Archiv der Kategorie: Klassische Medizin

Schilddrüsenkrebs bei jüngeren Frauen stark im Ansteigen

Schilddrüsenkrebs bei jüngeren Frauen stark im Ansteigen

Kombinations-Therapie bringt normale Lebenserwartung

Berlin
– Die Fälle von bösartigem Schilddrüsenkrebs steigen neuen Studien
zufolge in Industrieländern stark an, vor allem bei Frauen. Neben
Tumoren der Brust wird sich das Schilddrüsenkarzinom demnach in den
nächsten fünf Jahren zu den am schnellsten wachsenden Krebserkrankungen
bei jüngeren Frauen entwickeln, erklärt der Berufsverbands Deutscher
Nuklearmediziner e. V. (BDN). Die Erkrankung macht sich zu Beginn meist
mit einem Knoten im Bereich der Schilddrüse bemerkbar. Die beste
Heilungsrate verspricht die Kombination aus Operation plus
Radiojodtherapie. Sie verschafft jüngeren Frauen eine normale
Lebenserwartung, wie Langzeitbeobachtungen belegen. Die Radiojodtherapie
ist in Deutschland eine Kassenleistung.

Wie
ein Autorenteam um die Epidemiologin Hannah Weir in der Fachzeitschrift
„Cancer“ berichtet, werden in den USA bei Frauen bis zum Jahr 2020 die
größten Zuwachsraten bei Lungen-, Brust-, Gebärmutter- und
Schilddrüsenkrebs erwartet. Diese Prognose entspricht dem Trend, der
sich auch in Deutschland seit einigen Jahren abzeichnet. So wurden 2013
hierzulande 4200 Frauen registriert, die neu am Schilddrüsenkarzinom
erkrankten, im Jahr 2000 waren es 2700.

Welche
Ursachen die Zunahme hat, ist nicht vollständig geklärt. „Zwar gab es
einen regionalen und zeitlich begrenzten Anstieg der Erkrankungsraten im
Umkreis der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, dies erklärt aber nicht
den weltweiten Anstieg“, sagt Professor Dr. med. Matthias Schmidt,
BDN-Experte und Nuklearmediziner an der Universitätsklinik Köln. „Das
mag eher an einer verbesserten Diagnostik liegen, denn der Ultraschall
hilft, tumorverdächtige Knoten frühzeitig zu erkennen“, so Schmidt.

Klar
ist ebenfalls, dass die Kombination aus Operation plus Radiojodtherapie
sehr gute Heilungschancen bei Schilddrüsenkrebs eröffnet. Bei diesem
Behandlungskonzept wird zunächst die Schilddrüse chirurgisch entfernt.
„Ein kleiner Rest von Schilddrüsengewebe verbleibt aber trotz Operation
fast immer“, berichtet Schmidt. Die nachfolgende Bestrahlung mit
radioaktivem Iod beseitigt dann die übrigen Restzellen.

Dafür
nehmen die Patienten radioaktives Iod 131 ein, meist in Form einer
Kapsel. Weil die Schilddrüse als einziges Organ des menschlichen Körpers
die Fähigkeit hat, Iod in ihren Zellen hochkonzentriert anzureichern,
lagern sich die radioaktiven Substanzen ausschließlich in diesem Gewebe
ab und zerstören es. Andere Organe wie Speicheldrüsen, Schweißdrüsen,
Magenschleimhaut, Nieren oder Blase sind lediglich an der Ausscheidung
der radioaktiven Partikel beteiligt und erhalten eine nur geringfügige
Strahlendosis.

Derart
behandelt, dürfen Patienten mit einer normalen Lebenserwartung rechnen –
das zeigen aktuelle Daten über einen Beobachtungszeitraum von dreißig
Jahren, die am Universitätsklinikum Würzburg gesammelt wurden. Der Krebs
kehrt nur bei weniger als fünf Prozent zurück. „Damit erreichen die
Patienten eine Lebenserwartung, die mit der gesunder Menschen
vergleichbar ist“, betont Schmidt. Die Erkrankung macht sich
typischerweise mit einer Knotenbildung im Bereich der Schilddrüse
bemerkbar.

Die
Radiojodtherapie wird seit den 1940er Jahren angewendet, gilt als
nebenwirkungsarm und auch in der langjährigen Verlaufsbeobachtung als
sicher. In Deutschland existierten im Jahr 2014 etwa 120
Therapieeinrichtungen, in denen etwa 50.000 Behandlungen jährlich
durchgeführt wurden. Die Radiojodtherapie ist in Deutschland eine
Kassenleistung und wird stationär durchgeführt.

Herz-Kreislauf-Krankheit – mit Prävention zu meistern

Neue Technologien ermöglichen Früherkennung viele Jahre bevor Probleme entstehen


Essen (pts, 24. Feb 2005 10:15) – Todesursachenstatistik 2003 – fast jeder zweite Verstorbene erlag einer Herz-Kreislauf-Erkrankung. Und nicht nur das: Amerikanische Forscher der Tulane University haben mit einer umfassenden Untersuchung herausgefunden, dass Bluthochdruck weltweit dramatisch ansteigt. In dem Fachmagazin „The Lancet“ fordern die Wissenschaftler die Entwicklung neuer Behandlungsverfahren und Präventionsstrategien, um die zu erwartende, internationale Epidemie von Schlaganfällen und Herzinfarkten überhaupt bewältigen zu können.


„Gerade Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind mit Prävention und Früherkennung besonders gut in den Griff zu bekommen“, so der Kardiologe und Präventionsexperte Dr. Dietrich Baumgart von der Essener Diagnoseklinik Preventicum, „die Belastungen entwickeln sich schleichend und bleiben über lange Zeiträume unbemerkt.“ Neben dem Bluthochdruck haben außerdem Bewegungsmangel, Cholesterin und Nikotin negative Auswirkungen auf das Gefäßsystem im Körper. Auch genetische Faktoren spielen eine Rolle.


