der Exzellenzinitiative schließlich plädiert
die Leibniz-Gemeinschaft dafür, die bereits bestehenden engen
Kooperationen der Leibniz-Einrichtungen mit Hochschulen zu nutzen, um
Forschungsförderung in Hochschulen zu institutionalisieren. So sollen
nach Auslaufen der Exzellenzinitiative ausgewählte Cluster und
vergleichbare Einrichtungen in enger Verknüpfung mit den Hochschulen als
„Leibniz-Forschungszentren“

verstetigt werden können.

Das Eckpunktepapier ist auf der Leibniz-Website abrufbar:

www.leibniz-gemeinschaft.de/fileadmin/user_upload/downloads/Presse/Dokumente/2013_07_05_Eckpunktepapier.pdf

Von Tesla bis zur Deutschen Bahn Die Management-Flops 2018

von Angela Hennersdorf, Henryk Hielscher, Rüdiger Kiani-Kreß, Jürgen Salz, Christian Schlesiger und Martin Seiwert

Strategische Weitsicht,
bescheidener Auftritt, kluge Unternehmensführung? Von wegen. Auch 2018
gab es en masse Fehlleistungen in den Führungsetagen. Die
WirtschaftsWoche hat die gefallenen Helden der Wirtschaft gekürt.

FacebookTwitterXingLinkedInMail

Das Jahr 2018 endete wie es
begann: mit Verspätungen. Egal ob in der Bahn oder im Flieger, in punkto
Unzuverlässigkeit lieferten sich Lufthansa-Chef Carsten Spohr und Bahn-Lenker Richard Lutz 2018 ein heißes Kopf-an-Kopf-Rennen. Der Lohn: Verärgerte Reisende
zuhauf und ein Platz in der diesjährigen Management-Pannenstatistik der
WirtschaftsWoche.

Hier werden all jene Talente
des nationalen und internationalen Wirtschaftslebens gewürdigt, die das
Jahr geprägt haben – und deren Entscheidungen für ungläubiges Staunen
bei Mitarbeitern, Kunden und Aktionären sorgten. Sicher, die Liste ist
nicht vollständig. Sie deckt die vielfältigen Möglichkeiten des
Scheiterns aber durchaus ab.

So legte sich RWE-Chef Rolf Martin Schmitz mit Fledermäusen an – und zog den Kürzeren. Bayer-Boss Werner Baumann, der einst beherzt bei Monsanto zu griff, bekommt nun die Folgen seiner Einkaufslust zu spüren. In Sachen Börsenkommunikation patzte Pieter Haas, zeitweise Chef des Media-Saturn-Mutterkonzerns Ceconomy. Teslas Dauerinnovator und Obertwitterer Elon Musk schwächelte beim Umgang mit der amerikanischen Börsenaufsicht.

Dass die Behörden nicht allzu viel Spaß verstehen, musste auch Ex-Audi-Chef Rupert Stadler erkennen, nachdem er zeitweise eine Zehn-Quadratmeter-Bleibe in der Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen bewohnen durfte.

Die Kandidaten in der Einzelwertung

Ceconomy: Pieter allein zu Haus 

ANZEIGE

VER­MÖ­GENS­AUF­BAU DURCH WERT­PA­PIE­RE

War­um der Geld­strumpf zu scha­de für das Null­zins-Di­lem­ma ist

In Zei­ten der
Null­zins­pha­se sind Spar­bü­cher und Gi­ro­kon­ten ei­ne denk­bar
un­at­trak­ti­ve „Park­ge­le­gen­heit“ für fi­nan­zi­el­le Pols­ter. Es
ist an der Zeit, nach Al­ter­na­ti­ven zu schau­en. Mehr…

Um kraftvolle Ansagen war
Pieter Haas nie verlegen: „Das Beste kommt erst noch – für unsere Kunden
und Aktionäre“, versprach der Manager vor der Aufspaltung des früheren Metro-Konzern in die Elektronikmärkte (Ceconomy) und den Großhandel (Metro).

Für Haas, der erster Chef
von Ceconomy – und damit Herr über Media Markt und Saturn – wurde, war
die Aufspaltung „ein bisschen so, wie beim Auszug aus dem Elternhaus“.
Man habe sich „lange darauf vorbereitet. Jetzt sind wir volljährig. Es
ist Zeit auszuziehen“, konstatierte er.

