Wenn Muttermilch Gift ist…

Tag der Seltenen Erkrankungen am 28. Februar 2019

Wenn Muttermilch Gift ist… – Initiative macht auf die seltene Stoffwechselerkrankung Galaktosämie aufmerksam

Düsseldorf
– Galakto … was? Galaktosämie, die genetisch bedingte und
neurodegenerative Stoffwechselerkrankung, betrifft in Deutschland nur
etwa 600 Patienten. Zu wenig, um Forschungsinvestitionen zu
rechtfertigen und zu wenig, um im Alltag von behandelnden Ärzten präsent
zu sein. Die Selbsthilfegruppe „Galaktosämie Initiative Deutschland“
(Gal ID) ist Ansprechpartner für Betroffene und ihre Stimme in der
Öffentlichkeit. Sie wünscht sich
– ebenso wie die Betroffenen von weltweit etwa 8000 seltenen Krankheiten
dass mehr Menschen auf diese aufmerksam werden. Der Tag der Seltenen
Erkrankungen am Donnerstag, den 28. Februar, soll die Öffentlichkeit für
diese Krankheiten sensibilisieren.

Milch,
für die meisten von uns Teil einer gesunden Ernährung, ist für Menschen
mit Galaktosämie Gift. Ein Hauptbestandteil der Milch ist der
galaktosehaltige Milchzucker (Laktose), ein Stoff, der in vielen
Nahrungsmitteln, auch in Muttermilch vorhanden ist. Für an Galaktosämie
erkrankte Babys kann das zur tödlichen Falle werden.

Was
dann passieren kann, erklärt Professor Dr. med. Dirk Müller-Wieland,
Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), der auch dem
wissenschaftlichen Beirat der Galaktosämie Initiative Deutschland
vorsitzt: „Eine grundlegende Störung aller Formen der Galaktosämie ist,
dass Galaktose nicht ausreichend verstoffwechselt wird und es hierdurch
zu einer Anreicherung von Galaktose und Veränderungen des Stoffwechsels
in den Geweben kommen kann.“ Akute Komplikationen treten beim
Neugeborenen nach erstem Stillen auf und können lebensgefährlich sein.
Daher wird heutzutage schon im Kreissaal mit dem Fersenbluttest danach
gefahndet und bei einer entsprechenden Diagnose die Säuglingsnahrung zum
Beispiel auf Soja-Basis umgestellt.

Aber
die Flaschenzeit ist kurz, Kinder sind neugierig und an jeder Ecke
locken Versuchungen. Das tägliche Essen wird eine aufwändige Aktion:
Streng tabu sind die meisten – auch laktosefreien – Milchprodukte. Bei
Margarine, Backwaren, Wurst, Fertiggerichten, Würzmischungen und
Süßigkeiten muss die Deklaration ganz genau beachtet werden. Noch
schwieriger wird es, wenn die Kinder selbständiger werden: Was haben die
Kindergartenfreunde in ihrer Brotdose? Darf mein Kind die Torte bei der
Geburtstagsparty essen? Diese und ähnliche Fragen beschäftigen die
Eltern von betroffenen Kindern.

Schon
bald weicht aber in vielen Familien die Sorge ums Essen anderen
Problemen:  Während einige wenige an Galaktosämie erkrankten Menschen
das Abitur schaffen und studieren, gelingt es den meisten nicht, in der
Schule und in der Ausbildung mit anderen Schritt zu halten. Sie sind
langsamer in ihrer kognitiven und körperlichen Entwicklung, lernen
schwerer zu sprechen, weil ihre Mundmotorik eingeschränkt ist, oder
beginnen zu zittern, wenn sie in Stress geraten. Mädchen kommen meist
nicht ohne Hormontherapie in die Pubertät und der Kinderwunsch wird zum
Problem. „Zu den Spätkomplikationen gehören eventuell Funktionsstörungen
des Nervensystems, der hormonellen Entwicklung und des
Knochenstoffwechsels. Eine lebenslange galaktosearme Diät trägt dazu
bei, dass Spätkomplikationen milder auftreten“, weiß Professor Dr. med.
Dirk Müller-Wieland. „Die Krankheit ist schwerwiegend, aber selten und
in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Daher sind Fördergelder für
die Forschung zu diesem Thema kaum vorhanden und der Kreis von Forschern
sehr klein.“ Eine wesentliche Barriere sei, dass die Erkrankung und ihr
damit verbundenes Leid der Betroffenen und Familien völlig unzureichend
bekannt ist. So müsse mehr Aufklärung betrieben und Verständnis für die
Galaktosämie und der von ihr betroffenen Menschen in der breiten
Öffentlichkeit geschaffen werden.

Mehr
Aufklärung für die Öffentlichkeit – das ist ein zentrales Vorhaben der
Gal ID. Die Initiative ist ein Selbsthilfeverein für Eltern, Angehörige
und Betroffene. Vor 30 Jahren wurde dieser Verein von Eltern gegründet,
die ratlos waren, wie sie in Zeiten vor Google und Facebook Ärzte,
Therapeuten und Ernährungstipps finden sollten. „In erster Linie geht es
darum, zu fühlen: Wir sind nicht allein! Deshalb machen wir
Jahrestreffen, Kinder-, Jugend und Erwachsenenworkshops“, berichtet
Kirstin Krei, die Vorsitzende des Vereins. „Aber natürlich ist uns auch
Forschung wichtig: Was ist das eigentlich für eine Krankheit, warum hat
mein Kind sie und was kann man dagegen tun? Diese Frage beschäftigt
viele Eltern – und eine Antwort darauf zu finden, ist nur mit intensiver
Forschung möglich.“

Kontakt:

Gal ID – Galaktosämie Initiative Deutschland e.V.