Archiv der Kategorie: Physik, Chemie, Technik

Was Erdgas wirklich kostet – Roadmap für den Gasausstieg – Mit einer Einführung von Jean Pütz

Sehr geehrte Damen oder Herren,

ich habe früher Herrn Sladek sehr geschätzt, denn seine Initiativen habe ich immer unterstützt. Leider ist dem diese Diskussion überhaupt nicht gerecht geworden. Ich habe sie von Anfang bis zum Ende verfolgt und selten so unqualifizierte, ideologisch gefärbte, einseitige Diskussionen erlebt wie diese. Jetzt weiß ich auch, warum der Vertreter des Ministeriums mit Abwesenheit glänzte und die Bundestags-Abgeordnete der SPD nur Allgemeinplätze verkündete, ganz im Sinne des Mainstreams der glaubt, aus Deutschland heraus könnten wir die Welt retten. Das ärgert mich um so mehr, als dass ich Klimaschützer der ersten Stunde bin. Vielleicht hätte es Ihnen geholfen, wenn Sie meine damaligen Sendungen in der ARD-Reihe ‚Bilder aus der Wissenschaft‘ zwei Folgen mit dem Titel ‚Der Sonne eine Chance‘, ausgestrahlt 1990, sich einmal angeschaut hätten. Sie können sie bei YouTube runterladen.

Ich bedaure sehr, dass nicht nur Schönau, sondern vor allem die sogenannte FÖS sich mit ihrem wissenschaftlich verbrämten Rechnereien in die Sekte der Realitäts-Verweigerer verabschiedet hat.

Bitte streichen Sie mich aus Ihrem Abonnement-Kreis.

Jean Pütz

(EWS) – Die am heutigen Mittwoch veröffentlichte Studie «Was Erdgas wirklich kostet – Roadmap für den Gasausstieg im Wärmesektor» zeigt deutlich, dass die Klimakosten von Erdgas weit höher sind als bisher angenommen und in erheblichem Maße zu den Treibhausgas-Emissionen beitragen. Die vom Forum Ökologisch Soziale Marktwirtschaft (FÖS) im Auftrag der EWS Elektrizitätswerke Schönau durchgeführte Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass durch die Verwendung von Erdgas im Wärmesektor in Deutschland jährliche Treibhausgas (THG)-Emissionen in Höhe von 91,5 bis 107,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten anfallen – wovon 87,1 Tonnen verbrennungsbedingt aus CO2-Emissionen stammen und rund 4,4 bis 20 Millionen Tonnen aus Methanleckagen entweichen. Zum Vergleich: die gesamten CO2-Emissionen des Landes Berlin betrugen im Jahr 2019 etwa 17 Millionen Tonnen CO2.

Nach dem Schadenskostenansatz für 2021 bedeutet das: Durch die Nutzung von Erdgas im Gebäudesektor entstehen Klimakosten von rund 18 bis 21 Milliarden Euro, wobei auf die besonders klimawirksamen Methanleckagen rund 0,9 bis vier Milliarden Euro entfallen.

Klimaneutrale Wärmeversorgung bis 2030 möglich

«Die Studie macht mehr als deutlich, dass wir einen baldigen Ausstieg aus dem Erdgas in der Wärmeerzeugung brauchen», sagt Sebastian Sladek, Vorstand der EWS Elektrizitätswerke Schönau. Vor dem Hintergrund, dass die Treibhausgas-Emissionen im Gebäudesektor ­- mit 16 Prozent für die Emissionen insgesamt in Deutschland verantwortlich – zu mehr als 60 Prozent auf die Erzeugung von Wärme auf Basis von Erdgas zurückgehen, betont Sladek: «Wir können und müssen in Deutschland schnellstmöglich klimaneutral werden und daher auch im Wärmesektor auf regenerative Lösungen setzen. Dass dies möglich ist, zeigt die Studie sehr eindrucksvoll.»

Isabel Schrems, Autorin der Studie und Wissenschaftliche Referentin beim FÖS, hob bei der Vorstellung ihrer Analyse hervor, dass das Potenzial aus Solarthermie, Biomasse, Geothermie, Umweltwärme und Abwärme aus der Industrie im Jahr 2030 bei 1.403 bis 2.183 Terrawattstunden liege. Damit sei es fast doppelt so hoch wie der heutige Endenergieverbrauch im Gebäudewärmesektor. Zusammen mit der erwarteten weiteren Zunahme der Energieeffizienz sei sehr wahrscheinlich, dass in Deutschland bis Ende des Jahrzehnts genügend erneuerbare Wärme erzeugt werden kann. Ein Ausstieg aus der Nutzung aller fossilen Energieträger im Gebäudebereich, inklusive Erdgas, machbar sei.

Klimakosten von Erdgas noch nicht eingepreist

«Die Studie zeigt, dass die wahren Klimakosten durch Erdgas weit höher sind als der aktuelle Preis», betonte Carolin Schenuit, geschäftsführende Vorständin des FÖS, «denn drei Viertel dieser Kosten sind bisher nicht im Preis berücksichtigt. Diese Kosten über den Brennstoffemissionshandel schnellstmöglich einzupreisen ist klimapolitisch dringend angezeigt und logische Konsequenz aus dem Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes. Wir brauchen auf dem Weg zum Erdgas-Ausstieg aber auch ordnungspolitische und planungsrechtliche Maßnahmen, um schnell voranzukommen. Mit kommunalen Wärmeplänen und einem Neubauverbot für Gasheizungen können dezentrale, nachhaltige Wärmenetze gefördert werden. Das wird z. B. in Dänemark bereits praktiziert.»

Verena Graichen, Stellvertretende Vorsitzende des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland, drängte bei der Podiumsdiskussion im Anschluss an die Studienvorstellung auf mehr Energieeffizienz bei der Umsetzung der Wärmewende. Ein großes und schnell ausbaubares Potenzial liege in der energetischen Gebäudesanierung. Die per Video zugeschaltete SPD-Bundestagsabgeordnete Nina Scheer betonte, dass Erdgas allenfalls noch für eine kurze Übergangszeit als Brücke zum Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energien dienen dürfe. Vor allem müsse der Ausbau der Erneuerbaren Energien – auch im Wärmesektor – deutlich beschleunigt werden. Dies müsse, so waren sich die Podiumsteilnehmer:innen weitestgehend einig, vor allem auch über eine grundsätzliche Reform des Systems der Steuern, Abgaben, Entgelte und Umlagen auf Energie geschehen.

 

Über das FÖS
Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) e.V. ist ein unabhängiger politischer Think Tank für marktwirtschaftliche Instrumente in der Umwelt- und Klimapolitik. Das FÖS erstellt ökonomische Studien und politische Expertisen. Seit 1994 setzt es sich für die Weiterentwicklung der sozialen Marktwirtschaft zu einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft ein.

Über die EWS Elektrizitätswerke Schönau
Seit 2009 firmiert die heutige EWS Elektrizitätswerke Schönau eG als Genossenschaft mit ca. 9.000 Mitgliedern. Die EWS-Gruppe setzt sich für die Energiewende und eine vollständige, effiziente Energieversorgung auf Basis Erneuerbarer Energien ein. Bürgerliches Engagement, Mitbestimmung und Dezentralisierung gehören dabei zu den Grundpfeilern des unternehmerischen Handelns. Aktuell werden bundesweit ca. 220.000 Kunden mit Ökostrom und Biogas versorgt.

 

Auf dem Weg zur unendlich verfügbaren Energie? – Mit einer Einleitung von Jean Pütz

1971 habe ich der Fusions-Energie im Rahmen meiner Sendereihe ‚Energie, die treibende Kraft‘ eine der 13 Folgen gewidmet. Sollte es möglich sein, die Energie-Prozesse in der Sonne, das heißt, die Fusion von Wasserstoff und Helium auf die Erde zu holen, ist der Verfügbarkeit der Energie keine Grenzen mehr gesetzt. Damals, Anfang der 70er Jahre erklärten die Wissenschaftler mir, man bräuchte noch etwa 40 Jahre, um diesen Traum zu verwirklichen. Um eine Fusion in Gang zu setzen, benötigt man mindestens Temperaturen von 150 bis 200 Millionen Grad Celsius. Dem können keine Materialien Stand halten. Aber, ähnlich wie in der Sonne, gibt es das Plasma, das heißt, Gase, in denen sich Elektronen unabhängig von ihrem Kern bewegen. Ein Plasma ist deswegen durch magnetische oder elektrische Felder beeinflussbar. Die Forschungen laufen darauf hinaus es so zu beeinflussen, dass es wie in einem Behälter, sogar unter höchstem Druck, eingefangen wird. Das war wissenschaftlich so schwierig, dass die Vorhersage mehr Wunschdenken als Realität entsprach, denn die Geometriefelder so zu gestalten, das dies möglich wird, zieht so komplizierte Rechenvorgänge nach sich, dass erst heute extreme Super-Computer dazu in der Lage sind, das zu simulieren. Dies scheint nun gelungen zu sein, z. B. in dem man 100 Millionen Grad heißes Plasma gezielt bündeln kann. Darüber berichtet die folgende Mitteilung des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik in Greifswald und Garching. Um dies real umzusetzen, gibt es dort riesige Apparaturen, bei einem dieser Versuche, die einen Weltrekord von über 50 Millionen Grad Celsius heißes Plasma realisierte, war ich als Beobachter dabei.

Die weitere Forschung in ganz Europa macht Hoffnung, dass der Fusionsreaktor realisierbar ist. Die größten Super-Computer der Welt sind dabei involviert, aber mindestens 30 Jahre müssen wir uns noch gedulden, so lange sind wir verpflichtet, die Sonnenenergie noch durch Fotovoltaik, Solarthermie, Wind oder Wasserkraft in herkömmlicher Weise einzufangen.

Jean Pütz

Eine aktuelle Veröffentlichung aus dem Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) zur theoretischen Vorhersage einer neuartigen Transportbarriere im Plasma und ihrer anschließenden experimentellen Bestätigung (Physical Review Letters) zeigt beispielhaft, wie dramatisch die Leistungsfähigkeit von Plasma-Simulationen und -Modellierungen in den letzten Jahren gewachsen ist. Ein europaweites Projekt zu Plasmatheorie und Simulation soll diese Entwicklung verstärken. Ziel sind virtuelle Plasma-Modelle als digitale Zwillinge wirklicher Plasmen.

Eine neuartige Transportbarriere in Fusionsplasmen, die den magnetischen Einschluss des Plasmas verbessert, hatte ein Theoretiker-Team des IPP mit Hilfe modernster Simulationen vorhergesagt. Hervorgerufen durch schnelle Plasma-Teilchen, sollte die Barriere Turbulenzen im Plasma lokal stark unterdrücken können. Ein nach entsprechenden Vorgaben geplantes Experiment in der Garchinger Fusionsanlage ASDEX Upgrade konnte diese theoretische Prognose anschließend bestätigen: Schnelle Teilchen, die durch die zielgenau eingesetzte Heizung des Plasmas mit Radiowellen erzeugt wurden, ließen im Zentrum des Plasmas einen Bereich mit den erwarteten verbesserten Einschlusseigenschaften entstehen. Die Arbeit wurde jetzt von der Fachzeitschrift Physical Review Letters zur Veröffentlichung angenommen (A. Di Siena et al.,

„Dieser große Erfolg der Theorie“, sagt Professor Frank Jenko, Leiter des Bereichs Tokamaktheorie im IPP in Garching, „ist nur eines von zahlreichen Beispielen dafür, wie dramatisch sich Plasma-Simulationen und -Modellierungen in den letzten Jahren verbessert haben.“ Auch die zur Verfügung stehende Computerleistung hat stark zugenommen, so dass raffinierte Modelle die komplexe Plasmaphysik inzwischen rechnerisch gut beschreiben können. Möglich werden damit quantitative Vorhersagen – ein „Riesenfortschritt“ im Vergleich zu den vergangenen zwanzig Jahren: „Statt wie früher bloße Interpretation von Messdaten“, so Frank Jenko, „liefern Theorie und Simulation inzwischen auf vielen Themenfeldern Modelle mit verlässlicher Vorhersagekraft“. Außerdem kann die Theorie bislang getrennt untersuchte Erscheinungen – wie die Physik schneller Teilchen und die Turbulenz – jetzt im Supercomputer zusammenbringen und so immer komplexere Zusammenhänge aufklären.

Im europäischen Fusionsprogramm, das durch das EUROfusion-Konsortium koordiniert wird, will man die neuen Möglichkeiten nutzen, um den Betrieb des internationalen ITER-Experiments und den Entwurf des nachfolgend geplanten Demonstrationskraftwerks DEMO optimal vorzubereiten. Mit strategisch ausgewählten Projekten gibt dazu die E-TASC-Initiative (EUROfusion – Theory and Advanced Simulation Coordination) diesem Teil der Forschung eine neue Struktur. Ein europaweit abgestimmtes Arbeitsprogramm zu offenen Schlüsselfragen in Theorie, Simulation, Verifizierung und Validierung soll – unterstützt durch neu zu entwickelnde Standard-Software – die Entwicklung der Vorhersagekraft in Plasmaphysik, Materialwissenschaft und Ingenieurwesen vorantreiben.

Von den in diesem Rahmen für den Arbeitsplan von 2021 bis 2025 ausgewählten vierzehn Forschungsprojekten, die EUROfusion an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ganz Europa vergeben hat, gingen fünf an das IPP nach Garching und Greifswald. Auch eines der fünf Expertenteams für Hochleistungsrechnen und Codeoptimierung wird hier angesiedelt. „Das ehrgeizige Ziel, das wir mit E-TASC verfolgen, sind virtuelle Plasma-Modelle als digitale Zwillinge wirklicher Plasmen“, erklärt Frank Jenko, einer der beiden Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats von E-TASC. Zu diesem „Plasma im Computer“ sollen schrittweise Modelle weiterer DEMO-Teilsysteme hinzukommen, um nach und nach eine möglichst umfassende digitale Entwurfs- und Simulationsfähigkeit für das Kraftwerk aufzubauen.

Methanol-Produktion mit CO2-Recycling

(Fraunhofer) – TotalEnergies hat gemeinsam mit dem Elektrolyseur-Hersteller Sunfire, dem Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP und dem Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS das e-CO2Met-Projekt im Hydrogen Lab Leuna gestartet. Dort kann Methanol aus kohlenstoffarm produziertem Wasserstoff und abgetrenntem Kohlendioxid hergestellt werden, was ein wichtiger Ansatz zur Reduzierung klimaschädlicher Treibhausgasemissionen ist. Mit dem Anspruch, klimaneutrales Methanol vor Ort zu produzieren, werden in diesem Demonstrationsprojekt die verschiedenen dafür notwendigen Bausteine, wie z. B. die Nutzung erneuerbarer Energien, integriert.

TotalEnergies produziert derzeit in der TotalEnergies Raffinerie Mitteldeutschland in Leuna rund 700.000 Tonnen Methanol pro Jahr auf Basis fossiler Rohstoffe und ist damit der größte Methanolproduzent in Europa. Das Projekt e-CO2Met ist daher ein wichtiger Schritt in Richtung Klimaneutralität. Es zielt darauf ab, das Zusammenspiel von drei innovativen Prozessen zu testen – die Nutzung von CO2 aus der Raffinerie, die Verwendung von grünem Wasserstoff, der durch Hochtemperatur-Elektrolyse erzeugt wird, und die anschließende Methanolsynthese auf der Skalierungsplattform Hy2Chem.

„Das F&E-Programm von TotalEnergies zur CO2-Abscheidung und -Speicherung entwickelt Ansätze für die wirtschaftlich sinnvolle Wiederverwendung von CO2, die im Einklang mit den Klimaambitionen des Unternehmens stehen. e-CO2Met ist das erste Pilotprojekt von TotalEnergies zur Umwandlung von CO2 mit erneuerbarer elektrischer Energie in Methanol. Während dieses Methanol selbst bereits als E-Fuel betrachtet werden kann, kann es vor allem als Ausgangsstoff für eine weitere Veredelung zu Produkten wie nachhaltigen Flugzeugtreibstoffen genutzt werden“, erklärt Marie-Noelle Semeria, Technologievorständin bei TotalEnergies.

„Mit der innovativen Herstellung von synthetischem Methanol können Erdöl und Erdgas in der chemischen Industrie ersetzt und die benötigten Rohstoffe klimaneutral produziert werden. Damit leisten wir einen Beitrag zur Dekarbonisierung der Grundstoffchemie“, sagt Thomas Behrends, Geschäftsführer TotalEnergies Raffinerie Mitteldeutschland.

Hocheffiziente Elektrolyse zur Wasserstofferzeugung aus erneuerbaren Energien
Ein Kernstück von e-CO2Met ist der 1-MW-Hochtemperatur-Elektrolyseur des Dresdner Elektrolyseurherstellers Sunfire. Der Wirkungsgrad der Anlage zur Erzeugung von grünem Wasserstoff aus erneuerbarem Strom und Wasserdampf ist mit über 80 Prozent weitaus höher als der von konventionellen Elektrolyseuren. Dadurch benötigt die Anlage deutlich weniger Strom, um ein Kilogramm Wasserstoff zu erzeugen.

„Unsere innovative Elektrolyse-Technologie ist der Schlüssel zur Dekarbonisierung aller Industriesektoren, die heute noch von fossilen Brennstoffen abhängig sind. Besonders in der Raffinerie- und Chemieindustrie braucht es saubere und nachhaltige Lösungen, um die ambitionierten Klimaziele der EU zu erreichen. Wir freuen uns auf eine starke Partnerschaft im e-CO2Met Projekt“, sagt Sunfire-Geschäftsführer Nils Aldag.

