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Chaos um Corona-Maßnahmen rund um Ostern 2021

Diesen hervorragenden Bericht aus dem Spiegel möchte ich den Lesern meiner Homepage nicht vorenthalten

Jean Pütz

(Spiegel) – Mit dem Feiertagslockdown hat die Politik die Wirtschaft überrascht: Supermärkte fürchten einen Kundenansturm, Molkereien wissen nicht, wer die Milch vom Bauernhof abholt. Der Frust wächst.

Wer sich bei Unternehmern nach den Folgen des geplanten Oster-Shutdowns erkundigt, bekommt wenig Schmeichelhaftes zu hören: »Harakiri«, »Chaos«, ein »Aprilscherz« – so beschreiben Unternehmen die Beschlüsse von Kanzlerin Angela Merkel und den Regierungschefs der Länder.

Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie kritisiert die Krisenpolitik scharf: »Während andere Staaten mehr und schneller impfen und testen, um die Freiheit ihrer Bürgerinnen und Bürger zu erhalten, verhängt Deutschland nun Ruhezeiten.«

Bund und Länder hatten nach einer mehr als elfstündigen Verhandlung in der Nacht zum Dienstag einen fast völligen Stillstand des öffentlichen Lebens über Ostern beschlossen. Die Politik fürchtet, dass die Zahl der Neuinfektionen sonst so schnell steigen könnte, »dass bereits im April eine Überlastung des Gesundheitswesens wahrscheinlich ist«, heißt es in dem Beschluss.

Um die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus zu senken, sollen Gründonnerstag und Ostersamstag als Ruhetage gelten. Vom 1. bis 5. April soll eine »erweiterte Ruhezeit« gelten. Nur für den Lebensmitteleinzelhandel am Ostersamstag gibt es eine Ausnahme.

Doch was dieser Oster-Shutdown konkret für Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Deutschland bedeutet, darüber wird gerätselt: Manche Händler fürchten einen Kundenansturm, andere empfindliche Verluste. »Wie dieser Beschluss auszulegen ist, steht schlichtweg noch nicht fest«, sagt Kira Falter, Fachanwältin für Arbeitsrecht.

So wissen viele Firmen noch gar nicht, wie sie mit den Beschlüssen umgehen sollen – und hoffen auf mehr Klarheit aus der Politik. Die lässt auf sich warten: Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder erklärte, man arbeite noch an der entsprechenden Rechtsgrundlage, bei der es auch um Zuschläge für Arbeitnehmer gehen soll. Denn das Arbeitszeitgesetz sieht vor, dass Arbeitnehmer, die an Sonn- oder Feiertagen arbeiten müssen, einen Ersatzruhetag erhalten. Wer die Kosten dafür trägt, ist noch nicht klar.

Lebensmittelhändler warnen vor »Harakiri«
Schon jetzt zeichnet sich ab, dass es in Deutschlands Supermärkten rund um Ostern eng werden dürfte. Sie müssen zwar am Gründonnerstag schließen, dürfen aber am Ostersamstag öffnen, wie aus dem Beschluss von Bund und Ländern hervorgeht.

Doch die Freude der Branche hält sich in Grenzen. Die Tage vor Ostern zählen in der Branche normalerweise zu den umsatzstärksten Zeiten des ganzen Jahres. Nun fürchten Lebensmittelhändler einen wahren Kundenansturm: »Es ist Harakiri, den Lebensmitteleinzelhandel an Gründonnerstag dichtzumachen«, sagt ein Manager. »Der gesamte Einkauf ballt sich dann die Tage zuvor und Ostersamstag.«

Während Supermärkte öffnen, müssen Drogerien am Ostersamstag wohl geschlossen bleiben. Bei Rossmann und Müller fürchtet man, dass es deshalb vor Ostern noch voller werden wird als sonst: »Wir sehen mit großer Sorge auf die kommende Woche«, sagt Raoul Roßmann, Geschäftsführer Einkauf und Marketing bei der gleichnamigen Drogerie. Er erwartet einen »Kundenansturm, der sowohl für unsere Kund:innen als auch unsere Mitarbeitenden zu einer enormen Herausforderung werden dürfte.«

Anderen Einzelhändlern entgeht das wichtige Ostergeschäft dagegen völlig. Groß ist der Frust etwa bei Textil- und Einzelhändlern, die in Regionen mit niedriger Inzidenz den Neustart mit Terminvergabe oder Click and Collect versucht haben und nun über Ostern ganz schließen müssen.

Der Textileinzelhändler Ernsting’s spricht etwa von »enttäuschendem Krisenmanagement«. Ein Jahr nach dem allerersten Lockdown falle der Politik offenbar kein anderes Mittel der Pandemiebekämpfung als die »willkürliche Ausbremsung einiger Branchen« ein.

Für die Konfiseriekette Arko mit ihren rund 360 Filialen ist Ostern eine der wichtigsten Verkaufszeiten des Jahres

Auch die Modefirma Gerry Weber zeigt sich enttäuscht: Die Schließung des Einzelhandels sei das falsche Mittel, um die Infektionszahlen zu senken, sagt CEO Alexander Gedat. »Wir plädieren ganz dringend für eine Öffnungsstrategie, die nicht an Inzidenzzahlen, sondern an eine Teststrategie gekoppelt ist.«

Dass ausgerechnet das Ostergeschäft ausfällt, trifft manche Branchen besonders hart. Für die Konfiseriekette Arko mit ihren rund 360 Filialen ist Ostern eine der wichtigsten Verkaufszeiten des Jahres. Nun bleiben alle Läden zu. Die Beschlüsse von Bund und Ländern träfen »mitten ins Mark«, heißt es bei Arko.

Noch deutlicher werden Gastwirte und die Tourismusbranche, denen das wichtige Geschäft nun fast gänzlich entgeht. Der Hotel- und Gaststättenverband beklagt »politisches Missmanagement«. Und der Deutsche Tourismusverband äußert »Wut, Ärger, Verzweiflung«.

Steht die Produktion still oder nicht?
Manche Unternehmen zeigen sich vom Ruhetag unbeeindruckt: An der Deutschen Börse etwa soll am Gründonnerstag trotzdem gehandelt werden. Und die chemische Industrie baut darauf, dass ihre Werke auch über Ostern laufen dürfen: »In dem Beschluss steht nichts davon, dass produzierende Betriebe über Ostern ihren Betrieb nicht fortsetzen dürften«, sagt ein Sprecher des Verbandes der Chemischen Industrie. »Unsere Unternehmen werden weiter produzieren, unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregelungen.« Der Beschluss habe daran nichts geändert.

Ganz anders klingen die Warnungen der Maschinenbauer, die von immensen Kosten im Zusammenhang mit einem Produktionsstopp am Gründonnerstag sprechen. Die Entscheidung von Bund und Ländern stelle die Firmen vor »große organisatorische Herausforderungen«, kritisierte der Branchenverband VDMA.

Viele Firmen sind noch überhaupt nicht sprechfähig. Selbst in Branchen, die normalerweise wenig mit Coronaregeln zu kämpfen haben, ist die Verwirrung groß – zum Beispiel in der Milchindustrie. »Wir können die Milch nicht auf den Höfen lassen oder wegstapeln«, warnt der Milchindustrie-Verband, der auf eine Ausnahme von der Ruhetagsregelung hofft. »Frische Milch ist kaum lagerfähig, und wir müssen lieferfähig bleiben.«

Auch die Logistikbranche warnt vor Problemen durch den überraschenden Ruhetag: »Wenn der Gründonnerstag als Liefertermin an die Supermärkte ausfällt, wird es schwer, die großen Mengen an frischer Ware rechtzeitig unterzubringen«, sagt Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Spedition und Logistik (DSLV). Schon jetzt würden die Frischelogistiklager vieler Speditionen überquellen.

Die Lkw selbst werden wohl trotz des Beschlusses am Gründonnerstag und Karsamstag fahren können, vermutet Huster – denn das allgemeine Sonn- und Feiertagsfahrverbot für Lkw wurde wegen der Pandemie schon vor Monaten aufgehoben. Unklar ist aber, welche Regelung für andere Beschäftigte in der Branche gilt, etwa für Disponenten. Wird der Gründonnerstag für sie zum Feiertag erklärt, oder müssen sie von zu Hause arbeiten? Huster weiß es nicht. Sein Verband hat bei der Bundesregierung angefragt, aber bis zum frühen Dienstagnachmittag noch keine Antwort erhalten.

