Archiv der Kategorie: Klassische Medizin

Anzeichen für Cannabismissbrauch

Anzeichen für Cannabismissbrauch: Übelkeit, Bauchkrämpfe und heißes Duschen

fzm, Stuttgart, März 2014 – Wenn der Anfall einsetzt, wird ihnen speiübel, sie müssen sich übergeben und krümmen sich vor Bauchschmerzen. Suchtmediziner sehen die Störung in letzter Zeit häufiger. Die Kombination aus Übelkeit, Bauchkoliken und einer hohen Wasserrechnung ist für sie ein untrügliches Zeichen für das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom, für das es laut einem Bericht in der Fachzeitschrift „DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift“ (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2014) nur eine Behandlungsmöglichkeit gibt: den vollständigen Verzicht auf die Hanfdroge.

Die neue Erkrankung wurde zunächst in Süd-Australien beobachtet, wo Drogengesetze lockerer sind und die Jugend sich gerne bei einem Joint im Park entspannt. Die Mediziner dort vermuteten zunächst eine psychogene Störung, die sich wieder gibt. Mittlerweile sind sie sich jedoch sicher, dass das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom eine handfeste und ernstzunehmende Folge eines langjährigen, in der Regel hochdosierten Cannabiskonsums ist, wie Professor Udo Bonnet von der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in Castrop-Rauxel berichtet.

Die Erkrankung ist in Deutschland noch wenig bekannt. Die Drogenkonsumenten erkennen den Zusammenhang meistens nicht, einige versuchen sogar, die Übelkeit mit der Droge zu bekämpfen. Viele haben im Internet recherchiert, dass Cannabis gegen Übelkeit hilft, erläutert Professor Bonnet. Dort lesen sie, dass Cannabis sogar bei Krebskranken eingesetzt wird, um eine Chemotherapie erträglicher zu machen.

Auch von den Ärzten wird das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom nur selten diagnostiziert. Wegen der akuten Dynamik und oft dramatischen Symptomatik der zyklisch auftretenden „abdominellen Krisen“ haben die Patienten in der Regel mehrfach das gesamte ambulante und stationäre Notfallhilfesystem ihrer Region durchlaufen, schreibt Professor Bonnet in der DMW. Dort schildert der Suchtexperte den Fall eines jungen Konsumenten, der von einem Hausarzt als letztem Heilversuch sogar mit Morphin-Infusionen behandelt wurde. Dies linderte zwar die Übelkeit, behob aber nicht die Ursache der Probleme. Schon bald benötigte der Patient Methadon zum Opiatentzug.

Schließlich wurde beides, Methadon und Cannabis, abgesetzt. „Während der zweiwöchigen kontrollierten Abstinenz ist das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom nicht wieder aufgetreten“, berichtet Professor Bonnet. Geheilt war der Patient dadurch jedoch nicht. Der jahrelange Cannabiskonsum hatte zu einer ausgeprägten Antriebs- und Motivationsstörung geführt. „Er hatte keine sozialen Kontakte und Beziehungen mehr, seine Ausbildung hatte er abgebrochen“, so Professor Bonnet weiter. Die Suchtmediziner überwiesen den Patienten in eine Fachklinik, wo die Entwöhnung fortgesetzt und die Rückkehr in die Gesellschaft vorbereitet werden soll.

Ein Cannabis-Hyperemesis-Syndrom ist nicht ungefährlich: „Schwere Elektrolytstörungen und sogar ein Nierenversagen sind möglich“, warnt der Experte. Manche Patienten erlitten sogar Hautverbrennungen durch zu heißes Duschen. Zudem können Duschen und Baden zu einem Zwangsverhalten werden, erläutert Professor Bonnet.

Eine Alternative zum Drogenverzicht sieht er nicht. Medikamente gegen Erbrechen seien wirkungslos, Beruhgungsmittel wie Lorazepam könnten die Patienten süchtig machen und Pschopharmaka hätten schwere Nebenwirkungen.

Nicht nur Männer profitieren vom Screening

DEGUM: Nicht nur Männer profitieren vom Screening

Berlin
– Männer, die sich einmalig einem Ultraschall-Screening zur Erkennung
eines Bauchaortenaneurysmas unterziehen, haben nachweislich ein
vermindertes Sterberisiko. Zu diesem Ergebnis kommt das Institut für
Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). „Die
Ergebnisse dieser Nutzenbewertung lassen es also sinnvoll erscheinen,
für Männer ab 65 Jahren ein einmaliges Screening durchzuführen“, teilte
das IQWiG kürzlich mit. Experten der Deutschen Gesellschaft für
Ultraschall in der Medizin (DEGUM) begrüßen die Empfehlung. Auch die
DEGUM hat sich gegenüber dem G-BA klar für Reihenuntersuchungen der
Bauchschlagader ausgesprochen. Denn eine krankhafte Aussackung und ein
Riss des Gefäßes können lebensbedrohlich sein. Die Experten der
Fachgesellschaft empfehlen jedoch, auch Frauen einzubeziehen. Zudem
sollten Risikopersonen bereits ab einem Alter von 55 Jahren untersucht
werden.