Pieter Haas

Bild:  imago

Tatsächlich wirkte die
Führungstruppe von Europas größtem Elektronikhändler fortan ähnlich
dynamisch wie eine studentische Wohngemeinschaft – und die Finanzplanung
in etwa so verbindlich wie der WG-Putzplan.

So kappte Haas Mitte
September die Jahresprognosen für das Unternehmen. Das allein wäre kein
Drama gewesen, hätte er mit der neuen Prognose nicht erneut kräftig
daneben gelegen. Und so folgte nur drei Wochen später die nächste Gewinnwarnung – und der Rauswurf von Haas. Kurz vor Weihnachten verabschiedete sich auch Finanzchef Mark Frese,
Ceconomy strich die Dividende, die Aktie rauschte auf ein Rekordtief von
knapp über 3 Euro.

Die Erkenntnis: Das Leben in der eigenen Bude kann ziemlich anstrengend sein.

Lufthansa: Außergewöhnliche Leistung im Alltagsgeschäft

Meisterstratege, Börsenstar, Serviceheld, Pilotenbändiger, Marktbeherrscher: Ende 2017 war die Flut der Auszeichnungen Lufthansa-Chef
Carsten Spohr bei allem Stolz fast ein wenig peinlich. Ein
„ausgefuchster Deal“ (Manager Magazin) würde ihm fast zwei Drittel der
insolventen Air Berlin sichern. Lufthansa war an der Börse mehr wert denn je, die Linie bekam
als erste europäische Linie das Qualitätsprädikat 5-Sterne, die
aufsässigen Piloten waren gebändigt und der Konzern stand vor einem
Rekordgewinn. Was konnte da noch schiefgehen?

Leider so ziemlich alles.
Denn für 2018 bilanziert die Lufthansa wieder ein Rekordfestival,
allerdings eines der peinlichen Art: 45 000 abgesagte Flüge, je nach
Zählweise wohl gut 20 000 weitere stark verspätet. Dazu kommt wachsende
Unruhe bei Personal und Kunden – und der Börsenkurs sackte um gut ein
Drittel auf das Niveau von 2014.

Carsten Spohr

Bild:  imago

Den Sprung zum Marktführer
der Unzuverlässigkeit schaffte Lufthansa mit einem bewährten Mittel der
Branche: Selbstüberschätzung. Für das Flugchaos der vergangenen Monate waren zwar das ungewöhnlich schlechte Wetter, in die Überforderung gesparte Lotsen und die Triebwerkspannen beim neuen Airbus A320neo mitverantwortlich. Am Ende verdankt die Kranichlinie ihre operative Leistung vor allem sich selbst.

Die EU-Wettbewerbshüter warnen mehrfach vor Auflagen bei der Übernahme von Air Berlin? Wettbewerber wie Easyjet mieten sicherheitshalber Reserve-Flugzeuge? Der Flugsicherung fehlen reichlich Lotsen? Alles kein Grund für Deutschlands Marktführer den Sommerflugplan mit einem ernsthaften Puffer zu planen.

Damit 2019 nicht erneut für
unfreiwillige Rekorde sorgt, holt Spohr nun einen Qualitätsmanager in
den Vorstand. Das sichert der Lufthansa zumindest eine neue
Bestleistung: den größten Konzernvorstand aller Zeiten.

Bayer: Baumann, der Baumeister

Als Student hat Werner
Baumann im Blaumann, damals in der WG in Köln-Lindenthal, erstmal
eigenhändig die Wohnung renoviert. Und später, als er schon mit der
Familie in Krefeld wohnte, erfolgreich die Spüle repariert. Um sich dann
an sein größtes Heimwerker-Projekt zu wagen – den Umbau von Bayer.

Werner Baumann

Bild:  dpa

Gleich ein ganz neues
Geschoss („Raum Monsanto“) hat er eingezogen, um dem ganzen Gebilde mehr
Stabilität zu verleihen. 62,5 Milliarden Dollar hat der Ausbau
gekostet. Und wie das so ist mit Bauprojekten – es dauerte dann doch
länger als gedacht, bis alle Genehmigungen vorlagen.

