Gesundheitsrisiko Konkurrenz: Männer reagieren empfindlicher als Frauen auf sozialen Stress
fzm, Stuttgart, März 2014 – Männer sind noch
immer eher Konkurrenzsituationen ausgesetzt als Frauen, und noch immer
gilt es als typisch männlich, sich mit dem Ellenbogen in der Hierarchie
nach oben zu kämpfen. Gleichzeitig reagieren Männer jedoch empfindlicher
als Frauen auf Konkurrenzdruck und sozialen Stress. Auf diese für
Männer gesundheitsgefährdende Konstellation weist Professor Dr. Bertram
Szagun, Gesundheitswissenschaftler an der Hochschule
Ravensburg-Weingarten, in der Fachzeitschrift "Das Gesundheitswesen"
(Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2014) hin. Möglichkeiten zur Prävention
sieht Szagun, der auch Humanmediziner ist, nicht nur auf
gesamtgesellschaftlicher und kultureller Ebene, sondern auch im
betrieblichen Setting.
Wie sich in einer Vielzahl von Studien gezeigt hat, ist der
Zusammenhang zwischen sozialer und gesundheitlicher Lage bei Männern
besonders ausgeprägt. Stärker als Frauen leiden sie unter sozialen
Umbruchsituationen, einer niedrigen sozialen Stellung oder auch nur
unter dem Gefühl, im Vergleich zu anderen schlechter gestellt zu sein.
Eine Schlüsselrolle spielt dabei offenbar der durch die
gesellschaftliche oder berufliche Konkurrenzsituation hervorgerufene
Dauer-Stress. Sozial benachteiligte Männer leben quasi in ständiger
"Kampfbereitschaft" – angezeigt durch das Stresshormon Cortisol. Wie
Szagun betont, sind es die typischen stressbedingten Leiden wie
Herz-Kreislauferkrankungen, depressive Störungen und
Stoffwechselerkrankungen, die bei den belasteten Männern entsprechend
stark zunehmen. Die Auswirkungen des psychosozialen Stresses machen sich
letztlich sogar in der Mortalität bemerkbar. In Deutschland und den
meisten anderen Ländern gilt: Je schlechter die soziale Situation ist,
desto deutlicher ist der Unterschied zwischen der – ohnehin schon
kürzeren – Lebenserwartung der Männer und der der Frauen.
Die stärkere Kompetitivität der Männer macht sie gleichzeitig
jedoch auch schwerer erreichbar. "Gerade psychosozial belastete junge
Männer zeichnen sich eher durch Irritabilität, Aggressivität, Risiko-
und Suchtverhalten aus", so Szagun. Für Gesundheitsthemen seien sie in
der Regel nur schwer zu gewinnen – erst recht, wenn diese auf den Abbau
der auf den Wettbewerb ausgerichteten Verhaltensweisen gerichtet seien.
Gleichzeitig sieht Szagun jedoch ein großes kulturhistorisches
Potenzial zur Begrenzung von Kompetitivität. "Moral und Ethik messen
kompetitiven Impulsen und deren Kontrolle von jeher höchste Bedeutung
bei", erläutert er. Als Beispiel nennt er die christliche Tugend der
Demut, die den Todsünden des Neides, der Habgier und des Hochmuts
gegenübersteht. Und im Buddhismus gilt es als meditatives Ziel,
Konkurrenzgefühle in Mitgefühl umzuwandeln. Während der Begriff der
Demut heutzutage oft negativ belegt sei, solle er wieder eher in seiner
ursprünglichen Bedeutung gesehen werden: Als Fähigkeit, seine
persönlichen Grenzen realistisch einzuschätzen und nicht zu stark auf
kompetitive Situationen zu reagieren. In dieser Bedeutung werde der
Begriff auch zunehmend in der Unternehmensführung verwendet, freut sich
Szagun.
Der Ravensburger Wissenschaftler gibt jedoch zu bedenken,
dass Konkurrenz- und Wettbewerbsfähigkeit nicht nur negativ sind:
Immerhin stellen sie einen wichtigen gesellschaftlichen
Fortschrittsmotor dar. Auch Spiel und Sport seien ohne Konkurrenz und
Wettbewerb nicht denkbar. Diese positiven Aspekte sollten daher nicht
ausgeblendet, sondern eventuell als Zugangsmöglichkeit zur besonders
betroffenen Zielgruppe der jungen Männer genutzt werden.
B. Szagun und S. Cohrs: