Archiv der Kategorie: Klassische Medizin

Testosteron erhöht Herz-Kreislaufrisiko

DGIM rät: Sexualhormon bei älteren Männern vorsichtig einsetzen

Wiesbaden – Nehmen ältere Männer das Sexualhormon Testosteron ein, stärkt dies nicht nur die Muskeln, sondern birgt auch Gefahren für Herz und Kreislauf – bis hin zum Herzinfarkt. Darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) hin. Die sogenannte TOM-Studie (Testosterone in Older Men with Mobility Limitations) wurde wegen dieser alarmierenden Ergebnisse abgebrochen. Die DGIM betont deshalb, eine Testosteronbehandlung nur dann einzusetzen, wenn sie für Patienten unerlässlich ist. Insbesondere bei Männern mit erhöhtem Herz-Kreislauf-Risiko müssten Ärzte dies zuvor gründlich prüfen.

Männer verlieren mit dem Alter an körperlicher Kraft und Beweglichkeit. Zeitgleich sinken auch ihre Testosteronwerte. Die Behandlung gesunder älterer Männer mit Testosteron steigert die Masse ihrer Muskeln und stärkt sie. „Auch Patienten mit Hypogonadismus, deren Keimdrüsen also zu wenig Testosteron produzieren, kann eine künstliche Testosteronzufuhr helfen – jungen und älteren“, sagen der DGIM-Vorsitzende Professor Dr. med. Hendrik Lehnert und Dr. med. Alexander Iwen, von der 1. Medizinischen Klinik, Universitätsklinik Schleswig-Holstein, Campus Lübeck.

In welchem Maße eine solche Therapie eine eingeschränkte Mobilität aufhebt, sollte die kürzlich im New England Journal of Medicine veröffentlichte TOM-Studie zeigen. Forscher in Boston untersuchten dafür 209 Männer über 65 Jahre mit leicht verringerten Testosteronwerten. Die Probanden waren nicht in der Lage, weiter als zwei Häuserblocks zu gehen oder zehn Treppenstufen zu steigen. Zudem waren viele von ihnen bereits erkrankt: Mehr als 80 Prozent litten an Bluthochdruck, rund die Hälfte waren extrem übergewichtig und ebenfalls gut die Hälfte litt unter Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Ärzte gaben den Teilnehmern entweder ein Testosterongel oder aber als Kontrolle ein Gel ohne Wirkstoffe. Beides sollten sie über einen Zeitraum von sechs Monaten täglich auftragen.

Die mit Testosteron behandelten Teilnehmer zeigten nach zwölf Wochen eine höhere Bein- und Armkraft als die mit dem Placebo therapierten Männer. Bevor jedoch alle Männer in die Auswertung eingeschlossen werden konnten, brachen die Forscher die Studie ab. Denn bei 23 der mit Testosteron behandelten 106 Männer traten krankhafte Herz-Kreislauf-Ereignisse auf: Kreislaufkollaps, Wassereinlagerungen, Herzrhythmusstörungen, akute Durchblutungsstörungen am Herzen und ein Schlaganfall. Ein Teilnehmer starb an einem Herzinfarkt. In der 103 Personen zählenden Kontrollgruppe erkrankten dagegen nur fünf Männer.

Eine andere aktuelle Metaanalyse dieser Art ergab kein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko einer Testosterontherapie. Deshalb seien weitere Studien notwendig, um auch ältere Patienten mit Hypogonadismus zu berücksichtigen. Denn damit einher gehen unter anderem Blutarmut, verminderte Libido, Knochenschwund und Depression. Bei sehr ausgeprägtem Testosteronmangel erhöht eine Therapie mit dem Sexualhormon mitunter erheblich die Lebensqualität. „Die TOM-Studie muss zu noch größerer Wachsamkeit führen, insbesondere wenn bei Patienten ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko vorliegt“, betont Hormonexperte Lehnert. Sie sollte jedoch nicht zur Folge haben, so der DGIM-Vorsitzende, dass Ärzte Patienten eine Testosterontherapie vorenthalten, wenn sie diese dringend benötigen.

Quellen:

Basaria, S., et al., Adverse events associated with testosterone administration. N Engl J Med. 363(2): p. 109-22.

 

Moskitos mit „Resistenz-Gen“ gegen Malaria immun

Moskitos mit "Resistenz-Gen" gegen Malaria immun

Verhinderung der Krankheitsübertragung auf den Menschen als Hauptziel

Moskito: Gentechnisch verändert keine Malaria-Gefahr (Foto: pixelio.de, luise)
Moskito: Gentechnisch verändert keine Malaria-Gefahr (Foto: pixelio.de, luise)

Irvine (pte011/24.11.2015/10:30) –

Forscher der University of California https://uci.edu haben gentechnisch veränderte Moskitos gezüchtet, die einer Infektion
durch Malaria widerstehen. Funktioniert dieses Verfahren auch außerhalb
des Labors, könnte damit verhindert werden, dass die Insekten die
Krankheit auf den Menschen übertragen. Das Team um Anthony James fügte
ein neues "Resistenz-Gen" in die DNA der Moskitos ein. Dafür wurde
Crispr eingesetzt, ein relativ neues Verfahren zur Erzeugung von
gentechnisch veränderten Organismen.

