KIT – Die Sonnenstunden werden mehr, die Temperaturen steigen – und der Frühjahrsputz steht an. Derzeit geraten Mittel mit Bakterien in Mode: Die probiotischen Reiniger enthielten „freundliche“ Mikroorganismen, die Schmutz, Staub und schädliche Bakterien auf natürliche Weise beseitigten, versprechen die Hersteller. So werde selbst hartnäckiger Schmutz effizient und umweltschonend entfernt. Forscherinnen und Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben die Mikro-Haushaltshilfen unter die Lupe genommen.
Die Reinigungswirkung von probiotischen Reinigern basiert auf dem Konzept, dass Stoffe wie Fette, Eiweiße, Kohlenhydrate oder Harnstoffe, aus denen der Schmutz in unseren Küchen, Bädern und Toiletten größtenteils besteht, Mikroorganismen als Nahrung dienen. Um diese aufnehmen zu können, bilden Bakterien Enzyme, welche die Schmutzpartikel aufspalten. Die Idee, dass man Bakterien auf einer Oberfläche versprühen könne und diese dadurch sauber werde, hält Professor Johannes Gescher vom Institut für Angewandte Biowissenschaften des KIT indes für wenig überzeugend. Zwar seien Mikroorganismen in der Lage, organischen Kohlenstoff zu fressen, wie es zum Beispiel in Klärwerken alltäglich geschehe, wo Bakterien eingesetzt werden, um Abwasser zu reinigen. Aber: „Alles, was Bakterien fressen, setzen sie in CO2 und in neue Biomasse um“, so der Experte für Angewandte Biologie. Sprich, wo Bakterien Nahrung finden, gibt es sehr schnell noch mehr Bakterien, die wiederum eventuell Ausscheidungen zurücklassen könnten. „Damit eignen sich Bakterien eher weniger, Oberflächen so von organischem Kohlenstoff zu befreien, dass man hinterher tatsächlich von Sauberkeit sprechen könnte“, meint Gescher.
Der Forscher hat einige Reiniger im Labor untersucht: In manchen davon fanden sich ein bis zwei Milliarden Zellen pro Milliliter. Darüber hinaus enthielten die probiotischen Allzweckreiniger eine Mischung aus Säuren, die der Verbraucher zum Teil gut kennt: Essigsäure ist ein Bestandteil von vielen Reinigungsmitteln und kam in verdünnter Form vor. Darüber hinaus enthielten die getesteten Reiniger Alkohol, Buttersäure und Propionsäure, was den charakteristischen Geruch der Reiniger erklärt. „Damit liegt der Verdacht nahe, dass die Reinigungsleistung die Zusatzstoffe erbringen und nicht die Mikroorganismen“, sagt Gescher und rät: „Wer umweltschonend putzen möchte, sollte zu schnell abbaubaren Reinigungsmitteln greifen.“
Der Gedanke, „gute“ Bakterien könnten unerwünschte vertreiben, überzeugt den Wissenschaftler nicht. „Die meisten Mikroorganismen leben in Biofilmen, also einer Schleimschicht, in der sie eingebettet sind. Sie haben sich an die Oberflächen und Bedingungen angepasst, auf und mit denen sie wachsen. Mikroorganismen in einem Reiniger sind kaum in der Lage, den natürlichen Film auf einer Oberfläche zu verdrängen.“ Solche Biofilme ließen sich vor allem mit mechanischen oder chemischen Mitteln entfernen, die umweltbewusste Nutzerinnen und Nutzer ja gerade meiden wollten. Zudem seien Bakterien in feuchter Umgebung aktiv. „Wenn man wischt, ist der Boden vielleicht zehn Minuten feucht“, sagt Gescher. Viel zu wenig Zeit für die Mikroorganismen, um etwas zu sich zu nehmen.
Schließlich seien die häufig angepriesenen Fotosynthese- und Milchsäurebakterien als Putzhelfer denkbar ungeeignet: Cyanobakterien, auch Blaualgen genannt, benutzten Sonnenlicht als Energiequelle, wie Bäume und Gräser. „Sie ernähren sich also, salopp gesagt, von Licht und Luft und können an der gewünschten Reinigungsleistung überhaupt nicht beteiligt sein“, so Gescher. Milchsäurebakterien hingegen nehmen zwar organischen Kohlenstoff zu sich und produzieren Milchsäure – wie beim Herstellen von Joghurt. „Das machen sie aber nur, wenn sie keinen Zugang zu Sauerstoff haben. Auch hier muss man also fragen, wie eine Reinigungsleistung erfolgen soll, wenn man diese Organismen auf einer Oberfläche ausbringt.“