„Patienten
mit Bluthochdruck, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen oder starke
Raucher haben ein deutlich erhöhtes Risiko bereits in jüngeren Jahren an
einem Aneurysma zu erkranken“, erläutert Dr. med. Clemens Fahrig,
Sprecher des DEGUM-Arbeitskreises „Vaskulärer Ultraschall“. Außerdem
sollten nach Ansicht der DEGUM auch Frauen an dem Programm teilnehmen.
„Da sie viel seltener betroffen sind, gibt es über Frauen weniger
Daten“, erklärt der Chefarzt Innere Medizin und Leiter des Gefäßzentrums
am Evangelischen Krankenhaus Hubertus in Berlin. Dies bedeute nicht,
dass sie nicht ebenso von einem Vorsorge-Ultraschall profitieren. Im
Jahr 2013 wurden in Deutschland 13 700 Patienten – darunter knapp 2000
weibliche – mit einem Bauchaortenaneurysma im Krankenhaus behandelt.

Ein
Aneurysma entwickelt sich im Laufe der Zeit von einer leichten
Gefäßerweiterung zu einer immer dünnwandigeren Aussackung. Betroffene
zeigen häufig keinerlei Symptome. Bleibt die Erkrankung unerkannt,
drohen das Gefäß zu reißen und der Patient innerlich zu verbluten. „Nur
ein Bruchteil der Patienten mit einem rupturierten Aneurysma kann durch
eine sofortige Operation gerettet werden“, erläutert Fahrig. Meist komme
jede Hilfe zu spät.

Erkennen
Ärzte ein bedrohliches Aneurysma mit Hilfe einer
Ultraschalluntersuchung, können sie durch eine offene Operation oder
einen minimalinvasiven Eingriff meist verhindern, dass die
Hauptschlagader platzt. Die Früherkennung habe zudem noch einen weiteren
positiven Effekt, erläutert DEGUM-Experte Fahrig: „Die frühzeitige
Diagnose auch geringerer Aneurysmen hat häufig eine konsequentere
Behandlung der Risikofaktoren insbesondere des arteriellen Hypertonus
zur Folge“. Dies verhindere nicht nur das Fortschreiten der
Gefäßaussackung, sondern beuge auch schwerwiegenden
Herzkreislauferkrankungen wie etwa Infarkten vor. „Sowohl Männer als
auch Frauen gewinnen durch die Früherkennung kostbare Lebensjahre“, ist
der Ultraschall-Experte überzeugt.

Die
DEGUM empfiehlt, das Screening durch gut ausgebildete Angiologen,
Gefäßchirurgen, Internisten, Chirurgen sowie Radiologen und
Allgemeinmediziner durchzuführen, die mindestens eine Qualifikation der
DEGUM Stufe I aufweisen. „Findet der Erstuntersucher Hinweise auf ein
Aneurysma, sollte die weitere Behandlung in einem zertifizierten
Gefäßzentrum durchgeführt werden“, fordert die Fachgesellschaft. Die
DEGUM weist darauf hin, dass Patienten bereits jetzt die Möglichkeit
haben, den Ultraschall-Check für rund 25 Euro auf eigene Kosten
vornehmen zu lassen. Bisher bezahlt eine einzige Krankenkasse das
Screening für Männer ab 60 Jahren im Rahmen der vertragsärztlichen
Versorgung – allerdings nur im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung
Westfalen-Lippe.

Über die DEGUM

Die
Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) bietet ein
Forum für den wissenschaftlichen und praktischen Erfahrungsaustausch
auf dem Gebiet des medizinischen Ultraschalls. Sie vereint mehr als 9
000 Ärzte verschiedener Fachgebiete, medizinische Assistenten,
Naturwissenschaftler und Techniker. Ultraschalldiagnostik ist heute das
am häufigsten eingesetzte bildgebende Verfahren in der Medizin.
Ultraschallanwendern bescheinigt die DEGUM eine entsprechende
Qualifikation mit einem Zertifikat der Stufen I bis III. DEGUM 
zertifizierte Ärzte finden Patienten im Internet unter:
www.degum.de.

Alt werden, gesund bleiben

Alt werden, gesund bleiben

Sechs Forschungsverbünde zur Gesundheit im Alter stellen in Hamburg ihre Ergebnisse vor / Wanka: "Risiken früher erkennen und besser vorbeugen"

Alt zu werden und gesund zu bleiben – diesem Ziel ist die Menschheit bereits ein gutes Stück näher gekommen: Seit 1960 ist die Lebenserwartung in den OECD Mitgliedsländern bereits um rund 11 Lebensjahre gestiegen. Dies ist nicht zuletzt den enormen Fortschritten der medizinischen Forschung und Versorgung zu verdanken. Aber: Etwa 60 Prozent der Menschen über 65 Jahre haben mindestens drei chronische Erkrankungen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt deshalb Wissenschaftler dabei, die medizinische Versorgung älterer Menschen weiter zu verbessern. Seit 2007 fördert das Ministerium sechs Forschungsverbünde zur "Gesundheit im Alter" mit rund 35 Millionen Euro. Ergebnisse ihrer Arbeiten und künftige Herausforderungen werden am 17. und 18. Oktober auf einer gemeinsamen Veranstaltung in Hamburg diskutiert.

"Wir wünschen uns alle, die gewonnenen Lebensjahre gesund und mit hoher Lebensqualität zu verbringen. Die von uns geförderten Projekte liefern dafür wichtige Erkenntnisse. Sie ermöglichen eine gezieltere Beratung und helfen, Gesundheitsrisiken früher zu erkennen und ihnen besser vorzubeugen", sagte Bundesforschungsministerin Johanna Wanka.