Effekt wird weitervererbt

Vermehrten sich die gentechnisch veränderten Moskitos,
verfügten auch ihre Nachkommen über eine Resistenz gegen Malaria.
Stechen diese Insekten einen Menschen, so sollten sie nicht in der Lage
sein, den für die Krankheit verantwortlichen Parasiten zu übertragen.
Derzeit sind rund 3,2 Mrd. Menschen, fast die Hälfte der
Weltbevölkerung, durch Malaria gefährdet. Moskitonetze, Insektizide und
Insektenschutzmittel können verhindern, dass die Insekten stechen.
Zusätzlich können Medikamente jedem Menschen verabreicht werden, der
sich infiziert. Trotzdem sterben jedes Jahr 580.000 Menschen an den
Folgen dieser Krankheit.

Auf der Suche nach einer neuen Möglichkeit zur
Bekämpfung von Malaria könnten gentechnisch veränderten Moskitos eine
wichtige Rolle spielen. Ihre resistenten Nachkommen könnten die
endemisch auftretenden krankheitsübertragenden Insekten ersetzen. Für
die Experimente wurde Anopheles stephensi verwendet – ein Moskito, der
in Indien vorkommt. Das Einsetzen der neuen DNA machte die Insekten zu
einem schlechten Wirt für den Malariaparasiten. Sie wurde über drei
Generationen hinweg zu fast 100 Prozent vererbt. Die Larven der Moskitos
können gentechnisch so verändert werden, dass sie über "nützliche" neue
Gene verfügen.

Andere Moskitoarten im Blick

Die Experten hoffen nun, dass sich das gleiche
Verfahren auch bei anderen Moskitoarten einsetzen lässt. Dieser Ansatz
könne das Malariaproblem zwar nicht alleine lösen, aber einen wertvollen
Beitrag zur Bekämpfung leisten. Andere Wissenschaftlerteams haben
bereits versucht, Moskitos gentechnisch so zu verändern, dass sie
unfruchtbar werden und damit aussterben. Experten befürchten jedoch,
dass die vollständige Ausrottung der Moskitos andere unvorhergesehene
und unerwünschte Folgen haben könnte. Die gefährlichen Insekten durch
harmlose zu ersetzen, könnte daher eine sinnvolle Alternative
darstellen.

Größtes Gesundheitsrisiko der Welt

Zu hoher Blutdruck

Bluthochdruck ist das weltweit größte Risiko für die Gesundheit. So lautet das Fazit der „Global Burden of Disease Study 2010“. Die Wissenschaftler bestimmten für 67 Risikofaktoren in 21 Regionen weltweit unter anderem die Zahl der durch sie bedingten Todesfälle. Statistische Daten aus den Jahren 1990 und 2010 gingen in die Berechnungen ein.

Im Jahr 2010 starben mehr als neun Millionen Menschen auf der Welt an den Folgen eines zu hohen Blutdrucks. Den zweiten Platz nahm mit insgesamt 6,3 Millionen Todesfällen der Risikofaktor Rauchen und Passivrauchen ein, vor allem in Westeuropa und Nordamerika. 4,9 Millionen Todesfälle weltweit ließen sich auf Alkoholmissbrauch zurückführen, dem drittwichtigsten Risikofaktor. Er betraf insbesondere Menschen in Osteuropa, in großen Teilen von Lateinamerika und in Afrika südlich der Sahara. An vierter Stelle stand Luftverschmutzung im eigenen Haushalt, etwa durch das Kochen auf offenem Feuer und an fünfter Stelle ein zu geringer Obstverzehr. Für Männer war ein geringer Obstkonsum eineinhalbmal gefährlicher als für Frauen.

Fettleibigkeit ist ein Risikofaktor, der in den vergangenen Jahrzehnten stark an Bedeutung gewonnen hat. Während ein übermäßiges Körpergewicht im Jahr 1990 noch auf dem zehnten Platz der weltweit größten Risikofaktoren lag, nahm es im Jahr 2010 mit über drei Millionen dadurch bedingten Todesfällen bereits den sechsten Platz ein.

Im Allgemeinen hat die Last der Risikofaktoren für chronische Erkrankungen wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes in den vergangenen Jahren zugenommen. Risikofaktoren wie beispielsweise verschmutztes Wasser und Nährstoffmangel, haben dagegen an Bedeutung verloren.

Jeder kann durch einen gesunden Lebensstil dem Gesundheitsrisiko Bluthochdruck entgegen wirken. Dazu gehören ein nicht übermäßig hohes Körpergewicht und eine salzarme und fettbewusste Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukten. Ausreichend Bewegung und regelmäßige Ruhepausen im Alltag können ebenfalls einem zu hohen Blutdruck vorbeugen. (aid)

Allte Menschen achten zu wenig auf ihr Herz

Jeder Vierte leidet unter nicht diagnostizierem Herzproblem
 
Herzprobleme: Zu viele alte Menschen betroffen (Foto: pixelio.de, Jerzy Sawluk)

Newcastle (pte009/25.07.2012/10:00) – Alte Menschen verzichten auf einfache Möglichkeiten zur Behandlung ihres Herzens, die ihr Leben verlängern und ihre Lebensqualität verbessern könnten. Eine Studie der Newcastle University http://www.ncl.ac.uk hat ergeben, dass ein Viertel der Menschen zwischen 87 und 89 Jahren an einem nicht diagnostizierten Herzproblem leidet. An der Studie haben insgesamt 300 Personen teilgenommen. Viele wiesen Herzschwäche auf, die zu Atemlosigkeit führt, die ihrerseits Ursache für ein Herzversagen sein kann.

