Neue Impfstoffgewinnungsmethoden strafen Impfgegnern Lügen – Mit einer Einführung von Jean Pütz

Soeben lese ich von einem ‚Arzt‘, der sich sogar als Doktor bezeichnen darf, und der bei Facebook ernsthaft eine Warnung vor jeglicher Impfung verkündet, gespickt mit Halbwahrheiten, u.a., dass alle Impfstoffe mit Quecksilber verseucht seien. Das ist wohl die erfolgreichste Masse der Verschwörungstheoretiker, der sich mittlerweile auch AFD und extrem Rechte bedienen.

Damit endlich auch in der Öffentlichkeit bekannt wird, dass die heutigen Impfstoffe nur noch Bruchstücke der krankmachenden Bakterien oder Viren enthalten -präzise gesagt, nur die DNA- oder DNR-Sequenzen, auf die das Immunsystem abwehrend reagiert. die Risiken und Nebenwirkungen sind in letzter Zeit extrem verringert worden. Ich verstehe nicht, warum es sich noch nicht herumgesprochen hat, dass die Aktivierung des menschlichen Immunsystems auf die beste Apotheke zurückgreift, die wir alle in uns tragen. Kein Medikament – nach der Erkrankung verabreicht – kann dem auch nur nahe kommen. Außerdem – und das hat mir ein bekannter Immunologe, Prof. Dr. Gerd Uhlenbrock aus Köln, eingetrichtert: Jede Impfung stärkt in hohem Maße das gesamte Immunsystem. nicht nur gegen die Krankheit, für die geimpft wurde. Deshalb finde ich es auch als klugen Vorschlag, die Kinder – im Gegensatz zu früher – gegen Grippe impfen zu lassen. Die neue Methode, Impfstoffe zu gewinnen, wird durch die Förderung der Forschung der beiden genialen Wissenschaftlerinnen aus der Helmholzgesellschaft unterstützt. Aus der Sicht eines kritischen Wissenschaftsjournalisten ist das der richtige Weg und straft hoffentlich allen Verschwörungstheoretikern Lügen

Jean Pütz

(mdc) – Zwei MDC-Wissenschaftlerinnen – Kathrin de la Rosa und Ilaria Piazza – werden mit ERC Starting Grants gefördert. Ihre Arbeit könnte eines Tages die Art und Weise verändern, wie wir Impfstoffe entwickeln und wie wir über den Einfluss kleiner Moleküle auf Genexpression und Krankheiten nachdenken.

Dr. Kathrin de la Rosa und Dr. Ilaria Piazza, beide Juniorgruppenleiterinnen am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC), erhalten Starting Grants des Europäischen Forschungsrates ERC. Die begehrte Auszeichnung ist mit einer Förderung in Höhe von jeweils etwa 1,5 Millionen Euro über fünf Jahre verbunden. Damit können Nachwuchsforscher*innen eigene Teams aufbauen und „high risk, high reward“-Forschung betreiben. Sie müssen seit ihrer Promotion zwei bis sieben Jahre Erfahrung gesammelt haben und über eine vielversprechende wissenschaftliche Erfolgsbilanz verfügen. In diesem Jahr erhalten 436 europäische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlichster Fachrichtungen ERC Starting Grants.

„Die ERC Starting Grants unterstützen in der Regel Projekte, die in anderen Zusammenhängen vielleicht scheitern würden, weil die Ideen, um es mal einfach auszudrücken, zu verrückt sind“, sagt Piazza, die die Arbeitsgruppe „Allosterische Proteomik“ leitet. De la Rosa, die Leiterin der Arbeitsgruppe „Immunmechanismen und humane Antikörper“ stimmt zu: „So können wir uns an riskantere Hypothesen heranwagen.“

Kleine Interaktionen, große Wirkung?
Piazza untersucht das Zusammenspiel zwischen Proteinen und kleinen Molekülen (small molecules), bei denen es sich entweder um natürliche Metabolite oder um von Menschenhand hergestellte Medikamente handeln kann. „Wir wissen ziemlich viel darüber, wie Proteine miteinander oder mit Nukleinsäuren wie DNA oder RNA interagieren. Aber ihr Zusammenspiel mit Metaboliten oder Medikamenten in großem Maßstab zu ergründen, das ist neu“, sagt Piazza. 

Ihr Ansatz zur Analyse dieser Interaktionen ist innovativ: Sie kombiniert eine Protease – ein Protein, das andere Proteine zerkleinert oder „spaltet“ – mit Massenspektrometrie, also einer Maschine, die verschiedenste Segmente von Proteinen, die Peptide, erkennt und ausliest. Piazza vergleicht die Peptidketten eines Proteins, die einem kleinen Molekül ausgesetzt waren, mit denen, die keinen Kontakt hatten. Wenn sich die Ketten unterscheiden, ist das ein Hinweis: Es deutet darauf hin, dass das Protein anders geschnitten wurde, weil es an das jeweilige kleine Molekül gebunden war.