So hat das Berliner Projekt AMA gezeigt, dass Autonomie im Alter selbst bei vorhandener Multimorbidität gesichert werden kann, wenn bestimmte persönliche, soziale und institutionelle Voraussetzungen geschaffen werden. ESTHER-Net aus Heidelberg hat Strategien zur Prävention und Versorgung von Gebrechlichkeit erforscht. Der Münchener Forschungsverbund KORA-Age zeigt: Die Möglichkeit, soziale Kontakte zu knüpfen und zu pflegen, ist ein entscheidender Faktor für das Wohlbefinden im Alter. Dabei spielen Geschlech terunterschiede eine Rolle: Frauen leiden häufiger unter körperlichen Störungen, bei Männern ist die kognitive Leistungsfähigkeit öfter eingeschränkt.

Der LUCAS Verbund in Hamburg hat auf Grundlage einer Langzeitstudie Empfehlungen für gezielte Beratung, Früherkennung und Gesundheitsförderung entwickelt. Wie sich Wechselwirkungen einzelner Krankheiten besser berücksichtigen lassen steht im Zentrum des Hamburger Projekts MultiCare. Und ein für Ärzte, ältere Menschen und ihre Angehörigen direkt nutzbares Forschungsergebnis fasst die sogenannte "Priscus-Studie" zusammen. Sie listet Medikamente auf, die für ältere Menschen potenziell ungeeignet sind. Die entsprechende Broschüre "Medikamente im Alter" kann direkt über die BMBF-Homepage bestellt werden.

Mehr klinische Fachexpertise bei der frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln

AWMF fordert mehr klinische Fachexpertise bei der frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln

Düsseldorf – Die AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften
e.V.) sieht Verbesserungsbedarf bei der frühen Nutzenbewertung von
Arzneimitteln. Das seit 2011 gültige Verfahren im Rahmen des
Arzneimittelmarktneuordnungsgesetztes (AMNOG) weist Mängel auf. Ein
besonderer Kritikpunkt ist die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA)
festgelegte Vergleichstherapie, die nicht immer mit dem aktuellen
medizinischen Standard übereinstimmt. Die AWMF zeigt jetzt in einer
Stellungnahme Vorschläge zur Verbesserung des Verfahrens auf. Sie mahnt
zudem erneut, die medizinischen wissenschaftlichen Fachgesellschaften
enger in die Nutzenbewertung einzubinden.

In
der frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln erkennt die AWMF ein
sinnvolles Instrument, um Qualität und Wirtschaftlichkeit der
Gesundheitsversorgung zu fördern. Entgegen bisherigen Annahmen verfehlt
das AMNOG Verfahren jedoch bislang dieses Ziel. Gemeinsam mit 13
Mitgliedsfachgesellschaften gründete die AWMF deshalb im September 2014
die Arbeitsgruppe „Frühe Nutzenbewertung“. Die AG schlägt jetzt sieben
konkrete Punkte vor, um das Verfahren der frühen Nutzenbewertung von
Arzneimitteln zu verbessern.

Danach
sollte der G-BA schon bei der Wahl der Vergleichstherapie unabhängige
klinische Fachexperten anhören. „Für eine differenzierte Beurteilung des
Nutzens sind zusätzliche klinische Informationen unerlässlich, die den
Studien nicht zu entnehmen sind“, erläutert der Vizepräsident der AWMF,
Professor Dr. med. Dr. med. dent. Wilfried Wagner aus Mainz. Die Auswahl
der Fachexperten könnte die AWMF koordinieren. Derzeit finden bisweilen
Vergleiche mit Arzneimitteln statt, die in den aktuellen
evidenzbasierten Leitlinien der Fachgesellschaften gar nicht empfohlen
werden. „Die Berücksichtigung des aktuellen Stands des Wissens und
vorhandener Leitlinien ist eine unerlässliche Voraussetzung für die
möglichst präzise Bestimmung des patientenrelevanten Zusatznutzens neuer
Arzneimittel“, betont Prof. Dr. med. Bernhard Wörmann, Medizinischer
Leiter der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische
Onkologie, und Mitglied der AG „Frühe Nutzenbewertung der AWMF. Und
dieses gilt nicht nur für den G-BA oder das jeweils bewertende Institut
sondern auch für die pharmazeutischen Hersteller.

Ebenfalls
zu Beginn des Verfahrens, bei der Wahl der Therapieziele, müssten neben
den klinischen Fachexperten vor allem Patientenvertreter in die
Entscheidungen einbezogen werden. Verbesserungschancen sieht die AWMF
nicht nur bei den Vergleichstherapien und den Therapiezielen: Optimieren
ließe sich auch der Umgang mit Informationen von Untergruppen von
Patienten, die von dem neuen Medikament profitieren könnten. Aus solchen
Untergruppen gewonnene Ergebnisse müssten sich in der Regel erst in
weiteren Studien erhärten. Das Verfahren zur Nutzenbewertung von
Arzneimitteln zur Behandlung seltener Erkrankungen, den Orphan Drugs,
unterliegt zudem weit weniger scharfen Kriterien als für reguläre
Arzneimittel. Hier schlägt die AWMF vor, dass der G-BA gemeinsam mit den
wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften die
Bewertungsmethoden überprüft und bei Bedarf anpasst. Die AWMF sieht
darüber hinaus dringenden Bedarf für eine europäische Harmonisierung der
Kriterien für Nutzenbewertungen und der Anforderungen für
Zulassungsverfahren.

