(Helmholtz-Zentrum) Kritische Rohstoffe wie Kupfer, Kobalt oder Seltene Erden sind von strategischer Bedeutung für die europäische Wirtschaft. Jedoch kommen viele dieser Metalle in ihren Lagerstätten als immer kleinere Erzkörnchen vor – zu klein für die gängige Abtrennung durch Flotation. In dem Projekt FineFuture will ein Konsortium mit 16 Partnern aus Industrie und Wissenschaft die Phänomene bei der Flotation sehr feiner Mineralpartikel erforschen und neue technologische Lösungen dafür entwickeln. Die EU fördert das auf drei Jahre angelegte Vorhaben mit über 6,2 Millionen Euro. Die Koordination von FineFuture liegt beim Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR).
Europas Anteil an der weltweiten Bergbauproduktion liegt aktuell bei gerade einmal drei Prozent – noch um 1900 waren es 40 Prozent. Doch eine Trendwende zeichnet sich ab. Steigende Preise und die weltweit wachsende Nachfrage nach strategisch bedeutsamen, technologisch interessanten Metallen sind dafür verantwortlich. Damit rücken zunehmend Vorkommen in den Fokus der Bergbauindustrie, deren Abbau bislang als unwirtschaftlich galt: Gering konzentriert und fein verteilt sind die gewünschten Erze im Gestein, der technische Aufwand zu ihrer Gewinnung ist enorm.
„Das Thema Rohstoffe lässt sich nur auf europäischer Ebene bearbeiten“, betont Prof. Kerstin Eckert vom HZDR-Institut für Fluiddynamik, die das gesamte Projekt koordiniert: „Mit den im Konsortium gebündelten Kompetenzen haben wir die Chance, substanzielle Verbesserungen bei der Ausbringungs- und Verwertungsquote zu erreichen.“ In FineFuture arbeiten Partner aus insgesamt elf Ländern zusammen; sie wollen fortschrittliches Anlagendesign und Prozessinnovationen so kombinieren, dass die Verwertungsquote gegenüber dem heutigen Stand um 30 Prozent steigt. Effizientere Verfahren mit weniger Prozessschritten sollen zudem den Wasser- und Energieverbrauch sowie den Eintrag von Chemikalien in die Umwelt reduzieren.
Was ist Flotation?
„Die Schaumflotation ist die wichtigste Methode in der Montanindustrie, um aus Erzen wertvolle Rohstoffe zu gewinnen“, erklärt Dr. Martin Rudolph vom Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie (HIF), das zum HZDR gehört. „Bei Korngrößen unter 20 Mikrometern – das ist nicht einmal halb so dick wie ein Menschenhaar – gerät die derzeitige Technologie jedoch an ihre Grenzen.“ Die Schaumflotation nutzt die unterschiedlichen Oberflächen-Eigenschaften von Mineralpartikeln. Führt man einer Flüssigkeit mit fein gemahlenen Partikeln Gasblasen zu, haften die Blasen an Teilchen mit hydrophober, das heißt wasserabstoßender Oberfläche. Diese steigen mit den angehängten Luftblasen nach oben und bilden eine Schaumschicht, die abgeschöpft werden kann. Auf den jeweiligen Wertstoff zugeschnittene Reagenzien sorgen dafür, dass die „richtigen“ Körnchen in den Schaum gelangen. Andere Hilfsstoffe befördern das Absinken der unerwünschten Partikel oder stabilisieren den wertvollen Schaum. Faktoren wie zugeführte Gasmenge und Blasengröße, Turbulenzgrad der Strömung, verwendete Reagenzien und Anhaftungsenergien bestimmen die Ausbeute.
„Doch wie bringt man staubfeine Teilchen und Blasen auf Kollisionskurs?“, fragt Rudolph, der am HIF die Abteilung Aufbereitung leitet. „Wie wirken sich unterschiedliche Reagenzien im Gesamtprozess aus? Und wie lassen sich unerwünschte Teilchen aus dem Schaum entfernen?“ Noch viele grundlegende Fragen sind zu beantworten, damit sich künftig auch Mineralpartikel im Größenbereich von 0,1 bis 20 Mikrometer im industriellen Maßstab separieren lassen. Eine solche Technologie wäre ebenso für die Rohstoff-Gewinnung aus Althalden oder beim Recycling von großer Bedeutung.
Feinschaum im Computermodell
Die Forschungen der neun akademischen Projektpartner richten sich vor allem darauf, die Mechanismen und Mikroprozesse der Feinpartikel-Flotation zu ergründen: Zwei der insgesamt neun Arbeitspakete widmen sich den physikalisch-chemischen und hydrodynamischen Aspekten im Aufbereitungsprozess. Dabei geht es um Bindungsmechanismen und Schaumverhalten der Wertstoff-Partikel sowie um turbulente Strömungen im Flotationstank. Letztere beeinflussen die Kollisionsfrequenz von Partikeln und Blasen: Nur wenn Luftblasen und hydrophobierte Mineralkörnchen in Kontakt kommen, ist eine Anhaftung überhaupt möglich.
Gleich drei Gruppen am HZDR arbeiten daran, die Ausbeute bei der Feinpartikel-Flotation zu verbessern: Neben dem Team von Kerstin Eckert sind dies Kollegen aus dem Bereich numerische Strömungssimulation sowie eine Arbeitsgruppe um Martin Rudolph. Mit Modellexperimenten, neu entwickelten Messverfahren und Computersimulationen untersuchen sie die Wechselwirkungen zwischen Partikeln, Flüssigkeit und Gasblasen sowie die Strömungsverhältnisse in dem von außen nicht einsehbaren Flotationsbad.
Ein Plus für die Umwelt
Aus den Forschungsergebnissen wollen die Partner Lösungsansätze ableiten wie etwa innovative hydrodynamische Konzepte, mit denen sich die Kollisionswahrscheinlichkeiten zwischen Blasen und Feinteilen erhöhen lassen. Hier bringen die Hersteller von Flotationszellen Know-how und Technik ein. Neue Erkenntnisse zu den Wechselwirkungen an den Grenzflächen wollen die Forscher nutzen, um mit optimierten Reagenzien die Anhaftung kleinster Wertstoff-Partikel an die Gasblasen zu verbessern. Die neu entwickelten Technologien werden dann in simulierten Umgebungen, im Labor sowie in Pilotanlagen getestet und optimiert.
Neben führenden europäischen Forschungseinrichtungen sind sieben Unternehmen aus dem Bergbau, der Aufbereitungsindustrie und dem Anlagenbau an FineFuture beteiligt, darunter die polnische Firmengruppe KGHM – einer der weltgrößten Bergbau-Konzerne und Kupferminen-Betreiber – sowie drei weitere Rohstoff-Unternehmen. Diese erhoffen sich nicht nur höhere Gewinnungsraten, sondern auch nachhaltigere Prozesse und geringere Flotationsrückstände. Zudem schlummern in vielen Halden noch wertvolle Feinpartikel, die sie nutzbar machen wollen. Das könnte Deponien verkleinern und so Landverbrauch und Umweltgefahren reduzieren. Mit an Bord ist auch die BASF als Hersteller von Flotations-Chemikalien. Sie sucht nach optimierten Reagenzien, die sparsamer, effektiver und damit umweltfreundlicher sind.