Die besondere Stärke des Ansatzes liegt darin, dass Piazza so Tausende Proteine gleichzeitig untersuchen kann, um zu sehen, welche von ihnen an ein bestimmtes kleines Molekül binden. Der „verrückte“ Teil ihrer Hypothese: Sie vermutet, dass ein Zusammenspiel von Proteinen und kleinen Molekülen innerhalb des Zellkerns die Genexpression direkt beeinflussen kann. Ihrer Ansicht nach sind diese Interaktionen der Schlüssel, um die Entstehung von Krankheiten zu erklären – denn im Gegensatz zu einer vorbestimmten Genetik spiegeln sie die Einflüsse der Außenwelt wider.

„Warum können Zwillinge, die das gleiche Erbgut teilen, verschiedene Persönlichkeiten haben und andere Krankheiten entwickeln“, fragt Piazza. „Wie wir leben und unsere Umwelt – das beeinflusst, wie die DNA in Proteine übersetzt wird. Und ich glaube, dass das Zusammenspiel von Proteinen und kleinen Molekülen eine enorme Rolle spielt, die noch völlig unerforscht ist.“ 

Vielleicht sei der Effekt am Ende kleiner als sie annimmt. Doch einen ERC Starting Grant zu bekommen, bestärke sie darin, der Idee nachzugehen, sagt Piazza. Dank der Förderung in Höhe von fast 1,7 Millionen Euro für ihr Projekt proteoRAGE kann sie ihr Labor erweitern, das sie seit diesem Jahr am MDC aufbaut. „Ich brauche mutige Menschen, die sich nicht scheuen, über den Tellerrand zu schauen“, sagt sie. 

Der Natur die erfolgreichsten Tricks abschauen
Kathrin de la Rosa, die seit 2018 ihr Immunologie-Labor 2018 am MDC leitet, konnte die Nachricht über die Förderung kaum glauben. „Erst als mir all jene, die mich bei der Bewerbung unterstützt haben, gratuliert haben, habe ich es realisiert und konnte den Erfolg feiern“, sagt sie. Sie bekommt fast 1,5 Millionen Euro für ihr Projekt AutoEngineering.

In dem Projekt will Kathrin de la Rosa körpereigene B-Zellen im Labor genetisch so verändern, dass sie Antikörper produzieren, die noch schlagkräftiger sind als ihre natürlichen Vorbilder. Allerdings wird de la Rosa dafür nicht auf die Gen-Schere CRISPR-Cas9 zurückgreifen. „Wenn diese Schere an der falschen Stelle schneidet, kann das unerwünschte Nebenwirkungen hervorrufen. Die Zellen können sogar zu Krebszellen werden“, sagt sie. Stattdessen will de la Rosa eine natürliche Fähigkeit der B-Zellen nutzen. 

B-Zellen gehören zu den weißen Blutkörperchen. Diese sind in der Lage, hochspezialisierte Antikörper zu bilden, die Eindringlinge im Körper erkennen und binden können. Damit locken sie wieder andere Abwehrzellen an, die den Erreger wie ein Virus, ein Bakterium oder einen Parasiten zerstören. Wenn die B-Zellen dem Erreger begegnen, werden sie aktiviert. Sie teilen sich und ihre DNA-Stränge brechen besonders oft an den Stellen, die die Erbinformation für die Antikörper kodieren. So entstehen nach dem Zufallsprinzip neue Antikörpervarianten, von denen manche noch besser an den Erreger binden können. Während einer Malaria können die Antikörper in seltenen Fällen sogar Segmente eines anderen Gens „stehlen“. Ein ganz neuer Rezeptor wird eingebaut, es bilden sich breit reaktive Antikörper. „Diesen Antikörpern kann ein Erreger viel schwerer entkommen, selbst wenn der Eindringling mutiert und seine Oberfläche verändert“, sagt de la Rosa.  

De la Rosa will diesen natürlichen Prozess des „Segment-Stehlens“, den sie und ihre Kolleg*innen 2016 zum ersten Mal beobachtet haben, Schritt für Schritt aufklären. Sie will die zugrundeliegenden Mechanismen verstehen und sie in der Petrischale nachstellen. „Zuerst müssen wir effiziente Wege finden, wie wir diese zelleigenen Mechanismen nutzen können. Wir möchten testen, ob unser Ansatz sicherer ist als der Einsatz zellfremder Gen-Scheren wie CRISPR-Cas9 und ihn dann anwenden, um schließlich neuartige Antikörper zu erzeugen“, sagt sie. „Stellen Sie sich nur vor, wir könnten der Natur ihre erfolgreichsten Tricks abschauen, um in Zukunft Erreger wie HIV, die unser Immunsystem überfordern, in Schach zu halten!“ Es reizt sie und ihr Team, an etwas zu arbeiten, das eines Tages ein völlig neuer Ansatz für Impfstoffe sein könnte, sagt de la Rosa. „Das wird eine spannende Reise.“