Wie sollte die Grundlaststromversorgung gesichert werden?
Berlin. Nach den Beschlüssen der Energiewende sind die Diskussionen um die Netzstabilität, die Versorgungssicherheit und mögliche Änderungen des Strommarkt-Design entbrannt. Das Forum für Zukunftsenergien hat diese Debatte anlässlich der 50. Sitzung des Arbeitskreises Zukunftsenergien aufgenommen und weiter geführt.
Wolfgang Neldner betrachtete die Problematik der Netzstabilität und hat dazu im Auftrag der IG BCE eine Studie angefertigt, deren Ergebnisse im Rahmen der Arbeitskreis-Sitzung vorgestellt wurden. Da konventionelle Kraftwerke aufgrund der zunehmenden Mengen von EE Strom zukünftig immer weniger ausgleichend oder netzstabilisierend wirken könnten, schlägt er einen "Must-Run-Sockel" als so genannten "Netzstabilisator" vor. Dieser soll auf klarer rechtlicher und unternehmerisch berechenbarer Grundlage vorrangig zur Frequenz- und Spannungserhaltung und damit zur Bewahrung der Systemstabilität beitragen. Dabei käme es nicht auf die Art der Anlage an, sondern vielmehr darauf, dass der Ausgangs(brenn-)stoff gesichert verfügbar sei. Der Robustheits- und Schutzcharakter für das Gesamtsystem ergäbe sich durch das geforderte Vorhandensein großer rotierender Massen, die wie ein schwungradmäßiger Kurzzeitspeicher dem System ein größeres Beharrungsvermögen bezüglich Erhaltung oder Wiedererlangung der Stabilität verliehen. Weitere Kriterien seien die gesicherte Aufruf- und Startbereitschaft, die situationsgerechte und unverzögerte Leistungs- und Spannungs-Zurverfügungstellung, einschließlich anforderungsgerechter Änderungsgeschwindigkeiten.
Neldner sprach sich für Incentive-Systeme in Abhängigkeit von Teilnahme und Bewertung u.a. durch vorrangige Einspeisung gegenüber anderem Strom auch aus erneuerbaren Energien und KWK aus.
Seiner Ansicht nach wäre das Modell zu befristen, bis für stromintensive Industrien und Netzstabilität ausreichende Stromspeicher zum Ausgleich der fluktuierenden Einspeisung Erneuerbarer Energien bereit stünden.
Prof. Dr. Justus Haucap (Duesseldorf Institute for Competition Economics (DICE) Heinrich-Heine-Universität Duesseldorf und Vorsitzender der Monopolkommission) untersuchte im Auftrag der RWE AG, ob im Zuge der Energiewende, die unzweifelhaft einen fundamentalen Einschnitt in die Energiewirtschaft darstelle, zukünftig ein Kapazitätsmarkt für Strom in Deutschland erforderlich sei und wie dieser im europäischen Kontext zu bewerten sei.
Er kam zu dem Schluss, dass die Notwendigkeit eines Kapazitätsmarktes sich – wenn überhaupt – nur aus einer isolierten Betrachtung Deutschlands ergebe und prognostizierte für diesen Fall etliche Probleme, wie z. B. die Gefahr von Mitnahmeeffekten zu Lasten der Stromkunden oder Steuerzahler. Auch unterstrich er, dass eine isolierte Einführung von nationalen Kapazitätsmechanismen die Idee eines europäischen Binnenmarktes für Energie konterkariere.
Auch Dr. Ingo Luge (Vorsitzender des Vorstandes, E.ON Energie AG und Kurator des Forum für Zukunftsenergien e.V.) führte aus, dass in Zentralwesteuropa kein struktureller Engpass an Kraftwerkskapazitäten in den nächsten Jahren sichtbar sei und deshalb aktuell keine Notwendigkeit für die Einführung eines Kapazitätsmarktes bestünde. Jedoch seien mögliche innerdeutsche Engpässe nach dem Kernenergieausstieg beobachtbar. E.ON vertrete die Position, dass Energiemärkte soweit wie möglich immer wettbewerblich ausgestaltet werden und Kapazitätsmärkte nur dann eingeführt werden sollten, wenn die Versorgungssicherheit gefährdet sei. Falls sie notwendig erschienen, sei ein harmonisierter, technologieneutraler europäischer Ansatz über alle Kapazitäten wünschenswert. Notwendig sei es, die erneuerbaren Energien langfristig in den Markt zu integrieren und das Netz auf internationaler und nationaler Ebene entsprechend des geänderten Transpo rtbedarfs auszubauen.
Die anschließend geplante Podiumsdiskussion mit Abgeordneten des Deutschen Bundestages musste leider aufgrund einer kurzfristig angesetzten "Aktuellen Stunde" des Parlaments ausfallen.
Anlässlich der 50. Sitzung des Arbeitskreises Zukunftsenergien wurde eine Übersicht über die in dieser Zeit behandelten Themen erstellt. Die Übersicht steht in Kürze zum Download auf der Homepage des Forum für Zukunftsenergien zur Verfügung.
Die Präsentationen stehen zum Download auf der Homepage des Forum für Zukunftsenergien zur Verfügung.
Der Arbeitskreis Zukunftsenergien wird von der Vattenfall Europe AG und der Deutschen Bank AG unterstützt. Das Forum für Zukunftsenergien bedankt sich dafür sehr herzlich.
Die nächste Sitzung des Arbeitskreises Zukunftsenergien findet am 25. April 2012 statt.