Behandlung würde Geld sparen

Das Team um Bernard Keavney betonte, dass es Medikamente zur Behandlung zum Beispiel einer Herzschwäche gibt, die dem Gesundheitssystem durch Vermeidung teuerer Krankenhausaufenthalte helfen würden, Geld zu sparen. Die Wissenschaftler warnten jedoch auch, dass bei der Verschreibung viel Sorgfalt notwendig sei, da die Nebenwirkungen fallweise schwerer seien als die gesundheitlichen Vorteile für die Patienten. Da dieses Problem so verbreitet ist, könnte es sinnvoll sein, bei Atemlosen über 85 Jahren zu Hause einen Herz-Scan durchzuführen und damit die Anzahl der Diagnosen zu verbessern.

Verkanntes Problem

Die Wissenschaftler warnten in dem Fachmagazin Heart http://heart.bmj.com , dass ein Ignorieren dieses Problems sehr ernsthafte Folgen haben könnte, da die Lebenserwartung der Menschen immer weiter ansteigt. Medikamente wie Betablocker oder ACE-Inhibitoren könnten bei der Behandlung sinnvoll sein. Laut Keavney waren die Forscher sehr überrascht zu entdecken, wie viele ältere Menschen Herzprobleme haben. "Viele der Betroffenen könnten mit erprobten Medikamenten behandelt werden. Voraussetzung dafür wäre es allerdings, dass diese Probleme zuerst erkannt werden würden." Damit könnte nicht nur die Lebensqualität verbessert, sondern wahrscheinlich auch das Eintreten eines Herzversagens hinausgezögert werden.

Beforschung der hohen Lebenserwartung

Shannon Amoils von der British Heart Foundation, http://www.bhf.org.uk die die Studie finanzierte, bestätigte gegenüber der BBC, dass mehr für diese Gruppe von Personen getan werden könnte. "Diese Studienergebnisse legen nahe, dass es wahrscheinlicher sehr viel mehr sehr alte Menschen gibt, die Herzprobleme haben, als wir bisher angenommen haben. Viele leiden an Symptomen wie Atemlosigkeit, die sie in ihrem täglichen Leben einschränken." Die aktuelle Studie ist Teil einer Reihe von Forschungsprojekten, die sich mit der immer höheren Lebenserwartung der Menschen und den daraus entstehenden medizinischen Problemen beschäftigt.

 

Gebärmutterhalskrebs: Selbsttests im Kommen

Gebärmutterhalskrebs: Selbsttests im Kommen
Gleich gute Ergebnisse wie Abstrich beim Frauenarzt
 
HPV-Neoplasien: Nachweis auch zu Hause möglich (Foto: Flickr/Uthmann)

Berlin (pte003/22.10.2011/06:00) – Frauen können in Zukunft selbst überprüfen, ob sie eine Infektion mit dem humanen Papillomvirus (HPV) haben oder nicht. "In einigen Jahren werden Selbsttests in Deutschland vermutlich verbreitet sein", erklärt die Infektionsepidemiologin Yvonne Delere vom Robert-Koch-Institut http://rki.de im pressetext-Interview. Wie die Forscherin mit ihrem Team im "Journal of Clinical Microbiology" zeigt, liefert eine Selbstabnahme vergleichbare HPV-Ergebnisse wie eine Abnahme durch den Frauenarzt.

Viren im Brief

Die Selbstabnahme basiert auf einer Flüssigkeit auf Kochsalz-Basis, die wie mit einem größeren Tampon in die Scheide eingeführt, die vaginale Höhle umspült und wieder aufgefangen wird. Ist die Frau mit dem HP-Virus infiziert, so gelangt Virusprotein in der Spülflüssigkeit am Tester. Dieser wird in einer mitgelieferten Verpackung mit der Post an ein Labor geschickt. Ebenfalls postalisch kommt das Resultat zurück zur Anwenderin. "Ist das Ergebnis positiv, so wird in einem Begleitschreiben zu einer weiteren Untersuchung beim Frauenarzt geraten, um das Zervixkarzinom auszuschließen", so die Berliner Medizinerin.

Vorerst strebt Delere an, auf diese Weise die Prävalenz der Humanen Papillonviren zu erheben, was derzeit bereits repräsentativ bei 800 Frauen im Alter von 20 bis 25 Jahren in Deutschland geschieht. Langfristig eigne sich der Selbsttest jedoch dafür, die Untersuchung zur Krebsfrüherkennung niederschwellig und günstig zu ergänzen und durch rechtzeitige Vorbeugung den Gebärmutterhalskrebs zurückzudrängen. Auch für Entwicklungsländer könnte ein Selbsttest eine vielversprechende Variante darstellen. In Holland bestätigte sich bereits die hohe Akzeptanz dieser Nachweisform in den eigenen vier Wänden.

Warnsignal bei Frauen ab 30

Bei jungen Frauen zwischen 18 und 25 Jahren ist der positive Nachweis des Papilloma-Virus eher Regel als Ausnahme: Delere schätzt die Prävalenz in Deutschland auf 40 Prozent, während er bei Frauen ab 30 Jahren ein Warnsignal sein kann. "Normalerweise überwindet der Körper in höchstens zwölf Monaten Infektionen der Zellen am Gebärmutterhals. Bleibt die Entzündung über einige Jahre chronisch, steigt jedoch das Tumorrisiko."