Als Baumeister Baumann
endlich loslegen konnte, trat Heimwerker-Regel Nummer eins in Kraft:
Wenn man mal an einer Stelle anfängt rumzubasteln, tun sich gleich noch
anderswo Löcher auf. Im Fall Bayer heißt das: Das
Geschäft mit den rezeptfreien Arzneimitteln läuft nicht und bei den
verschreibungspflichtigen Präparaten gibt es zu wenig neue Präparate.

Und dann, Heimwerker-Regel
Nummer zwei, meckern sowieso immer alle rum: Die Investoren, weil der
Aktienkurs abstürzt. Die Öffentlichkeit wegen Glyphosat. Und dann auch
noch die Eindringlinge von Elliott, die womöglich noch ganz andere
Baupläne haben. Ob Baumann, der Baumeister, noch Erfolg hat? Fortsetzung folgt.

Europäisches Drama: Lobbyisten zerstören den Glauben an Objektivität

Europäisches Drama: Lobbyisten zerstören den Glauben an
Objektivität – geistige Korruption auch bei der deutschen Regierung verhindert
vernunftbezogene Regelungen

Warum Europa es nicht geschafft hat, die Wirtschaftsprüfer
zu bändigen

Nach der Finanzkrise standen die sogenannten "Big
Four" am Pranger, das sind die Wirtschaftsprüfer EY, Deloitte, KPMG und
PwC.

Doch vom Vorstoß der EU-Kommission blieb kaum etwas über.
Interne Protokolle zeigen nun, warum: Auch die Bundesregierung hat schärfere
Regeln blockiert.

Von Lena Kampf und Georg Wellmann, Brüssel

"Weiteres Vorgehen im Bereich der Abschlussprüfung:
Lehren aus der Krise" hieß das Grünbuch, das die EU-Kommission im November
2011 vorlegte, und es löste so etwas wie ein kleines
Erdbeben in Brüssel aus. Der damalige EU-Kommissar für Finanzen, Michel Barnier,
wollte nichts weniger, als die Marktmacht der vier großen
Wirtschaftsprüfungsgesellschaften aufbrechen, denen er eine Mitverantwortung an
der Finanzkrise zuschrieb. Die sogenannten "Big Four", also EY, Deloitte,
KPMG und PwC, hatten reihenweise Banken und Unternehmen testiert – also
geprüft, dass im Jahresabschluss alles korrekt vermerkt ist -, die wenig später
ins Straucheln gerieten.

Der damalige Kabinettschef Barniers, Olivier Guersent, erinnert
sich: "Barnier wollte das Problem an den Wurzeln packen." Es war ein
ambitioniertes Vorhaben. Der Markt für Prüfungen von Unternehmen von
öffentlichem Interesse sollte für kleinere Mitbewerber geöffnet werden, in dem
ein gemeinsames Testieren durch mindestens zwei
Wirtschaftsprüfungsgesellschaften eingeführt und eine Rotation der Kunden nach
sechs Jahren vorgeschrieben werden sollte.

Insbesondere die gleichzeitige Prüfung und Steuerberatung
sollte verboten werden. Barnier sah darin einen Interessenkonflikt – und zielte
damit auf einen empfindsamen Punkt der Gesellschaften, die mittlerweile den
größeren Teil ihrer Umsätze mit Beratung erwirtschafteten und nicht mehr mit
ihrem Kerngeschäft der Bilanzprüfung.

"Was wir mit den ‚Big Four‘ erlebt haben, war die
Mutter allen Lobbyings."

Entsprechend fiel die Reaktion der Unternehmen aus.
"Wir dachten, was Lobbying angeht, hätten wir schon alles gesehen",
sagt Olivier Guersent. "Aber was wir mit den ‚Big Four‘ erlebt haben, war
die Mutter allen Lobbyings." Nur wenige Stunden nachdem Barnier sein
Vorhaben angekündigt hatte, sei das EU-Parlament voller
Wirtschaftsprüferlobbyisten gewesen. "Über Nacht!",
sagt Guersent.

Nicht nur die Unternehmen selbst kämpften gegen die
Regulierung. Zu den Gegnern der Reform gehörten auch einige Mitgliedsstaaten.
Unter den Blockierern: die deutsche Bundesregierung.

