Vorurteile gegen Übergewichtige ein unterschätztes Problem

Hilbert erforscht Adipositas-Vorurteile (Foto: uni-marburge.de)
 
Marburg (pte/11.01.2008/13:40) – Vorurteile gegenüber übergewichtige und adipöse Menschen sind weiterhin stark verbreitet. Das haben Marburger Forscher in einer landesweiten Untersuchung festgestellt. Sie gehen zudem auch der Frage nach, wie sich diese Stigmatisierung auf die Betroffenen auswirkt. Ein Ergebnis der Forschergruppe ist, dass das Ausmaß der Vorurteile offenbar mit besserem Wissen um das Krankheitsbild sinkt. "Adipositas wird üblicherweise über einen Body Mass Index (BMI) ab 30 definiert", erklärt Anja Hilbert, Leiterin der Nachwuchsforschergruppe zur Adipositas der Philipps-Universität Marburg http://www.uni-marburg.de/nfg-adipositas, auf pressetext-Anfrage.

Dieser BMI ergibt sich aus dem Körpergewicht geteilt durch das Quadrat der Körpergröße. Nach aktuellen Zahlen des Robert-Koch-Institus sind 18,1 Prozent der Erwachsenen in Deutschland adipös, weitere 40 Prozent sind übergewichtig (BMI ab 25). Sie sehen sich im Alltag mit mehr oder weniger ausgeprägten Gehässigkeiten konfrontiert, etwa durch die Bezeichnung "fettleibig". "Mit diesem Begriff wäre ich vorsichtig", warnt Hilbert. Dazu kommen Stigmatisierungen, stark übergewichtige Personen seien faul, willensschwach, oder weniger intelligent. In den USA ist dieses Phänomen schon besser erforscht, die Marburger haben nun in Kooperation mit Elmar Brähler vom Universitätsklinikum Leipzig http://www.uniklinikum-leipzig.de eine repräsentative Studie für Deutschland durchgeführt.

Fast 25 Prozent der Befragten haben dabei eindeutig stigmatisierende Einstellungen geäußert, nur knapp mehr als ein Fünftel dagegen ein negatives Pauschalurteil über Adipositas-Betroffene ausdrücklich abgelehnt. Rund 55 Prozent erscheinen unentschieden, die Wissenschaftler befürchten ein hohes Ausmaß latenter Stigmatisierung. Ein Anzeichen dafür ist, dass 85 Prozent der Befragten meinten, Adipöse seien an ihrem Übergewicht selbst schuld. Dabei gilt aus medizinischer Sicht als gesichert, dass auch Faktoren wie genetische Prädisposition und das Lebensumfeld Adipositas bedingen. Ein Experiment der Forschergruppe zeigte allerdings, dass sich durch die Verbreitung von Wissen über die Krankheit Vorurteile reduzieren lassen dürften.

"Die Stigmatisierung ist nach US-Untersuchungen sehr stark mit Leiden korreliert", warnt Hilbert vor psychologischen Auswirkungen. Allerdings sei die Frage nach einem ursächlichen Zusammenhang noch nicht geklärt. Die Marburger Forschergruppe untersucht derzeit auch die psychologischen Aspekte des schweren Übergewichts. "Wir arbeiten an einer Studie, welche Auswirkungen die Stigmatisierung auf die Selbstwahrnehmung adipöser Menschen hat", gibt Hilbert an. Man habe implizit negative Einstellungen Betroffener sich selbst gegenüber beobachtet.

Die wissenschaftliche Fachpublikation zum Ausmaß der Stigmatisierung Adipöser in Deutschland soll innerhalb der nächsten beiden Monate im Fachmagazin Obesity http://www.obesityresearch.org erscheinen. Eine Publikation der zweiten Studie zur Frage der Auswirkungen dieser Stigmatisierung soll bis 2008 folgen. Mit der Krankheit Adipositas werden auch gravierende medizinische Risiken assoziiert, darunter Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.