Gießen, 17. November 2010. Eine bösartige Veränderung an der Innenhaut der Harnblase ist die zweithäufigste Krebserkrankung in der Urologie. Was kaum einer weiß: Im Laufe der letzten 20 Jahre hat es eine kontinuierliche Steigerung der Neuerkrankungsrate für Harnblasenkrebs gegeben. Aktuell erkranken fast 30.000 Menschen jedes Jahr neu an dieser bösartigen Krankheit. Besonders belastend für die Betroffenen ist die hohe Wiedererkrankungsrate von 30 bis 70 Prozent. „Eine Hyperthermie-Chemotherapie der Harnblase bietet jetzt die Chance, die hohe Rezidivrate beim Harnblasenkarzinom deutlich zu reduzieren“, sagt Dr. Gerson Lüdecke, Urologe am Universitätsklinikum Gießen und Initiator des 1. Blasenkrebs-Symposiums Gießen. Auf dem Symposium stellen nationale und internationale Experten am 4. und 5. Dezember 2010 die neue und bislang in Deutschland nur selten eingesetzte Methode vor.
Bei mehr als zwei Drittel der Patienten, die an einem Harnblasenkarzinom erkranken, liegt ein Tumor vor, der sich nicht in tiefere Schichten der Harnblase ausgebreitet hat und als nicht-muskelinfiltrierender Tumor bezeichnet wird. Bei der Mehrzahl dieser Patienten muss die Harnblase nicht entfernt werden. Sie werden Organ erhaltend über endoskopische Operationstechniken behandelt. Die Aggressivität eines Harnblasenkarzinoms verläuft jedoch ausgesprochen unterschiedlich und dementsprechend unterschiedlich sind auch die Erfolge der Behandlung. So schwankt die Wiedererkrankungsrate bei einem nicht-muskelinfiltrierenden Tumor der Harnblase zwischen 30 und 70 Prozent. Bei den Patienten tritt der Krebs – meistens innerhalb von zwei Jahren nach Diagnosestellung – also erneut auf. Bei vielen muss die Harnblase schließlich doch entfernt werden. „Für die Patienten ist die hohe Rezidivrate des Harnblasenkarzinoms mit ihren Folgen extrem belastend“, erläutert Lüdecke. Schon seit Jahrzehnten werde daher versucht, die Zahl wiederkehrender Tumore der Harnblase durch eine vorbeugende Behandlung zu verringern. Die bislang standardmäßig eingesetzten Verfahren wie Chemotherapie oder Immuntherapie können die Rezidivrate allerdings nur um etwa ein Drittel senken.
Einen neuen Ansatz zur Verringerung der Rezidivrate bietet die Hyperthermie-Chemotherapie, bei der die Harnblase mit einem Chemotherapeutikum bei gleichzeitiger lokaler Erwärmung gespült wird. „Nach einer Hyperthermie-Chemotherapie treten deutlich weniger Rezidive auf und es müssen weniger Harnblasen entfernt werden. Bei besonders aggressiven Tumoren kann diese Methode zudem eventuell noch vorhandene Tumorreste ausmerzen“, ist Lüdeckes Erfahrung. Die neue Methode zur Minimierung der Rezidivrate ist Thema auf dem 1. Blasenkrebs-Symposium Gießen, das am 4. und 5. Dezember 2010 in der Klinik und Poliklinik für Urologie, Kinderurologie und Andrologie am Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Gießen, (Direktor: Prof. Dr. Wolfgang Weidner) stattfindet. Auf einem Ärztetag am 4. Dezember und auf einem Patiententag am 5. Dezember wird die Hyperthermie-Chemotherapie wissenschaftlich fundiert vorgestellt. Schwerpunkte sind die Grundlagen der Methode, die internationale Datenlage, die Anwendung in der täglichen Routine und Anwendungsergebnisse der praktizierenden Kliniken in Deutschland.
Lüdecke möchte die Therapieinnovation im Bereich des Harnblasenkarzinoms durch ausführliche Informationen und einen intensiven Austausch ins Bewusstsein der Ärzte und Patienten rücken. Diskussionen zwischen den Referenten und Besuchern des Symposiums sind ausdrücklich erwünscht. Am 5. Dezember auf dem Patiententag sind außerdem die Angstverarbeitung nach der Diagnose Blasenkrebs aus Patientensicht und das Für und Wider der Blasenentfernung wichtige Themen. „Wir laden alle Interessierten herzlich ein, sich auf dem 1. Blasenkrebs-Symposium in Gießen umfassend und verständlich über Blasenkrebs zu informieren“, sagt Lüdecke. Kooperationspartner des Blasenkrebs-Symposiums sind der Bund der Urologen e.V., der Selbsthilfe-Bund Blasenkrebs e.V., die Selbsthilfegruppe Blasenkrebs Hessen und der onkologische Arbeitskreis Mittelhessen e.V. Jährliche Folgeprojekte sind schon in der Planung.