Teamarbeit verändert Gehirn

Teamarbeit verändert Gehirn von Führungskräften
Produktiveres Arbeiten durch Wahrnehmung mehrerer Rollen möglich
 
Chef: Führungsstil entscheidet über Effizienz (Foto: pixelio.de, Hofschlaeger)

Erlangen (pte004/15.04.2013/06:15) – Kooperative Chefs haben im Vergleich zu Narzissten in Führungspositionen eine "besondere" Hirnstruktur, wie Forscher der Wake Forest University http://wfu.edu anhand von psychologischen und neurologischen Tests mit Offizieren der US-Armee belegen. Sie konnten zudem zeigen, dass die auf Zusammenarbeit ausgerichteten Offiziere effektiver arbeiten.

Tests für mehr Effizienz

"Sobald wir wissen, wie genau die Gehirne dieser Führungskräfte funktionieren, besteht die Möglichkeit, ein Profil von guten Chefs zu erstellen", sagt Studienleiter Sean Hannah. Künftig könnten Unternehmen sogar mithilfe von Gehirnscans die Führungsqualitäten ihrer Mitarbeiter testen, spekuliert Hannah.

Außerdem wäre es möglich, dass angepasste Hirntrainings den Menschen mit den "besonderen" Gehirnen dabei hilft, ihre Führungsqualitäten weiter zu verbessern. Außerlich konnten die Forscher beobachten, dass die "besseren" Führungskräfte komplexere Führungsrollen wahrnehmen: Sie sind zugleich Mentoren ihrer Mitarbeiter, Teamleiter und Sprecher für ihre Gruppen.

Pro und Contra Narzissten

Kooperative Vorgesetzte wissen laut der studie, dass Egoismus und Dominanzverhalten der Teamarbeit schaden (pressetext berichtete: http://pressetext.com/news/20110812143 ). Dieser Erkenntnis zum Trotz streicht ein Forscherteam der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) http://uni-erlangen.de kürzlich die Innovationsfähigkeit egoistischer Vorstandschefs hervor.

Die deutschen Forscher konnten feststellen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen in innovative Technologien investiert, umso höher ist, je narzisstischer der jeweilige Chef ist. Führungskräfte mit einem übersteigerten Selbstbewusstsein, Streben nach Dominanz, Egoismus, Ungeduld und Rastlosigkeit seien innovativ in ihren Entscheidungen.

"Der Narzisst traut sich Dinge, die sich andere nicht trauen", sagt Andreas König, Wirtschaftswissenschaftler an der FAU, gegenüber pressetext. Das heiße aber nicht, dass Narzissten oder Egoisten bessere Chefs seien, betont der Wissenschaftler. "Allerdings können Unternehmen durchaus einen Wettbewerbsvorteil mit Narzissten in Führungspositionen haben", erläutert König.

Regenerative Kraftstoffe mit solarem Wasserstoff und Kohlendioxid sind möglich

mit dem Projekt
„reFuels – Kraftstoffe neu denken“ wollen die Landesregierung, das
Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und die Industrie Alternativen
zu fossilen Treibstoffen etablieren. Verkehrsminister Winfried Hermann,
MdL, gab heute (18.01.2019) in Karlsruhe den Startschuss für das
Projekt im Rahmen des Strategiedialogs Automobilwirtschaft (SDA).

Der von fossilen
Kraftstoffen getriebene Individual- und Schwerlastverkehr trägt in
Deutschland 20 Prozent zum Ausstoß von CO2 und damit wesentlich zum
Klimawandel bei. Synthetische Kraftstoffe lassen sich auch aus
nicht-fossilen Kohlenstoffquellen herstellen und können so helfen, das
Klima zu schützen. Dazu zählt unter anderem auch die direkte Umwandlung
von CO2 und erneuerbarem Wasserstoff in synthetische Kraftstoffe. Mit
dem Projekt „reFuels – Kraftstoffe neu denken“ wird das KIT zusammen mit
Partnern aus der Automobil-, Automobilzuliefer- und Mineralölindustrie
sowie mit Förderung der Landesregierung Baden-Württembergs die Chancen,
die diese Kraftstoffe für Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt bieten, in
einem ganzheitlich angelegten Programm untersuchen.


Einsparungen beim CO2-Ausstoß durch gemeinsame Anstrengungen von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik

„Mit dem Projekt
‘reFuels‘ wollen wir das Potenzial synthetischer Kraftstoffe von deren
Herstellung mit erneuerbaren Energien über den Einsatz in Fahrzeugen bis
hin zu den Szenarien einer Markteinführung zum ersten Mal in seiner
gesamten Bandbreite untersuchen. Für den Klimaschutz müssen wir alle
Register ziehen, das heißt alle Technologien nutzen“, erklärte der
baden-württembergische Verkehrsminister Hermann bei der
Auftaktveranstaltung auf dem Gelände der Mineralölraffinerie Oberrhein
(MiRO) in Karlsruhe. „Regenerative neue Kraftstoffe können den
Verbrennungsmotor klimafreundlich machen“, so Minister Hermann. Durch
gemeinsame Anstrengungen von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik – wie
bei diesem Vorhaben – seien Einsparungen beim Ausstoß von Kohlendioxid
möglich. Das Land sehe es deshalb als bedeutsamen Schritt an, gemeinsam
mit dem KIT, der MiRO und vielen weiteren Partnern, insbesondere den
Firmen der Automobilbranche, dieses bislang einmalige Projekt auf den
Weg gebracht zu haben. „Die Lücke beim Klimaschutz lässt sich nicht
allein durch den Umstieg auf umweltfreundliche Verkehrsmittel oder
E-Mobilität, sondern nur durch ein Paket verschiedener Maßnahmen
schließen“, erläuterte Hermann. Baden-Württemberg habe deshalb gemeinsam
mit anderen Bundesländern vorgeschlagen, den Anteil erneuerbarer
Energien im Kraftstoffmix deutlich zu erhöhen.

Im Projekt „reFuels –
Kraftstoffe neu denken“ werden Verfahren betrachtet, mit denen Otto- und
Dieselkraftstoffe auf Basis erneuerbarer Energien und aus nachhaltig
zugänglichen Rohstoffen auch in größerem Maßstab produziert werden
können. Untersucht wird, wie sich die regenerativ erzeugten Kraftstoffe
auf den Schadstoffausstoß der bestehenden Flotte und auf die Funktion
der Fahrzeuge sowie einzelner Komponenten auswirken. Parallel sollen
Gesellschaft und Verbraucher schon heute die neuartigen Kraftstoffe
akzeptieren.

Synthetische Kraftstoffe: substanzieller Beitrag für einen nachhaltigen Verkehr

„reFuels sind ein
wichtiger Schritt hin zum Wirtschaften in einem geschlossenen
CO2-Kreislauf“, sagte Professor Thomas Hirth, Vizepräsident des KIT für
Innovation und Internationales, der das Projektkonsortium leitet.
„Regenerative Kraftstoffe können entlang der gesamten
Wertschöpfungskette zukünftig ganz neue Geschäftsfelder eröffnen. Da
Effizienzgewinne bei Benzin- und Dieselmotoren in den vergangenen Jahren
durch die Zunahme des Verkehrs und größere Fahrzeuge ausgeglichen
wurden, aber Verbrennungsmotoren bei der Beförderung schwerer Lasten und
auf weiten Strecken auf absehbare Zeit weiter eine wichtige Rolle
spielen werden, können umweltfreundliche und motorenverträgliche
synthetische Kraftstoffe einen substanziellen Beitrag für einen
nachhaltigeren Verkehr leisten“, sagte Hirth.

MiRO-Geschäftsführer
Ralf Schairer sieht die Mitarbeit Deutschlands größter Raffinerie an dem
Projekt mit Unterstützung des Mineralölwirtschaftsverbandes (MWV) als
Chance, einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz zu leisten: „Die
Herstellung synthetischer Kraftstoffe in vorhandenen
Raffinerie-Infrastrukturen ermöglicht einen schrittweisen Übergang und
perspektivisch sogar treibhausgasneutrale Kraftstoffe. Die bekannten
Vorteile flüssiger Kraftstoffe wie hohe Energiedichte und einfache
Speicher- und Transportierbarkeit bleiben erhalten und gleichzeitig
werden die Klimaziele erreicht“, erklärte Ralf Schairer.

Hintergrundinformationen

Mit „bioliq“ und dem
„Energy Lab 2.0“ verfügt das KIT über zwei Plattformen für die
Herstellung von „reFuels“. Für das bioliq-Verfahren, mit dem hochwertige
Kraftstoffe aus biogenen Roh- und Reststoffen wie etwa Stroh erzeugt
werden, existiert eine Pilotanlage, die Ottokraftstoffe liefert. Das
Energy Lab 2.0 ist ein weltweit einmaliger Anlagenverbund, der modernste
Technologien zur Erzeugung und Nutzung elektrischer, thermischer und
chemischer Energie wie beispielsweise Gasturbinen, Power-to-Methan und
Wasserelektrolyse verknüpft und in Kürze unterschiedliche
Kraftstoffkomponenten wie Dieselkraftstoffe oder Jetfuels produzieren
soll.

Partner im Projekt „reFuels – Kraftstoffe neu denken“ sind:

AUDI AG, Caterpillar
Energy Solutions GmbH (MWM), Daimler AG, Eberspächer GmbH & Co. KG,
EnBW AG, Freudenberg Sealing Technologies GmbH & Co. KG, Ineratec
GmbH, KS Kolbenschmidt GmbH, Mahle GmbH, Mann + Hummel GmbH,
Mineralölraffinerie Oberrhein GmbH & Co. KG (MiRO) mit Unterstützung
des Mineralölwirtschaftsverbandes  (MWV), Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG,
Robert Bosch GmbH, Rolls-Royce Powersystems AG (MTU).

Der Mineralölwirtschaftsverband (MWV) und der Verband „Zukunft Erdgas“ sind assoziierte Mitglieder.

Molekulare Schere bietet neue Perspektive für Alzheimertherapie

 
Ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Spanischen Forschungsrates (CSIC) sowie Forscherinnen und Forschern der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) hat die atomare Struktur des menschlichen Enzyms Meprin β (beta) entschlüsselt. Es handelt sich um eine so genannte Peptidase, die in Zusammenhang mit Entzündungskrankheiten, Krebs und der Alzheimer-Krankheit steht und an Prozessen wie Zellteilung und Zellausdifferenzierung beteiligt ist. Die neuen Erkenntnisse über Struktur und Funktion des Enzyms ermöglichen die Entwicklung von Wirkstoffen einer neuen Art gegen diese Krankheiten. Die Studie wurde in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals �Proceedings of the National Academy of Sciences� veröffentlicht.
 
�Jetzt, wo wir wissen, wie Meprin β aussieht, wie es funktioniert und wie es mit den Krankheiten zusammenhängt, können wir gezielt nach Substanzen suchen, die seine Aktivität unterbinden, wenn diese schädlich wirkt�, erläutert Professor Xavier Gomis-Rüth, Wissenschaftler am Molekularbiologischen Institut des CSIC in Barcelona und Leiter des Projektes.
 
