Lakritze kann einen Krampf der Herzkranzgefäße auslösen

Süß, aber gefährlich: Lakritze kann einen Krampf der Herzkranzgefäße auslösen

fzm, Stuttgart, Mai 2015 – Der Verzehr einer
Tüte Lakritze hätte bei einer jungen Frau beinahe einen tödlichen
Herzinfarkt ausgelöst. Ärzte führen dies in der Fachzeitschrift „DMW
Deutsche Medizinische Wochenschrift“ (Georg Thieme Verlag, Stuttgart.
2015) auf einen Krampf in den Herzkranzgefäßen zurück, ausgelöst durch
den in der Lakritze enthaltenen Süßstoff Glycyrrhizin.

Glycyrrhizin schmeckt 50 Mal süßer als Zucker, macht aber
nicht dick. Lakritzprodukte sind deshalb bei gewichtsbewussten Menschen
beliebt. Dass der vermehrte Verzehr schädlich sein kann, sei vielen
Menschen nicht bekannt, berichtet ein Team um Professor Ulrich Tebbe,
Chefarzt am Klinikum Lippe in Detmold. Bekannt sei, dass Lakritze den
Blutdruck erhöhen kann. Bei „Stark-Lakritze“, die mehr als 400 mg
Glycyrrhizin pro 100 Gramm enthält, müssen die Hersteller sogar einen
Warnhinweis auf der Verpackung anbringen. Das Bundesinstitut für
Risikobewertung empfiehlt den Verbrauchern, nicht mehr als 100 mg
Glycyrrhizin am Tag zu verzehren. Weniger bekannt ist laut Professor
Tebbe, dass Lakritze durch eine Verengung der Herzkranzgefäße eine akute
Durchblutungskrise im Herzmuskel auslösen kann.

Dies war bei einer 44-jährigen Frau der Fall, die innerhalb
von vier Monaten zweimal einen Herzanfall erlitt. Beide Male war es kurz
nach dem Aufwachen zu Luftnot und einem Vernichtungsschmerz im
Brustkorb gekommen, typischen Anzeichen eines Herzinfarkts. Die
Kardiologen führten beide Male eine Katheteruntersuchung der
Herzkranzarterien durch. Beide Male fanden sie keine Hinweise auf eine
Verengung oder einen Verschluss der Gefäße, die den Herzmuskel mit Blut
versorgen. Bei der zweiten Untersuchung konnten die Forscher jedoch
einen Krampf des Blutgefäßes nachweisen. Nach der Gabe von Nitroglycerin
in die Arterie weitete sich das Blutgefäß und die vorher beobachtete
Bewegungsstörung des Herzmuskels besserte sich. Die Kardiologen stellten
die Diagnose einer Prinzmetal-Angina, benannt nach dem amerikanischen
Kardiologen Myron Prinzmetal, der diese Sonderform der Angina pectoris,
der Herzenge, in den 1950er Jahren beschrieben hat.

Die blutdrucksteigernde Wirkung von Lakritze beruht auf der
Hemmung des Enzyms 11-Beta-Hydroxysteroid-Dehydrogenase 2, kurz
11-BHSD2. Im Körper ist es verantwortlich Cortisol zu Cortison
abzubauen. Wird es gehemmt, kommt es zu einem Anstieg von Cortisol. Das
wirkt in hoher Konzentration wie das Hormon Aldosteron, das in den
Nieren Natrium und Wasser zurückhält. Das Blutvolumen und damit der
Blutdruck steigen an. Laut Professor Tebbe ist das Enzym 11-BHSD2 auch
in der Wand von Blutgefäßen vorhanden, wo es an der Regulierung des
Gefäßdurchmessers beteiligt ist. In Tierexperimenten konnte gezeigt
werden, dass die Hemmung von 11-BHSD2 einen Gefäßkrampf auslösen kann.

Die 44-jährige Frau wurde mit der Diagnose einer
Prinzmetal-Angina nach Hause entlassen. Die Ärzte verordneten ihr ein
Blutdruckmedikament und rieten ihr dringend, auf den Verzehr von
Lakritze zu verzichten. Seitdem ist sie nach Angaben der Autoren
beschwerdefrei.

U. Tebbe et al.:
Prinzmetal-Angina nach Lakritz-Konsum
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2015; 140 (8); S. 590-592