Grünes Methanol aus regenerativem Wasserstoff und Abgas-CO2

Im nächsten Schritt werden der durch Elektrolyse gewonnene grüne Wasserstoff und hochkonzentriertes CO2 aus den Produktionsprozessen der Raffinerie zu grünem Methanol umgesetzt. Hierzu planen das Fraunhofer CBP und TotalEnergies eine Pilotanlage, die im neuen Fraunhofer Hydrogen Lab im Chemiepark Leuna aufgebaut wird. Die Pilotanlage ist das erste Projekt der vom Land Sachsen-Anhalt über EFRE-Mittel geförderten Skalierungsplattform Hy2Chem. „Mit der Hy2Chem-Plattform können wir die Nutzung des regenerativ erzeugten Wasserstoffs zur Herstellung von Basischemikalien und Kraftstoffen in nachhaltigen Syntheseprozessen erstmals im großen Maßstab erproben – auch unter den Bedingungen eines fluktuierend anfallenden Wasserstoffstroms“, erläutert Gruppenleiterin Dr. Ulrike Junghans, die das Projekt am CBP koordiniert.

Eine Grundvoraussetzung für die industrielle Umsetzung derartiger Prozesse ist die Weiterentwicklung von Elektrolyseuren und Syntheseverfahren. Hierfür bietet das Fraunhofer IMWS mit dem Hydrogen Lab Leuna eine einzigartige Testinfrastruktur im industriellen Maßstab sowie umfangreiche wissenschaftliche Begleitung. Das Hydrogen Lab simuliert unterschiedliche Lastprofile der Einspeisung von erneuerbaren Energien, bildet die Fluktuation im Tageslauf und zu unterschiedlichen Jahreszeiten ab und liefert damit wichtige Erkenntnisse zur Auslegung und zur Kostenschätzung der Systeme.

„Mit dem Hydrogen Lab Leuna betreiben wir die deutschlandweit ersten System-Teststände, die vollständig in ein Infrastrukturnetz der Chemieindustrie integriert sind und somit Projekte im Bereich der Power-to-X-Prozesse ermöglichen. Wir können technologieoffen industrielle Elektrolyseure im Realbetrieb testen, gemeinsam mit der Industrie weiterentwickeln und gleichzeitig wertvolle Erfahrungen zur Wasserstoff-Einspeisung in das Pipelinesystem unseres Kooperationspartners Linde sammeln – und das bis zunächst fünf Megawatt“, sagt Dr. Moritz Kühnel, der die Forschungsaktivitäten zur Elektrolyse am Fraunhofer IMWS koordiniert.

Der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg zum Erreichen der Klimaneutralität in Deutschland und Europa. Vor allem in Verbindung mit der Nutzung des Wasserstoffs als Chemierohstoff bieten sich zudem erhebliche Potenziale für die Gestaltung des Strukturwandels. Gerade am Industrie- und Chemiestandort Leuna kann auf Basis langjähriger Erfahrung, vorhandener Infrastruktur und des Zusammenspiels zwischen innovativen Unternehmen und Forschungsinstituten eine Drehscheibe für grünen Wasserstoff und seine Folgeprodukte entstehen.

Wasserstoff im Fokus der Politik

BMBF stellt für neue Kooperation zwischen Deutschland und Australien bis zu 50 Millionen Euro bereit

(BMBF) – Bundesforschungsministerin Anja Karliczek, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sowie der australische Energieminister Angus Taylor haben kürzlich eine bilaterale Absichterklärung zum „Deutsch-Australischen Wasserstoff Akkord“ unterzeichnet. Die gemeinsame Erklärung wurde von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem australischen Premierminister Scott Morrison auf dem G7-Gipfel in Cornwall als Element einer vertieften Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern hervorgehoben. Eine zentrale Initiative der Wasserstoffpartnerschaft ist der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geplante Innovations- und Technologie Inkubator „HyGATE“, der sowohl als Plattform Akteure aus Wissenschaft und Wirtschaft zusammenführt als auch innovative Forschungs- und Demonstrationsvorhaben zu grünen Wasserstofftechnologien ermöglicht.

Hierzu erklärt Bundesforschungsministerin Karliczek:

„Die deutsch-australische Kooperation zu Innovationen für Grünen Wasserstoff bietet unserem Land große Chancen. Mit ihr können wir einen Import von Grünem Wasserstoff in relevanten Mengen ermöglichen – ein zentraler Faktor, um unsere verstärkten Klimaziele zu erreichen. Wir können so unsere Energieversorgung auf eine breitere Basis stellen und Australien kann künftig Grünen Wasserstoff exportieren, als Alternative zu den bisherigen Kohleexporten. Die Kooperation bietet gleichzeitig deutschen Unternehmen die Möglichkeit für Technologieexporte.

Um diese Potenziale zu heben, plant das BMBF zusammen mit den australischen Partnern den Inkubator ‚HyGATE‘ aufzusetzen. Mit HyGATE bringen wir Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft aus beiden Ländern zusammen, um grüne Wasserstofftechnologien entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von der Erzeugung, über die Speicherung und den Transport bis hin zur Nutzung – zu entwickeln, zu demonstrieren und unter Realbedingungen zu erproben. So schaffen wir mit Forschung die Grundlage für eine deutsch-australische Lieferkette für Grünen Wasserstoff. Und so tragen wir einen weiteren wesentlichen Teil dazu bei, eine Grüne Wasserstoffwirtschaft wahr werden zu lassen – national und global.

Für die Kooperation wollen wir über einen Zeitraum von drei Jahren bis zu 50 Millionen Euro bereitstellen. Hierbei sind wir uns mit unseren australischen Partnern einig, dass wir HyGATE schnellstmöglich umsetzen wollen.“

Der Innovationsbeauftragte „Grüner Wasserstoff“ Dr. Stefan Kaufmann stellt fest:

„Australien ist auf einem guten Weg, weltweit einer der bedeutendsten Produzenten von Grünem Wasserstoff zu werden. Die entscheidende Grundlage hierfür ist die rasche und breite Etablierung innovativer und effizienter grüner Wasserstofftechnologien. Deutschland hat diese Technologien und arbeitet daran, diese noch weiter zu verbessern. Die verstärkte Kooperation bietet daher deutschen und australischen Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft großes Potenzial.

HyGATE bietet somit eine exzellente Chance für die Wissenschaft, direkt vor Ort anwendungsnah zu forschen. Und für die beteiligten Unternehmen eröffnet sich die Möglichkeit, maßgeschneiderte und effiziente grüne Wasserstofftechnologien ‚Made in Germany‘ zu entwickeln und deren Exzellenz direkt im Zusammenspiel mit dem Anwender unter Beweis zu stellen.“

Auch die australische Regierung wird bis zu 50 Millionen australische Dollar für diese weltweit führende Partnerschaft mit Deutschland zur Verfügung zu stellen, um ihre zukünftigen Wasserstoffindustrien voranzutreiben.

Minister Angus Taylor erklärt:

„Die Partnerschaft baut auf unseren jeweiligen Stärken auf, wobei Australien danach strebt Weltmarktführer bei sauberen Wasserstoff-Exporten zu werden, während Deutschland das Know-How in der Wasserstofftechnologie besitzt. Bis 2050 könnte eine zukünftige australische Wasserstoffindustrie 8.000 Arbeitsplätze und jährlich 11 Milliarden Dollar zum Bruttoinlandsprodukt generieren.

Das Erreichen einer Kostenangleichung neuer Energietechnologien wie Wasserstoff an die vorhandener Technologien, wird eine erhebliche Reduzierung der globalen Emissionen ermöglichen und gleichzeitig bestehende Industrien stärken sowie neue schaffen. In Australiens Roadmap für Technologie-Investitionen haben wir uns zum Ziel gesetzt, Wasserstoff für weniger als 2 australische Dollar pro Kilogramm – „H2 unter 2″ zu produzieren, dem Preis bei dem Wasserstoff im Vergleich zu höher emittierenden Alternativen wettbewerbsfähig wird.

Unsere Partnerschaft mit Deutschland wird einen wesentlichen Beitrag zu diesem Ziel leisten.“

Offener Brief ‚Kritik an Ethik-Kommission Kernkraft-Moratorium nach Fukushima‘

Zehn Jahre zu spät und trotzdem aktuell: Offener Brief an Matthias Kleiner und die Professoren der Ethikkommission Atomkraft

André D. Thess      Mai 2021

Sehr geehrter Herr Kollege Kleiner,

„Wir haben unsere Arbeit in diesen zwei Monaten in aller Unabhängigkeit getan […] das möchte ich zu Beginn deutlich hervorheben und an dieser Stelle auch meinen Dank insbesondere für diese Unabhängigkeit, die wir genossen haben, an die Bundesregierung, die Bundeskanzlerin sagen.“ Diese Worte[1] sprachen Sie am 30. Mai 2011 auf der Pressekonferenz anlässlich der Vorstellung des Abschlussberichts „Deutschlands Energiewende – Ein Gemeinschaftswerk für die Zukunft“.

In Ihrer damaligen Funktion als Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) repräsentierten Sie als einer von acht Professoren die Stimme der Wissenschaft in dem siebzehnköpfigen Gremium. Auf der Grundlage Ihres Berichts beschloss der Deutsche Bundestag am 30. Juni 2011 den Atomausstieg.

Am zehnten Jahrestag der Veröffentlichung Ihres Berichts wende ich mich als Fachkollege an Sie.

