Mit Milliardenhilfen den Absturz der Wirtschaft verhindern zu wollen, reicht nicht aus.
Die Krise beschleunigt die Digitalisierung der Wirtschaft und den Strukturwandel. Wer gut ausgebildet ist, kann sich anpassen und neue Chancen nutzen. Die Corona-Pandemie hat die Bemühungen um Bildung und Ausbildung vor allem junger Menschen aber erheblich beeinträchtigt. Kitas und Schulen waren monatelang geschlossen. Wie lange der Unterricht auf Sparflamme laufen wird, ist noch unklar, aber es kann dauern, bevor Normalität einkehrt. Gerade Kinder und Jugendliche aus bildungsfernen Familien werden dadurch zurückgeworfen.
Wettbewerb und freier Marktzutritt sind zentrale Voraussetzungen für Innovationen und Wachstum. Da viele kleine und mittlere Unternehmen in der Krise Eigenkapital verloren haben, das sie nur schwer ersetzen können, besteht die Gefahr, dass die Dominanz einzelner großer Firmen weiter wächst und der Wettbewerb verfällt. Das würde einen Trend verstärken, der in vielen Ländern bereits vor der Krise Probleme bereitete. Wachsende Marktmacht führt zu weniger Innovationen, sinkendem Wirtschaftswachstum und wachsender Ungleichheit, weil Monopolgewinne nur wenigen zugutekommen und die Mehrheit belasten.
Risiken ergeben sich auch aus politischen Veränderungen. Viele Unternehmen erhalten in der Krise Kredite und Eigenkapitalhilfen vom Staat. Das ist notwendig, weil private Kapitalmärkte kurzfristig gestört sind. Es gilt aber, zu verhindern, dass es zu einer Welle von Verstaatlichungen kommt, die nach der Krise Wettbewerb und unternehmerisches Handeln blockieren. Verstaatlichte Unternehmen unterliegen immer dem Risiko, dass ihre Geschäftspolitik von politischen Interessen beeinflusst wird. Gleichzeitig wächst für die Politik die Versuchung, staatseigene Firmen vom Wettbewerb abzuschirmen. Notwendiger Strukturwandel wird so gelähmt.
Der exportorientierten deutschen Wirtschaft wird es zu schaffen machen, dass viele Schwellenländer besonders hart von der Corona-Krise getroffen sind. Sie werden als Kunden für deutsche Exportgüter nicht mehr die Rolle einnehmen, die sie vor der Krise hatten. Hinzu kommt die wachsende Neigung zu Protektionismus, besonders der schwelende Handelskrieg zwischen den USA und China. Wenn protektionistische Politik die Unternehmen zwingt, Wertschöpfungsketten zu verkürzen und internationale Arbeitsteilung einzuschränken, werden Kosten und Preise steigen, während das Wachstum sinkt.
Ein nicht zu unterschätzendes Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung liegt in einer veränderten Haltung der Bürger gegenüber dem Staat. In der Krise erscheint der Staat vielen als allmächtige Institution, die wirtschaftliche Probleme jeder Art ausgleichen kann. Der Privatsektor wirkt demgegenüber schwach und anfällig. Deshalb steigen die Erwartungen, vom Staat versorgt zu werden, während die Kritik an der marktwirtschaftlichen Ordnung wächst. Dabei wird leicht übersehen, dass der Staat nur verteilen kann, was Unternehmen und ihre Beschäftigten erwirtschaftet haben. Wohlstand entsteht durch Erfindungsgeist und die Bereitschaft, zu arbeiten, zu investieren, und unternehmerische Risiken einzugehen. Es ist deshalb wichtig, die Grenzen staatlichen Handelns in der Wirtschaft im Blick zu behalten. Um den Weg aus der Corona-Krise erfolgreich zu bestreiten, ist es erforderlich, den Blick wieder stärker auf die mittel- bis langfristigen Voraussetzungen für Wachstum und Beschäftigung zu richten, ohne die Folgen der Krise zu vergessen.
Dieser Text ist ein Vorabdruck aus dem Buch „Wie wir unsere Wirtschaft retten“ von Ifo-Präsident Clemens Fuest. Darin gibt er unter anderem zehn Empfehlungen, wie Wirtschafts- und Finanzpolitik eine Corona-Sklerose in Deutschland verhindern könnte. „Wie wir unsere Wirtschaft retten“ erscheint am 15. Juli im Aufbau Verlag.