Insgesamt bewirkt die Summe der ungünstigen Faktoren, dass innerhalb der Adern Ablagerungen entstehen, die im Laufe der Jahre zunehmen. Diese Ablagerungen können Gefäßwände zerstören oder auch den Durchfluss des Blutes behindern, was im weiteren Verlauf zu kompletten Verstopfungen führen kann. „Die wirklichen Probleme treten aber erst dann auf, wenn das ganze Desaster sich sozusagen ‚ungestört’ entwickeln konnte“, weiss Dr. Baumgart, „mit den neuen Methoden der Prävention können wir schon zehn Jahre vor dem potenziellen Gau der dramatischen Entwicklung entgegenwirken.“


Und wie kann das gehen? Bei Preventicum ist der Magnetresonanz-Tomograph im Einsatz. Der Patient bekommt ein Kontrastmittel gespritzt, das sich im ganzen Gefäßsystem ausbreitet. Dann wird er ohne schädliche Röntgenstrahlen durchleuchtet. Im Anschluss erhält der Arzt ein komplettes Bild der gesamten Adern seines Schützlings. Winzige Veränderungen an den Gefäßwänden kann er auf diese Weise sehr gut erkennen. „Ab diesem Punkt können wir meist mit geringem Aufwand etwas gegen die Ablagerungen bewirken. Oft reichen Sport und eine andere Ernährung aus, um dramatische Entwicklungen gar nicht erst ausbrechen zu lassen“, unterstreicht der Herz-Kreislauf-Experte aus Essen. Die Untersuchung nennt sich AngioSurf und ist ausschließlich bei Preventicum im Einsatz. Herkömmliche Vorsorge-Untersuchungen im kardiologischen Bereich können diese Präzision nicht bieten.


„Stark ist, wer seine Achillessehne kennt“, resümiert Kardiologe Baumgart. „Wer sich noch gesund fühlt, wird durch den visuellen Eindruck zum gesundheitsorientierten Verhalten motiviert. Sobald die Betroffenen ihr angegriffenes Gefäßsystems sehen, haben sie verinnerlicht, dass hier ihr individueller Schwachpunkt ist. Erst dann entsteht die wirkliche Bereitschaft, schon jetzt auf die Gesundheit zu achten.“


Weitere Informationen:
http://www.preventicum.de


Preventicum, Nicola Mangen, 0201-84717-00, nicola.mangen@preventicum.de
VVA Health Marketing, Sigrid Lauff, 0201-871 26-71, s.lauff@vva.de

Neue Erleuchtung der Nasennebenhöhlen-Chirurgie

Mit Licht und Ballon jetzt einfach und ambulant.

Düsseldorf, März 2008. Ein neues Verfahren zur Nasennebenhöhlenchirurgie, die Ballon Sinuplastik, schafft bei chronischer Sinusitis – weit über 60.000 Patienten trifft es jährlich neu – mit einem kleinen Ballon wieder Belüftung und Druckentlastung in den Nebenhöhlen. Oft ohne Klinikaufenthalt und weitergehende Unannehmlichkeiten und Risiken für den Patienten, wie bei der bisherigen operativen Vorgehensweise mit Nasenzangen und ausgedehnter Knochen- und Schleimhautentfernung. Bisheriger kleiner Wermutstropfen: Strahlenbelastung, denn die richtige Platzierung des Ballons wird derzeit per Röntgendurchleuchtung kontrolliert. Eine Innovation macht jetzt auch die Röntgenkontrolle überflüssig – Licht weist den richtigen Weg.

Onlinesucht schon ab 35 Stunden im Web pro Woche
Soziales Umfeld ausschlaggebend für Klassifizierung

Online-Spielsucht ist nur eine der verbreiteten Varianten von Onlinesucht (Foto: pixelio.de)
 
Arlington/Lüneburg (pte/22.03.2008/06:00) – Onlinesucht ist eine "gewöhnliche zwanghaft-impulsive Funktionsstörung", die in das offizielle psychiatrische Handbuch der Geistesstörungen aufgenommen werden sollte. Zu diesem Schluss kommt der US-Psychologe Jerald Block in seinem Leitartikel in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins American Journal of Psychiatry http://ajp.psychiatryonline.org. Wie bei jeder anderen Suchterkrankung auch würden bei der Onlinesucht bestimmte Symptome über eine tatsächliche Erkrankung Aufschluss geben. So seien neben der exzessiven Nutzung des Internets auch Merkmale wie Entzugserscheinungen, der ständige Wunsch nach mehr und soziale Isolation eindeutige Belege für das Vorhandensein einer Onlinesucht. "Abhängige können jegliches Zeitgefühl verlieren und sich ihrem inneren Antrieb verweigern, der sie zu grundlegenden Tätigkeiten wie essen oder schlafen drängt", stellt Block fest. In Anbetracht der steigenden Zahl der Betroffenen fordert der Wissenschaftler eine Aufnahme der Krankheit Onlinesucht in das Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, das offizielle psychiatrische Handbuch der geistigen Erkrankungen, dessen Neuauflage 2012 erscheinen soll.

"Die Wissenschaft definiert einen Onlinesüchtigen als jemanden, der 35 Stunden pro Woche oder mehr im Internet verbringt", erklärt Gabriele Farke, Onlinesucht-Beraterin und Initiatorin des Selbsthilfe-Portals Onlinesucht.de http://onlinesucht.de, im Gespräch mit pressetext. In der Praxis sehe dies allerdings anders aus. "Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass das soziale Umfeld in diesem Zusammenhang ausschlaggebend ist", meint Farke. In der Regel könne man dann von einer Onlinesucht sprechen, wenn der Betroffene beispielsweise seine sozialen Kontakte vernachlässige und in weiterer Folge auch verliere. "Dies ist dann der Fall, wenn derjenige das Internet nicht in sein Leben integriert, sondern sein Leben dem Internetkonsum anpasst", erläutert Farke. Laut der Onlinesucht-Expertin seien zur Zeit an die zwei Mio. Menschen in Deutschland von diesem Problem betroffen, Tendenz steigend.