Im weiteren Sinne richtet sich dieser offene Brief an das gesamte Professorenkollegium der Ethikkommission: Neben dem Umformtechniker Matthias Kleiner von der TU Dortmund  an den Soziologen Ulrich Beck von der LMU München, an den Mikrobiologen Jörg Hacker von der Universität Würzburg, an den Forst- und Bodenwissenschaftler Reinhard Hüttl von der BTU Cottbus, an die Philosophin Weyma Lübbe von der Universität Regensburg, an die Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlerin Lucia Reisch von der Copenhagen Business School, an den Soziologen und Risikoforscher Ortwin Renn von der Universität Stuttgart sowie an die Politikwissenschaftlerin Miranda Schreurs von der TU München.

In diesem Brief geht es nicht darum, ob der Atomausstieg „richtig“ oder „falsch“ war. Ich stelle vielmehr die Frage: Haben die acht Professoren – wie in Ihrer Presseerklärung gesagt – unabhängig votiert und sind damit dem Vertrauen gerecht geworden, welches die Gesellschaft beamteten Hochschullehrern auf Lebenszeit schenkt?

Obwohl Ihr Bericht schon zehn Jahre alt ist, halte ich diese Frage gerade jetzt für zeitgemäß. Viele Deutsche äußern angesichts der gegenwärtigen Pandemie- und Klimapolitik Zweifel an der Unabhängigkeit der Wissenschaft.

An einem solchen Zeitpunkt gilt es deshalb, aufmerksam in die Vergangenheit zu blicken und aus ihr zu lernen. Aus diesem Anlass habe ich die 115 Seiten Ihres Berichts mit zehnjährigem Abstand studiert. Dabei habe ich speziell die Frage beleuchtet, wie Sie bei Ihrer Arbeit in der Kommission den Leitlinien guter wissenschaftlicher Praxis Ihrer eigenen Organisation sowie den von den Kommissionsmitgliedern Hüttl und Renn mitgestalteten Leitlinien Politikberatung der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften gefolgt sind. Diese Grundsätze betrachte ich bei meiner politischen Beratungstätigkeit stets als Geschäftsgrundlage.

Die Ergebnisse meiner Überlegungen möchte ich zu sechs Thesen verdichten.

  1. Das von Ihnen repräsentierte Kollegium verfügte nicht über hinreichende Fachkompetenz, um die Risiken eines Verbleibs in der Kernenergie gegenüber denen eines Ausstiegs umfassend und sachgerecht abzuwägen.Im Kollegium befand sich kein Kraftwerkstechniker, kein Elektro­techniker und keine renommierte Ökonomin. Bei der DFG wäre es undenkbar, etwa einen Sonder­forschungsbereich zu Pandemien von einer Gutachtergruppe ohne Virologen zu begutachten. Wie soll ein Gremium ohne spezifisches Fachwissen über Gefahrenanalysen von Kernkraftwerken, über die Stabilität von Stromnetzen sowie über materielle und immaterielle Kosten von Wind- und Kernenergie Risikoabwägungen zur Energieversorgung einer Industrienation vornehmen? Unabhängigkeit der Wissenschaft hätte nach meiner Meinung eine Ablehnung der Mitarbeit in einem Gremium mit ungenügender Interdisziplinarität erfordert.
  2. Das von Ihnen repräsentierte Kollegium hat eine Aufgabenstellung mit politisch vorgegebenem Untersuchungsergebnis anscheinend widerspruchslos entgegengenommen.Dem Kapitel 2 „Anlass und Mandat“ fehlt eine professionell formulierte Aufgabenstellung. Es enthält lediglich den dürftigen Satz: „Die Bundesregierung hat die Ethik-Kommission Sichere Energieversorgung berufen, um die verantwortungsethischen Entscheidungsgrundlagen und ihre Schlussfolgerungen ganzheitlich zu betrachten.“ Unmissverständlich wird die Aufgabe hingegen im „Pressestatement[2]von Bundeskanzlerin Merkel, Bundeswirtschaftsminister Brüderle und Bundesumweltminister Röttgen zur Nutzung der Kernenergie in Deutschland“ vom 22. März 2011 formuliert: „Wie kann ich den Ausstieg mit Augenmaß so vollziehen, dass der Übergang in das Zeitalter der erneuerbaren Energien ein praktikabler ist, ein vernünftiger ist, und wie kann ich vermeiden, dass zum Beispiel durch den Import von Kernenergie nach Deutschland Risiken eingegangen werden, die vielleicht höher zu bewerten sind als die Risiken bei der Produktion von Kernenergie-Strom im Lande?“ Diese Aufgabenstellung macht klar, dass Ihre Kommission nicht das „Ob“, sondern lediglich das „Wie“ eines Kernenergie­ausstiegs zu beantworten hatte. Die im Raum stehende Risikoabwägung war damit anscheinend gegenstandslos. Wäre in meiner achtjährigen Amtszeit als gewählter Fachkollegiat bei einem Fördergesuch an die DFG eine Forschungshypothese in solch alternativ­loser Form vorgetragen worden, so hätte ich eine Ablehnung des Projektantrages empfohlen. Die Unabhängigkeit der Professoren der Ethikkommission hätte meines Erachtens durch Widerspruch zu dieser Aufgabenstellung glaubhaft gemacht werden können.
  3. Das von Ihnen repräsentierte Kollegium hat nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die politische Vorgabe durch ein Sondervotum zu einer ergebnisoffenen Aufgabe auszuweiten und die Risiken von Kernenergieausstieg versus Kernenergieverbleib aus ganzheitlicher Perspektive fachgerecht abzuwägen.Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis gelten nicht nur für den Forschungs­­betrieb. Sie werden von vielen Kollegen auch als Leitlinien für den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft angesehen. Hierzu gehört die Maxime, lege artis– nach den Regeln der Kunst – zu arbeiten. Deren Berücksichtigung hätte erfordert, für jede der beiden Alternativen die Risiken systematisch zusammenzutragen und in einer Gesamtschau zu bewerten. In Ihrem Dokument fehlt hingegen die Abwägung zwischen dem Risiko eines schnelleren Klimawandels ohne Kernenergie und dem Risiko eines langsameren Klimawandels mit Kernenergie. Aber gerade diese Abwägung wäre für eine solche Analyse konstitutiv gewesen! Gute wissenschaftliche Praxis umfasst übrigens auch eine neutrale Darstellung gegensätzlicher Positionen in Wissenschaft und Gesellschaft. Mit den Worten „Hier stehen sich eine kategorisch ablehnende und eine relativierend abwägende Position gegenüber“ stellen Sie den Diskussionsstand einseitig zugunsten der Kernenergiegegner dar. Eine neutrale Formulierung hätte gelautet: „Hier stehen sich eine ablehnende und eine befürwortende Position gegenüber.“ Unabhängige Wissenschaft hätte einen politischen Beratungsauftrag vervollständigt und das gesellschaftliche Meinungsbild unparteiisch dargestellt.
  4. Das von Ihnen repräsentierte Kollegium hat den internationalen Stand der Wissenschaft unberücksichtigt gelassen und dadurch einem nationalen Alleingang Deutschlands Vorschub geleistet. Wissenschaft ist international. Zu den Grundsätzen guter wissenschaftlicher Praxis gehört die umfassende Würdigung sämtlicher weltweit vorliegenden Forschungsergebnisse, auch wenn diese zu eigenen wissenschaftlichen Ansichten im Widerspruch stehen. Dem Dokument fehlt vor diesem Hintergrund eine Einordnung in die internationale Forschung zur Ethik der Kernenergienutzung. Der Bericht erweckt konkret den Eindruck, es gäbe außerhalb Deutschlands keine ethischen Abwägungen zur Atomenergie. Sie sind der Öffentlichkeit eine Begründung schuldig geblieben, in welcher Hinsicht sich die ethischen Maßstäbe einer deutschen Professoren­gruppe etwa von denen einer französischen unterscheiden. Unabhängige Wissenschaft hätte gegenüber der Öffentlichkeit eine sachliche Begründung für eine deutsche Sonderperspektive gegeben und das Abweichen vom Grundsatz europäischer Einheit erklärt.
  5. Das von Ihnen repräsentierte Kollegium hat anscheinend versäumt, bei der Formulierung des Abschlussberichts eine klare Trennung von Fakten und Meinungen durchzusetzen.Die Leser des Berichts haben das Recht zu erkennen, welche Aussagen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen und wann es sich um persönliche Werturteile handelt. Die Vermengung von Fakten und Meinungen wird an folgendem Kernsatz des Berichts besonders deutlich: „Für die Kernenergie mit ihrem besonders hohen Katastrophenpotenzial ist es ethisch nicht hinnehmbar, die außerhalb dieser (gesetzten) Grenzen befindlichen und durch Fukushima belegten Ereignisabläufe der Havarie und Havarie-Folgen als ‚Restrisiko‘ abzutun.“ Würde es sich bei dieser Aussage um eine wissenschaftliche Erkenntnis handeln, so müsste daraus folgen, dass der Rest der Welt unethisch denkt und handelt. Glaubhafte Unabhängigkeit der Wissenschaft hätte erfordert, auf eine klare Kennzeichnung von Meinungen zu dringen.
  6. Das von Ihnen repräsentierte Kollegium hat einem Dokument zugestimmt, dessen Präsentationsform den Grundsätzen wissenschaftlichen Politikberatung nicht gerecht wird. Die Leitlinien Politikberatung der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften aus dem Jahr 2008 besagen: „Werden Handlungsempfehlungen gegeben, so sind sie vom wissenschaftlichen Untersuchungsergebnis möglichst klar abzugrenzen.“ Dies ist im Bericht nicht geschehen. Anstatt strukturell zwischen Fragestellung, Voraussetzungen, Methoden, Ergebnissen, Schlussfolgerungen und Empfehlungen zu differenzieren, nimmt das Kapitel 3 „Gemeinschaftswerk Energiezukunft Deutschlands“ wesentliche Aussagen wie „Die Energiewende muss […] gestaltet werden“ vorweg. Dies passiert, bevor in Kapitel 4 „Ethische Positionen“ die Analyse erfolgt. Die Gliederung wird weder wissenschaftlichen Standards gerecht, noch besitzt sie einen für Außenstehende nachvollziehbaren roten Faden. Unabhängige Wissenschaft hätte auf eine klare und stringente Darstellungsform gedrungen.

Zusammenfassend komme ich zu dem Schluss, dass die drei Professorinnen und fünf Professoren der Ethikkommission dem Leitbild unabhängiger Wissenschaft nicht gerecht geworden sind. Sie haben sich allem Anschein nach vereinnahmen lassen und das politisch erwartete Ergebnis geliefert. Um das in der heutigen Zeit beschädigte Vertrauen der Bevölkerung in die Wissenschaft wiederzuerlangen, sollten sich alle Professoren auf die intellektuelle Freiheit besinnen, die der Staat ihnen durch den Beamtenstatus ermöglicht.

Mit freundlichen Grüßen,

André D. Thess

Professor für Energiespeicherung an der Universität Stuttgart

DFG-Fachkollegiat von 2008 bis 2016

Offener Brief zum Kernkraftausstiegsbeschluss 2011 – Mit einem Brief von Jean Pütz

Sehr geehrter Herr Professor Thess,

soeben habe ich mit großen persönlichen Emotionen Ihren ‚Offenen Brief‘ an Professor Kleiner, den derzeitigen Präsidenten der Leibniz-Gemeinschaft und ehemaligen Präsidenten der DFG, gelesen. Sie bestätigen darin alles, was ich seit 50 Jahren als Wissenschaftsjournalist beobachtet habe. Mit ging es immer um die Unabhängigkeit der Wissenschaft, die sozusagen das Rückgrat unserer technischen Kultur darstellen muss. Das waren immer meine ethischen Vorgaben. Jetzt, im hohen Alter von 84 Jahren, bemühe ich mich immer noch, der Öffentlichkeit die Notwendigkeit und die Prägnanz von Wissenschaft zu vermitteln – insbesondere weil wir einen wissenschaftlichen Turmbau zu Babel gebaut haben, der durch die Schwachstellen, die Sie so treffend in Ihrem Brief offenbart haben, wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen kann.

Vielen Dank, dass Sie den Mut hatten, den Mainstream zu widersprechen. Ich habe zwar als Wissenschaftsjournalist seit den 1960er Jahren die Wissenschaftsberichterstattung der ARD vom WDR ausgehend mitbestimmen können – stets mit hohem Anspruch an Glaubwürdigkeit und Quellenseriosität. Aber seit etwa 30 Jahren fühle ich mich als einsamer Rufer in der Wüste. Meinem Currikulum entsprechend war ich Elektromechaniker, wurde Dipl. Ing. der Elektrotechnik, studierte für für das Lehramt mit zwei Staatsexamen, wurde Oberstudienrat in Physik und Mathematik. Parallel studierte ich acht Jahre lang Soziologie bei René König und Erwin K Scheuch. Letzterer hat mich durch die Setzung empirischer Schwerpunkte geprägt.

Als Quereinsteiger mit der mir vom WDR gewährten Chance, eine Naturwissenschaft und Technik-Redaktion nach meinem Gusto zu gründen, legte ich großen Wert auf Vermittlung von Wissenschaft und Technik für jedermann. Im Vordergrund stand bei mir immer, Zusammenhänge darzustellen gegen die Tendenz der Spezialisierung. So wurde ich auch Mitbegründer der Wissenschaftspressekonferenz WPK.org und war 14 Jahre ihr erster Vorsitzender. Dabei fiel mir immer mehr auf, dass die Politik starken Einfluss auf die Wissenschaft verübte. Der einzige Forschungsminister, der seinerzeit Ahnung hatte, war Professor Riesenhuber, dem ich auch heute noch hohen Respekt zolle. Das kulminiert heutzutage in einer völlig ahnungslosen Ministerin im  BMBF, Frau Karliczek, die völlig auf die Einflüsterungen ihrer Ratgeber angewiesen ist, doch Milliarden an Förderungen veranlasst, die immer mehr die Unabhängigkeit nicht nur der bundeseigenen Institute in wissenschaftlicher Hinsicht beeinflussen. Noch mehr gilt das für die Inkompetenz von Frau Svenja Schulze im Bundesumweltministerium. Beide sind für Entwicklung verantwortlich, die die Konkurrenzfähigkeit in Industrie und Technologie völlig infrage stellt.

So, nun komme ich zu meinem eigenem Problem:

Als ehemaliger Ingenieur für Energietechnik habe ich die Entwicklung und zunehmende Abstinenz von der Kernenergie mit Unbehagen beobachtet. Als Soziologe musste ich akzeptieren, dass eine kleine Gruppe von irrationalen Kernkraftgegnern die deutsche Öffentlichkeit so manipulierte, dass sie zu ‚verbrannten Erde‘ wurde. Schön, dass Sie mir jetzt klar gemacht haben, dass Frau Merkel sich von diesem völlig abwegigen Vergleich mit Fukushima zum Moratorium der Kernenergie sich veranlasst fühlte. Nun weiß ich, dass es der Ethik-Rat war, wie Sie das so treffend beschrieben. Doch Frau Merkel als Physikerin hätte es besser wissen müssen, denn die Probleme, die unserer Versorgung mit elektrischer Energie drohen, hätte sie voraussehen können. Ich habe zum Beispiel dem Fraunhofer-Institut für Energiesysteme in Kassel vorgeworfen, dass sie meine Kollegen irreführten, in dem sie behaupteten, die regenerative Versorgung mit elektrischer Energie sei möglich. Offenbar ist das auch die Meinung der Politiker. Gleiches gilt für das Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme in Freiburg, die durch ihren Pressesprecher in einer Radiosendung das Wunschdenken nährte, das sei durch Photovoltaik möglich. Offenbar fühlen sich viele Wissenschaftler und leider auch meine Kollegen in der Öffentlichkeit der Manie des political corectness verpflichtet – wes Brot ich ess, des Lied ich sing. So sehe ich das auch insbesondere heutzutage, wo die Milliarden von Geldern zur Förderung und Subventionierung die Wissenschaft regelrecht korrumpiert. In Ihrem Offenen Brief haben Sie mir das bewiesen. Eine einzige von mir bewusst naiv gestellte Frage wurde nie beantwortet: Wie lässt sich elektrische Energie in tausenden von Terawatt-Stunden zum jeder zeitigen Abruf wirtschaftlich und mit geringen Verlusten speichern. Dem ungebildeten Bürger wird populistisch, dafür haben wir ja Batterien – damit beruhigt er sich. Das ist die Rattenfänger-Methode der Grünen-Ideologie, Aber das Wunschdenken geht natürlich weiter.

Nun führen Sie ja Institutsleiter an der Universität zu Stuttgart für Energiespeicherung. Ich habe gute Beziehungen zum KIT, doch auch von dort bekomme ich keine Antwort auf diese Frage. Aber Sie können mir bestimmt eine Antwort zu geben, denn Sie scheinen unabhängig zu sein. Wie soll die Netzstabilität aufrecht erhalten werden mit sehr variablen regenerativen Einspeisungen – ab 2045 ja komplett – ohne Kernenergie aus Franzosen und Braunkohle-Strom aus Osteuropa. Ich habe ein Gesamt-Energie-Konzept entwickelt, welches aber heute mit dem Mainstream-Lösungen nicht vereinbar ist. Gerne würde ich einmal mit Fachleuten aus Ihrem offenbar unabhängigen Institut diskutieren. Im Mittelpunkt steht das regenerative Methanol, welches für mich die Zukunftsenergie darstellt.

Hier ein Link, in dem ich einen Brandbrief an die Leibniz-Gemeinschaft gesendet habe. Übrigens, der von Ihnen so gebrandmarkte Professor Kleiner hat mir persönlich geantwortet. Das wäre doch ein Ansatz.

