(DGE) – Im DGE-Blog wurde am 4. Oktober 2019 darüber berichtet, dass an etwa einer halben Million Menschen in einer genomweiten Assoziationsstudie kein einzelnes Gen für Homosexualität gefunden wurde. Es waren vielmehr mehrere Genloci mit einer breiten Überlappung mit psychiatrischen Veränderungen. Die Genetik würde nach diesen Autoren zu weniger als 1% zu homosexuellem Verhalten beitagen. Jetzt liegt in der Bundesrepublik Deutschland ein Referentenentwurf für ein Gesetz vor, mit dem Gesundheitsminister Jens Spahn sogenannte Konversionstherapien bei Jugendlichen verbieten und unter Strafe stellen will. Er weist darauf hin, dass Homosexualität keine Krankheit sei, so dass der Begriff „Therapie“ auch nicht angewendet werden könne.
Bei dem Gesetz handelt sich um das „Sexuelle-Orientierung-und geschlechtliche-Identität-Schutz-Gesetz (SOGISchutzG). Konversionstherapien sind etwa Lichttherapien, indoktrinierende Gespräche, Elektroschocks bis hin zu Buß-Übungen und selbst zu Exorzismus. Konversionstherapien sollen bei Menschen unter 18 Jahren nicht nur nicht erfolgen, sondern auch gar nicht angeboten werden dürfen. Das Gesetz soll nicht für selbstbestimmte Menschen, also ab dem 18. Lebensjahr gelten, im Einzelfall nach Einschätzung des Behandlers auch nicht ab dem 16. Jahr. Das Verbot soll für alle einschließlich der Eltern Gültigkeit haben, auch Psychotherapeuten oder Seelsorger dürfen nicht versuchen, die sexuelle Orientierung ihrer Gesprächspartner zu beeinflussen. Ihnen drohen Strafen mit Bußgeldern bis zu 30.000 Euro oder Gefängnis bis zu 1 Jahr.
Grundlage des Gesetzesentwurfes ist das Papier einer Fachkommission der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld aus dem Frühjahr 2019 . Der Geschäftsführer der Stiftung, Jörg Litwinschuh-Barthel nennt für Deutschland eine Zahl von 1000 – 2000 Fällen pro Jahr, bei denen von Therapeuten, Ärzten, Psychotherapeuten, Heilpraktikern, Seelsorgern, Familienangehörigen oder auch gewerblichen Anbietern zur Unterdrückung oder Veränderung bei Homosexualität Behandlungen erfolgen, die fragwürdig oder gesundheitsgefährlich sind. Diese „Therapien“ machten die Betroffenen nicht gesund, sondern könnten schweres körperliches und seelisches Leid zufügen. „Empirisch, sexualwissenschaftlich, soziologisch, psychologisch und medizinisch gibt es keine Hinweise darauf, dass Homosexualität eine Störung oder gar Krankheit ist“, so Prof. Peer Briken, Zentrum für Psychosoziale Medizin vom Klinikum Eppendorf der Universität Hamburg im Abschlußbericht der Kommission. Sexual Orientation Change Efforts (SOCE) hätten nach Briken keinen dauerhaften Erfolg, wenn es auch für SOCE keinen evidenzbasierten Beweis für negativen Folgen gebe. Es bestehen aber in Einzelfällen Hinweise auf negative Wirkungen wie Angst, Depressionen, Selbstmordneigung und Beziehungsprobleme. Nach Prof. Martin Burgi von der LMU-Universität München würden die Konversionstherapien vom Strafgesetzbuch nur teilweise erfasst, etwa durch die Tatbestände von Körperverletzung, Betrug oder Beleidigung, nicht aber die massiven Verletzungen des Rechts auf sexuelle und geschlechtliche Selbstbestimmung bei Therapien.
Erhebliche Vorurteile gegenüber der Homosexualität bestünden, so der Geschäftsführer der Magnus Hirschfeld-Stiftung, vor allem von Seiten der Katholischen Kirche, von evangelikalen Gemeinden, in muslimischen Vereinen und in jüdisch-orthodoxen Gemeinden. Die im Jahre 2011 gegründete Bundesstiftung, nach dem Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld benannt, fördert Bildungs- und Forschungsprojekte, um einer Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, trans- und intergeschlechtlichen sowie queeren Personen (LSBTTIQ) in Deutschland entgegenzuwirken.
Am 9. November 2019 konnte man in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung lesen, dass jetzt in Bochum – als der bundesweit zweiten Stadt nach Dortmund – eine Straße nach dem 1908 in Bochum geborenen Hermann Hußmann benannt wird. Dieser war ein schwuler Bergmann, der 1943 nach dem in der NS-Zeit noch verschärften § 175 aus der Kaiserzeit wegen „Unzucht“ verurteilt wurde und als „gefährlicher Gewohnheitsverbrecher in Sicherheitsverwahrung genommen werden sollte. Vorher erhängte er sich an seinem Hosenträger in der Untersuchungshaftanstalt .
Die Straßenbenennung mit Einsetzen eines Stolpersteines in den Gehsteig zeigt, welches Umdenken in Deutschland stattgefunden hat.
Helmut Schatz