"Die anfängliche Skepsis in Bezug auf dieses Phänomen ist mittlerweile überwunden und das Problem wird durchaus ernst genommen", stellt Farke fest. Seit nunmehr zwölf Jahren beschäftigt sie sich schon mit der Thematik. "Damals wurde ich noch belächelt, wenn ich auf diese Problematik aufmerksam machen wollte", schildert Farke. Bis zum heutigen Tag hätte sich zwar einiges diesbezüglich verbessert, ein ausreichend ausgeprägtes Bewusstsein für Onlinesucht würde aber auch heute noch innerhalb der Bevölkerung großteils fehlen. Vor allem eine offizielle Anerkennung des Krankheitsbildes Onlinesucht sei ein längst überfälliges wichtiges Zeichen für die Öffentlichkeit. "Wegen der fehlenden offiziellen Anerkennung werden derartige Probleme von Angehörigen oft einfach unter den Teppich gekehrt", kritisiert Farke.

Drei verschiedene Bereiche sind laut der Onlinesucht-Expertin zu unterschieden: Online-Spielsucht, Online-Chatsucht und Online-Sexsucht. "In Deutschland ist eindeutig die Online-Sexsucht am stärksten ausgeprägt", erklärt Farke. Diese vor allem bei jungen Männern im Alter zwischen 19 und 25 Jahren auftretende Variante sei in der Öffentlichkeit aber noch weitestgehend ein Tabu-Thema. "An zweiter Stelle liegt derzeit die Online-Spielsucht, die auch vorwiegend die männliche Bevölkerung betrifft. Erst der dritte Bereich, die Online-Chatsucht, ist eine vorrangige Frauendomäne", so Farke abschließend.

Wie Krebszellen ihren Weg finden

Leipzig – Krebserkrankungen breiten sich nur dann aus und bilden Tochtergeschwulste, wenn das umgebende Gewebe dies zulässt und durch Stütz- und Versorgungsstrukturen das Tumorwachstum ermöglicht. Dabei verdrängen die entarteten die gesunden Zellen. Damit eine Krebszelle sich gegenüber den anderen Zellen durchsetzen kann, sind Veränderungen in ihrem Zellskelett notwendig. Forscher an der Universität Leipzig zeigen jetzt, dass die physikalischen Eigenschaften der Krebszellen maßgeblich beeinflussen, wie sich der Tumor ausbreitet und Tochterzellen absiedelt. Aus diesen Erkenntnissen ziehen die Experten der Medizinischen Fakultät auch Ansätze für zukünftige Therapien.

In den Industrieländern macht Gebärmutterhalskrebs bis zu einem Drittel aller gynäkologischen Krebserkrankungen aus, in Entwicklungsländern noch weit mehr. In Deutschland erkrankten im Jahr 2006 etwa 6 500 Frauen an diesem bösartigen Tumor, 1 700 starben daran. Gebärmutterhalskrebs wurde bislang nach der Wertheim-Methode radikal operiert, bei der der Operateur möglichst umfassend erkranktes und angrenzendes Gewebe entfernte. „Die Resektion des Tumors zusammen mit einem Kokon gesunden Gewebes war das Dogma der Krebschirurgie, denn es galt als erwiesen, dass sich der Tumor in alle Richtungen ausbreitet und sich dabei nicht von Gewebegrenzen zurückhalten lässt“, sagt Professor Dr. rer. nat. Dr. med. Michael Höckel, Direktor der Universitätsfrauenklinik Leipzig. Nach der Wertheim-Operation bekamen etwa die Hälfte der Patientinnen zusätzlich eine Bestrahlung.

Höckels Arbeitsgruppe am Universitätsklinikum Leipzig fand jedoch heraus, dass Tumoren über lange Phasen ihres Wachstums auf ein embryologisch festgelegtes Gewebekompartiment beschränkt bleiben: Gebärmutterhalskrebs etwa breitet sich in einer Gewebeeinheit von Gebärmutter, Scheide und komplex geformtem Füllgewebe aus. Mit einem neuen Operationsverfahren entfernen die Ärzte deshalb ausschließlich dieses Gewebekompartiment. Auf eine Bestrahlung verzichten sie. Die Forscher der Medizinischen Fakultät Leipzig konnten zeigen, dass weniger mehr ist: Ihre TMMR-Operation (Totale mesometriale Resektion) senkt die Rate von Rückfällen deutlich, erhöht die Heilungsrate auf 96 Prozent und ist zugleich schonender für die Patientin.

Inzwischen erforschen die Gynäkologen die biophysikalischen Bedingungen für die Tumorausbreitung zusammen mit dem Physiker Professor Dr. rer. nat. Josef A. Käs, Leiter des Instituts für Experimentelle Physik I der Universität Leipzig. Dabei zeigt sich, dass Krebszellen ein schwächeres äußeres Zellskelett als andere Zellen haben. Auch diese Eigenschaft machen sich Ärzte bereits diagnostisch zunutze: Privatdozent Dr. med. Thorsten Remmerbach von der Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie am Universitätsklinikum Leipzig entwickelte daraus einen Test zur Früherkennung von Tumoren des Mund-Rachen-Raums. Mit einem einfachen Abstrich der Mundschleimhaut lassen sich Krebszellen erkennen, weil sie “weicher” sind als gesunde Zellen.

In seiner aktuellen Veröffentlichung in der Zeitschrift nature physics zeigt Professor Käs nun, dass die Theorie von der Ausbreitung der Krebszellen in Kompartimenten auch mit Mitteln der Grundlagenforschung belegbar ist. Intensiv erforscht Käs derzeit die Fähigkeiten des Tumors, in das umgebende Gewebe vorzudringen und es für sein Wachstum zu nutzen. Dehnte der Krebs sich wie ein Ballon aus, würde er allein aus physikalischen Gründen vom umgebenden Gewebe erdrückt. In Krebszellen sind deshalb Elemente des Zellskeletts betont, die es erlauben, dass sich der Tumor verhärtet und gegen den äußeren Druck anwachsen kann. Für Professor Käs bieten diese veränderten Bausteine des so genannten Zytoskeletts einen Ansatz für zukünftige Krebstherapien.