Die Verhandlungen dauerten gut zwei Jahre, von Januar 2012 bis zum Sommer 2014 und sind
in vertraulichen Protokollen der Sitzungen umfassend dokumentiert, die SZ,
WDR und NDR vorliegen. Daraus geht hervor, dass die Vertreter des zuständigen
Bundesjustizministeriums von Anfang an Einwände gegen die Vorschläge der EU-Kommission
hatten, insbesondere hatten sie "Bedenken hinsichtlich des
Detaillierungsgrades der Regelung". Auch dass Prüfer verpflichtet werden
sollten, Unregelmäßigkeiten an Behörden zu melden, sah die Bundesregierung
kritisch. Offenlegungspflichten lehnte Deutschland aus "bürokratischen
Gründen" sowohl für kleine als auch große Prüfungsfirmen ab. Es gehe
"nicht darum, den Prüfer zum Aufpasser zu machen", gab ein Vertreter
des Justizministeriums bei einer Verhandlungsrunde im März 2012
zu Protokoll.

Die Vertreter der Kommission hielten dagegen: "Wenn man
das Vertrauen in den Finanzmarkt wieder etablieren und die Wirtschaftskrise
überwinden wolle, sei ein ambitionierter Ansatz richtig", wurde von den
deutschen Verhandlern protokolliert. An die Seite der Kommission stellten sich
Länder wie Frankreich, Italien und die Niederlande, die bestimmte Kompromisse,
die im Laufe der Verhandlungen gemacht wurden, als zu wenig ambitioniert
ablehnten. Spanien betonte, die Kompromisse seien nicht akzeptabel, weil sie
"zu verwässert" seien. "Man pervertiere den ursprünglichen
Vorschlag der Kommission. Man wundere sich, dass die Kommission dies
akzeptieren könne", heißt es im Protokoll über Spanien.

Besonders in den Fokus genommen hatte die Kommission die
Steuerberatung durch Wirtschaftsprüfer, weil "Steuerberatung völlig
inkompatibel mit einer unabhängigen Prüfung sei", so die Kommission
ausweislich der Protokolle. Sie schlug eine Liste mit verbotenen Leistungen vor
– darunter die Steuerberatung. Doch genau die wollte unter anderem Berlin so
nicht auf der Liste haben. Im Protokoll heißt es, dass Deutschland und auch
andere Staaten "insbesondere hinsichtlich der Steuern", den Umfang
des EU-Entwurfs für "zu weitreichend hielten".

Auf Anfrage antwortet das Bundesjustizministerium heute,
dass es Position der Bundesregierung gewesen sei, Nichtprüfungsleistungen nur
dann auszuschließen, wenn "beispielsweise eine Gefahr der
Selbstprüfung" bestehe. Einen grundsätzlichen Interessenskonflikt schienen
die Verhandler nicht zu erkennen. Man habe aber durchaus "begrüßt",
dass die EU-Kommission eine Diskussion zur Verbesserung der Abschlussprüfungen
auf EU-Ebene angestoßen habe. "Die Bundesregierung hat vor diesem
Hintergrund Zweifel vorgebracht, ob alle Elemente der vorgeschlagenen Reform
dieses Ziel verfolgt haben, und hat die Kritik auch in den
Verhandlungen geäußert."

Ein Passus zu Vorschriften über Interessenkollisionen wurde
entfernt

Am Ende der Verhandlungen blieb von Barniers Ambitionen
tatsächlich nicht mehr viel übrig. Das Ergebnis: Die Mitverantwortung der
Wirtschaftsprüfer an der Finanzkrise wurde komplett aus der Reform gestrichen,
und das Verbot der Nichtprüfungsleistungen für die "Big Four"
weitgehend aufgeweicht. Ein Passus zu Vorschriften über Interessenkollisionen
der Wirtschaftsprüfer wurde entfernt. Auch auf einen Hinweis auf die
grundsätzlich "kritische Haltung der Wirtschaftsprüfer gegenüber den
Unternehmen" wurde im verabschiedeten Text verzichtet.

Finanzkrise hin und oder: In Deutschland darf somit
weiterhin prinzipiell testiert und steuerlich beraten werden.