Durch
eine enge Einbindung der medizinischen wissenschaftlichen
Fachgesellschaften lässt sich gewährleisten, dass Leistungserbringer und
vor allem Patienten und ihre Angehörigen die Entscheidungen zur frühen
Nutzenbewertung akzeptieren.

Auf der Webseite der AWMF finden Sie die vollständige „Stellungnahme der AWMF zum Verfahren der Frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln
nach §35a SGBV und aufgrund des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes
(AMNOG) von 2010“

Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) e.V. bündelt die Interessen der medizinischen Wissenschaft und trägt
sie verstärkt nach außen. Sie handelt dabei im Auftrag ihrer 168
medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften. Gegründet 1962 mit
dem Ziel, gemeinsame Interessen stärker gegenüber dem Staat und der
ärztlichen Selbstverwaltung zu positionieren, erarbeitet die AWMF
seitdem Empfehlungen und Resolutionen und vertritt diese im
wissenschaftlichen und politischen Raum. Die AWMF ist Ansprechpartner
für gesundheitspolitische Entscheidungsträger, wie den Gemeinsamen
Bundesausschuss, und koordiniert die Entwicklung und Aktualisierung
medizinisch wissenschaftlicher Leitlinien in Deutschland. Jede
gemeinnützige Fachgesellschaft in Deutschland kann Mitglied werden,
sofern sie sich wissenschaftlichen Fragen der Medizin widmet. Die AWMF
finanziert sich vorwiegend durch die Beiträge ihrer Mitgliedsgesellschaften und Spenden.

Verblüffende Methode zur Blutdruckmessung

pte20181122001 Medizin/Wellness, Forschung/Technologie

Pulsoximeter taugen zur Blutdruckmessung

Erste wissenschaftliche Tests in Kanada haben eine Genauigkeit von bis zu 95 Prozent ergeben

(pte001/22.11.2018/06:00) – Eine rasche und einfache Überwachung des
Blutdrucks könnte laut einer Studie von Forschern der University of
British Columbia http://ubc.ca bald zum Greifen nahe sein. Das Team um Mohamed Elgendi hat
nachgewiesen, dass sich sogenannte Pulsoximeter für eine Messung
erfolgreich einsetzen lassen. Dabei sind diese Geräte eigentlich nicht
für diesen Zweck gedacht. Details wurden im "Journal of Clinical
Medicine, Biosensors, Diagnostics, and Scientific Data" veröffentlicht.

Bluthochdruck schnell erkennen

Laut Elgendi kann ein Pulsoximeter, das an einem Finger oder einer Zehe
befestigt wird, um die Herzfrequenz und die Sauerstoffkonzentration im
Blut zu messen, auch einen normalen, erhöhten oder hohen Blutdruck mit
einer Genauigkeit von bis zu 95 Prozent feststellen. "Damit liegt nahe,
dass dieses Gerät mit geringfügigen Veränderungen auch für die
Überwachung des Blutdrucks eingesetzt werden kann."

Bluthochdruck oder ein zu hoher Blutdruck steht allein in den USA mit
1.100 Todesfällen pro Tag in Zusammenhang. Daher ist es den Forschern
nach von entscheidender Bedeutung, dass bei gefährdeten Personen laufend
Messungen durchgeführt werden. Die Herausforderung besteht darin, dass
die derzeit zur Verfügung stehenden Verfahren Einschränkungen
unterworfen sind.

"Die aufblasbare Armmanschette kann zwar einfach eingesetzt werden, die
Genauigkeit der Messungen hängt jedoch von der Platzierung auf dem Arm
und den Fähigkeiten der Person ab, die die Messung durchführt", sagt
Elgendi. Die intraarterielle Blutdruckmessung ist im Gegensatz dazu sehr
genau, macht aber einen Eingriff erforderlich. Dafür ist es notwendig,
dass der Arzt eine Nadel in einer Arterie anbringt.

Elektrische Signatur für Diagnose

Die aktuelle Studie hat Elgendi zufolge erstmals die
Einsatzmöglichkeiten von Pulsoximetern basierend auf den Daten von
Patienten untersucht. Erstmalig wurde dafür auch ein großes Sample mit
Daten aus zwei Ländern ausgewertet. Die Forscher analysierten die Daten
von 121 Patienten eines Krankenhauses in Boston und 219 Patienten, die
in der chinesischen Provinz Gulin in einem Krankenhaus behandelt wurden.

Die Daten wurden über ein eigens entwickeltes mathematisches Programm
ausgewertet. Dabei wurden neun elektrische Signaturen oder Muster
sichtbar, die eindeutig mit einem Bluthochdruck in Verbindung standen.
Laut Elgendi ist damit der Nachweis gelungen, dass das Pulsoximeter ein
zuverlässiges Verfahren für die Festgestellung eines Bluthochdrucks ist.
In den nächsten Monaten sollen Tests mit anderen Patientengruppen
durchgeführt werden.

Chlamydien-Bakterien endlich im Griff? Gentechnik machts möglich

pte20190207001 Medizin/Wellness, Forschung/Technologie

Chlamydien: Gentherapie statt Antibiotika

Nanotechnologie verhindert Ausbreitung der Krankheit – Eine Dosis hat Erfolgsrate von 65 Prozent

(pte001/07.02.2019/06:00) – Forscher der University of Waterloo http://uwaterloo.ca haben eine neue Möglichkeit zur Prävention und Behandlung von
Chlamydien-Infektionen entwickelt. Sie gelten weltweit als die häufigste
sexuell übertragene bakterielle Infektion. Der neue Ansatz basiert
nicht auf Antibiotika, sondern auf einer Gentherapie, die mittels
Nanotechnologie zum Einsatz kommt. Mit einer einzelnen Dosis konnte bei
der Prävention eine Erfolgsrate von 65 Prozent erreicht werden.