Und hier der Link von meiner Homepage

Ihren Offenen Brief werde ich sowohl auf meiner wissenschaftlichen Homepage und als Link auf meinem Facebook-Kanal veröffentlichen

Mit freundlichen Grüßen
Jean Pütz

 

 

Sehr geehrter Herr Kollege Kleiner,

„wir haben unsere Arbeit in diesen zwei Monaten in aller Unabhängigkeit getan […] das möchte ich zu Beginn deutlich hervorheben und an dieser Stelle auch meinen Dank insbesondere für diese Unabhängigkeit, die wir genossen haben, an die Bundesregierung, die Bundeskanzlerin sagen.“ Diese Worte[1] sprachen Sie am 30. Mai 2011 auf der Pressekonferenz anlässlich der Vorstellung des Abschlussberichts „Deutschlands Energiewende – Ein Gemeinschaftswerk für die Zukunft“.

In Ihrer damaligen Funktion als Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) repräsentierten Sie als einer von acht Professoren die Stimme der Wissenschaft in dem siebzehnköpfigen Gremium. Auf der Grundlage Ihres Berichts beschloss der Deutsche Bundestag am 30. Juni 2011 den Atomausstieg.

Am zehnten Jahrestag der Veröffentlichung Ihres Berichts wende ich mich als Fachkollege an Sie.

Im weiteren Sinne richtet sich dieser offene Brief an das gesamte Professorenkollegium der Ethikkommission: Neben dem Umformtechniker Matthias Kleiner von der TU Dortmund  an den Soziologen Ulrich Beck von der LMU München, an den Mikrobiologen Jörg Hacker von der Universität Würzburg, an den Forst- und Bodenwissenschaftler Reinhard Hüttl von der BTU Cottbus, an die Philosophin Weyma Lübbe von der Universität Regensburg, an die Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlerin Lucia Reisch von der Copenhagen Business School, an den Soziologen und Risikoforscher Ortwin Renn von der Universität Stuttgart sowie an die Politikwissenschaftlerin Miranda Schreurs von der TU München.

In diesem Brief geht es nicht darum, ob der Atomausstieg „richtig“ oder „falsch“ war. Ich stelle vielmehr die Frage: Haben die acht Professoren – wie in Ihrer Presseerklärung gesagt – unabhängig votiert und sind damit dem Vertrauen gerecht geworden, welches die Gesellschaft beamteten Hochschullehrern auf Lebenszeit schenkt?

Obwohl Ihr Bericht schon zehn Jahre alt ist, halte ich diese Frage gerade jetzt für zeitgemäß. Viele Deutsche äußern angesichts der gegenwärtigen Pandemie- und Klimapolitik Zweifel an der Unabhängigkeit der Wissenschaft.

An einem solchen Zeitpunkt gilt es deshalb, aufmerksam in die Vergangenheit zu blicken und aus ihr zu lernen. Aus diesem Anlass habe ich die 115 Seiten Ihres Berichts mit zehnjährigem Abstand studiert. Dabei habe ich speziell die Frage beleuchtet, wie Sie bei Ihrer Arbeit in der Kommission den Leitlinien guter wissenschaftlicher Praxis Ihrer eigenen Organisation sowie den von den Kommissionsmitgliedern Hüttl und Renn mitgestalteten Leitlinien Politikberatung der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften gefolgt sind. Diese Grundsätze betrachte ich bei meiner politischen Beratungstätigkeit stets als Geschäftsgrundlage.

Die Ergebnisse meiner Überlegungen möchte ich zu sechs Thesen verdichten.

  1. Das von Ihnen repräsentierte Kollegium verfügte nicht über hinreichende Fachkompetenz, um die Risiken eines Verbleibs in der Kernenergie gegenüber denen eines Ausstiegs umfassend und sachgerecht abzuwägen. Im Kollegium befand sich kein Kraftwerkstechniker, kein Elektro­techniker und keine renommierte Ökonomin. Bei der DFG wäre es undenkbar, etwa einen Sonder­forschungsbereich zu Pandemien von einer Gutachtergruppe ohne Virologen zu begutachten. Wie soll ein Gremium ohne spezifisches Fachwissen über Gefahrenanalysen von Kernkraftwerken, über die Stabilität von Stromnetzen sowie über materielle und immaterielle Kosten von Wind- und Kernenergie Risikoabwägungen zur Energieversorgung einer Industrienation vornehmen? Unabhängigkeit der Wissenschaft hätte nach meiner Meinung eine Ablehnung der Mitarbeit in einem Gremium mit ungenügender Interdisziplinarität erfordert.
  2. Das von Ihnen repräsentierte Kollegium hat eine Aufgabenstellung mit politisch vorgegebenem Untersuchungsergebnis anscheinend widerspruchslos entgegengenommen. Dem Kapitel 2 „Anlass und Mandat“ fehlt eine professionell formulierte Aufgabenstellung. Es enthält lediglich den dürftigen Satz: „Die Bundesregierung hat die Ethik-Kommission Sichere Energieversorgung berufen, um die verantwortungsethischen Entscheidungsgrundlagen und ihre Schlussfolgerungen ganzheitlich zu betrachten.“ Unmissverständlich wird die Aufgabe hingegen im „Pressestatement[2] von Bundeskanzlerin Merkel, Bundeswirtschaftsminister Brüderle und Bundesumweltminister Röttgen zur Nutzung der Kernenergie in Deutschland“ vom 22. März 2011 formuliert: „Wie kann ich den Ausstieg mit Augenmaß so vollziehen, dass der Übergang in das Zeitalter der erneuerbaren Energien ein praktikabler ist, ein vernünftiger ist, und wie kann ich vermeiden, dass zum Beispiel durch den Import von Kernenergie nach Deutschland Risiken eingegangen werden, die vielleicht höher zu bewerten sind als die Risiken bei der Produktion von Kernenergie-Strom im Lande?“ Diese Aufgabenstellung macht klar, dass Ihre Kommission nicht das „Ob“, sondern lediglich das „Wie“ eines Kernenergie­ausstiegs zu beantworten hatte. Die im Raum stehende Risikoabwägung war damit anscheinend gegenstandslos. Wäre in meiner achtjährigen Amtszeit als gewählter Fachkollegiat bei einem Fördergesuch an die DFG eine Forschungshypothese in solch alternativ­loser Form vorgetragen worden, so hätte ich eine Ablehnung des Projektantrages empfohlen. Die Unabhängigkeit der Professoren der Ethikkommission hätte meines Erachtens durch Widerspruch zu dieser Aufgabenstellung glaubhaft gemacht werden können.
  3. Das von Ihnen repräsentierte Kollegium hat nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die politische Vorgabe durch ein Sondervotum zu einer ergebnisoffenen Aufgabe auszuweiten und die Risiken von Kernenergieausstieg versus Kernenergieverbleib aus ganzheitlicher Perspektive fachgerecht abzuwägen. Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis gelten nicht nur für den Forschungs­­betrieb. Sie werden von vielen Kollegen auch als Leitlinien für den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft angesehen. Hierzu gehört die Maxime, lege artis – nach den Regeln der Kunst – zu arbeiten. Deren Berücksichtigung hätte erfordert, für jede der beiden Alternativen die Risiken systematisch zusammenzutragen und in einer Gesamtschau zu bewerten. In Ihrem Dokument fehlt hingegen die Abwägung zwischen dem Risiko eines schnelleren Klimawandels ohne Kernenergie und dem Risiko eines langsameren Klimawandels mit Kernenergie. Aber gerade diese Abwägung wäre für eine solche Analyse konstitutiv gewesen! Gute wissenschaftliche Praxis umfasst übrigens auch eine neutrale Darstellung gegensätzlicher Positionen in Wissenschaft und Gesellschaft. Mit den Worten „Hier stehen sich eine kategorisch ablehnende und eine relativierend abwägende Position gegenüber“ stellen Sie den Diskussionsstand einseitig zugunsten der Kernenergiegegner dar. Eine neutrale Formulierung hätte gelautet: „Hier stehen sich eine ablehnende und eine befürwortende Position gegenüber.“ Unabhängige Wissenschaft hätte einen politischen Beratungsauftrag vervollständigt und das gesellschaftliche Meinungsbild unparteiisch dargestellt.
  4. Das von Ihnen repräsentierte Kollegium hat den internationalen Stand der Wissenschaft unberücksichtigt gelassen und dadurch einem nationalen Alleingang Deutschlands Vorschub geleistet. Wissenschaft ist international. Zu den Grundsätzen guter wissenschaftlicher Praxis gehört die umfassende Würdigung sämtlicher weltweit vorliegenden Forschungsergebnisse, auch wenn diese zu eigenen wissenschaftlichen Ansichten im Widerspruch stehen. Dem Dokument fehlt vor diesem Hintergrund eine Einordnung in die internationale Forschung zur Ethik der Kernenergienutzung. Der Bericht erweckt konkret den Eindruck, es gäbe außerhalb Deutschlands keine ethischen Abwägungen zur Atomenergie. Sie sind der Öffentlichkeit eine Begründung schuldig geblieben, in welcher Hinsicht sich die ethischen Maßstäbe einer deutschen Professoren­gruppe etwa von denen einer französischen unterscheiden. Unabhängige Wissenschaft hätte gegenüber der Öffentlichkeit eine sachliche Begründung für eine deutsche Sonderperspektive gegeben und das Abweichen vom Grundsatz europäischer Einheit erklärt.
  5. Das von Ihnen repräsentierte Kollegium hat anscheinend versäumt, bei der Formulierung des Abschlussberichts eine klare Trennung von Fakten und Meinungen durchzusetzen. Die Leser des Berichts haben das Recht zu erkennen, welche Aussagen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen und wann es sich um persönliche Werturteile handelt. Die Vermengung von Fakten und Meinungen wird an folgendem Kernsatz des Berichts besonders deutlich: „Für die Kernenergie mit ihrem besonders hohen Katastrophenpotenzial ist es ethisch nicht hinnehmbar, die außerhalb dieser (gesetzten) Grenzen befindlichen und durch Fukushima belegten Ereignisabläufe der Havarie und Havarie-Folgen als ‚Restrisiko‘ abzutun.“ Würde es sich bei dieser Aussage um eine wissenschaftliche Erkenntnis handeln, so müsste daraus folgen, dass der Rest der Welt unethisch denkt und handelt. Glaubhafte Unabhängigkeit der Wissenschaft hätte erfordert, auf eine klare Kennzeichnung von Meinungen zu dringen.
  6. Das von Ihnen repräsentierte Kollegium hat einem Dokument zugestimmt, dessen Präsentationsform den Grundsätzen wissenschaftlichen Politikberatung nicht gerecht wird. Die Leitlinien Politikberatung der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften aus dem Jahr 2008 besagen: „Werden Handlungsempfehlungen gegeben, so sind sie vom wissenschaftlichen Untersuchungsergebnis möglichst klar abzugrenzen.“ Dies ist im Bericht nicht geschehen. Anstatt strukturell zwischen Fragestellung, Voraussetzungen, Methoden, Ergebnissen, Schlussfolgerungen und Empfehlungen zu differenzieren, nimmt das Kapitel 3 „Gemeinschaftswerk Energiezukunft Deutschlands“ wesentliche Aussagen wie „Die Energiewende muss […] gestaltet werden“ vorweg. Dies passiert, bevor in Kapitel 4 „Ethische Positionen“ die Analyse erfolgt. Die Gliederung wird weder wissenschaftlichen Standards gerecht, noch besitzt sie einen für Außenstehende nachvollziehbaren roten Faden. Unabhängige Wissenschaft hätte auf eine klare und stringente Darstellungsform gedrungen.

Zusammenfassend komme ich zu dem Schluss, dass die drei Professorinnen und fünf Professoren der Ethikkommission dem Leitbild unabhängiger Wissenschaft nicht gerecht geworden sind. Sie haben sich allem Anschein nach vereinnahmen lassen und das politisch erwartete Ergebnis geliefert. Um das in der heutigen Zeit beschädigte Vertrauen der Bevölkerung in die Wissenschaft wiederzuerlangen, sollten sich alle Professoren auf die intellektuelle Freiheit besinnen, die der Staat ihnen durch den Beamtenstatus ermöglicht.

Mit freundlichen Grüßen,

André D. Thess

Professor für Energiespeicherung an der Universität Stuttgart

Artikel der NZZ zum Thema: Energiewende

Qualitätsoffensive für bessere Batterien

(KIT) – Die maximale Qualität zum minimalen Preis sicherstellen – das wollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einer neuen Forschungsplattform, die am KIT als Teil des Batterie-Kompetenzclusters AQua (steht für: Analytik/Qualitätssicherung) gestartet ist. Dafür betrachten sie zunächst jeden Produktionsschritt, von den Ausgangsmaterialien bis zur fertigen Zelle, um mögliche Fehlerquellen zu identifizieren. Anschließend soll der Umgang mit Fehlern bei laufender Produktion so optimiert und automatisiert werden, dass am Ende eine gleichbleibend hohe Qualität gewährleistet werden kann. „Bei der Produktion muss jeder Schritt sitzen. Alles ist aufeinander abgestimmt und jeder Fehler kann sich auf die spätere Performance der Zellen auswirken“, sagt Professor Helmut Ehrenberg vom Institut für Angewandte Materialien (IAM-ESS) des KIT, der die Forschungsarbeiten koordiniert. „Die Leistungsfähigkeit von Analytik und Qualitätssicherung hat deshalb einen maßgeblichen Einfluss auf Güte, Sicherheit und Kosten einer Zelle.“ Ihre Lösungsansätze erarbeiten die Forschenden mit Methoden der integrierten Fertigungskontrolle und implementieren sie in die gesamte Prozesskette.

Forschung an der automatischen Fehlererkennung
Um kritische Fehler im Produktionsprozess möglichst früh zu erkennen und um diese richtig zu interpretieren, arbeiten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den AQua-Projekten unter anderem nach dem Prinzip der Failure Mode and Effects Analysis (FMEA). „Dabei bringen wir Fehler gezielt und kontrolliert ein, um den Zusammenhang zwischen einer Störung und den Auswirkungen auf die Zellen präzise zu quantifizieren“, erklärt Dr. Lea de Biasi, eine der Forscherinnen im Projekt. „Wenn wir nun spezifische Leistungskriterien als Qualitätsziele definieren, können wir für alle relevanten Prozessschritte Toleranzgrenzen festlegen.“ Diese kommen dann direkt im Produktionsprozess zum Einsatz. Dazu entwickelt AQua auch Methoden, mit denen sich kritische Einflussgrößen – etwa die Homogenität der Elektrodenbeschichtung oder die Restfeuchte der Komponenten zu Beginn des Zellbaus – in Echtzeit erfassen lassen. Bei der automatischen Fehlererkennung werden Zwischenprodukte unmittelbar nach dem jeweiligen Prozessschritt maschinell geprüft und fehlerhafte Stücke aussortiert. „Dabei sind außerdem Rückschlüsse auf die Fehlerursachen möglich“, sagt de Biasi. „So können wir Prozessstörungen frühzeitig beseitigen und weitere Kosten durch Ausschuss vermeiden.“

Dateninfrastruktur für einen schnellen Forschungstransfer
Ergänzt wird die neue Forschungsplattform durch ein Begleitprojekt, das am KIT Dr. Michael Selzer vom Institut für Angewandte Materialien – Computational Materials Science (IAM-CMS) koordiniert. Hier geht es unter anderem um den Austausch der Plattform mit den anderen Batterie-Kompetenzclustern der „Forschungsfabrik Batterie“ sowie um Kooperationen mit der Industrie. Im Mittelpunkt steht aber der Aufbau einer Dateninfrastruktur: „Bei den Experimenten und großskaligen Simulationen im AQua-Projekt gewinnen wir große Mengen an Daten, die durch spezifische Datenanalyseverfahren über standardisierte Workflows ausgewertet werden müssen“, sagt Selzer. „Mit der Dateninfrastruktur schaffen wir einen nachhaltigen Zugang zu diesen Forschungsdaten und Analysewerkzeugen.“ Das sei ein entscheidender Beitrag zur Qualitätssicherung und auch zum Forschungstransfer in Sachen Batteriefertigung, betont Professorin Britta Nestler vom IAM-CMS, die das Projekt als Expertin für Mikrostruktursimulation maßgeblich unterstützt. „Wir wollen in AQua ein umfassendes und prozessübergreifendes Verständnis dafür erarbeiten, wie sich das Zusammenspiel von Materialien, Fertigungsschritten und elektrochemischen Besonderheiten auf Strukturen und Eigenschaften der Batterie auswirkt.“ (mhe)

 

Vom grünen Wasserstoff zu regenerativem Methanol – die Wissenschafts-Methode

(LIKAT) – Kaskade von Methanol zu Wasserstoff – Metha-Cycle entkoppelt Windkraft vom Strombedarf Forschende am Leibniz-Institut für Katalyse (LIKAT) in Rostock können bei milden Bedingungen von unter hundert Grad Celsius und Umgebungsdruck aus Methanol Wasserstoff erzeugen, und zwar in der für Brennstoffzellen notwendigen Ausbeute und Reinheit. Dafür optimierten sie ein eigenes Verfahren, das sie seinerzeit in NATURE veröffentlicht hatten. Die katalytische Reaktion ist Herzstück des Projektes Metha-Cycle, eines vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Konzeptes zur Speicherung und Nutzung regenerativer Energien. Erstmals wurden dabei Windkraft, Elektrolyse und CO2-basierte Methanolsynthese sowie die Rückverwandlung des Methanols in H2 direkt miteinander verbunden. „Eine solche direkte Kopplung hat es bisher noch nicht gegeben“, sagt Projekt-Koordinator Dr. Henrik Junge, Themenleiter am LIKAT. Das Konzept kann die Energiewende auf dem Lande wesentlich beschleunigen: Es erlaubt Unternehmen und Kommunen sich vom Windkraftaufkommen unabhängig mit „grünem“ Strom zu versorgen. Denn Elektroenergie aus Windkraft fällt bekanntermaßen nicht immer dann an, wenn sie am nötigsten gebraucht wird. Speicher für Wasserstoff So funktioniert Metha-Cycle: Windkrafträder (wahlweise Photovoltaik-Anlagen) produzieren Elektroenergie. Mit diesem Strom wird aus Wasser elektrolytisch Wasserstoff erzeugt, der wiederum mit CO2 in Methanol umwandelt wird. Methanol, einfachster Vertreter in der Gruppe der Alkohole, fungiert somit als Speicher für Wasserstoff, wie es Chemiker seit langem vorschlagen. Dr. Junge: „Methanol lässt sich im Unterschied zu Wasserstoff gut handhaben und auch über weite Strecken transportieren.“ Bei Bedarf wird Methanol in H2 rückverwandelt und direkt im Anschluss in einer Brennstoffzelle zur Stromerzeugung genutzt. Im Forschungsverbund Metha-Cycle unter Leitung des LIKAT nutzten die Partner außerdem die Abwärme der Brennstoffzelle, um der Wasserstoff-Rückgewinnung einen Teil der nötigen Reaktionswärme zuzuführen. Die Testanlage der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg hat im Frühjahr mit knapp 500 Stunden Laufzeit die Funktionstüchtigkeit des Konzepts demonstriert. Die Brennstoffzelle, entwickelt vom Zentrum für Brennstoffzellentechnik (ZBT) Duisburg, produzierte kontinuierlich Strom mit einer Leistung bis zu 39 Watt.

Grünes Methanol als Treibstoff für die Zukunft

Forschern aus Stralsund und Entwicklern aus Leipzig ist es jetzt gelungen: Sie können Wind in flüssiges Methanol verwandeln. Ein Durchbruch – für den Verkehr und die Speicherung von Windenergie.

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Es wirkt fast wie ein Wunder, als ob Stroh zu Gold gesponnen würde. Wind wird eingefangen, umgewandelt und treibt schließlich als flüssiger Kraftstoff Maschinen an. Was wie ein modernes Märchen klingt, ist jetzt Wissenschaftlern der Hochschule Stralsund zusammen mit Entwicklern des Leipziger Unternehmens bse Engineering gelungen. Erstmals produzierten sie Methanol direkt aus Wasserstoff (H₂) und Kohlendioxid (CO₂) – ohne die sonst erforderliche aufwendige und kostspielige Pufferspeicherung.

WASSERSTOFF ALS ENERGIETRÄGER FÜR DIE WIRTSCHAFT
„Mit diesen Verfahren erschließen wir dem Wasserstoff als Energieträger ein neues Anwendungsfeld mit globalem Markt“, sagte Johannes Gulden, Leiter des Stralsunder Instituts für Regenerative EnergieSysteme (IRES). Weil jetzt bewiesen sei, dass die Umwandlung von Wasserstoff in Methanol keine Pufferspeicherung mehr benötige, sei dem „Einsatz von Wasserstoff als Energieträger im Transportsektor und anderen großen Wirtschaftsbereichen die größte Hürde genommen“.

UMWANDLUNG IN HAUSEIGENER METHANOL-SYNTHESE-ANLAGE
Die Stralsunder Forscher wandelten den Wasserstoff in der hauseigenen Methanol-Synthese-Anlage mit einem thermochemischen Verfahren um. Zusammen mit den Leipziger Entwicklern gelang es, Windstrom in erneuerbares, regeneratives Methanol umzuwandeln. „Nach zwei Jahren Konstruktion und Bau läuft die Anlage jetzt. Das ist ein großer Schritt für diese Art der Energiespeicherung“, erklärte IRES Ingenieur Andreas Sklarow. Mit der nun einwandfrei funktionierenden Anlage könne die Energiegewinnung und Energiespeicherung „direkt von der Elektrolyse auf die Synthese überführt werden“. Das IRES hat es geschafft: Endlich flüssiger Strom – Johannes Gulden, Leiter des Instituts für Regenerative EnergieSysteme, und Christian Schweitzer, Geschäftsführer der bse Engineering Leipzig GmbH, ist die Produktion von Methanol aus Wasserstoff und Kohlendioxid gelungen Das IRES hat es geschafft – endlich flüssiger Strom: Johannes Gulden, Leiter des Instituts für Regenerative EnergieSysteme, und Christian Schweitzer, Geschäftsführer der bse Engineering Leipzig GmbH, ist die Produktion von Methanol aus Wasserstoff und Kohlendioxid gelungen. Bildrechte: Dr. Jane Brückner, Hochschule Stralsund

FLÜSSIGES METHANOL ALS KRAFTSTOFF FÜR DIREKTE VERBRENNUNG
Diese Umwandlung von Wasserstoff in flüssiges Methanol gilt unter Experten als Baustein für einen Durchbruch in der Energiewende. Flüssiges Methanol lässt sich als Energieträger gefahrlos transportieren und lagern. Als zentrale Grundchemikalie der Industrie kann Methanol zudem als Kraftstoffzusatz heute schon für die direkte Verbrennung in Motoren eingesetzt werden und wird damit hochinteressant für die gesamte Industrie. „Deshalb ist die Umwandlungsmöglichkeit von H₂ zu Methanol so wichtig“, schreiben die Forscher.

Katrin Tominski

Prof. Lesch deckt die Ursachen der schlechten Ökobilanz des E-Autos auf

Liebe Freunde,

dieser
Link
führt sie zu einem Statement des glaubwürdigen Professors Dr. Harald Lesch, Wissenschaftsjournalist des ZDF, der nicht umsonst eine Popularität erlangt hat, die für einen Wissenschaftler erstaunlich ist. Er ergänzt meine Ausführungen, die ich aus Platzgründen nicht oder noch nicht in meinem Facebook-Kommentar erwähnt habe.

Es ist vorwiegend die schwergewichtige Lithium-Ionen-Batterie die dem Elektroauto die miserable Ökobilanz verleiht. Das liegt einerseits an den Rohstoffen wie das von Professor Lesch gebrandmarkte Lithium, welches bisher vorwiegend in sehr problematischen und Umwelt anfälligen Gegenden z. B. der Atacama-Wüste in Chile gewonnen wird. Der ungeheure Wasserverbrauch bei der Gewinnung und Verarbeitung des Erzes ist unerträglich. Hinzu kommt, dass die Eigentümer dieser Lithium Lagerstätten von dem Clan des ehemaligen faschistischen chilenischen Diktators José Ramón Pinochet beherrscht werden. Ich war damals auf Einladung des Goethe-Instituts in Chile, um chilenische Wissenschaftsjournalisten auszubilden. Plötzlich erschienen sie nicht mehr, weil von oben meine freie Sprache und Formulierungen moniert wurden. Erst auf Intervention der Deutschen Botschaft in Santiago de Chile konnte der Unterricht weitergehen.

Aber es ist nicht nur die Schuld des Lithium, weshalb die Ökobilanz des Elektroautos so miserabel ausfällt, auch die seltenen Erden und das Element Kobalt. Seine Lagerstätten befinden sich im Kongo, dort wird es auch unter unmenschlichen Umständen geschürft. Der Kongo, ein afrikanisches Land, das politisch sehr fragil ist und sogar Kinderarbeit nicht verhindern kann.

Einen wichtigen Aspekt möchte ich Ihnen auch nicht vorenthalten, der offenbar auch den Grünen  nicht aufgefallen ist. Ein E-Auto ist immer ungeheuer Gewichts-trächtig, es ist also wesentlich schwerer als die heutigen Verbrenner, sogar schwerer als die oft so kritisierten SUVs. Das hat seine Konsequenzen. Es  braucht zum Fahren mehr Energie, zwar kein Benzin oder Diesel, sondern die besonders aus der Batterie gezogene wertvolle elektrische Energie. Das wird insofern immer verschwiegen bzw. mit dem Argument glattgebügelt, dass man ja beim Bremsen einen großen Anteil der Bewegungsenergie wieder rückgewinnen kann. Das stimmt zwar, aber die verstärkte Reibung der Reifen bewirkt mehr Reifenabrieb. Auch das wäre zu verkraften, wenn dabei nicht Feinstaub besonderer Art entstünde. Solche Reifen bestehen häufig aus synthetischen Kunststoffen, und der Feinstaub aus Mikroplastikteilchen,  die bekanntlich die Gewässer und die Ozeane extrem belasten – viel mehr als die immer noch völlig überflüssig in der Kosmetik eingesetzt werden.

Alles das ins Gästebuch der fanatischen Befürworter des E-Autos, insbesondere der nur für betuchte – meist als Zweitwagen – verwendete Tesla oder E-Autos aus Deutschland, Frankreich, China und Japan. Die Chinesen werden sowieso demnächst auf dieses Segment mit billigen, aber ökologisch problematischen chinesischen Fahrzeugen überschwemmen. Dort entstehen viele Start-ups, die an Ort und Stelle selbst die hochpreisigen deutschen Produkte verdrängen. Ich fordere die Politik auf, das nicht aus dem Auge zu verlieren und sich einmal mit der Idee des extrem umweltfreundlichen HyperHybrid-Autos zu beschäftigen – Ideologie hin, Ideologie her.

Leider sind auch vielen Journalisten diese angesprochenen Nachteile noch nicht eingefallen und bezeichnen immer noch das E-Auto als die Zukunft der Mobilität – auch die Öffentlich-rechtlichen Sender, die genügend Recherchemöglichkeiten haben. Kritische Wissenschaftsjournalisten an die Front.

Jean Pütz

Herzlichen Dank an den Facebook-Freund Stefan Volk, der mir den Link mit Professor Lesch in der Rubrik ‚Kommentare‘ zugesendet hat.