Meprin β ist ein Enzym, das im Organismus in der äußeren Wand von Zellen vorkommt. Seine normale Funktion ist es, bestimmte Eiweiße � zum Beispiel Wachstumsfaktoren � die ebenfalls in der Zellwand verankert sind, abzuschneiden. Auf diese Weise entlässt das Meprin β Eiweißfragmente in die Umgebung der Zelle. Dies ist ein vollkommen normaler, natürlicher Prozess � solange er mit einer nicht zu hohen und nicht zu niedrigen Intensität abläuft. Allerdings kann das Enzym unter bestimmten Umständen anormal wirken und zum Beispiel zu viele Eiweißfragmente freisetzen. Das kann dann zu einer Überfunktion der Proteinfragmente führen und damit zu Stoffwechselstörungen im menschlichen Körper. Solche Störungen treten üblicherweise in Zusammenhang mit Entzündungen, Krebs oder Alzheimer auf.
 
In ihrer Studie haben die Forscherinnen und Forscher nun herausgefunden, dass Meprin β aus zwei identischen Molekülen mit einer Furche in der Mitte besteht, eine sogenannte dimere Struktur. �Wir haben festgestellt, dass die Furche im Enzym sozusagen die Schere des Meprin β ist, also die Stelle, an der das Schneiden der Eiweiße passiert�,  erklärt Professor Christoph Becker-Pauly vom Institut für Biochemie der CAU und Teilprojektleiter im Kieler Sonderforschungsbereich 877 �Proteolyse als regulatorisches Element in der Pathophysiologie�. Molekularbiologe Gomis-Rüth verweist auf die nächsten Forschungsziele: �Jetzt müssen wir Substanzen finden, die genau in die Furche passen und das Enzym bei Bedarf blocken können.� Eine solche Substanz könnte der Schlüssel zu neuen Therapeutika gegen Entzündungskrankheiten, Krebs oder Alzheimer sein.
 
Die Forschungsarbeiten wurden gemeinsam mit dem Max-Planck-Institut für Biochemie und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz sowie der Universität Bern durchgeführt.
 

Hintergrundinformationen
 
Wissenschaftlich gehört Meprin β zur Gruppe der Metalloproteasen. �Es ist in Bezug auf Struktur und Funktionsweise einzigartig unter den extrazellulären proteolytischen Enzymen. Mithilfe proteomischer Techniken konnten wir kürzlich in einer anderen Studie das Amyloid Precursor Protein (APP) als Substrat identifizieren. Es wurde deutlich, dass Meprin β Peptide freisetzen kann, welche Amyloid-Plaques bilden. Man geht davon aus, dass solche Plaques den ersten Schritt bei der Entstehung von Alzheimer darstellen�, ergänzt Becker-Pauly. 
 
Weiterhin erklärt Becker-Pauly die methodische Herangehensweise: �Um die Struktur des menschlichen Enzyms gemeinsam mit Xavier Gomis-Rüth zu entschlüsseln, haben wir Insektenzellen für die Vervielfältigung der Moleküle genutzt. Die Kenntnisse der Enzymstruktur nutzen wir nicht nur, um die genauen Mechanismen der APP-Spaltung zu untersuchen, sondern auch um spezielle Hemmstoffe zu designen, die gegen neurodegenerative Krankheiten eingesetzt werden können.�
 
Originalpublikation:
Joan L. Arolas, C. Broder, T. Jefferson, T. Guevara, E. E. Sterchi, W. Bode, W. Stöcker, C. Becker-Pauly, and F. X. Gomis-Rüth (2012): Structural basis for the sheddase function of human meprin β metalloproteinase at the plasma membrane. PNAS, 109 (40), pp. 16131-16136, doi: 10.1073/pnas.1211076109, http://www.pnas.org/content/early/2012/09/11/1211076109.abstract

Schnellere Heilung von Knochen, Sehnen und Gelenken

Neue Therapieansätze auf dem DKOU ausgezeichnet

Berlin � Jedes Jahr werden in Deutschland rund 1,5 Millionen Unfallopfer in Krankenhäuser eingeliefert � mehr als 35 000 von ihnen mit lebensbedrohlichen Verletzungen. Klinische Studien zeigen, dass die Heilung von Knochenbrüchen bei mehrfach verletzten Patienten verzögert ist. Bei ihnen ist das Risiko erhöht, dass ihre Knochen auch ein halbes Jahr nach dem Unfall noch nicht richtig zusammengewachsen  sind. Die gezielte Therapie nach der klinischen Erstversorgung ist daher entscheidend für die schnelle Genesung des Patienten. Die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) zeichnet deshalb zwei Forschungs-Projekte, die den Behandlungserfolg künftig verbessern könnten, heute während des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) aus. Zum Thema �Effizienz in der Patientenversorgung� findet heute eine Pressekonferenz in der Messe Berlin statt.