Unfruchtbarkeit vermeiden

Laut Forschungsleiter Emmanuel Hon nehmen die Resistenzen gegen
Antibiotika weiter zu, viele Patienten könnten daher die Erfahrung
machen, dass ihre Infektion auf herkömmlichem Weg nicht mehr zu
behandeln ist. "Wird eine Infektion nicht behandelt oder muss die
Behandlung über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden, kann es zu
Unfruchtbarkeit und anderen gesundheitlichen Problemen kommen. Daher ist
es wichtig, neue Behandlungsansätze zu finden.

"Da die U.S Food and Drug Administration kürzlich das erste
siRNA-Medikament zugelassen hat, hoffen wir, dass diese Art von
Forschung in Zukunft allgemein zugänglich sein wird", so Hon. Die neue
Therapie zielt auf die Infektion ab, indem der Großteil der Bakterien
daran gehindert wird, in die Zellen des Genitaltrakts einzudringen sowie
auf die Zerstörung aller Bakterien, die in der Lage sind, eine Zellwand
zu durchdringen. Dafür nutzt das Team eine siRNA, die auf das Gen
PDGFR-beta in den weiblichen Geschlechtsorganen abzielt. Dieses Gen
spielt bei einem Protein eine entscheidende Rolle, das sich an die
Chlamydienbakterien anbindet.

Gegen Produktion von Protein

"Durch das Abzielen auf PDGFR-beta konnten wir die Produktion des
Proteins verhindern, das die Chlamydien nutzt, um in die Hautzellen des
Genitaltrakts einzudringen. In der Folge hat eine auftretende Infektion
weniger mögliche Ziele und tritt weniger wahrscheinlich auf", sagt Hon.
Können sich Chlamydienbakterien an Zellen anbinden und in sie
eindringen, dann ist die Behandlung mittels Nanomedizin darauf
ausgerichtet, eine Autophagie auszulösen.

Dabei wird den infizierten Hautzellen ermöglicht, eine Blase rund um das
Bakterium zu bilden und es zu zerstören. Allein ist es der siRNA nicht
möglich, in die Hautzellen einzudringen, die Expression von PDGFR-beta
zu verringern und eine Anbindung der Chlamydien zu verhindern. Die neue
Gentherapie nutzt daher ein Nanopartikel, das es der siRNA ermöglicht,
in die Zellen einzudringen und in der Folge verhindert, dass sich die
Krankheit ausbreitet. Die Forschungsergebnisse wurden in "Scientific
Reports" veröffentlicht.

Bald nur noch 100jährige ?

Steigende Zahl Älterer als Herausforderung für das Gesundheitssystem
 
Odense (pte/02.10.2009/10:00) – Mehr als die Hälfte der Kinder, die heute in Großbritannien und anderen reichen Ländern geboren werden, haben laut dem Danish Ageing Research Centre an der Syddansk Universitet http://www.sdu.dk eine Lebenserwartung von 100 Jahren. Die zusätzlichen Lebensjahre werden auch mit weniger ernsten gesundheitlichen Beeinträchtigungen verbracht werden. Daten von mehr als 30 entwickelten Ländern zeigen, dass sich seit 1950 für beide Geschlechter die Wahrscheinlichkeit, älter als 80 Jahre zu werden, verdoppelt hat. Details der Untersuchung wurden in The Lancet veröffentlicht.

Die Lebenserwartung steige seit 1840 ständig an, ein Ende dieses Trends sei nicht abzusehen, erklärte der leitende Wissenschaftler Kaare Christensen. Würde die Lebenserwartung eine Grenze erreichen, erwarte der Wissenschaftler eine Verlangsamung der Entwicklung. In den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts lag die Wahrscheinlichkeit, zwischen 80 und 90 Jahre alt zu werden, für Frauen durchschnittlich bei 15 bis 16 Prozent und zwölf Prozent bei Männern. 2002 waren diese Werte auf 37 Prozent für Frauen und 25 Prozent für Männer angestiegen.

Bis zu den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hätten Verbesserungen bei der Überlebensrate bei Kleinkindern und in der Kindheit am meisten zur Erhöhung der Lebenserwartung beigetragen. Seit damals ist der Anstieg durch die Erhöhung der Überlebensrate der älteren Menschen verstärkt worden, die vor allem seit den siebziger Jahren deutlich geworden ist. Die Menschen verfügen laut den Wissenschaftlern heute über vier Lebensalter: Kind, Erwachsener, junges Alter und altes Alter. Es gebe keine Hinweise darauf, dass die älteste Gruppe weniger gesund sei. Verantwortlich dafür sei teilweise, dass die Gebrechlichsten zuerst stürben.

Dänische Forscher hatten laut BBC nachgewiesen, dass 30 bis 40 Prozent der Menschen im Alter zwischen 92 und 100 Jahren noch völlig unabhängig waren. Eine US-amerikanische Studie mit 110- bis 119-Jährigen zeigte, dass auch in diesem Alter 40 Prozent wenig Unterstützung brauchten oder unabhängig waren. Christensen erläuterte, dass es in Großbritannien und anderen Ländern Hinweise auf eine Aufschiebung der Einschränkungen und Behinderungen durch eine schlechte Gesundheit gebe. Das Ansteigen der chronischen Erkrankungen spiele dabei eigentlich keine Rolle. Verantwortlich dafür seien die Verbesserungen bei Diagnose und Behandlung von Herzerkrankungen oder Krebs. Die steigende Anzahl von alten und sehr alten Menschen bedeute in Zukunft eine große Herausforderung für das Gesundheitssystem.

Warum traumatisierte Kinder im Erwachsenenalter häufiger krank werden

„Narben“ im Gehirn:
Warum traumatisierte Kinder im Erwachsenenalter häufiger krank werden

Berlin
– Wer im Kindesalter traumatische Erfahrung macht, ist als Erwachsener
anfälliger für psychische Krankheiten, aber auch für
Herz-Kreislauf-Erkrankungen, gastrointestinale Störungen, Diabetes und
Krebs. Frühe Stresssituationen können Effekte auf das Gehirn, den
Stoffwechsel und das Immunsystem haben, die diese Erkrankungen
begünstigen. Auf der Jahres-Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft
für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN) am
Donnerstag, den 15. März 2018 in Berlin gibt Professor Dr. rer. nat.
Christine Heim, Direktorin des Instituts für Medizinische Psychologie an
der Charité in Berlin, Einblicke in die Auswirkungen kindlicher
Traumatisierung und liefert damit neue Ansatzpunkte für gezielte
Interventionen.

In
einer deutschlandweiten Umfrage gaben 27,7 Prozent der befragten
Erwachsenen an, mindestens eine Form der Misshandlung in ihrer Kindheit
erfahren zu haben. „Zahlreiche Studien belegen, dass belastende
Erfahrungen im Kindesalter das Risiko für psychische und körperliche
Erkrankungen im Erwachsenenalter erhöhen“, so Professor Dr. med. Agnes
Flöel, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Neurologie,
Universitätsmedizin Greifswald und Präsidentin der DGKN. „Die Frage ist,
wie die frühen Belastungen strukturelle und funktionelle Veränderungen
in Gehirn und Körper hervorrufen und was wir dagegen tun können.“

Wie
traumatisierende Erlebnisse in der Kindheit die Gehirnentwicklung
verändern, zeigt Professor Christine Heim an der Charité Berlin zusammen
mit ihrer Arbeitsgruppe mittels Bildgebung: „Gerade die Gehirnareale,
die für die Stressregulation zuständig sind, sind bei den Probanden
verkleinert.“ Weitere Untersuchungen zeigen außerdem, dass Erwachsene,
die von belastenden Erfahrungen wie körperliche oder psychische
Misshandlungen in der Kindheit berichten, chronisch erhöhte
Entzündungswerte aufweisen. „Das Immunsystem ist quasi dauerhaft im
Einsatz, und damit schreitet auch die Zellalterung schneller voran“,
erklärt Heim.

Psychische
und körperliche Erkrankungen im Erwachsenenalter werden häufig durch
akute oder chronische Belastungen ausgelöst – bei Erwachsenen, die in
der Kindheit traumatische Erfahrungen gemacht haben, scheint die
Stresstoleranz herabgesetzt. „Diese Menschen reagieren sensibler auf
Stress, weil ihr Stressreaktionssystem möglicherweise sensibilisiert
ist“, so Heim.

Selbst
Stresssituationen in der Schwangerschaft wirken sich langfristig
negativ auf die Entwicklung des Kindes aus: War die Mutter während der
Schwangerschaft großen Belastungen ausgesetzt, können Kinder
Beeinträchtigungen in metabolischen, endokrinen, immunologischen und
kognitiven Funktionen und Abweichungen in der Gehirnentwicklung zeigen.
Neben der pränatalen Entwicklung gelten gerade die ersten Jahre im Leben
eines Kindes als besonders sensibles Fenster für die langfristigen
Folgen äußerer Einflüsse.

Der
Grundstein für Gesundheit versus Krankheit wird also bereits sehr früh
im Leben gelegt: traumatische Erfahrungen im Kindesalter hinterlassen
neurobiologische Spuren, die die Betroffenen ihr ganzes Leben lang
anfällig für Erkrankungen machen können. Dieser Effekt kann sogar an die
nächste Generation weitergegeben werden.

„Durch
neue Diagnostik- und Therapieansätze kann dieser Kreislauf durchbrochen
werden“, ist Professor Heim überzeugt. Betroffene mit einem erhöhten
Krankheitsrisiko müssen früh erkannt und individuell behandelt werden.
Durch die Entschlüsselung der neurobiologischen Prozesse können
Medikamente entwickelt werden, die – kombiniert mit Psychotherapie –
gezielt ansetzen. Auch Hirnstimulation könnte gegebenenfalls zukünftig
eingesetzt werden, um die schädlichen Veränderungen in den betroffenen
Hirnstrukturen umzukehren. „Prävention und Intervention müssen
frühestmöglich greifen, um die lebenslangen Auswirkungen für die
Betroffenen minimieren zu können“, resümiert Professor Heim.

Sport: Bei Diabetes lebensverlängernd

Radfahren, Schwimmen und Nordic Walking anstelle von Medikamenten
Bewegung ist bei Diabetes Typ 2 das A und O

Berlin
– Der Frühling lockt viele Menschen an die frische Luft und animiert
dazu, sich die Sportschuhe anzuziehen. Sportliche Aktivitäten halten
nicht nur fit, sie senken auch die Blutzucker-, Blutfett- und
Blutdruckwerte. Das ist besonders für Menschen mit Diabetes wichtig, da
sie so Folgeerkrankungen vorbeugen. Im Idealfall benötigen aktive
Menschen mit Diabetes Typ 2 dann auch weniger Medikamente. Doch nicht
jede Sportart eignet sich gleichermaßen für Patienten. Worauf Menschen
mit Diabetes Typ 2 achten sollten und wie Menschen mit Diabetes Typ 1
eine Unterzuckerung beim Sport vermeiden, erklärt Privatdozent Dr. med.
Axel Preßler, Facharzt für Kardiologie, Innere Medizin sowie Sport- und
Präventivmedizin aus München, am Donnerstag, den 26. April 2018 im
Expertenchat von diabetesDE. Interessierte können ihre Fragen schon
jetzt unter
www.diabetesde.org/chat einsenden.

Zu
viel Sitzen ist ungesund – es begünstigt neben
Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Rückenbeschwerden auch Diabetes Typ 2.
Deshalb ist Bewegung das A und O für einen gesunden Organismus. Bereits
eine halbe Stunde strammer Spaziergang pro Tag senkt den
Blutzuckerspiegel nachweislich. Denn Sport befördert den Zucker aus dem
Blut ganz von selbst in die Körperzellen.

Für
Menschen mit Diabetes Typ 2 ist Bewegung daher ein besonders wichtiger
Bestandteil der Therapie. „Wollen sie ihren Blutzucker langfristig ohne
oder mit weniger Insulin oder Tabletten senken, klappt das nur, wenn sie
regelmäßig sportlich aktiv sind. Optimal sind fünf bis sechs Mal pro
Woche für je eine halbe Stunde“, erklärt Dr. Axel Preßler. Ideal für
Menschen mit Diabetes ist dabei Ausdauersport, der nicht nur Kalorien
verbrennt, sondern gleichzeitig auch das Herz-Kreislauf-System und die
Lunge stärkt. „Dazu gehören beispielsweise Nordic Walking, Radfahren
oder Schwimmen“, so Preßler weiter. Auch Krafttraining ist besonders für
Menschen mit Diabetes Typ 2 wichtig, da durch den Muskelaufbau die
Insulinsensibilität verbessert wird. Das heißt, es gelangt wieder mehr
Glukose in die Zellen und der Blutzuckerspiegel sinkt. „Die Sportarten
Tauchen, Motorsport oder Bergsteigen sind für Patienten weniger
geeignet, da sie im Falle einer Unterzuckerung sich oder auch andere
gefährden könnten“, sagt Preßler. „Grundsätzlich ist es aber auch für
Menschen mit Diabetes möglich, Leistungssport zu treiben“, ergänzt der
Dozent der Technischen Universität München.

Menschen
mit Diabetes, die neu oder wieder in sportliche Aktivitäten einsteigen
möchten, sollten sich vor dem ersten Training von ihrem behandelnden
Arzt beraten lassen. Die feinen Herzkranzgefäße können bei Menschen, die
schon lange Diabetes Typ 1 oder Typ 2 haben, verkalkt sein. „Ein
Check-Up gibt Aufschluss darüber, welche Sportart sich in welcher
Intensität am besten eignet“, so Preßler. „Wer lange keinen Sport
getrieben hat, sollte langsam beginnen und erst schrittweise Dauer und
Intensität steigern.“ Um eine Überlastung zu vermeiden, kann der Arzt
die körperliche Leistungsfähigkeit des Patienten feststellen und auf
deren Grundlage einen Trainingsplan entwerfen. Zudem kann ein
Diabetes-Berater dabei helfen, einen passenden Ernährungsplan
auszuarbeiten.

Fragen
rund um das Thema Diabetes und Sport beantwortet Dr. Preßler am
Donnerstag, den 26. April 2018 im Expertenchat von diabetesDE – Deutsche
Diabetes-Hilfe.

Gemeinsam über Therapie entscheiden

Arzt und Patient: Gemeinsam über Therapie entscheiden

Voraussetzungen und Barrieren von „shared decision making“ in der Schmerzmedizin

Mannheim – „Gemeinsam
entscheiden“ lautet das Motto des diesjährigen Deutschen
Schmerzkongresses. Partizipative Entscheidungsfindung, auch „shared
decision making“ (SDM) genannt, ist ein Modell, in dem Arzt und Patient
vertrauensvoll zu einer gemeinsamen Therapieentscheidung kommen. SDM
macht diesen Konsens möglich. Welche Voraussetzungen nötig und welche
Maßnahmen denkbar sind, um eine partizipative Entscheidungsfindung in
der Schmerzmedizin zu etablieren, diskutieren Experten auf dem Deutschen
Schmerzkongress (11. bis 14. Oktober 2017) und am 12. Oktober auf der
Pressekonferenz in Mannheim.

Das
2013 in Kraft getretene „Gesetz zur Verbesserung der Rechte von
Patientinnen und Patienten“ (Patientenrechtegesetz) fordert, dass
Patienten umfassend aufgeklärt und an der medizinischen Entscheidung
beteiligt werden. Die Leitlinien der Schmerzmedizin fordern ebenfalls
eine partizipative Entscheidungsfindung. „Mit unserem diesjährigen
Kongressmotto ‚Gemeinsam entscheiden‘ setzen wir einen starken Akzent
auf das ‚
shared
decision making‘ (SDM) und befassen uns mit der Frage, wie diese
Beteiligung konkret aussehen kann“, erklärt Professor Dr. med. Matthias
Keidel, Kongresspräsident und Chefarzt der Neurologischen Klinik am Campus Bad Neustadt/Saale.

