Miserable Öko-Bilanz der Elektroautos

(Focus) – Elektro-Gate, Runde zwei: Nach ihrer Kritik an der Berechnungsmethode von Elektroauto-Emissionen erhalten Wissenschaftler viel Zuspruch, jedoch auch viel Gegenwind. FOCUS Online fasst den Stand der Diskussion zusammen.

Der wissenschaftliche Exkurs um die Elektromobilität ist selten wissenschaftlich. Gerade in Deutschland handelt es sich um ein hochpolitisches Thema. Das bekam Thomas Koch vom Karlsruher Institut für Technologie zu spüren. Der hatte sich bemüht, einen mathematischen Beweis zu führen, dass sich die EU bei der Kalkulation der zukünftigen CO2 Emissionen schlicht um ungefähr 100% verrechnet hatte, seine Hypothese bei einer wissenschaftlichen Zeitschrift eingereicht, um sie im Rahmen der “Peer Review” überprüfen zu lassen und anschließend 170 Wissenschaftler weltweit gefunden, die seine Meinung teilten. Stellvertretend für die in Gründung befindliche „IASTEC“-Gruppe, die mehr Technologieoffenheit bei der Verkehrswende fordert, schrieben dann die führenden Köpfe einen offenen Brief an die EU-Kommission .

Die Kritik kam prompt – und zielte meistens darauf ab, dass Koch als einer der bekanntesten Experten für Verbrennungsmotoren ja nur seine Pfründe sichern wolle. Abgesehen davon, dass dieser Vorwurf, wenn man denn in derlei Argumentationsmustern denkt, auf die Elektro-Branche genauso zutreffen würde, driftete die Diskussion über das Thema schnell ins übliche Lagerdenken „Pro E-Mobilität“ und „Contra E-Mobilität“ ab. Dabei zeigt sich bei einer genauen Betrachtung, wie tief das Problem eigentlich geht, auf das die Wissenschaftler die EU-Kommission hingewiesen haben.

Elektroauto: In Frankreich sauber, in Deutschland weniger

Koch und seine Kollegen wählten ausgerechnet die heilige Kuh der deutschen Verkehrswende aus, um ihre Punkte zu veranschaulichen – das Elektroauto ID3 des semi-staatlichen Volkswagenkonzerns. Der erforderliche Strom emittiere mehr als doppelt soviel CO2 wie von der EU-Kommission angenommen. Der EU-Irrtum basiere auf einem Rechenfehler, so die Wissenschaftler

Es zeigt sich schon an der Tatsache, dass Autohersteller bei der CO2-Flottenanrechnung ihre Stromer mit 0 Gramm bilanzieren dürfen. Dass das vorne und hinten nicht stimmt, zeigte jüngst die Fachzeitschrift „Auto Motor & Sport“ durch einen anschaulichen Vergleich: Während in Frankreich E-Autos dank Atomstrom tatsächlich sehr CO2-arm unterwegs sind, sieht die Bilanz in Deutschland deutlich schlechter aus, wenn man den je nach Wetterlage nur geringen Beitrag regenerativer Energien zum Strommix berücksichtigt.

„Autopapst“ Dudenhöffer will keine Technologieoffenheit

Die Wissenschaftler um Thomas Koch zogen sich unter anderem den Ärger von Deutschlands bekanntestem Autoexperten zu, dem emeritierten Professor Ferdinand Dudenhöffer. Der betreibt mittlerweile eine Kombination aus Auftragsforschungs-, Kongressveranstaltungs- und Eventagentur und veranstaltet Kongresse rund um die Elektromobilität von Braunschweig bis China. Eine von der “European Climate Foundation” mitfinanzierte Studie Dudenhöffers kam zu dem Schluss, durch E-Mobilität würden kaum Arbeitsplätze verloren gehen. Auch zu diesem Feld gibt es diverse Prognosen, die stark voneinander abweichen. So gehen andere Publikationen davon aus, dass zwischen 200.000 und 400.000 Arbeitsplätze der Transformation zur Elektromobilität zum Opfer fallen

An der IASTEC-Meinung ließ Dudenhöffer kein gutes Haar. Wenn er schon das Wort “Technologieoffenheit” höre, dann mutmaße er, dass man noch länger dem Verbrennungsmotor die Stange halte. Andere Kritiken gerieten noch schriller und unsachlicher. Unter dem Titel “Vorsicht Fake News” behauptet die „Wirtschaftswoche“, Kochs Berechnungsmethoden seien falsch und realitätsfern, die “International Association of Sustainable Drivetrain and Vehicle Technology Research” existiere nicht, ihre Gründung sei lediglich von Koch geplant und das Schreiben sei auch nur von 6 Wissenschaftlern unterschrieben.

„Elektro-Gate“? Zahlreiche Unterstützer für Kritik an der Emissionsberechnung

Nun ist die Richtigkeit einer wissenschaftlichen Hypothese weder von einem Eintrag ins Vereinsregister noch von der Anzahl der Unterzeichner eines offenen Briefes abhängig. Koch hätte durchaus deutlicher machen können, dass die aktuelle Diskussion ihn zur Eile zwingt. Die EU will diverse Richtlinien beschließen und auch der Beschluss der EURO 7 Norm für Verbrennungsmotoren steht unmittelbar bevor.

Die Darstellung allerdings, dass die Kritiker der CO2-Berechnung nur aus sechs Personen bestünden, die quasi andere vor den Karren spannen, lässt sich nicht halten. FOCUS Online liegt nicht nur der offene Brief der Wissenschaftler an die EU-Kommission vor, sondern auch nach einer ersten Nachfrage über 60 Mails von zukünftigen IASTEC-Mitgliedern und Unterstützern von Koch, die die Richtigkeit der Hypothesen bestätigen. Darunter sind unter anderem Wissenschaftler, Forscher und Antriebsexperten aus Deutschland, Brasilien, Kanada, Südkorea, China, England, Frankreich, Polen, Spanien, Tschechien und Griechenland. Sie bestätigen auch, dass sie sich an der IASTEC-Gründung beteiligen wollen. “Wir fühlen uns geehrt, gemeinsam mit den 170+ Repräsentanten aus dem automobilen Antriebsfeld hinter dem Papier zu stehen”, schreibt zum Beispiel Seongsoo Kim von der koreanischen Silla Universität. Der Strommix in Südkorea sei vergleichbar mit dem in Deutschland, Österreich und der Schweiz und erlaube ebenfalls keine vollständige klimaneutrale Elektromomobilität. Ohne ReFuels (das ist der Fachbegriff für biologische und synthetische Kraftstoffe) sei Klimaneutralität nicht zu erreichen.

„Ohne synthetische Kraftstoffe ist Klimaneutralität nicht zu erreichen“

Neben zahlreichen Unterstützern gibt es aber auch viel Kritik, die fachlich durchaus fundierter ist als etwa die Ferdinand Dudenhöffers. Das Science Media Center Germany (SMCG), eine gemeinnützige GmbH mit einem Jahresbudget von 1,7 Mio Euro , die sich der „Vernetzung von Wissenschaft und Presse“ verschrieben hat, hat sich die Mühe gemacht, die Koch-kritischen Statements zusammenzustellen.

Zu den Förderern des SCMG gehört neben der Klaus-Tschira-Stiftung eines verstorbenen SAP-Gründers das Bundesministerium für Bildung und Forschung, das deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt oder die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina sowie diverse Universitäten. Geschäftsführer Volker Stollorz sagt zur Auswahl der entsprechenden Wissenschaftler: “Wir sprechen zu Studien, Veröffentlichungen und auch Gesetzvorschlägen grundsätzlich Forscherinnen und Forscher an, in deren domainspezifischen Fachbereich das jeweilige Thema fällt. Diese sind fachlich besonders in der Lage, auf dem aktuellen Stand der Forschung Arbeiten und Thesen einzuschätzen, die in ihre Disziplin fallen. Die jeweiligen Positionen der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zu bestimmten Forschungsfragen sind weder bei der Akquise noch bei einzelnen Anfragen das entscheidende Auswahlkriterium. Es steht den angefragten Forscherinnen und Forschern frei, auf unsere Fragen zu antworten. Im Falle der Veröffentlichung von Prof. Thomas Koch im Zusammenhang mit der Frage, welche CO2-Emissionen welchen Verbrauchern zuzuordnen sind, waren das Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die seit vielen Jahren Energiesystemanalysen erstellen und auf dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Forschung argumentieren.”