Die Forschungsergebnisse von Privatdozent Dr. med. Sebastian Lippross könnten langfristig die Therapie von offenen Knochenbrüchen, Erkrankungen von Gelenken und Sehnen sowie die Behandlung großer Knochendefekte durch Unfälle oder Tumoren verändern. Er hat neue Grundlagen für d ie Wirkung von Thrombozytenkonzentrat, dem sogenannten körpereigenem plättchenreichem Plasma (PRP), in der orthopädischen und unfallchirurgischen Anwendung erforscht. �Die Untersuchungen von Sebastian Lippross liefern mögliche Erklärungen für die schnellere Heilung von Sehnenentzündungen unter dem Einsatz von plättchenreichem Plasma, dessen positiver Einfluss auf das Zellwachstum bereits bekannt war. Er hat zudem die antibakterielle Wirkung von PRP bestätigt und damit eine Perspektive geschaffen, das Risiko von Infektionen bei offenen Frakturen künftig zu reduzieren�, erklärt Professor Dr. med. Christoph Josten, Kongresspräsident des DKOU 2012 und Präsident der DGU. Zudem habe Lippross durch das direkte Spritzen von plättchenreichem Plasma ins Gelenk ein neues Feld für den klinischen Einsatz von PRP bei entzündlichem Gelenkverschleiß eröffnet. Dafür erhält der Oberarzt an der Klinik für Unfallchirurgie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein in Kiel den mit 10 000 Euro dotierten bedeutenden �Hans-Liniger-Preis� der DGU.

Für ihre Erkenntnisse zur verbesserten Knochenheilung bei Schwerverletzen erhält Professor Dr. med. Anita Ignatius den ebenfalls mit 10 000 Euro dotierten �Innovationspreis� der DGU. Sie beschäftigte sich in ihren Studien mit Trauma-Patienten, also mehrfach verletzten Menschen. Nach bisherigen Beobachtungen ruft eine Verletzung des Brustkorbs zusätzliche entzündliche Reaktionen hervor. Die Knochenheilung im gesamten Körper wird dadurch nachhaltig verzögert. Diese Erkenntnis konnte die Direktorin des Instituts für Unfallchirurgische Forschung und Biomechanik am Universitätsklinikum Ulm in Experimenten erstmals bestätigen und gleichzeitig einen effektiven Therapieansatz finden. �Durch die Gabe eines Entzündungshemmstoffes unmittelbar nach dem Unfall kann jedoch der schädliche Effekt der Brustkorbverletzung auf die Knochenheilung positiv beeinflusst werden�, erklärt Josten. �Diese Ergebnisse könnten zu einer ganz neuen therapeutischen Strategie führen, um die verzögerte Knochenheilung bei schwerverletzen Patienten zu verhindern. Zudem könnte so das Risiko einer langwierigen Knochenheilung minimiert werden.

Orthopäden und Unfallchirurgen sind zuversichtlich, dass Patienten von den  Forschungsprojekten der Preisträger bereits in naher Zukunft profitieren könnten. Heute findet die let zte Pressekonferenz des DKOU zum Thema �Effizienz: Wie sieht erfolgreiche Patientenversorgung mit angemessenem Aufwand aus?� in der Messe Berlin statt.

Krebsgefahr für Arbeiter beim Umgang von Schweißen mit Metallen

Im Jahr 1989 war die
Beweislage noch dünn. Aufgrund von „geringen Belegen bei Menschen“ und
„unzureichenden Belegen bei Versuchstieren“ kam die damalige
Expertengruppe der IARC zu dem Schluss: Rauch, der beim Metallschweißen
entsteht, ist als „möglicherweise karzinogen“ einzustufen. Für eine
finale Entscheidung in die eine oder andere Richtung reichte die
Datenlage jedoch nicht aus. Bis jetzt. Eine von der IARC einberufene
Expertengruppe wertete im März 2017 alle publizierten wissenschaftlichen
Studien aus und legte sich fest: Schweißrauche sind krebserregend für
den Menschen. Ausschlaggebend war die Einschätzung der Epidemiologinnen
und Epidemiologen im Team, zu denen auch Wolfgang Ahrens vom
Leibniz-Institut für Epidemiologie und Präventionsforschung – BIPS in
Bremen gehörte. Wolfgang Ahrens: „Die zuständigen Behörden in der Welt
sind nun zum Handeln aufgefordert. Sie müssen die Arbeitsschutzregeln
verschärfen, um die Schweißerinnen und Schweißer besser zu schützen.“

Die IARC veröffentlicht
regelmäßig ihre neuesten Erkenntnisse in Form von Monografien zu
Krebsrisiken. Darin teilt sie die untersuchten Substanzen in Gruppen
ein: Gruppe 1 – karzinogen für Menschen, Gruppe 2A – wahrscheinlich
karzinogen, Gruppe 2B – möglicherweise karzinogen, Gruppe 3 – nicht
eingestuft, Gruppe 4: wahrscheinlich nicht karzinogen. Seit 1989 waren
Schweißrauche in Gruppe 2B eingeordnet. Im März 2017 trat in Lyon nun
eine 17-Köpfige IARC-Evaluationsgruppe zusammen, um die Krebsrisiken des
Schweißens auf Basis der aktuellen Datenlage neu zu bewerten.

Nach Schätzung der IARC
gelten etwa 11 Millionen Menschen weltweit als Berufsschweißer.
Zusätzlich sind weltweit etwa 110 Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter
regelmäßig den beim Schweißen entstehenden Expositionen ausgesetzt. Dazu
gehören Rauche, Gase, ultraviolette Strahlung und elektromagnetische
Felder. Bereits 2012 stufte die Agentur die beim Lichtbogenschweißen
entstehende intensive UV-Strahlung als karzinogen für Menschen ein. Auch
diese Einstufung wurde jetzt bestätigt. Damit gilt es als erwiesen,
dass die beim Lichtbogenschweißen entstehende UV-Strahlung Augenmelanome
verursacht.