SDM
steht für eine partnerschaftliche Entscheidungsfindung, die aus einem
patientenzentrierten Ansatz heraus erwächst und als eine besonders
günstige Form der Arzt-Patient-Interaktion angesehen wird. Definiert
wird SDM als ein über mehrere Phasen laufender Interaktionsprozess
zwischen Arzt und Patient auf der Basis geteilter Informationen. Am Ende
steht eine gemeinsam getroffene Therapieentscheidung. Es gibt Ansätze,
die empfehlen, ein SDM dann einzusetzen, wenn verschiedene
evidenzbasierte Behandlungsmethoden zur Wahl stehen, die in ihrer
Wirksamkeit als gleichwertig gelten. Die möglichen Nebenwirkungen einer
Therapie können für den Patienten – in Abhängigkeit von seinen
Wertvorstellungen und Begleiterkrankungen – jedoch von unterschiedlicher
Bedeutung sein. Für die Behandlung von Nervenschmerzen stehen zum
Beispiel verschiedene Medikamentenklassen wie Antidepressiva,
Antikonvulsiva
(Arzneimittel
zur Behandlung von Krampfanfällen) und Opioide zur Verfügung. „Falls
eine Gewichtszunahme auf keinen Fall von einem Patienten oder einer
Patientin in Kauf genommen werden will, fallen einige Medikamente bei
den Therapieoptionen weg.

Weiterhin
ist es auch die Aufgabe des Arztes, darüber zu informieren, wie der
weitere Krankheitsverlauf vermutlich sein wird, wenn keine Therapie,
beispielsweise mit Medikamenten, durchgeführt wird“, berichtet Professor
Dr. med. Winfried Häuser, Kongresspräsident, Klinik Innere Medizin I
des Klinikums Saarbrücken.

Um
ein SDM in der Schmerzmedizin zu implementieren und den Patienten zu
einem gleichberechtigten Partner im medizinischen Entscheidungsprozess
zu machen, müssen neue Wege beschritten werden. „Dazu gehört, dass
Informationen für den Patienten verständlich formuliert werden und der
Arzt die Erwartungen, Wünsche, Sorgen und Ideen des Patienten erfragt
und ihn darin unterstützt, die eigenen Präferenzen herauszufinden und zu
gewichten“, betont Häuser.

Wenngleich
es noch nicht ausreichend Erkenntnisse über den Nutzen des SDM gebe, so
sei ein positiver Effekt unbestritten: „Ein Patient, der
mitentscheidet, ist zuversichtlicher in Bezug auf den Therapieerfolg und
motivierter, an der Therapie aktiv teilzunehmen“, weiß Keidel. Es gibt
allerdings auch Patienten, die die Entscheidung lieber dem Arzt
überlassen möchten. „Gerade diese Patienten profitieren davon,
einbezogen zu werden. Ihre passive Haltung ist kein Desinteresse,
sondern eher ein Mangel an Selbstwirksamkeitserwartungen“, so der
Neurologe. Eine weitere Hürde könne sein, dass die
Kommunikationsfähigkeit des Arztes noch nicht „partizipativ“ sei, wenn
er beispielsweise zu viele Fremdwörter verwende und nicht nachfrage, ob
und wie der Patient das Ausgeführte verstanden hat. Auch das
Kommunikationsverhalten der Ärzte müsse sich also unter Umständen
ändern. Eine weitere Barriere zur Umsetzung von SDM ist die aktuelle
Gebührenordnung, welche Gesprächsleistungen bei manchen Arztgruppen
nicht vergütet. „Ein ambulant tätiger Neurologe bekommt je Patient im
Quartal je nach Bundesland circa 45 Euro pro Patient. Umgerechnet
bedeuten 45 Euro etwa 15 Minuten Zeit im Quartal. Eine Viertelstunde
sind für Diagnostik und eine umfassende Aufklärung oft nicht
ausreichend“, erklärt Professor Dr. med. Andreas Straube, Vizepräsident
der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e.V. (DMKG) und
Oberarzt an der Neurologischen Klinik der Universität München,
Klinikum Großhadern.

Das
Tagungsthema „Gemeinsam entscheiden“ bezieht sich auch auf die
Klug-entscheiden-Initiative der Arbeitsgemeinschaft der
Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Diese
deutsche Qualitätsoffensive greift internationale
‚choosing-wisely-Programme‘ auf, deren Ziel es ist, die
Versorgungsqualität durch ausgewählte Empfehlungen zu verbessern. „Neben
einer gemeinsamen fach- und berufsübergreifenden Versorgung steht auch
hier die gemeinsame Entscheidungsfindung von Arzt und Patient im
Mittelpunkt“, betonen die beiden Kongresspräsidenten. Zwölf
Fachgesellschaften haben bereits Positiv- und Negativempfehlungen
formuliert, um evidenzbasiert bei Über- oder Fehlversorgung gegensteuern
zu können.

Was
ein „shared decision making“ in der Schmerzmedizin ausmacht, wie es in
den klinischen Alltag implementiert werden kann, welche konkreten
Maßnahmen dazu ergriffen werden können und was man bereits über die
Wirksamkeit der SDM weiß, sind Fragen, die auf der Pressekonferenz am
12. Oktober 2017 anlässlich des Deutschen Schmerzkongresses und in einem
Symposium des Kongresses diskutiert werden.