(Wirtschaftswoche) – In Sachen Wettbewerbsfähigkeit kommt der Wirtschaftsstandort Deutschland seit Jahren nicht so wirklich vom Fleck. Das zeigt die aktuelle Rangliste der Schweizer Hochschule IMD, die insgesamt 63 entwickelte Volkswirtschaften untersucht hat. Wie schon im vergangenen Jahr liegt Deutschland im internationalen Vergleich auf Platz 17 der wettbewerbsfähigsten Länder. In den letzten sechs Jahren hat sich das Land laufend verschlechtert, 2014 belegte es noch den sechsten Platz im IMD-Wettbewerbs-Ranking.
Ganz oben steht der asiatische Stadtstaat Singapur und Dänemark, gefolgt von der Schweiz, den Niederlanden, Hongkong und Schweden. Die Weltwirtschaftsmacht USA, die im Vorjahr noch auf Rang drei stand, verliert sieben Plätze und schafft es somit gerade noch in die Top 10. Auch China musste im vergangenen Jahr einiges an Wettbewerbsfähigkeit einbüßen: Die größte Volkswirtschaft der Welt rutscht auf Platz 20 ab – gegenüber 2019 hat sich das Land um ganze sieben Ränge verschlechtert.
Für ihre Analyse messen die Ökonomen des IMD (International Institute for Management Development), die Wettbewerbsfähigkeit der Länder in vier verschiedenen Bereichen: Wirtschaftsleistung („economic performance“), Effizienz des Regierungshandelns („government efficiency“), unternehmerische Effizienz („business efficiency“) und Infrastruktur.
n die erste Kategorie fallen makroökonomische Kennzahlen wie zum Beispiel das BIP pro Kopf, Arbeitslosigkeit oder Direktinvestitionen. Die Regierungseffizienz untersucht inwieweit öffentliche Finanzen, Fiskalpolitik sowie Steuer- und Rechtssysteme wettbewerbsfördernd sind, die unternehmerische Effizienz analysiert die Produktivität, Profitabilität und Innovationskraft der Betriebe. Im Bereich der Infrastruktur beurteilt das Institut Transport, Bildungs- und Gesundheitssysteme der Länder aber auch den Zugang zu neuen Technologien.
Insgesamt messen 235 verschiedene Indikatoren sowohl „harte“ statistisch erhobene Wirtschaftsdaten als auch „weiche“ Ergebnisse aus einer eigenen Befragung von verantwortlichen Managern. Die Umfragewerte fließen zu einem Drittel in die finale Rangliste mit ein und beinhalten die Einschätzung der Führungskräfte zum gesellschaftlichen Zusammenhalt, Gleichberechtigung oder Korruption.
Seit 1989 veröffentlicht das Forschungsinstitut aus Lausanne das Ranking, seit 2015 ist Christos Cabolis Chefvolkswirt am IMD. Im Gespräch mit der Wirtschaftswoche verrät der Ökonom, was hinter der festgefrorenen Platzierung Deutschlands steckt und wie die Corona-Pandemie die Wettbewerbsfähigkeits-Rangliste 2021 verändern wird
WirtschaftsWoche: Herr Cabolis, Deutschland liegt in der aktuellen IMD-Rangliste der wettbewerbsfähigsten Länder wie auch vergangenes Jahr auf Rang 17. Stagniert die deutsche Wirtschaft?
Christos Cabolis: Deutschland hat sich gegenüber dem Vorjahr in zwei der von uns untersuchten Disziplinen verbessert, aber auch in zwei verschlechtert: In der Effizienz des Regierungshandelns und im Bereich der Infrastruktur ist das Land zurückgefallen, liegt aber absolut gesehen mit den Rängen 5 und 11 immer noch relativ weit vorn. Die Effizienz der Unternehmen hat sich seit 2019 leicht verbessert. Bei der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit hat das Land ganze vier Plätze gutgemacht. Als Treiber sind hier insbesondere die Beschäftigung, der internationale Handel und die ausländischen Investitionen zu nennen, die sich im vergangenen Jahr alle zum positiven entwickelt haben. Um sich im gesamten Wettbewerbsranking zu verbessern, hätte Deutschland allerdings auch einen Aufwärtstrend in den anderen beiden Kategorien gebraucht.
Dieser bleibt aber seit Jahren aus. Seit 2016 hat sich Deutschland im Bereich der Regierungseffizienz fast laufend verschlechtert und insgesamt fünf Plätze verloren. Woran liegt das?
Die größte Schwachstelle Deutschlands ist nach wie vor die hohe Abgabenlast. Beim Steuersatz auf Unternehmensgewinne liegt das Land auf Platz 56 von 63 Ländern, beim effektiven persönlichen Einkommenssteuersatz auf Platz 55. Außerdem ist das Steuersystem zu kompliziert. Das hat sich auch in unserer Befragung der Führungskräfte gezeigt. Viele stellen das Modell, wie der Staat seine Finanzen verwaltet, infrage und wünschen sich eine grundlegende, ökonomische Reform. Insgesamt landet Deutschland in unserem Ranking bei der Steuerpolitik daher nur auf Platz 58.
Dafür gibt es hierzulande auch eines der besten Sozialsysteme der Welt…
Das stimmt. In Deutschland ist vor allem das Gesundheitssystem sehr gut bewertet. Hier liegt das Land auf Platz sechs und das spiegelt sich auch in seinem Human Development Index wider: Die Kennzahl, die unter anderem die Lebenserwartung bei der Geburt oder das Bildungsniveau erfasst, ist die vierthöchste in unserer Auswertung. Auch bei der Qualität von Forschungseinrichtungen und Universitäten belegt Deutschland Platz vier. Das alles kommt natürlich auch indirekt den Unternehmen zugute, indem sie zum Beispiel von gesunden oder qualifizierten Arbeitskräften profitieren. Daher darf man eine hohe Abgabenlast an sich nicht von vornherein als schädigend für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes bewerten. Fast alle Staaten, die in unserem Ranking im Bereich der sozialen Sicherungssysteme gut abschneiden, liegen bei der Frage, wie unternehmensfreundlich das Steuersystem ist, deutlich abgeschlagen – zumeist sogar im unteren Drittel der Rangliste. Man muss die Abgabenlast also immer auch im Verhältnis zu den vom Staat erbrachten Leistungen sehen.
Ländern wie die Schweiz scheint es aber zu gelingen, ein gutes Bildungs- und Gesundheitssystem mit wettbewerbsfördernder Steuerpolitik zu vereinbaren. In Ihrer Rangliste zählt das Land in beiden Kategorien zu den Top 5. Warum klappt das in Deutschland nicht?
Die Schweiz glänzt seit Jahren mit einer unglaublichen Effizienz im Regierungshandeln. Das Land verfügt über die beste Bonität in unserem Ranking und bei der Verwaltung der Staatsfinanzen belegt es Platz zwei. Der Staatshaushalt wird also besonders sorgfältig geplant und Steuergelder sowie sonstige Einnahmen effizient umverteilt. Außerdem ist das Vorgehen der Regierung sehr transparent und das Risiko für politische Instabilität wird als sehr gering eingestuft. Auch bei diesen beiden Faktoren belegt das Land den zweiten Platz. Die Tatsache, dass die Schweiz eine direkte Demokratie ist, kommt dem Land in Sachen Transparenz und Effizienz sicherlich zugute und nimmt viel Unsicherheit aus dem Markt.