Demokratie und Freiheit gefährdeter denn je

Demokratie und Freiheit gefährdeter denn je

Anneliese Rohrer eröffnet "Bürgerdialog" bei den Toleranzgesprächen

Anneliese Rohrer mit Weckruf in Fresach
Anneliese Rohrer mit Weckruf in Fresach
[ Fotos ]

Fresach (pte033/01.06.2017/13:55) –

"Nutzen wir unsere Freiheit und schützen wir damit unsere Demokratie,
denn sie ist vielerorten gefährdeter als wir denken", appellierte die
Presse-Kolumnistin Anneliese Rohrer in ihrer Festansprache zu den
Europäischen Toleranzgesprächen 2017 am Donnerstag im Kärntner Bergdorf
Fresach http://fresach.org . Die streitbare Kolumnistin zitierte dabei John Adams, einen der
Gründerväter der Vereinigten Staaten. Dieser meinte schon 1780, es habe
noch nie eine Demokratie gegeben, die nicht Selbstmord begangen hätte.
"Heute liegt es an uns: Wollen wir den Selbstmord verhindern oder
leisten wir Beihilfe?", so Rohrer mahnend zum Auftakt des Bürgerdialogs
über die Freiheit.

In ihrem Plädoyer für mehr Mut und Engagement der
Zivilgesellschaft forderte sie die anwesenden Teilnehmer auf, sich aktiv
in die Politik einzumischen, vorauseilenden Gehorsam zu vermeiden und
sich über komplexe Sachverhalte ausreichend zu informieren. Komplexität
schaffe Verwirrung, und das verstärke den Wunsch nach mehr Stabilität,
Sicherheit und Autorität. "Dabei hat jeder von uns die Freiheit, sich
über die oft kritisierte Komplexität der EU zu informieren. Nur durch
Information können wir die Freiheit absichern und werden gegen Fake News
immun", erläuterte die Journalistin in ihrer Keynote.

Fake News und Selbstoptimierung

Alternative Fakten und Fake News werden zunehmend als
ernste Bedrohung für Grund- und Freiheitsrechte verstanden. Deshalb
widmete sich auch Hannes Swoboda, Präsident des Denk.Raum.Fresach, in
seinem Eröffnungsstatement diesem Thema. Der langjährige
EU-Parlamentarier bezweifelte dabei, ob soziale Medien wirklich so
sozial seien oder nicht doch auch den Sinn für die Realität oftmals
trüben können.

Die Vernetzung unserer digitalen Kontakte dürfe nicht
das Eigene in den Mittelpunkt stellen und nur die Selbstoptimierung
vorantreiben, sondern müsse ein Beitrag zur Gemeinschaft sein. "Um das
zu schaffen, brauchen wir Mut und dürfen nicht nur ‚mitlaufen‘. Denn
wenn wir nur Mitläufer sind, dann ist die Freiheit verloren", erklärte
Swoboda und nannte als mutige Vorbilder Papst Franziskus oder Martin
Luther.

Denkraum der Freiheit, Lebensraum der Gnade

Anlässlich des 500-jährigen Jubiläums der Reformation
wird dem Kirchenreformer Martin Luther bei der dritten Auflage der
Toleranzgespräche eine besondere Bedeutung eingeräumt, wie Michael
Bünker, Bischof der Evangelischen Kirche A.B., sagte. Ebenso werden
religiöse Freiheit und Unfreiheit eingehend thematisiert. "Es ist
dringend notwendig, den Zwängen unwürdiger Bedingungen wie etwa Not,
Hunger, Armut oder Einsamkeit entgegenzutreten. Doch gleichzeitig müssen
wir auch den menschlichen Egoismus und die Machtgier zurückdrängen",
sagte Alois Schwarz, Bischof der Diözese Gurk-Klagenfurt. Dadurch
entstehe nicht nur ein Denkraum der Freiheit, sondern ein Lebensraum der
Gnade.

Sicherheit durch Vertrauensbildung

Während Schwarz auf die Bedeutung der inneren Freiheit
aufmerksam machte, forderte Christine Muttonen, Vorsitzende der
parlamentarischen OSZE-Versammlung, den Umgang mit Freiheit nicht nur
Regierungen und Allianzen zu überlassen, sondern Parlamente und die
Zivilgesellschaft verstärkt einzubinden. "Nach dem Fall des Eisernen
Vorhangs haben wir uns in Europa vom Prinzip der militärischen
Abschreckung verabschiedet und auf Sicherheit durch Vertrauensbildung
und Kooperationen gesetzt. Diese Sicherheit steht jetzt auf dem Spiel",
so Muttonen.

Die Aspekte der Freiheit sind vielfältig und ihre
Zukunft vor allem in Zeiten stärker werdender autoritärer Strömungen
nicht ganz so gewiss wie noch vor einigen Jahren. Deshalb seien die
Toleranzgespräche nicht nur ein Forum zum Austausch, sondern eine
wertvolle Gelegenheit zur gegenseitigen Ermutigung, tapfer aufzustehen
und sich für die Freiheit einzusetzen, meinte Manfred Sauer,
Superintendent der Evangelischen Kirche in Kärnten und Osttirol und
Obmann des Veranstalters Denk.Raum.Fresach.

Die Europäischen Toleranzgespräche werden aus Mitteln
der EU, des Bundes und des Landes Kärnten unterstützt. Wesentliche
Förderer sind ebenso die Stadt Villach und die Evangelische Kirche
Österreich. 2017 steht "Die Zukunft der Freiheit und die Folgen der
Globalisierung" auf dem Programm, neben der Religionsfreiheit und der
Meinungs- und Versammlungsfreiheit stehen am Unternehmerinnentag (2.
Juni) in Fresach der Freihandel, Freie Märkte und unternehmerische
Freiheit vs. Bürokratie auf der Agenda.