Darüber hinaus interessiert die Forscher der Universität Leipzig die Fähigkeit von Krebszellen, den Tumor zu verlassen: Sie zwängen sich aktiv durch das umgebende Gewebe, dringen in ein Blutgefäß ein und bilden an entfernten Orten Metastasen. Auch hier helfen Veränderungen im Zytoskelett den Zellen, ihren Weg zu finden und im Zielgewebe Fuß zu fassen. Aus der weiteren Erforschung dieser Vorgänge könnten sich entscheidende Fortschritte in der Behandlung von Krebserkrankungen ergeben, hoffen die Wissenschaftler. Denn die meisten Todesfälle bei Krebserkrankungen sind Folge der Metastasen-Bildung.

Arbeitstempo sinkt mit Dauer der Wachzeit

Arbeitstempo sinkt mit Dauer der Wachzeit
Experte: "Bei Olympia gibt es auch chronobiologisches Doping"
 
Schlafender: Je länger der Tag, desto größer die Mühe (Foto: Flickr/Williams)

Boston/Weiz (pte012/30.07.2012/13:50) – Je länger man munter ist, desto schwieriger ist es, Konzentrationsaufgaben schnell zu erledigen. Während der Nachtschicht gilt das erst recht, berichten US-Forscher im "Journal of Vision". "Besonders bei sicherheitsrelevanten Tätigkeiten kommt dieser Effekt zu tragen – etwa im Flugverkehr, bei der Gepäckskontrolle oder im Atomkraftwerk", erklärt Studienleiterin Jeanne F. Duffy vom Brigham and Women’s Hospital http://brighamandwomens.org .

Idealer Zeitpunkt kurz vor Mittag

"Statistisch erreicht die Aufmerksamkeit am späten Vormittag sowie auch am frühen Abend ihren Höhepunkt", sagt Vincent Grote, Chronobiologe am Institut für Gesundheitstechnologie und Präventionsforschung von Human Research http://humanresearch.at , im pressetext-Interview. Längere Wachzeiten machen müde und lassen langsamer und ungenauer arbeiten. "Deshalb gibt es in den frühen Morgenstunden viele Autounfälle und menschenverursachte Unglücke", so der Forscher.

Selbstwahrnehmung versagt

Für die aufwendige Ein-Monats-Studie lebten zwölf Versuchspersonen von der Außenwelt abgeschottet und wussten nicht, wie spät es gerade war. In der ersten Woche war Erholung mit mindestens zehn Schlafstunden pro Nacht angesagt, ehe diese Zeit für die restlichen drei Wochen auf 5,6 Stunden verkürzt wurde. Verschärft wurden die Bedingungen zusätzlich durch die Abstimmung der Schlafenszeiten mit einem 28-Stunden-Rhythmus, was einem chronischen Jetlag gleichkommt.

Während der Testphase galt es, visuelle Aufgaben zu erledigen: Am Computer sollten die Teilnehmer wichtige Teile aus einer Informationsflut herausfiltern, wobei Schnelligkeit, Genauigkeit und Selbstbeurteilung erhoben wurden. Deutlich zeigte sich, dass die Probanden umso langsamer arbeiteten, je länger sie am jeweiligen Tag bereits wach waren. Zusätzlich gebremst war das Arbeitstempo in der biologischen Nachtzeit zwischen 24:00 und 6:00 Uhr.

Die Auswertung zeigte, dass die Genauigkeit der Leistung über die Untersuchungsspanne hinweg zwar fast konstant blieb, das Erkennen relevanter Information jedoch verlangsamte. Sollten sich die Probanden selbst in puncto Schläfrigkeit beurteilen, so wurden sie dabei im Verlauf der Wochen eher ungenauer. "Das zeigt, dass die Eigenwahrnehmung der Müdigkeit nicht immer der tatsächlichen Leistung entspricht", sagt Duffy.

Abstimmung auf Wettkampf

Vergleichbare Kurven wie für die Konzentration gelten jedoch auch für die körperliche Leistung, wobei es Grote zufolge unterschiedliche Höhepunkte für Dauer- und Maximalkraft der Muskeln gibt. "Wenn Olympia-Sportler aus anderen Zeitzonen zu den Spielen anreisen, stimmen sie ihre Schlafenszeiten mittlerweile genau auf die Wettkampfzeit hin ab." So gesehen gibt es auch chronobiologisches Doping, witzelt der Experte.

Originalstudie unter http://www.journalofvision.org/content/12/7/14.full

Gallensteine: wie vorbeugen ?

Volkskrankheit Gallensteine: Wie vorbeugen? Wann behandeln?

DGVS veröffentlicht aktualisierte Leitlinie

Berlin
– Bis zu 20 Prozent der Deutschen entwickeln im Laufe ihres Lebens
Gallensteine. Die meisten bemerken sie nie – nur bei etwa einem Viertel
der Träger machen sich die Steine durch Beschwerden wie Koliken oder
Entzündungen bemerkbar. Wann und wie Gallensteine behandelt werden
sollten, regelt eine Leitlinie, die unter Federführung der Deutschen
Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und
Stoffwechselkrankheiten (DGVS) entwickelt und nun nach neuestem
wissenschaftlichen Stand aktualisiert wurde.

Ernährung,
Bewegung, Geschlecht und Alter, aber auch die individuelle Veranlagung
spielen bei der Entstehung von Gallensteinen eine Rolle. „Am weitesten
verbreitet sind die sogenannten Cholesterinsteine, die sich bilden, wenn
zu viel Cholesterin von der Leber in die Galle gepumpt wird“, erklärt
Professor Dr. med. Frank Lammert, Direktor der Klinik für Innere Medizin
II am Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg, der Präsident der
DGVS und Koordinator der aktuellen Leitlinie ist. Besonders häufig sind
übergewichtige Menschen von Gallensteinen betroffen.

Die
Prävention von Gallensteinen bildet einen neuen Schwerpunkt der
aktuellen Leitlinie. Um der Entstehung von Gallensteinen vorzubeugen,
gelten die Regeln einer gesunden Gewichtsentwicklung: Eine ausgewogene,
faserreiche und fettarme Kost, die viel Gemüse, jedoch wenig Zucker
enthält, ist empfehlenswert, vor allem aber regelmäßige Bewegung von
mindestens 30 Minuten pro Tag. Wer bereits adipös ist, sollte nicht
allzu rasch an Gewicht verlieren. „Denn auch dabei wird viel Cholesterin
freigesetzt, so dass das Risiko für die Bildung von Steinen ansteigt“,
so Lammert. Wenn der Gewichtsverlust 1,5 Kilo pro Woche übersteigt – was
etwa bei einer strengen Reduktionsdiät oder nach einer
Magenbypass-Operation bei schwerer Adipositas der Fall sein kann – weist
die aktuelle Leitlinie auf die Möglichkeit der medikamentösen
Gallensteinprävention mit Ursodeoxycholsäure hin. Diese Substanz
unterdrückt die Bildung von Gallensteinen.

Haben
sich erst einmal Gallensteine gebildet, bleiben sie auch bei noch so
gesunder Lebensweise bestehen. Steine, die keine Beschwerden
verursachen, sollten nicht behandelt werden. „Tritt in Folge der
Gallensteine jedoch eine Gallenkolik auf, ist die operative Entfernung
der Gallenblase angezeigt“, so Lammert. Denn Gallenkoliken sind
Warnsymptome und weisen auf ein erhöhtes Risiko hin, dass sich
Komplikationen des Steinleidens entwickeln, die lebensgefährlich sein
können: Wenn ein Stein im Gallengang festsitzt, kann das gestaute Sekret
zu Entzündungen der Gallenblase, der Gallenwege oder auch der
Bauchspeicheldrüse führen. „Die in Deutschland durchgeführte ACDC-Studie
hat gezeigt, dass der Patient bei einer akuten Gallenblasenentzündung
rasch – binnen 24 Stunden nach Aufnahme in das Krankenhaus – operiert
und nicht über mehrere Tage antibiotisch behandelt und erst später
operiert werden sollte“, sagt Lammert. Die Cholezystektomie, die
Entfernung der Gallenblase, ist ein vergleichsweise sicherer Eingriff,
der heute in der Regel auch in der Akutsituation und sogar in der
Schwangerschaft minimalinvasiv, also laparoskopisch, durchgeführt wird.
Für den Patienten hat der Verlust der Gallenblase keine problematischen
Konsequenzen: Das an Gallensäuren reiche Gallesekret, das in der Leber
hergestellt und in der Gallenblase nur für große Mahlzeiten gespeichert
wird, steht weiterhin zur Verfügung.

Die
aktualisierte S3-Leitlinie wurde interdisziplinär von Chirurgen und
Gastroenterologen gemeinsam erstellt und fasst den aktuellen Stand der
Wissenschaft zusammen. Neben den Maßnahmen zur Prävention soll sie allen
Ärzten als praktische Hilfe für die Behandlung von Patienten mit
Gallensteinerkrankungen dienen. Die Leitlinie definiert unter anderem
Qualitätsindikatoren für die Therapie, unterbreitet Vorschläge zur
fächerübergreifenden Versorgung von Patienten und enthält, erstmals als
wichtige Neuerung für die Ausbildung von Medizinstudierenden, Lernziele.

Neuartige Medikamente verbessern die Behandlung der Osteoporose

Knochenstoffwechsel: Neuartige Medikamente verbessern die Behandlung der Osteoporose

Lübeck
� Knochenschwund, auch Osteoporose genannt, betrifft in Deutschland
weit über sieben Millionen Menschen. Sie tritt bei Frauen oft nach den
Wechseljahren auf. Bei Männern und Frauen wird mit zunehmendem
Lebensalter die Knochendichte geringer und erhöht damit das Risiko für
Knochenbrüche. Neue Erkenntnisse zum Hormonstoffwechsel des Knochens
haben die Entwicklung von neuen, rasch wirksamen und nebenwirkungsarmen
Medikamenten ermöglicht. Die Medikamente, die in den Hormonstoffwechsel
eingreifen, kommen als Alternative zu den bewährten Bisphosphonaten in
Frage. Wie Patienten von den neuen Wirkstoffen profitieren, erläutern
Experten auf der Pressekonferenz anlässlich des 58. Symposiums der
Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) am 18. März 2015 in
Lübeck.

Knochen
sind keine statischen Gebilde, sondern bestehen aus Zellen, die in die
mineralische �Knochenmatrix� eingebettet sind. Wie andere Gewebe im
Körper werden sie ständig erneuert: Sogenannte Osteoklasten bauen die
Knochenmasse ab, Osteoblasten bauen sie wieder auf. Hormone können den
Knochenabbau fördern oder auch hemmen. �Das Nebennierenhormon Cortisol,
das in der Medizin häufig als Entzündungshemmer eingesetzt wird, kann
zur Osteoporose führen�, erläutert Professor Dr. med. Heide Siggelkow,
Ärztliche Leiterin des Endokrinologikums Göttingen und 1. Vorsitzende
des Dachverbandes Osteologie. �Eine Östrogentherapie zur Behandlung von
Wechseljahresbeschwerden hingegen hat als günstigen
Nebeneffekt einen Anstieg der Knochendichte zur Folge�, ergänzt die Beirätin der DGE-Sektion Knochenstoffwechsel.

Hormone,
Teile der Botenstoffe oder auch Substanzen, die in die Übertragungswege
der Stoffe eingreifen, werden daher auch gezielt bei Frauen nach dem
Wechsel zur Behandlung der Osteoporose eingesetzt. Ein Mittel zur
Therapie der postmenopausalen Osteoporose ist Raloxifen, ein sogenannter
selektiver Östrogenrezeptormodulator. Ein weiteres Osteoporosemittel
ist Teriparatid, eine verkürzte Variante des Parathormons aus der
Nebenschilddrüse, das seit 2003 zur Behandlung der Osteoporose bei
Frauen und Männern zugelassen ist.