„Die Einstufung von UV-Licht
in die höchste Risikostufe konnten wir klar bestätigen“, sagt Wolfgang
Ahrens, Leiter der Abteilung Epidemiologische Methoden und
Ursachenforschung am BIPS und Experte für berufliche und umweltbedingte
Krebserkrankungen. „Eine ganze Reihe von Studien zeigt bei Menschen, die
an Schweißarbeiten beteiligt sind, ein bis zu zehnfach höheres Risiko
für die Entstehung von Augenmelanomen. Und das trotz der nahezu
flächendeckenden Anwendung von Schutzmasken.“ Wer beispielsweise bei
Schweißarbeiten an Straßenbahngleisen als Passant zufällig einen Blick
auf einen Lichtbogen wirft, ist oft minutenlang davon geblendet.
Geschieht dies regelmäßig – etwa bei Personen, die bei den Arbeiten
assistieren – werden deren Augen mit den entsprechend möglichen Folgen
dauerhaft geschädigt.

Gefährlicher Rauch

Rauch entsteht beim
Schweißen, weil Metalle über ihren Schmelzpunkt hinaus erhitzt werden:
Die Metalle verdampfen und kondensieren zu winzig feinen Partikeln, die
ohne spezielle Schutzmaßnahmen vom Arbeitspersonal eingeatmet werden.
„Die verfügbaren epidemiologischen Studien zeigen ganz klar ein erhöhtes
Lungenkrebsrisiko bei Personen, die selbst Schweißen“, erläutert
Wolfgang Ahrens. „Ein im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen
erhöhter Tabakkonsum oder ein häufigerer Kontakt mit Asbest – wie dies
zum Beispiel in der Vergangenheit häufig im Schiffbau der Fall war –
konnten diese Effekte nicht erklären. Darüber hinaus gibt es einen
positiven Zusammenhang zwischen Schweißen und Nierenkrebs, der
allerdings nicht deutlich genug ausfiel, um eine eindeutige Bewertung zu
erlauben. Daher wurde dieser Zusammenhang mit der Einstufung 2B –
möglicherweise karzinogen für die Niere – bewertet.“

Insgesamt war die in Lyon
diskutierte Beweislast für die lungenkrebserzeugende Wirkung von
Schweißrauchen erdrückend – unabhängig davon, welches Schweißverfahren
angewendet und welche Art von Metall geschweißt wurde. Auch die
Datenlage für die Verursachung von Augenmelanomen durch die UV-Strahlung
beim Lichtbogenschweißen war eindeutig. Entscheidend für diese
Bewertungen war schließlich die Einschätzung der Epidemiologinnen und
Epidemiologen im Team. „Es reicht in der Regel für eine finale
Entscheidung nicht aus, wenn ein erhöhtes Risiko nur bei Versuchstieren
auftritt und im Labor anhand von menschlichen Zellkulturen nachweisbar
ist“, sagt Wolfgang Ahrens. „Es muss auch ein eindeutiger Zusammenhang
beim Menschen nachweisbar sein. Und genau diesen haben wir klar
gesehen.“

Behörden müssen reagieren

Die Hochstufung von
Schweißrauchen in „Gruppe 1 – karzinogen für Menschen“ wird Folgen
haben. „Die Monografien der IARC sind die wichtigste Referenz weltweit
für entsprechende Arbeitsschutzregeln. Sie sind allerdings keine
verbindliche Vorgabe für entsprechende Gesetzesänderungen. Dennoch sehe
ich dringenden Handlungsbedarf zum Schutz von Berufsschweißerinnen und
Berufsschweißern und anderem Personal, das regelmäßig schweißt“, sagt
der Epidemiologe. „Schon heute kommen in Deutschland
Rauchabsaugvorrichtungen zum Einsatz. Diese werden aber vor allem an
stationären Schweißstationen verwendet. Bei der Arbeit im Feld wird
dagegen meist nur dann mit mobilen Geräten abgesaugt, wenn beim
Schweißen die schon lange als krebserzeugend geltenden Chrom- und
Nickelverbindungen frei werden. Nun müssen die Verantwortlichen bei
jedweder Exposition gegenüber Schweißrauchen aktiv werden. Wenn Rauch
entsteht, ist die Gesundheit der Schweißerinnen und Schweißer generell
in Gefahr. Zu ihrem Schutz muss der Rauch effektiv abgesaugt werden –
auch wenn dies höhere Kosten und höheren Aufwand bedeutet.“

Hintergrund IARC

Die International Agency
for Research on Cancer (IARC) – zu Deutsch: Internationale Agentur für
Krebsforschung – ist eine Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation
WHO. Die IARC hat ihren Sitz im französischen Lyon und fördert die
internationale Zusammenarbeit in der Krebsforschung. Die
interdisziplinäre Agentur führt die Expertise aus den Bereichen
Epidemiologie, Laborforschung und Biostatistik zusammen, um Ursachen von
Krebs zu identifizieren und Strategien zur Krebsprävention zu
entwickeln. Sie koordiniert die Forschung zwischen den beteiligten
Staaten und Organisationen und fördert gezielt Aktivitäten in
Niedriglohnländern. Regelmäßig veröffentlicht die IARC aktuelle
Forschungsergebnisse in Form von Monografien zu Krebsrisiken, nimmt
jedoch keinen direkten Einfluss auf die nationale Gesetzgebung etwa im
Hinblick auf den Arbeitsschutz.

Kontakt:
Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS