(BZfE) – Mehr gestillte Kinder könnten die Gesundheitssysteme weltweit
um riesige Beträge entlasten. Das gilt sowohl in den sogenannten
Industrienationen wie auch in Schwellen- und Entwicklungsländern. Immer
häufiger wurden zuletzt ökonomische Analysen im Kontext des Stillens
durchgeführt, um den Einfluss des Stillens auf vermeidbare Todesfälle und
Erkrankungen zu untersuchen. Auch die Kosteneffektivität für das
Gesundheitssystem und damit die Bedeutung für die Gesellschaft wurden
erforscht.
Insbesondere in Schwellen- und Entwicklungsländern ist jeder US-Dollar,
der in Stillförderung investiert wird, gut investiertes Geld, denn er
bringt einen wirtschaftlichen Ertrag von 35 US-Dollar. Dieser besteht u.a.
aus geringeren Gesundheitskosten und weniger Arbeitsausfall durch
Krankheit. Und noch eine Zahl lässt aufhorchen: Es braucht nur
überschaubare 4,70 Dollar pro Neugeborenem für eine intensive
Stillförderung. Damit würde das Ziel der Weltgesundheitsorganisation
erreicht werden, die Steigerung des ausschließlichen Stillens in den
ersten sechs Monaten auf mindestens 50 % aller Babys bis 2025 auszuweiten.
Das könnte die vorzeitigen Sterbefälle in Ländern mit einer hohen
Kindersterblichkeit pro Jahr um circa 820.000 verringern. Damit hätte das
Stillen als Einzelmaßnahme den größten gesundheitsförderlichen Einfluss
auf die Kindersterblichkeit in Schwellen- und Entwicklungsländern.
Eine Gruppe internationaler Wissenschaftler schätzt auf Basis von
Modellrechnungen, dass bereits eine 10-prozentige Steigerung der Rate
ausschließlich gestillter Kinder eine Kostenreduktion von mindestens 312
Millionen US-Dollar in den USA, 7,8 Millionen Dollar in Großbritannien, 30
Millionen Dollar in China und 1,8 Millionen Dollar in Brasilien zur Folge
hätte. Eine Erhöhung der Stillraten auf 90 % in Brasilien, China und den
USA sowie auf 45 % in Großbritannien würde die Behandlungskosten für
häufig auftretende Kinderkrankheiten wie Lungenentzündung, Durchfall und
Asthma sehr deutlich senken. Die USA würden dadurch mindestens 2,45
Milliarden, Großbritannien 29,5 Millionen, China 223,6 Millionen und
Brasilien 6,0 Millionen Dollar einsparen. Für Deutschland gibt es aktuell
keine entsprechenden Schätzungen. Es besteht aber Konsens darüber, dass
niedrige Stillraten nicht nur ein Problem von Schwellen-und
Entwicklungsländern sind. Auch bei uns würde das Gesundheitssystem also
in vielerlei Hinsicht – die Auswirkungen auf die Krankheitskosten der
Frauen sind noch nicht berücksichtigt – von mehr Stillförderung
profitieren.
Um einen Überblick über Strukturen, Akteure und Maßnahmen zur
Stillförderung in Deutschland.zu bekommen, wurde das Forschungsprojekt
„Becoming Breastfeeding Friendly“ aufgesetzt. Das Bundesministerium
für Ernährung und Landwirtschaft hat das Netzwerk Gesund ins Leben und
die Nationale Stillkommission beauftragt, dieses Vorhaben für Deutschland
durchzuführen. Die Universität Yale begleitet den gesamten Prozess
wissenschaftlich. „Becoming Breastfeeding Friendly“ wird die aktuelle
Situation der Stillförderung in Deutschland systematisch abbilden und
Daten für die Stillförderung und den Stillschutz in Deutschland liefern.
Die Empfehlungen werden hierzu auf einer Fachkonferenz in Berlin
vorgestellt.