�Das
Problem dieser Präparate ist, dass sie ihre Wirkung im ganzen Körper
entfalten�, erklärt Professor Siggelkow. Das erste Mittel, das gezielt
im Knochen wirkt, ist das vor vier Jahren eingeführte Denosumab. Je nach
Präparat wird es vierwöchentlich oder halbjährlich mit einer Spritze
verabreicht. �Der Antikörper Denosumab blockiert im Knochen das
Signalprotein RANKL, das die Bildung und Aktivität von Osteoklasten
fördert�, erläutert Professor Siggelkow: �Das Ergebnis ist eine Hemmung
des Knochenabbaus durch die Osteoklasten und damit eine Steigerung der
Knochendichte�. RANKL � die Abkürzung steht für �Receptor Activator of
NF-kappaB Ligand� � ist nicht das einzige in den letzten Jahren
entdeckte Gewebshormon des Knochens, das einen Angriffspunkt für die
Therapie der Osteoporose bietet. Auch das Gewebshormon Sklerostin gehört
zu den Signalstoffen, mit denen Osteoblasten und Osteoklasten
kommunizieren. Erste Studien zeigen, dass Sklerostin-Antiko�rper die
Knochendichte deutlich erhöhen. Die Expertin aus Göttingen rechnet in
den nächsten Jahren mit der Zulassung des Wirkstoffs.

Die
neuen hormonellen Mittel könnten die langfristige Sicherheit der
Osteoporosebehandlung verbessern, hofft auch DGE-Mediensprecher
Professor Dr. med. Dr. h. c. Helmut Schatz, Bochum. Die derzeit am
häufigsten eingesetzten Mittel, die Bisphosphonate, seien jedoch äußert
effektiv und blieben das Mittel der Wahl, neben der Basistherapie mit
Kalzium und Vitamin D.

Mit
der zunehmenden Lebenserwartung steigt auch die Zahl der
Osteoporosepatienten. Neben Frauen seien immer häufiger auch Männer
betroffen, was jedoch weltweit zu wenig beachtet und untersucht werde,
etwa wenn ein Mann einen Knochenbruch erlitten hat, merkt Professor
Schatz an. Zur Vorbeugung empfiehlt er: �Viel Bewegung, denn �Muskel
macht Knochen�, gesunde, kalziumreiche Ernährung und mindestens eine
halbe Stunde täglich ins Freie gehen, um die Produktion von Vitamin D in
der Haut zu steigern.�

Hoffnung für Raucher? Grundlagen-Forschung klärt Mechanismus der Atemnotkrankheit COPD auf

Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung, kurz COPD, ist
Schätzungen zufolge die dritthäufigste Todesursache weltweit. Da ihre
Abläufe aber noch weitgehend ungeklärt sind, können aktuelle Therapien
lediglich das Fortschreiten verlangsamen. Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München, berichten nun in ‚EMBO
Molecular Medicine‘ über einen bisher unbekannten Krankheitsmechanismus,
den sie bereits im Labor unterbinden konnten.  

Zigarettenrauchen
und Umweltverschmutzung stellen mit Abstand die höchsten Risiken für
eine COPD dar und führen zu einer Entzündungsreaktion in Atemwegen und
Lungengewebe. In der Folge haben Betroffene chronischen Husten, Auswurf
und Atemnot. Langfristig kommt es zu einem Verlust von Lungengewebe, was
in der Folge die Atmung erschwert.  

In der aktuellen Arbeit
konnte ein Team um Dr. Ali Önder Yildirim nun den Entzündungsprozess
näher aufklären. „Wir haben uns dabei auf tertiäre Lymphknoten* in den
Bronchien konzentriert“, erklärt Yildirim, kommissarischer Leiter des
Instituts für Lungenbiologie am Helmholtz Zentrum München, Mitglied im
Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL). Konkret untersuchten die
Forscher die sogenannten induzierbaren Bronchien assoziierten
Lymphknoten, kurz iBALT. „Mittlerweile geht man davon aus, dass die
Entstehung von iBALT ein ganz zentraler Aspekt bei einer
Verschlechterung von COPD ist – wie er aber entsteht war bis dato
unklar“, so der Studienleiter weiter.  

Entsprechend suchten die
Lungenspezialisten nach bekannten Abläufen in anderen Lymphgeweben.
Dabei wurden sie auch auf den sogenannten Oxysterol-Stoffwechsel
aufmerksam. Oxysterole sind Abkömmlinge des Cholesterins und spielen in
vielen unterschiedlichen biologischen Prozessen eine Rolle, unter
anderem bei der Wanderung von Immunzellen in das Lymphgewebe. 

„Wir
wollten nun herausfinden, ob das auch im Umfeld der Lunge und speziell
bei einer durch Zigarettenrauch bedingten COPD so ist“, berichtet
Yildirim. Tatsächlich fanden die Forscher sowohl im Versuchsmodell als
auch in der Lunge von COPD-Patienten erhöhte Mengen der Enzyme, die für
den Oxysterol-Stoffwechsel verantwortlich sind, begleitet von ins Gewebe
einwandernden Immunzellen. Weitere Versuchsreihen zeigten zudem, dass
die iBALT-Bildung gehemmt ist, wenn die Stoffwechsel-Enzyme nicht
vorhanden sind. Dadurch wurde auch das Einwandern von Immunzellen
verhindert und die Lunge nahm trotz Zigarettenrauch keinen Schaden.  

Die
Wissenschaftler versuchten anschließend diesen Effekt pharmakologisch
nachzubauen: Hierfür blockierten sie den Oxysterol-Stoffwechselweg mit
einem Hemmstoff**, woraufhin im Modellversuch das Einwandern der
Immunzellen nach Zigarettenrauch-Reizung und damit die iBALT-Bildung
verhindert wurde. „Künftig wird es unser Ziel sein, die Ergebnisse aus
dem Modell auf den Menschen zu übertragen, um möglicherweise in die
Entstehung von COPD eingreifen zu können“, hofft Ali Önder Yildirim. „Da
kommt viel Arbeit auf uns zu, auf die wir uns bereits freuen.“    

Rauchen erhöht Risiko für Rheuma

Rauchen erhöht Risiko für Rheuma und verschlimmert rheumatische Schäden

Berlin,
Mai 2018 – Raucher erkranken nicht nur häufiger an Rheuma als andere
Menschen. Die Gelenkzerstörung schreitet bei ihnen auch rascher voran.
Sieben Zigaretten am Tag steigern das Erkrankungsrisiko für eine
rheumatoide Arthritis um mehr als das Doppelte. Die Deutsche
Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) rät den Patienten deshalb
anlässlich des Welt-Nichtrauchertages am 31. Mai eindringlich, auf das
Tabakrauchen zu verzichten.

Mit
jedem Zug an einer Zigarette gelangt eine Mischung aus etwa 4.000
Substanzen in die Lungen. Die meisten Schadstoffe verteilen sich über
den Blutkreislauf im Körper. Rauchen schädigt deshalb nicht nur die
Atemwege, sondern alle Gewebe und Organe. Zu den weniger bekannten
Folgen gehört der schlechte Einfluss auf rheumatische Erkrankungen. Die
Gründe sind nach Auskunft von Professor Dr. med. Hanns-Martin Lorenz,
Präsident der DGRh und Leiter der Sektion Rheumatologie am
Universitätsklinikum Heidelberg, nicht genau bekannt: „Wir vermuten
aber, dass Rauchen Fehlfunktionen des Immunsystems hervorruft, die bei
bestimmten Menschen den letzten Anstoß zur Entwicklung einer
rheumatoiden Arthritis geben können.“ Rauchen, so der Experte, könnte
die Bildung der Antikörper fördern, die die Gelenkhaut attackieren und
dadurch die Zerstörung der Gelenke in die Wege leiten.

Die
Studienergebnisse sind eindeutig: Starke Raucher erkranken deutlich
häufiger an einer rheumatoiden Arthritis. Besonders gefährdet sind
Frauen. Bereits weniger als sieben Zigaretten am Tag steigern das
Erkrankungsrisiko um mehr als das Doppelte. Das Risiko steigt bereits
nach wenigen Jahren an und es hält noch bis zu 15 Jahre nach dem
Rauchstopp an.

Raucher
haben außerdem ein höheres Risiko auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen als
nicht-rauchende Rheumapatienten. Zudem schlagen Therapien schlechter an:
„Rauchen kann auch die Wirksamkeit von Rheumamedikamenten und hier vor
allem der neueren Biologika schwächen,“ erklärt Professor Lorenz: „Diese
Patienten benötigen deshalb unter Umständen höhere Dosierungen und sind
dadurch vermehrt den Nebenwirkungen der Rheumamittel ausgesetzt.“

Frühere
Untersuchungen haben auch gezeigt, dass Rauchen das Fortschreiten der
Erkrankung beschleunigt. Eine neue Untersuchung aus Schweden ergab, dass
es bei Rauchern bereits zu Beginn der Erkrankung häufiger zu einer
raschen Zerstörung der Gelenke kommen kann. Emil Rydell von der
Universität in Lund und Mitarbeiter haben eine Gruppe von
Rheuma-Patienten über mehr als fünf Jahre begleitet. Bei jedem fünften
Patienten kam es während dieser Zeit trotz Behandlung zu einer raschen
Verschlechterung, die sich auf den Röntgenbildern als zunehmende
Verschmälerung des Gelenkspalts und durch Erosionen des Knochens zeigte.
Raucher waren besonders häufig betroffen. Wie Rydell in der
Fachzeitschrift Arthritis Research & Therapy (2018; 20: 82)
berichtet, kam es bei aktiven Rauchern 3,6-fach häufiger zu einer
schnellen Schädigung der Gelenke. Bei früheren Rauchern war das Risiko
noch um den Faktor 2,79 erhöht.

„Die
ersten Monate und Jahre nach Beginn der Symptome sind bei der
rheumatoiden Arthritis eine entscheidende Phase“, sagt Professor Lorenz.
Eine frühzeitige Behandlung kann heute viele Patienten vor einer
Zerstörung der Gelenke und einem Verlust der Lebensqualität bewahren.
„Bei Rauchern beobachten wir leider häufig, dass die Erkrankung sich
nicht ausreichend kontrollieren lässt“, sagt der Rheumatologe. Ein
Rauchstopp gehört deshalb zu den wichtigsten Begleitmaßnahmen der
Rheumatherapie: „Alle Patienten sollten spätestens mit der ersten
Einnahme der Medikamente mit dem Rauchen aufhören.“ Diesen Rat müsse
jeder behandelnde Rheumatologe seinen Patienten im Rahmen der Behandlung
mit auf den Weg geben.

Altersproblem Muskelabbau wird oft unterschätzt

Schwäche, Sturzgefahr und Knochenbrüche:

Altersproblem Muskelabbau wird oft unterschätzt

Wiesbaden
– Ausreichend trainierte Muskulatur ist eine zentrale Voraussetzung für
den Erhalt von Gesundheit, Selbstständigkeit und Lebensqualität bis ins
hohe Alter. Der Rückgang von Muskelmasse und -funktion, die sogenannte
Sarkopenie, führt zu Gebrechlichkeit, Schwäche und Balancestörungen.
Stürze und Knochenbrüche können die Folge sein. Dennoch wird der
altersbedingte Muskelabbau mit seinen gravierenden Auswirkungen für die
Betroffenen immer noch unterschätzt: Darauf weist die Deutsche
Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM) anlässlich des
Internationalen Tages des älteren Menschen am 1. Oktober 2017 hin.
Muskelerhalt und -aufbau sei bis ins hohe Alter möglich. Ärzte sollten
deshalb immer die Muskelmasse ihrer Patienten im Blick haben und
gegebenenfalls frühzeitig Bewegung, gezieltes Training sowie eine
eiweißreiche Diät verordnen.