Wer umzieht, hat ein Problem
Besonders hart treffen könnte der Oster-Lockdown Menschen, die am Gründonnerstag umziehen. Und das dürften Tausende sein: denn dieser Tag ist der 1. April, einer der wichtigsten Umzugstage des Jahres. »Zum Quartalswechsel ziehen immer viele Menschen um, und das Osterwochenende bietet sich an, um die Wohnung einzuräumen«, sagt ein Sprecher des Bundesverbands Möbelspedition und Logistik. »Aber jetzt wissen wir nicht, ob wir an diesem Tag überhaupt Umzüge durchführen dürfen.« Dies könne gravierende Folgen haben, etwa für Mieter, die ihre alte Wohnung nicht räumen oder ihre neue Wohnung nicht beziehen könnten.

Besonders fürchten die Möbelspediteure unterschiedliche Regelungen in verschiedenen Bundesländern. »Es könnte passieren, dass sie den Auszug in Wiesbaden durchführen dürfen, den Einzug in der Nachbarstadt Mainz aber nicht«, sagt der Verbandssprecher – denn Wiesbaden gehört zu Hessen, Mainz zu Rheinland-Pfalz. »Das ist wie ein Aprilscherz.«

Warum ist Südkorea als Demokratie besser mit Corona fertig geworden als die Europäer? Mit einer Einführung von Jean Pütz

Was ist wichtiger, Datenschutz oder Schutz von Leib und Leben? Darauf spielt sich die Frage zu, warum Südkorea bis jetzt wesentlich besser die Pandemie überstanden hat als Europa und Amerika.

1984 war ich als verantwortlicher WDR-Redakteur froh, dass es schien, dass George Orwell mit seinem berühmten Zukunfts-Roman nicht recht hatte. Das hat sich insbesondere durch das aufkommende Internet fundamental geändert. Deswegen ist verständlich, warum wir mit persönlichen Daten wesentlich verantwortlicher umgehen als asiatische Staaten.

Liest man den folgenden Beitrag, ist die Vision von Orwell 40 Jahre später eingetroffen. Wenn wir also einen Blick auf Südkorea werfen, muss diese Tatsache berücksichtigt werden. Das ist auch der Grund, weshalb die groß propagierte Corona-App in westlichen Ländern ein zahnloser Tiger geworden ist, denn eines der Geheimnisse des Erfolgs der Südkoreaner liegt in der Tatsache begründet, dass offenbar dem Datenschutz weniger Bedeutung zugemessen wurde. Ob wir dabei päpstlicher waren als der Papst, ist schwer zu beurteilen. Die Franzosen, die automatische Meldungen in ihre Apps eingebaut hatten, haben auch keine besseren Ergebnisse erzielt, weil die berechtigte Skepsis der Bürger dafür sorgte, dass nur wenige diese Apps akzeptiert haben. Immerhin haben in Deutschland die Bürger über 20-millionenfach unsere App heruntergeladen, das Problem war, dass nur wenige positive Tests  an die Gesundheitsämter weitergeleitet haben.

Ihr Jean Pütz

(Konrad Adener Stiftung) – Impfstoffe geben Hoffnung auf einen Ausweg aus der Pandemie. Gleichzeitig wird deutlich, dass uns die Notwendigkeit zu Social Distancing und Beschränkungen zumindest noch eine Weile erhalten bleiben wird. Welche Mittel und Eingrenzungen von Rechten und Freiheiten nötig und gewollt sein können, um das Recht auf körperliche Unversehrtheit, aber auch andere Freiheiten zu schützen, ändert sich mit fortschreitender Zeit und Erkenntnis. Das demokratische Korea setzte seit Beginn auf digitale Methoden.

Besonders im internationalen Vergleich sind die Infektionszahlen in Südkorea – obwohl es nach der Volksrepublik China den zweiten Schwerpunkt der Pandemie zum Zeitpunkt ihrer Entdeckung ausmachte – durchgehend auf relativ niedrigem Niveau verblieben: seit Beginn der Pandemie wurden weniger als 85.000 Infektionen und 1.600 Todesfälle gezählt.  Aktuell ist das Land nichtsdestotrotz mit einer dritten Welle konfrontiert, in der die tägliche Infektionszahl jedoch unter 1.300 geblieben und zuletzt auch wieder unter 400 gesunken ist.

Die ergriffenen Maßnahmen wurden im Zeitverlauf zunehmend systematisiert und mehrfach gelockert und verschärft. Bis dato kam es jedoch zu keinem umfassenden lockdown: Privatunternehmen, insbesondere Einzelhandel und Gastronomie, konnten durchgehend geöffnet bleiben, zeitweise mit verkürzten Öffnungszeiten.

Als wesentliche Faktoren für dieses Ergebnis sind kurze Reaktionszeiten, eine hohe Konformität in der Bevölkerung und insbesondere auch eine Nutzung vorhandener Daten und digitaler Infrastruktur auszumachen.

Tracking und Monitoring

Eine Überwachung bzw. Nutzung von personenbezogenen Daten zur Kontrolle des Infektionsgeschehens erfolgt in zwei unterschiedlichen Strängen.

Bei Einreise aus dem Ausland besteht, mit Ausnahme ausgewählter Personengruppen, eine Pflicht zur 14-tägigen Quarantäne in hierfür eigens zugewiesenen Einrichtungen. Südkoreanische Staatsbürger sowie Personen mit qualifiziertem Aufenthaltstitel und nachweislichem Wohnsitz haben ersatzweise die Möglichkeit, sich einer Selbstisolierung im eigenen Wohnraum zu unterziehen.

Die Einhaltung der dabei geltenden Pflichten und Beschränkungen wird primär durch die bereits vor Einreise zwingend vorgeschriebene Installation einer App zur täglichen Selbstüberwachung von Krankheitssymptomen und Ergebniserfassung sowie durch Auswertung der Bewegungsdaten der eigenen Mobilfunknummer sichergestellt. Hinzu kommen regelmäßiger Kontakt mit der zuständigen Gesundheitsbehörde und eventuell unangekündigte Hausbesuche.

Eine nochmals weitreichendere Datenauswertung erfolgt im Falle bestätigter Infektionsfälle. Das dann greifende Tracking- und Monitoring-System wurde im Rahmen einer Kooperation von Ministry of Science and Information & Communication Technology, Ministry of Land, Infrastructure and Transport sowie Korea Center for Disease Control and Prevention (KCDC) entwickelt und beruht im Wesentlichen auf fünf Informationsquellen:

1.    Auskünfte der Infizierten
2.    Zahlungsverkehr
3.    Mobilfunknetz
4.    Überwachungskameras
5.    Entry Logs

Sobald eine Person positiv getestet wird, schalten sich sogenannte Epidemiological Intelligence Service Officers der Korea Disease Control and Prevention Agency (KDCA, vormals KCDC) ein. Diese befragen die infizierte Person und inspizieren gegebenenfalls Orte, die von dieser Person besucht wurden. Um die Aussagen des Infizierten zu überprüfen und potentielle Ansteckungen nachzuvollziehen, werten die Beamten dann in der Folge bis zu vier zusätzliche Datenquellen aus und gleichen sie mit den gemachten Angaben ab.

Zahlungsverkehr

Der Abgleich mit getätigten Zahlungen per Kredit- oder Bankkarte ist in Südkorea besonders effektiv, da hier der Anteil an bargeldlosem Zahlungsverkehr weltweit am höchsten ist.

Mobilfunknetz

In Südkorea gibt es mehr Mobiltelefone als Einwohner. Die Quote gehört weltweit zu den höchs-ten. Zudem ist die Netzabdeckung äußerst hoch und Endgeräte sind zu jedem Zeitpunkt mit bis zu drei Sendemasten verbunden. Dies erhöht die Genauigkeit der Ortung enorm.

Überwachungskameras

In Südkorea sind über 8 Millionen Überwachungskameras im Einsatz. Dies entspricht einer Kamera pro 6,3 Einwohner. Während Menschen im öffentlichen Raum unterwegs sind, werden diese im Durchschnitt alle neun Sekunden per Video erfasst. Dies ermöglicht eine nahezu lückenlose Nachverfolgung der Bewegungsprofile.

Entry Logs

Im Juli 2020 wurde zudem ein u.a. für die Gastronomie verpflichtendes Registrierungssystem eingeführt. Hierzu kann alternativ zur Papierform ein QR-Code in weit verbreiteten Apps, die eine zertifizierte Identifizierung ihrer Nutzer ermöglichen, erstellt und vor Ort eingescannt werden. Im Falle einer Infektion können so zeitnah alle relevanten Kontakte ermittelt werden.

Die erstellten Bewegungsprofile werden mit den Daten bereits bekannter Fälle abgeglichen und auf Zusammenhänge geprüft. Die Aufklärungsquote der Infektionswege liegt derzeit noch immer über 80 Prozent.

Es wird zudem versucht, Kontaktpersonen zu identifizieren, die weniger als zwei Meter Abstand zum Infizierten hatten, und die staatlichen Stellen veröffentlichen das erstellte Bewegungsprofil in anonymisierter Form und senden auf Basis der Zuordnung zu Sendemasten Warnungen per SMS in die jeweiligen Stadtviertel.

Rechtsrahmen und Datenschutz

In normalen Zeiten gilt im rechtsstaatlichen Südkorea ein der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) der Europäischen Union ähnliches Datenschutzrecht, wenngleich die Verhandlungen über eine formale Anerkennung von dessen Gleichwertigkeit durch die Europäische Kommission noch nicht abgeschlossen sind.

Allerdings erklärte Südkorea das Corona-Virus bereits im Januar 2020, nachdem die ersten bestätigten Fälle im Land gemeldet wurden, zur „Infektionskrankheit 1. Grades“, wodurch auch besondere Maßnahmen zur Datenverarbeitung ermöglicht werden.

In Art. 6 Abs. 2 des im Nachgang von MERS (2015) geschaffenen „Gesetzes zur Prävention und Kon-trolle von Infektionskrankheiten“ heißt es dazu:

„Die Bürger haben das Recht, die Informationen über das Auftreten von Infektionskrankheiten, die Prävention und die Kontrolle von Infektionskrank-heiten sowie über die Bekämpfung zu erfahren. Der Staat und die lokalen Regierungen müssen Informa-tionen unverzüglich offenlegen.“

Das Gesetz legt den Umfang der Offenlegung von Informationen im Falle einer Infektionskrank-heitskrise fest und spezifiziert diesen Grundsatz in Art. 34-2 Abs. 1:

„Der Leiter der Behörde für Krankheitskontrolle und -prävention (KDCA), die Bürgermeister, die Gouverneure und die Bezirksleiter müssen unverzüglich Informationen, die die Bürger zur Vorbeugung von Infektionskrankheiten wissen müssen, wie u.a. die Infektionswege von Patienten, Transportmittel, medizinische Behandlungseinrichtungen und Kontakte, durch Veröffentlichung in Kommunikationsnetzen oder die Verbreitung von Pressemitteilungen offenlegen, wenn aufgrund der Ausbreitung von Infektionskrankheiten, die für die Gesundheit der Menschen schädlich sind, eine Krisenwarnung über die Stufe ‚Vorsicht‘ gemäß Art. 38 Abs. 2 des ‚Gesetzes über Katastrophen- und Sicherheitsmanagement‘ herausgegeben wurde. Geschlecht, Alter und andere Informationen, die durch das Präsidialdekret als nicht mit der Prävention von Infektionskrankheiten verbunden angesehen werden, sind jedoch ausgeschlossen.“

Weitere Artikel des Gesetzes regeln explizit die Möglichkeit zuständiger Behörden, persönliche Daten wie Name, Adresse und Telefonnummer, Krankenakten, Daten über Ein- und Auswanderung und andere Informationen von vermutlich Infizierten zur Feststellung der Bewegung zu verlangen. Es gibt dem Leiter einer Polizeibehörde die Möglichkeit, Informationen über Standortdaten von vermutlich Infizierten zu verlangen und von Anbietern persönlicher Standortinformationen und Telekommunikationsdienstanbietern entsprechende Standortdaten einzufordern (Art. 76-2).

Außerdem regelt das Gesetz:

›    Gefängnisstrafen von bis zu zwei Jahren oder Geldstrafen von bis zu 20 Millionen Won (etwa 15.000 EUR) bei Verweigerung epidemiologischer Untersuchungen (Art. 79 Nr. 1),

›    Gefängnisstrafen von bis zu einem Jahr oder Geldstrafen von bis zu 20 Millionen Won bei Verweigerung der Auskunft über Standortdaten (Art. 79-2 Nr. 3),

›    Gefängnisstrafen von bis zu einem Jahr oder Geldstrafen von bis zu 10 Millionen Won  (etwa 7.500 EUR) bei Verweigerung von Hospitalisierungs- oder Quarantänemaßnahmen (Art. 79-3 Nr. 4, 5).

Die Anwendung dieser Regeln steht dabei durchaus unter gesellschaftlicher und gerichtlicher Beobachtung.

Im Mittelpunkt der zweiten Welle stand im Som-mer 2020 die Bildung eines Infektionsclusters im Stadtviertel Itaewon, das auf den Besuch eines Infizierten in Bars und Clubs zurückgeführt wurde. Zur Aufklärung der Infektionswege wurden Mobilfunkdaten von fast 11.000 Personen genutzt. Das KCDC (seit dem 12.09.2020 KDCA) und die Stadt Seoul hatten diese von den Mobilfunkanbietern gesammelt und Kurznachrichten mit der Aufforderung versandt, sich einem Corona-Test zu unterziehen. Einer der Empfänger, der weder den als Infektionsherd gemeldeten Club besucht, noch direkten Kontakt mit verdächtigen Infizierten hatte und ein negatives Ergebnis erhielt, reichte infolgedessen am 29.07.2020 beim südkoreanischen Verfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde ein, da er sein Recht auf Selbstbestimmung über persönliche Informationen, Kommunikationsfreiheit, Geheimhaltung bzw. Freiheit der Privatsphäre, Freiheit des allgemeinen Verhaltens und Gleichheit verletzt sehe. Die Beschwerde wurde am 25.08.2020 zur Prüfung angenommen.

Die zu Beginn der Krise übliche namentliche Veröffentlichung der Trackingdaten von Infizierten durch die Leiter der Kommunalverwaltungen oder die Einführung eines COVID-19-Armbandes wurden bereits als übermäßige Beeinträchtigung der Privatsphäre anerkannt und eingestellt.

Als problematisch gilt weiterhin, dass das „Gesetz zur Prävention und Kontrolle von Infektionskrank-heiten“ keine Bestimmung enthält, dass oder wann genau die Daten zu löschen sind, die während epidemiologischer Untersuchungen gesammelt werden.

Weitere Maßnahmen und Faktoren

Die technologiegestützte Überwachung einer strikten Quarantäne sowie datenbasierte Kontaktverfolgung und Identifikation von Infektionsclustern sind zwei wichtige Teile eines Puzzles, das vor allem durch systematisierte Social-Distancing-Maßnahmen und eine über die Pflicht hinausgehende Bereitschaft zum Tragen von Masken ergänzt wird.
Maskenpflicht gilt im Prinzip an allen öffentlichen Orten (ÖPNV, Demonstrationen, medizinische Einrichtungen, Pflegeeinrichtungen). Auch in der Gastronomie ist die Maske jederzeit aufzusetzen, außer es wird gegessen oder getrunken. Bei Zuwiderhandlung kann seit November 2020 ein Bußgeld von rund 75 Euro verhängt werden, Betriebe müssen bei Missachtung zwischen 1.100 und 2.200 Euro zahlen. Doch schon vor Einführung dieser Sanktionsmöglichkeiten lag der Anteil der Zuwiderhandelnden geschätzt unter einem Prozent. Der überwiegende Großteil trägt schon seit Beginn KF94/KF95 (gleichwertig zu FFP2). Vorübergehender Knappheit wurde mit Ausfuhrsperren entgegengewirkt.

Die übrigen Vorgaben der Regierung zum Social Distancing folgen einem seit 01.11. 2020 fünfstufigen Maßnahmensystem, das öffentliche Betriebe und Eirichtungen wie Schulen zu Einschränkungen zwingt, aber auch dringende Empfehlungen und Vorgaben für den privaten Raum enthält.  Die Inkraftsetzung der Maßnahmen erfolgt jeweils kurzfristig für i.d.R. 14-tägige Zeiträume und abhängig vom regionalen Infektionsgeschehen. Darüber hinaus werden vorhergehende Cluster und besondere Anlässe wie Feiertage mit erhöhtem Reiseverkehr berücksichtigt, sodass es zu zusätzlichen Einschränkungen für einzelne Gruppen bzw. Orte oder schärfere Beschränkungen für Versammlungen kommt.

Politische Debatte

Die öffentliche Debatte fokussiert sich auf diese Social-Distancing-Maßnahmen und stellt ähnlich wie in Deutschland Fragen nach deren Wirksamkeit, Zielgenauigkeit und wirtschaftlichen und sozialen Kosten in den Vordergrund. Im Umfeld der nationalen Parlamentswahlen im Frühjahr 2020 oder der im April 2021 bevorstehenden Bürgermeisterwahlen in Seoul und Busan – den beiden größten Städten des Landes – aber auch von Protestbewegungen oder herausragenden Parlamentsentscheidungen wächst zudem die Kritik der Opposition an den anhaltenden Einschränkungen der Versammlungsfreiheit. Bezüglich der Verwendung von personenbezogenen Daten zur Bekämpfung der Pandemie besteht hingegen prinzipielle Einigkeit.

Fazit

Südkorea nutzt die ihm zu Verfügung stehenden Daten und Technologien erfolgreich zur Eindämmung der Pandemie auf beachtlich niedrigem Niveau, ohne dabei seine demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien auszusetzen.

Wichtige Grundlage dafür bilden neben der mehr erfahrungs- als kulturbasierten Akzeptanz für Einschränkungen in der Bevölkerung sicher auch die geographische Lage oder die Zusammensetzung der Bevölkerung, die eine Regulierung der Einreise und Quarantänevorschriften vereinfachen.

Ebenso zahlen sich aber die vorhandene digitale Infrastruktur, das daraus entstandene Datenreservoir und die bewusste Entscheidung zu deren verantwortungsvoller Nutzung aus.

 

Verschwörungsmythen – große Gefahr für unsere Demokratie – nicht nur in Corona-Zeiten

‚Campact‘ ist eine Vereinigung, die sich überparteilich für Transparenz in der Politik bemüht. Ich kann nicht beurteilen in welcher Effizienz, trotzdem finde ich,  dass es das folgende Bekenntnis, verdient hat, publiziert zu werden. Ich persönlich verfolge die dort angegebenen Ziele und habe die gleiche Befürchtung, insbesondere die Erfahrungen, die mit den angesprochenen angeblich querdenkenden Gruppen bei ‚Campact gemacht wurden, sind auch die meinigen. Besonders äußern sie sich in meinen Facebook-Beiträger immer und geballt  in der Rubrik ’schriftliche Kommentare‘. Da wird alles geleugnet, was die Vernunft gebietet – verbunden mit persönlicher Beschimpfung. Der Trost, der mir bleibt, dass unter meinen fast 84.000 Abonnenten bei Facebook viele sind, die umgehend die Behauptungen gerade rücken und  mich verteidigen, was ich natürlich  durch eigene Gegenkommentare unterstütze. Auch bei mir verzeichne ich, dass sich tausende Abonnenten abgemeldet haben, doch ich weigere mich, diesen mittelalterlichen Methoden Gehör zu schenken. Trotzdem ist das zu einem unnachahmlichen Diskussionsforum geworden, dass die Gefahren für unsere Demokratie verdeutlicht. wie zu erwarten, ist natürlich Corona das Hauptvehikel, auf dem diese Sippschaft reitet.

Hier ein Ausschnitt aus dem Wortlaut des Campact-Vorstands Dr. Felix Kolb, mit dem ich mich identifiziere

Ihr Jean Pütz

(Campact) – Es kann schmerzen, Haltung zu zeigen – das haben wir 2020 erfahren. Unser Umgang mit Corona und Verschwörungsmythen hat uns viel gekostet. Vorstand Dr. Felix Kolb erklärt, was passiert ist, und was Campact jetzt unternimmt.

Die Verbreitung der Lügen über das Coronavirus hat handfeste Auswirkungen: Menschen sterben völlig unnötig an Covid-19. Wenn vereinzelte Leugner*innen weder Abstand halten noch Maske tragen, gefährden sie zunächst sich selbst und ihre Angehörigen. Beim Einkauf, im Bus oder auf der Arbeit können sie aber etliche andere anstecken. So werden Menschen, die das Virus leugnen, selbst zu Pandemiebeschleunigern. Das können wir in vielen Landkreisen in Sachsen und Thüringen beobachten.[4] Auch deshalb haben wir schon im Juni angefangen, vor Corona-Leugner*innen und der Teilnahme an sogenannten Hygiene-Demos zu warnen.

Auch über Corona hinaus sind Fake News und Verschwörungsmythen gefährlich. Sie untergraben eine wichtige Grundlage der demokratischen Gesellschaft: „Jeder hat das Recht auf seine eigene Meinung, aber niemand hat das Recht auf seine eigenen Fakten“, hält der amerikanische Soziologe Daniel Patrick Moynihan fest. Was einer Gesellschaft droht, in der diese Maxime selbst vom Regierungschef ignoriert wird, mussten wir die letzten Jahre in den USA mit ansehen.

Auch nach dem Ende der Pandemie werden Fake News und Verschwörungsmythen nicht in ihr gesellschaftliches Nischendasein zurückkehren. Es ist kein weiter Schritt vom Leugnen des Coronavirus hin zum Leugnen der menschengemachten Klimakrise. In beiden Fällen gibt es von Seiten der Wissenschaft, von wenigen Einzelmeinungen abgesehen, einen klaren Konsens. Um den Zusammenhalt unserer Gesellschaft nicht zu gefährden, müssen wir gegen Mythen und Fake News vorgehen. Das ist unsere Strategie:

  • Welchen Nachrichten im Zeitalter von Blogs, Social Media und Youtube kann man trauen und welchen nicht? Auf diese Frage gibt es keine einfache Antwort. Genau dort setzt die Initiative DetektivKollektiv an. Sie baut eine Community von Bürger*innen auf, die die Vertrauenswürdigkeit von Meldungen überprüft – bietet so Orientierung und nimmt Falschmeldungen ihre Wirkung. Wir möchten diese Initiative unterstützen.
  • Wir alle kommen mit Falschmeldungen in Berührung und kennen Menschen, die bereits mehr oder weniger intensiv diese Falschmeldungen in ihre Weltsicht eingebaut haben. Wie damit umgehen? Keine einfache Frage. Wir wollen für alle engagierten Bürger*innen die besten Handreichungen entwickeln und zur Verfügung stellen.
  • Bereits jetzt zeichnet sich das nächste Betätigungsfeld für die Corona-Leugner*innen ab. Sie verbreiten Halbwahrheiten und Lügen über die entwickelten Impfstoffe. Wir wollen fundiert und unabhängig über die Chancen und Risiken aufklären. Dazu wollen wir mit Mediziner*innen und Kommunikationsexpert*innen zusammenarbeiten.

All diese Aktivitäten wollen wir zusätzlich zu unseren Kampagnen umsetzen. Denn wir möchten keine Ressourcen abziehen für Themen wie Bienen- und Klimaschutz oder Lobbytransparenz. Im Jahr der Bundestagswahl tun sich riesige Chancen für diese Bereiche auf. Deshalb meine Bitte: Unterstützen Sie unseren Kurs und machen Sie möglich, dass unsere Bürgerbewegung weiterhin unabhängig arbeiten und Position beziehen kann. Schon mit 2 Euro wöchentlich bringen Sie Campact nach vorne.

PS: Haben auch Sie einen Freund oder eine Bekannte, der*die das Virus leugnet oder kleinredet? Vielleicht sogar ein Familienmitglied, das völlig abgetaucht ist in einem Verschwörungsmythos? Dann wissen Sie: Es ist hart, zu diesen Menschen durchzudringen. Wir versuchen es weiter – und klären über das Virus und aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse auf. Vor einigen Wochen haben wir deshalb ein Dossier an Tausende Menschen verschickt, mit dessen Hilfe sie besser auf Falschmeldungen reagieren können. Bitte ermöglichen Sie Aktionen wie diese mit einer regelmäßigen Spende.

Die Deutschen beschwören die Inflation herauf

(WELT) – Die Rettungspakete von Staaten und Notenbanken sorgen dafür, dass viele Bürger trotz der Krise kaum schlechter gestellt sind als vorher. Doch sie können das Geld nicht ausgeben. Das wird in dem Moment zum Problem, sobald die Pandemie-Restriktionen fallen.

Corona hat viele Menschen schwer getroffen, gesundheitlich oder wirtschaftlich. Daran besteht kein Zweifel. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass die überwiegende Mehrheit, Umfragen zufolge über 80 Prozent der Deutschen, davon kaum betroffen sind. Ihnen geht es gut, gesundheitlich, aber auch finanziell, auch dank der Unterstützung des Staates.

Das jedoch hat zu einem erstaunlichen Phänomen geführt: Auf den Sparbüchern der Republik türmen sich die Guthaben. Denn die Menschen haben schlicht keine Möglichkeit, ihr Geld auszugeben.

Darin liegt aber gleichzeitig eine enorme Gefahr. Denn sobald die Restriktionen fallen und das alte Leben zurückkehrt, droht ein deutlicher Anstieg der Preise, dann droht Inflation.

Die Sparquote dürfte 2020 auf 17 Prozent gestiegen sein
Die Deutschen legen traditionell viel Geld auf die hohe Kante. In den vergangenen Jahren waren es im Schnitt netto meist zehn bis zwölf Prozent – diesen Anteil ihres Nettogehalts verwenden die Haushalte also fürs Sparen.

Im vergangenen Jahr dürfte die Quote nach Berechnungen des Bankenverbandes jedoch auf 17 Prozent gestiegen sein. Ähnliche Steigerungen zeigen sich in ganz Europa, wofür allerdings nur Bruttozahlen vorliegen, also die Sparquote ohne die Gegenrechnung von Verbindlichkeiten.

Diese stieg in allen Ländern der EU ebenfalls drastisch. Am stärksten war der Zuwachs dabei in Irland, wo die Sparquote zeitweise sogar um 20 Prozentpunkte zulegte

Das ist ungewöhnlich in einer Krise – die Menschen halten dann zwar stets ihr Geld zusammen, doch normalerweise sinken auch die Einkommen, sodass die Sparquote allenfalls leicht steigt. Doch diese Krise ist eben keine normale Rezession.

Sie wurde nicht durch hohe Zinsen, finanzielle Schieflagen oder Überinvestitionen ausgelöst. Vielmehr wurde sie praktisch künstlich herbeigeführt, durch die Corona-Maßnahmen der Staaten Und diese gleichen parallel Verluste großzügig aus.

„Daher wird aber auch das Verhalten der Menschen anders sein, wenn die Krise vorüber ist“, sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka. Normalerweise dauert es dann immer eine ganze Zeit, bis die Menschen wieder Vertrauen fassen, allmählich wieder konsumieren und investieren.

ANGST VOR DEM CRASH
Ganz anders jetzt. „Heute scharren alle mit den Hufen, um weiterzumachen“, sagt Kater. Das sei auch vor 100 Jahren so gewesen, nach der Spanischen Grippe. „Damals wollten die Menschen das so schnell wie möglich vergessen und zur Tagesordnung übergehen.“

Stefan Kreuzkamp, Chef-Anlagestratege bei der DWS, sieht das ähnlich. „Wenn die Impfstoffe erfolgreich sind und die Beschränkungen gelockert werden, dann wird der Konsum sehr schnell wieder zurückkommen“, sagt er.

Das Problem: Das Angebot wird nicht so schnell wieder das alte Niveau erreichen – wer verreisen will, trifft auf ein verringertes Flugangebot, wer essen gehen will, auf weniger Restaurants, wer zu Veranstaltungen will, auf geringere Auswahl. „Das wird zu Preissteigerungen führen“, sagt Kreuzkamp.

Vor allem, weil die Notenbanken dies zusätzlich befeuern „Bis Ende des Jahres werden die sechs großen Zentralbanken rund 8,3 Billionen Dollar in die Finanzmärkte gepumpt haben“, sagt Luca Paolini, Chef-Anlagestratege bei Pictet Asset Management.

„Im nächsten Jahr kommen schätzungsweise noch mal über drei Billionen dazu.“ Geld ist also im Überfluss vorhanden. Und die Gefahr ist groß, dass dies irgendwann Folgen hat.

„Die Anleger fürchten sich zunehmend vor Inflation“, stellt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, fest – und er hält diese Ängste durchaus für begründet. Er zieht Parallelen zu den 60er-Jahren.

GEFAHREN FÜR DIE KONJUNKTUR
„Damals war die Geldpolitik der US-Notenbank in einem Umfeld steigender Haushaltsdefizite wie heute sehr locker“, sagt er. Die US-Regierung musste damals teure Vorhaben finanzieren, neben dem Vietnamkrieg auch die Sozialprogramme unter Präsident Johnson.

Das entsprach einem neuen wirtschaftspolitischen Denken, wonach durch den aktiven Einsatz finanzpolitischer Instrumente Vollbeschäftigung erzielt werden sollte. „Das ähnelt dem Handeln der Regierungen heute“, sagt Krämer, „die mit massiven Staatsausgaben die Folgen der Corona-Epidemie eindämmen und perspektivisch die Volkswirtschaften klimagerecht umbauen wollen.“

Auch die Notenbank agierte damals ganz ähnlich wie heute, kaufte massiv Staatsanleihen auf und hielt so die Zinsen niedrig. Schon Mitte der 60er-Jahre begann daraufhin die Inflation anzuziehen – und die Notenbank griff lange nicht ein.

Hohe Inflation reduziert die Schuldenlast der Staaten
Ein Überschießen der Inflation könnte auch diesmal drohen. „Das ist von den Notenbanken durchaus gewollt, und daher werden sie das tolerieren“, sagt Kreuzkamp. Denn dadurch reduziert sich die Schuldenlast der Staaten.

Ein wichtiger Unterschied zu den 60er-Jahren ist natürlich, dass damals weitgehend Vollbeschäftigung herrschte. Nur wenn Arbeitskräfte knapp sind und diese dadurch höhere Löhne durchsetzen können, kann die Inflation dauerhaft steigen.

MEINUNG DROHENDE ENTWERTUNG
Davon sind die Industriestaaten derzeit weit entfernt, und es wird wohl auch einige Zeit dauern, bis die ökonomischen Verwüstungen der Krise wieder überwunden sind.

Allerdings könnten die Arbeitsmärkte dennoch schneller als erwartet leer gefegt werden. Denn es kommt ein weiterer Trend hinzu: die Demografie. In vielen Industriestaaten sinkt die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter bereits, und das wird sich in den kommenden Jahren noch verstärken.

Trumpismus ohne Trump ?

Anbei ein Auszug aus „Morning Briefing“ von Gabor Steingart, den ich Ihnen nicht vorenthalten möchte:

(Morning Briefing) – Natürlich wäre es am bequemsten, wir könnten die Bilder, die uns aus Washington erreichen, als amerikanische Verrücktheit betrachten. Das sind sie auch. Aber das sind sie nicht nur.

Es war die unversöhnliche Gesellschaft, die einen Präsidenten Donald Trump als ihre böse Frucht hervorbrachte. Es war ein Präsident Trump, der diese Unversöhnlichkeit wie einen fruchtbaren Acker bewässerte und düngte, bis die Stauden böser Früchtchen sich im Wind wiegten.

Es gibt einen Trumpismus ohne Trump. Der grassiert auch in Europa. In London. In Budapest. In Rom. In Ostdeutschland. In den USA hat er sich lange vor diesem spektakulären Finale der republikanischen Partei bemächtigt.

Newt Gingrich und Sarah Palin bildeten die Vorhut. Konservative Politiker wie die Senatoren Ted Cruz und Josh Hawley streben nun danach, die aufgeheizten Trump-Fans hinter ihrer Flagge zu versammeln. Ihr strategisches Kalkül: Der Hasardeur geht, der Hass bleibt. Trumps Erbschaft gilt ihnen als fette Beute.

Die amerikanischen Republikaner müssen sich entscheiden, ob sie zu Reagan und Bush in die bürgerliche Mitte zurückkehren oder wie die Vampire am Blut der Trump-Leiche saugen wollen. Dieses Blut des Narzissten ist toxisch und nahrhaft zugleich.

  • Nahrhaft, weil 74,2 Millionen Amerikaner Trump gewählt haben. 8,3 Millionen mehr als Obama. 12,1 Millionen mehr als George W. Bush. Auf dieser Gefolgschaft lässt sich eine Kirche bauen.
  • Dieses Blut ist zugleich toxisch, weil es bei der bürgerlichen Mitte zu schweren allergischen Abwehrreaktionen kommt. Wer als Konservativer die Zustimmung von Henry Kissinger, Bush-Familie und die des Zentristen Mitt Romney verloren hat, besitzt auf absehbare Zeit keine Machtperspektive. Er kann abends bei FoxNews Gift und Galle spucken, aber im Weißen Haus regieren, das kann er nicht.

Fragen von historischer Tragweite sind aufgeworfen: Will man weiter die Vergangenheit nostalgisch verklären, die Moderne bekämpfen und das Reaktionäre umarmen, oder will man sich mit dem praktisch gewordenen Liberalismus der Städter und der Jugend verbünden? Hört man zum Einschlafen die Nationalhymne, um dann des Nachts mit den Dämonen des Rechtspopulismus zu tanzen? Es ist diese eine Frage, die jeder Republikaner für sich beantworten muss: Wer ist dieser Donald Trump: Held oder Betriebsunfall?

Vielleicht sollten die amerikanischen Konservativen bei dieser Selbstfindung nicht nur in den Spiegel, sondern auch nach Europa schauen. Die gegenwärtige Welt mag schwer zu dechiffrieren sein; „unlesbar”, wie der Politologe Mark Lilla meint, ist sie nicht.

 

Gewerkschaften vs. Arbeitgeber – Mit einem Vorwort von Jean Pütz

Dass Gewerkschaften als Vertreter der Arbeiterschaft vorgeben, sich für die Belange ihrer Klientel einzusetzen, kann ich verstehen. Allerdings sollten sie auch naturwissenschaftliche Fakten zur Kenntnis nehmen. Es ist nun einmal Gott sei Dank so, dass die Menschen viel älter werden als jemals prognostiziert. Die Wissenschaft, insbesondere die Medizin, aber auch Technik und vor allen Dingen die Epoche der Aufklärung haben das statistische Lebensalter extrem verlängert. Man bedenke, dass im Mittelalter die durchschnittliche Lebenserwartung im vierzig Jahre herum lag. Als der Kampf der Gewerkschaften im 19. Jahrhundert begann, bei maximal 60 Jahre. Deshalb war der Rentenbeginn mit 65 Jahren ein Segen.  Nun kann sich jeder selbst ausrechnen, was das für die Rentenversicherung bedeutet. Da lässt sich nicht drum herum diskutieren. Selbst die enorme staatliche Unterstützung der Rentenversicherung kann das auf die Dauer nicht bewältigen. Wenn die Hälfte der Menschen in Rente geht, wo soll dann das Geld herkommen, das die Sicherung der Renten gewährleistet. Es sei denn, die junge Generation wird extrem geschröpft. Schon heute fühlen sich die jungen Menschen benachteiligt, der Umgang mit Corona ist dafür ein Beispiel. Junge Leute wähnen sich nicht betroffen und lehnen daher – wie viele sogenannten Querdenker inkl. AFD – die notwendigen Schutzmaßnahmen emotional ab. Dass die Alten und Menschen mit Vorerkrankung wegsterben, scheint ihnen schnuppe zu sein. Letztlich läuft das auf eine Art Euthanasie hinaus, historisch belastet durch die Auslöschung des sogenannten unwerten Lebens in der Nazi-Zeit.

Das erwähne ich nur, weil das durchaus in die Rentenproblematik soziologisch mit einbezogen werden muss. Im positiven Sinne bedeutet das, dass die Alten mit ihrer Lebenserfahrung immer mehr an Bedeutung verlieren. Eine Art Jugendwahn, die ja mittlerweile überall zu beobachten ist, ist die Folge. Normalerweise kritisiere ich nur, wenn ich auch Verbesserungsvorschläge habe. Dabei spielt das Wissen um die menschliche Natur eine wichtige Rolle.

Menschen, die in ihrem Beruf körperlich sehr stark beansprucht sind, bei denen auf die Dauer die Knochen nicht mehr richtig mitmachen, müssten entweder viel früher als mit 65 Jahren verrentet werden können, oder die künstliche Intelligenz von Maschinen bzw. die Roboterisierung macht ihnen die Arbeit so leicht, dass sie entlastet werden. Das gilt leider nicht für bestimmte Handwerksberufe. Aber diese Menschen habe so viel Erfahrung gesammelt, dass sie sehr gut in der ausufernden Bürokratie der Firmen eingesetzt werden können. Gott sei Dank hat  der technische Fortschritt, der sich explosionsartig in den letzten 50 Jahren entwickelt hat, erheblich bei dieser Strategie geholfen.

Natürlich spielen bei dem Wunsch nach früher Verrentung auch psychologisch ein wesentliche Rolle. Oft ist das Arbeitsklima in den Firmen so schlecht, dass das sehr verständlich ist. Aber da sollten wiederum die Gewerkschaften aktiv werden. Es müssen Strukturen und Gesetze geschaffen werden, die den einzelnen bei dieser Bredouille helfen. Das muss eine wesentliche Aufgabe der Gewerkschaften werden. Sie müssen mithelfen, dass die Monotonie der Bürokratie mit Hilfe der Digitalisierung erheblich reduziert wird.

Für kreative Berufe ist das sowieso kein Problem. Alle die Arbeitnehmer würden sogar von einer Verlängerung der Arbeitszeit gesundheitlich extrem profitieren. Wenn man sich die Statistik anschaut, dann liegt die Sterblichkeit in den fünf Jahren nach der Verrentung extrem hoch, für manche ist das sogar ein Todesurteil und der Alltag wird zur Monotonie. Auch die geringe körperliche Aktivität birgt gesundheitlich große Risiken. Arbeitnehmer, die früher geistig sehr gefordert waren und sich jetzt zur ‚Ruhe‘ begeben, sind extrem gefährdet, denn die Gehirnzellen bedürfen des gleichen Trainings wie die Muskelzellen. vielleicht hilft da einmal eine soziologische Analyse der Bewohner von Seniorenheimen.

Kurzum, eine generelle Ablehnung der Erhöhung des Rentenalters ist in jeder Hinsicht abzulehnen.

Natürlich müssen das auch die diversen Versicherungen berücksichtigen. Derzeit fällt ihnen nichts anderes ein als die Versicherungs-Beiträge zu erhöhen, beruhend auf statistischen Werten. Dass sogar in Frankreich, wo eine durchschnittliche Verrentung schon mit 62 Jahren erfolgt, Die ‚Gelb-Westen‘, die durch aggressive Demonstrationen ein nach der Vernunft notwendiges Rentenalters  um nur zwei Jahre verhindern wollen, zeugt davon, dass vergleichbaren Staaten nicht mehr zu helfen ist. Deutschland bildet da noch eine Insel der Seligen.

Quintessenz: Differenzierung tut not.

Jean Pütz

(dpa) – Zu Beginn des Wahljahres 2021 fordern Deutschlands Arbeitgeber, dass bei weiter steigender durchschnittlicher Lebenserwartung auch die Arbeitsdauer im Leben eines Arbeitnehmers ansteigt. »In den kommenden Jahren wird die ›Babyboomer‹-Generation in Rente gehen und der Druck auf unsere sozialen Sicherungssysteme wird aufgrund dieses demografischen Wandels immer stärker werden«, sagte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Wirtschaftsweise Monika Schnitzer wandte sich im »Handelsblatt gegen frühe Renten und forderte ein höheres Renteneintrittsalter: »Da müssen wir rasch handeln, weil es leichter zu akzeptieren ist, wenn die Menschen wissen: Diese Verlängerung setzt erst in ein paar Jahren ein.«

»Deshalb ist klar – und wir sollten uns alle bei diesem Thema auch einmal ehrlich machen: Wenn unsere Lebenserwartung immer weiter steigt, muss unsere Lebensarbeitszeit zwangsläufig auch steigen«, sagte Dulger. »Es gibt keine Alternative, als dass die Kosten aus der Alterung der Gesellschaft auf die Generationen verteilt werden – denn nur so kann das langfristige Vertrauen in die gesetzliche Rente erhalten werden.« Er forderte, das Ziel die Sozialversicherungsbeiträge nicht über 40 Prozent steigen zu lassen, müsse verfassungsrechtlich verankert werden.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund wies die Forderungen der Arbeitgeber als »völlig inakzeptabel« zurück. Vorstandsmitglied Anja Piel warnte vor einer Rentenkürzung durch die Hintertür für viele Beschäftigte. »Schon heute scheiden viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer krankheitsbedingt vorzeitig aus dem Erwerbsleben aus – und haben dabei erhebliche Rentenabschläge hinzunehmen.« Tatsächlich brauchen viele Unternehmen die »Babyboomer«, doch die wollen früher aussteigen.

Fressen die Sozialversicherungsbeiträge bald mehr als 40 Prozent des Gehalts?
Höhere Altersgrenzen seien de facto eine »Gewinnmaximierung für Unternehmen« auf dem Rücken der Arbeitnehmer, insbesondere zulasten kranker, arbeitsloser und schwer arbeitender Menschen. »Denn wer Sozialbeiträge nicht nur deckeln, sondern diese Deckelung gar im Grundgesetz festschreiben will, macht Kürzungen bei den Sozialleistungen zum Ziel des Sozialstaats«, so Piel. »Daran haben nur Unternehmer und ihre Erben ein Interesse, für Beschäftigte wäre das ein schwerer Schlag ins Kontor.«

Inwieweit sich die Politik auf eine abermalige Anhebung der Regelaltersgrenze bereit erklärt, könnte auch stark an der Haltung der Union hierzu abhängen. Zuletzt hatten CDU/CSU klare Aussagen zum Rentenalter gemieden. Vor Weihnachten sorgte jedoch ein Vorstoß aus der CDU für Aufregung, den die Urheber als Basis für eine große Rentenreform in der kommenden Wahlperiode verstanden wissen wollen.

Der CDU-Ausschuss Soziale Sicherung und Arbeitswelt fordert unter anderem, die Menschen sollten gewonnene Lebenszeit künftig teils in Erwerbstätigkeit verbringen. Der Chef der Gewerkschaft Ver.di, Frank Werneke, warnte jedoch davor, die Rentendebatte zu entpolitisieren. »Das Renteneintrittsalter würde nicht mehr politisch durch das Parlament festgelegt, sondern die Entscheidung würde sozusagen an das Statistische Bundesamt abgegeben.

Eine von der Regierung eingesetzte Rentenkommission war sich vergangenes Jahr uneins, ob die Altersgrenze zur Rente weiter angehoben werden soll. Die Kommission empfahl nur, dass Experten hierzu 2026 etwas empfehlen sollen. Die Menschen sollten aber auf jeden Fall zusätzliche Alterssicherung mit privater sowie betrieblicher Altersvorsorge betreiben. Werneke sieht für die Zukunft mehr Steuergeld fürs Rentensystem als unerlässlich an: »Der Bundestag  hat mitten in der Pandemie den Kauf von 23 Eurofightern für 5,5 Milliarden Euro beschlossen. Dieses Geld wäre in der Stabilisierung des Rentensystems deutlich besser angelegt.« Dulger hält dagegen nichts davon, Renten-Herausforderungen mit Schulden zu finanzieren.

Theo Sommer beschreibt Donald Trump nach dem Capitol-Desaster

Der berühmte Zeit-Chefredakteur Theo Sommer definiert mit klaren Worten den amerikanischen Präsidenten Donald Trump.
Selten habe ich eine solche deutliche Beschreibung gefunden deswegen möchte ich sie Ihnen nicht vorenthalten.
Jean Pütz

(Theo Sommer) – Seit dem Herbst 2016 habe ich 39 Fünf-vor-Acht-Kolumnen mit Donald Trump und seiner Politik beschäftigt. Dies soll das letzte Mal sein. Es reicht. Soll er in den Fußnoten der Geschichte verschwinden, wo er hingehört.
Er war ein unmöglicher Präsident. Mein hartes Urteil über ihn habe ich einmal in einem Interview ungeschminkt formuliert: „Donald Trump halte ich für einen ungebildeten, unflätigen und unfähigen Lackaffen. Verlogen, selbstverliebt, ohne politische Urteilskraft, ohne menschlichen Anstand und ohne den Sprachglanz, den ein Staatsmann haben sollte. Ein dümmlicher, überheblicher Narziss.“
Ungerecht? Ungehörig? Ich finde nicht. Er hämte und hetzte, polterte, polemisierte und polarisierte. Innenpolitische Gegner verunglimpfte er auf Gossenniveau, außenpolitische Alliierte erklärte er zu Feinden. Meine seriösen amerikanischen Kollegen fällten viel härtere Urteile über ihn als ich. Sie nannten ihn einen blowhard – einen Prahlhans und Aufschneider; einen nitwit – einen Schwachkopf; einen buffoon – einen Hanswurst; einen bully, Rüpel oder Fiesling. Sie sahen in ihm einen Mann „ohne Überzeugungen und Rückgrat“, der „kein Thema gemeistert“ hat, „der alles aus dem Ärmel schüttelt“. Seicht, sprunghaft, impulsiv und erratisch, grobschlächtig wie er war konnte man ihm nicht vertrauen. Er verdrehte krankhaft die Wahrheit, verachtete Expertise und untergrub die nationalen wie die internationalen Institutionen.
Die US-Führungsrolle hat er teils verschmäht, teils verspielt. Sein Schlachtruf America First stürzte die Vereinigten Staaten in die Belanglosigkeit. Aus America First wurde America alone. Welche Umfragen-Ergebnisse man auch liest, PEW oder Gallup oder andere – sie sind sich alle darin einig, dass das US-Ansehen in der Welt dramatisch abgesackt ist. Rund zwei Drittel der in vielen Ländern Befragten haben in Donald Trumps Amtszeit ihr Vertrauen in die USA verloren. Er hat Amerika klein gemacht. Seine MAGA-Botschaft, so ironisch das klingt, muss jetzt zum Leitsatz Präsident Bidens werden: Make America Great Again.

Brandbrief an „abgeordnetenwatch.de“ wegen eines eigenartigen Urteils des Bundesverwaltungsgerichts

Liebe Frau Boldebuck, lieber Herr Ebener, liebe Mitarbeiter der abgeordnetenwatch.de,

Ihren Missmut kann ich sehr gut verstehen, aber das reiht sich ein in eine Reihe von Fehlurteilen, die höchstrichterlich erlassen worden sind, z. B. die Zulassung von Demonstrationen der sogenannten ‚Querdenker‘-Initiative, wo zu erwarten war, dass sich rechtsradikale Partien anhängen würden, die alle diejenigen, die für Verschwörungstheorien empfänglich sind, einfangen möchte. Es ist nicht nur ein Angriff auf unsere demokratische Verfassung, indem sie den Staat lächerlich macht, sondern auch auf das Anrecht körperlicher Unversehrtheit der Bürger. Den Demonstranten gehen ja die bereits gesetzlich verankerten Auflagen für Corona-Schutz ab. Sie gefährden damit die Gesundheit anderer Bürger. Wer weiß wieviel Anteil diese Demonstrationen an der exponenziellen Ausbreitung verantwortlich sind.

Ich muss noch etwas Grundsätzliches erwähnen: Ich habe einen Sohn und eine Tochter, die meine Frau mit in die Ehe gebracht hat. Beide studieren Jura. Ich bin entsetzt, wie schmalspurig dieses Studium absolviert werden kann. Letztlich ist es der Repetitor mit seiner Paukmethode, der am Erfolg des 1. Staatsexamens wesentlich mitwirkt. Das weiß ich aus eigener Erfahrung, denn in Köln konnte man nur studieren, wenn man ein juristisches Vorexamen absolviert hat. Das lag daran, dass die Soziologen in die Volkswirtschaftliche Fakultät integriert waren. Dabei haben meine hervorragenden Lehrer René König und Erwin K. Scheuch gelitten, mit dem Vorteil, dass sie mehr empirische Soziologie hervorgehoben haben. Möglicherweise hat mich das vor der Kleinspurigkeit der Juristen gerettet. Meines Erachtens müsste die Richterausbildung  gezielter auf eine umfassendere psychologische und soziologische Grundbildung gerichtet werden. Vielleicht kann ‚ageordnetenwatch.de‘ das mit ihrem großen Netzwerk einmal eruieren. Gerne bin ich zur Mitarbeit bereit.

Mit freundlichen Grüßen
Jean Pütz

(abgeordnetenwatch.de) – Das Urteil aus Leipzig hat uns alle hart getroffen.
Sie erinnern sich: Im Juni hat das Bundesverwaltungsgericht unsere Parteispendenklage in letzter Instanz vollkommen überraschend abgewiesen. Dabei hatten wir zuvor vor zwei Gerichten in allen Punkten recht bekommen.

Jetzt gibt es in dieser Angelegenheit besorgniserregende Neuigkeiten.

Mit Verweis auf das Urteil hat die Bundestagsverwaltung nun gleich mehrere Auskunftsgesuche von abgeordnetenwatch.de verweigert.

Durch unsere Anfragen über das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) wollten wir Unterlagen öffentlich machen und unter anderem folgende Fälle ganz genau unter die Lupe nehmen:

  • Spenden vom Waffenhersteller Heckler & Koch an CDU und FDP
  • Die Vermarktung von Politikern durch die Firma NWMD in der „Rent-a-Sozi-Affäre“
  • Parteispenden an die CDU durch das aserbaidschanische Erdölunternehmen SOCAR
  • Den sogenannten „Goldverkauf“ der AfD zur Parteienfinanzierung

Doch wir – oder andere Journalist:innen – können bei der Bundestagsverwaltung zu diesen Fällen nun keine Herausgabe von Unterlagen mehr erwirken.

Damit zeigt sich jetzt, welch fatale Strahlkraft das Urteil aus Leipzig hat. Denn die Richterinnen und Richter haben sinngemäß geurteilt, dass bei Angelegenheiten der Parteienfinanzierung das Parteiengesetz gilt – ein Spezialgesetz, das Vorrang vor dem Informationsfreiheitsgesetz hat.

Laut dem Bundesverwaltungsgericht sorge das Parteiengesetz schon jetzt für ausreichend Transparenz.

Ein schlechter Scherz, wenn man sich klarmacht: Die Öffentlichkeit kann und wird nach dem Richterspruch nicht erfahren, ob und wie die Bundestagsverwaltung dubiosen Parteispenden und verdächtigen Vorgängen nachgeht.

Weil wir nicht bereit sind hinzunehmen, dass wichtige Dokumente zur Parteienfinanzierung zukünftig unter Verschluss bleiben, haben wir nach dem Urteil den Gang zum Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe angetreten.

Mit unserer Verfassungsbeschwerde wollen wir das fatale Urteil des Bundesverwaltungsgerichts anfechten. Denn wenn selbst Journalist:innen keine Einsicht in Prüfunterlagen mehr bekommen, wird öffentliche Kontrolle ausgehebelt.

Doch ohne öffentliche Kontrolle geht es nicht! Immer wieder kommt es bei der Parteienfinanzierung zu groben Ungereimtheiten – deren Prüfung darf nicht hinter verschlossenen Türen stattfinden!

Bitte geben Sie uns heute den Rückhalt, den wir bei unserer Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe brauchen – werden Sie abgeordnetenwatch.de-Förder:in (schon mit nur 5 Euro im Monat und steuerlich absetzbar).

Mit einer Förderung sorgen Sie dafür, dass uns in Karlsruhe nicht die Puste ausgeht. Außerdem investieren Sie in neue investigative Recherchen von abgeordnetenwatch.de, mit denen wir Missstände aufdecken. Denn auch wenn uns die Bundestagsverwaltung nun Steine in den Weg legen will: Wir lassen uns nicht abschrecken und werden mit Ihrer Hilfe weitermachen!

Untergang der Marktwirtschaft? – Corona treibt staatliche Interventionen in ungeahnte Höhen

(Morning Briefing) – Das bösartige Virus greift nicht nur die Atemwege der Menschen an, sondern auch den Denkapparat vieler Politiker. Offenbar hält man den Bürger und auch das Unternehmertum für unfähig, in Eigenverantwortung das Schicksal gestalten zu können. Der Arbeiter soll den Verlust seines Arbeitsplatzes nicht spüren, so wie der Insolvente die Insolvenz nicht. Überall dort, wo der Wind des Wettbewerbs weht, will man schützen und retten und falls das nicht funktioniert, dann will man die Betroffenen zumindest narkotisieren.

Die Erkenntnis, dass der Staat nie mehr leisten kann als die Summe seiner Bürger, scheint in Vergessenheit geraten. Die schlichte Wahrheit, dass am Ende jeder die Hand in der Tasche seines Nachbarn hält, wird auch von bürgerlichen Politikern derzeit ignoriert.

Der moderne Populist ist ein Interventionist, weshalb er den Bürger mit reduzierter Mehrwertsteuer erst zum Einkauf stimuliert, um den Kaufwütigen im Zuge seiner Lockdown-Politik schließlich in die Arme amerikanischer Online-Kaufhäuser zu treiben. Kaum dass dem Retter dieser Irrsinn auffällt, will er eine Online-Steuer kassieren, die er nach Abzug der Bürokratiekosten an den stillgelegten Einzelhändler weiterzuleiten verspricht. Am Ende dieses geldpolitischen Kreisverkehrs, soviel darf schon verraten werden, steht eine Steuererhöhung oder die bewusste Inflationierung unserer Währung – oder beides.

Ludwig Erhard war womöglich der letzte konservative Politiker, der die Fragwürdigkeit einer derartigen Politik durchdrungen hatte. In „Wohlstand für alle” heißt es:

Ich bin in der letzten Zeit allenthalben erschrocken, wie übermächtig der Ruf nach kollektiver Sicherheit erschallte. Wo aber sollen wir hinkommen, und wie wollen wir den Fortschritt aufrechterhalten, wenn wir uns immer immer mehr in eine Form des Zusammenlebens von Menschen begeben, in der niemand mehr die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen bereit ist und schließlich jeder die Hand in der Tasche des anderen hat. “

Ludwig Erhard hatte als Wirtschaftsminister und später als Kanzler keine Pandemie zu bekämpfen, wohl aber die ökonomischen und sozialen Folgen eines Weltkrieges. Hitler hatte stärker gewütet als COVID19. Erhards Frage von damals ist daher heute nicht minder aktuell:

Haben sich die Verfechter solcher Thesen denn wirklich einmal überlegt, woher der Staat die Kraft und die Mittel nehmen könnte, solchen im Einzelnen vielleicht sogar berechtigten Forderungen zu entsprechen? “

Der Retterstaat ignoriert sehr bewusst den Impuls des Marktes, zum Beispiel den Impuls der Beschäftigten von Tui und ThyssenKrupp, sich nach einem zukunftsfesteren Arbeitsplatz umzuschauen. Oder die Botschaft an den stationären Einzelhandel, sich selbst zu digitalisieren. Oder den Hinweis an die vielen Insolventen, ihr Geschäftsmodell zu überdenken. So wie überhaupt der Generalimpuls an die Gesellschaft unterdrückt wird, die abgegrasten Wiesen der Industriegesellschaft 1.0 zu verlassen und sich – vermittelt durch Weiterbildung und Tarifverträge, die diese fördern – auf die höheren Weiden der Industrie 4.0 zu begeben.

Doch diese Lehren, die man aus der Pandemie eben auch ziehen kann, will in Berlin keiner ziehen. Die Marktwirtschaft wird nicht erneuert, sie wird verformt.

1. Die Strafsteuer für den Onlinehandel ist derart innovationsfeindlich, dass selbst die Lobbyorganisation der Einzelhändler dagegen ist. Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands, ist zu schlau, als dass er auf diesen Trick der Klientelpolitik noch reinfällt:

Das wäre ein Bärendienst gegenüber dem Drittel der stationären Händler, die sich ein Online-Standbein aufgebaut haben. “

2. Selbst Firmen, die nach allen Regeln der Marktwirtschaft schachmatt gesetzt wurden, müssen keine Insolvenz mehr fürchten. Die große Koalition hat damit die Zombiefizierung der Volkswirtschaft beschlossen. DIHK-Präsident Eric Schweitzer weiß, was das mittelfristig bedeutet:

Die Antragspflicht hat eine ganz wichtige Funktion als Signal für Überschuldung oder gar Zahlungsunfähigkeit, die wir nicht aufgeben dürfen. Ansonsten droht immer häufiger Vorkasse, Lieferketten könnten reißen und das wechselseitige Vertrauen schwindet. “

3. Was als Übergangsfinanzierung für in Not geratene Betriebe gedacht war, die Kurzarbeit, ist laut Schätzungen des ifo-Instituts zu einer Langzeitfinanzierung für mittlerweile rund zwei Millionen Arbeitnehmer geworden. Die Bundesagentur für Arbeit rechnet mit rund 19 Milliarden Euro Kosten allein für das Jahr 2020. Die Folge: In den Reisebüros und am Hochofen drehen die Menschen Däumchen, in der EDV fehlen Systemadministratoren und Programmierer. Es kommt zu millionenfacher Fehlallokation menschlicher Arbeitskraft.

Fazit: China und die USA werden nach den Prognosen des ifo-Präsidenten Clemens Fuest digitaler, vitaler und wohlhabender aus dieser Krise hervorgehen. In Europa dagegen setzt sich der relative Abstieg fort. Oder anders ausgedrückt: Die Rettungspolitik rettet nicht. Sie verschärft die deutsche Krankheit.

SPD blockiert bewaffnete Drohnen

(Spiegel) – Erst Ablehnung, dann Zustimmung und jetzt Vertagung – im Endlosstreit über bewaffnete Drohnen leistet die einstige Volkspartei SPD den Offenbarungseid.

Vielleicht ist es unfair, eine Partei im Niedergang an vergangene Größe zu erinnern. An Männer wie den Hamburger Großstrategen Helmut Schmidt, den ersten sozialdemokratischen Verteidigungsminister der Nachkriegsgeschichte, und seinen SPD-Nachfolger Georg Leber, der in der Truppe als »Soldatenvater« verehrt wurde. Oder an ein Schwergewicht wie Peter Struck, der 2002 für drei Jahre ins Verteidigungsministerium wechselte, um danach wieder die SPD-Bundestagsfraktion zu führen.