Etwa
ab dem 30. Lebensjahr beginnt ein physiologischer Umbau von Muskulatur
in Fettgewebe von 0,3 bis 1,3 Prozent/Jahr. „Unternimmt man nichts
dagegen, gehen so rund 30 bis 50 Prozent der Muskelmasse bis zum 80.
Lebensjahr schleichend verloren“, sagt Professor Dr. med. Cornel C.
Sieber, Vorsitzender der DGIM 2017/2018 und Chefarzt der Klinik für
Allgemeine Innere Medizin und Geriatrie am Krankenhaus Barmherzige
Brüder in Regensburg und Direktor des Instituts für Biomedizin des
Alterns der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Doch eine
gute Muskulatur ist die Voraussetzung für körperliche
Leistungsfähigkeit. „Sie ist auch entscheidend, um alltägliche
Aktivitäten wie etwa Aufstehen, Anziehen, Treppensteigen oder Einkäufe
selbstständig zu bewältigen“, sagt der Geriater. Auch helfe eine
trainierte Muskulatur, die Sturzgefahr zu vermindern. Sie erhöhe die
Widerstandskraft und trage dazu bei, Herz-Kreislauf-System, Stoffwechsel
und Gehirnfunktionen aufrecht zu erhalten. Auch für die Erholung nach
einer Operation ist ein gutes Muskelkorsett hilfreich: „Wenn der Patient
aktiv mitarbeiten kann, gelingen Frühmobilisation und Rehabilitation
besser.“

„Dennoch
ist das Problembewusstsein für Sarkopenie, auch unter uns Ärzten,
bislang eher gering“, stellt er fest. Dabei könne man den Muskelschwund
in gewissen Grenzen entgegenwirken: „Muskelaufbau ist bis ins höchste
Alter möglich“, stellt er fest. Deshalb rät er, jede Gelegenheit zu
nutzen, um körperlich aktiv zu sein. „Gerade ältere Menschen, die
ohnehin viel sitzen, sollten längere Sitzperioden regelmäßig durch
Aufstehen und ein paar Schritte Gehen für wenige Minuten unterbrechen.“
Optimal wäre eine gezielte körperliche Aktivität von 150 Minuten pro
Woche, aufgeteilt in fünf Einheiten an verschiedenen Tagen.

Mit
guter Ernährung lasse sich die Sarkopenie ebenfalls bremsen. „Im Alter
kann der Körper Eiweiß schlechter verwerten. Gleichzeitig benötigt er
mehr davon“, erklärt der Geriater. Proteine sind essentielle Bausteine
für Muskelgewebe. „Deshalb sollten ältere Menschen gezielt mehr davon zu
sich nehmen.“ Er empfiehlt eine tägliche Proteinzufuhr von 1,0–1,2
Gramm pro Kilogramm Körpergewicht (bei ausgezehrten Zuständen sogar noch
etwas mehr). Dies ist mehr als die für gesunde Erwachsene empfohlene
Menge von 0,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag. Häufig sei dies
nur durch die zusätzliche Einnahme von proteinreichen
Nahrungsergänzungen erreichbar, welche vom behandelnden Arzt verordnet
werden können. Aber auch Buttermilch enthalte in recht hoher
Konzentration das Protein Leuzin, das den Muskelaufbau unterstütze.
Vitamin D habe sich ebenfalls zum Muskelerhalt und zur Stärkung der
Knochensubstanz als wirkungsvoll erwiesen. Hier empfiehlt der
Altersmediziner die Einnahme von täglich mindestens 800 Internationalen
Einheiten (IE) Vitamin D. Aktuell werde zur Wirkung weiterer
Nährstoffgaben zum Aufhalten des Muskelabbaus geforscht. Für eine
abschließende Empfehlung sei es jedoch noch zu früh.

„Sarkopenie
als Risikofaktor für funktionelle Einbußen sollte angegangen werden,
bevor die Patienten irreversible Einschränkungen erleiden“, sagt auch
Professor Dr. med. Dr. h. c. Ulrich R. Fölsch, Generalsekretär der DGIM
aus Kiel. Rückwirkend sei es viel schwerer, verlorenes Terrain zurück zu
gewinnen. „Gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Alterung unserer
Gesellschaft ist hier ein Umdenken aller Beteiligten – Ärzte,
Pflegekräfte, Physiotherapeuten und Patienten – in Richtung Prävention
erforderlich.“

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Fragen an Professor Sieber:

Woran erkennt man, dass eine Sarkopenie vorliegt?

„Bei
Sarkopenie sind Muskelmasse, Muskelkraft – etwa die Greifkraft der
Hände – und die Muskelfunktion – zum Beispiel die Gehgeschwindigkeit des
Patienten oder die Fähigkeit, vom Stuhl aufzustehen – vermindert. Ein
Durchmesser des Unterschenkels von weniger als 31 cm ist ebenfalls ein
Hinweis für das Vorliegen einer Sarkopenie.“

Wie sieht die optimale Ernährung im Alter aus? Worauf sollte man besonders achten?

„Eine
ausgewogene mediterrane Ernährung ist optimal. Dazu gehören viel Gemüse
und Obst, Olivenöl, Eier und Nüsse. Das Eiweiß sollte mehr aus Pflanzen
und Fisch stammen, als aus rotem Fleisch. Auch ein moderater Weinkonsum
ist erlaubt. Eine angemessene Kalorienzufuhr von 25–30 Kcal pro
Kilogramm Körpergewicht sowie etwa 1,5 Liter Flüssigkeitszufuhr sind
gerade im Alter wichtig.“

Welche Proteinergänzungsnahrung ist zum Muskelaufbau im Alter geeignet? Kann ich Proteinpräparate für Sportler verwenden?

„Die
tägliche Proteinzufuhr sollte 1,0–1,2 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht
betragen. Daneben zeigen sogenannte „fast proteins“ einen besonders
guten Muskelaufbauenden (anabolen) Effekt. Hier wird aktuell zumeist das
Leuzin eingesetzt, das etwa in recht hoher Konzentration in Buttermilch
enthalten ist (siehe auch die unten aufgeführte Studie PROVIDE).“