Kleine Klimaretter entdeckt
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Spezielle Mikroorganismen können das Kohlendioxid (CO2) in Rauchgasen aus Braunkohlenkraftwerken direkt als "Futter" verwerten und selbst bei einer Temperatur von 60 Grad Celsius wachsen. Das ist das Zwischenergebnis der Forschungskooperation zwischen einem Stromproduzenten und einem Biotechnologieunternehmen im Kraftwerk Niederaußem nahe Köln.
Vor zwei Jahren haben RWE Power und die BRAIN AG eine Zusammenarbeit begonnen, um Kohlendioxid mit Mikroorganismen umzuwandeln – in Biomasse oder direkt zu Wertstoffen. Dabei sollen Mikroorganismen gezüchtet und mit ihnen neue Wege erforscht werden, CO2 zu verwerten. So könnten neben Biomasse auch industriell nutzbare Produkte wie Kunststoffe und chemische Zwischenprodukte entstehen. Für diese werden Anwendungsmöglichkeiten untersucht – zum Beispiel als Bau- und Dämmstoff sowie zur Herstellung von Fein- und Spezialchemikalien oder möglicherweise auch Massenchemikalien.
Das Unternehmen BRAIN zählt sich zur Weißen Biotechnologie, die die Bundesregierung seit 2010 mit 2,4 Milliarden Euro als „Nationale Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030“ fördert. Die 99 Forscher von BRAIN haben sowohl im eigenen Archiv als auch bei Probennahmen direkt im Rauchgas-Kanal des Kraftwerks in Niederaußem nach Mikroorganismen gesucht, die unter den Bedingungen im Rauchgas unter Verwendung des CO2 wachsen können. Insgesamt wurden mehr als 3.000 Mikroorganismen darauf überprüft. Ein Drittel davon erfüllte das Anforderungsprofil. Im nächsten Schritt sind die produktivsten Verwerter des Treibhausgases identifiziert und charakterisiert worden. 29 Kandidaten, die besonders gute Wachstumseigenschaften aufzeigten, haben die Forscher inzwischen ausgewählt – davon waren zehn bisher noch nicht bekannt beziehungsweise beschrieben. Das hat die genetische Charakterisierung der Mikroorganismen ergeben.
Noch mehr als zehn Jahre forschen
„Unsere Pionierarbeit bei der Suche nach biotechnologischen Lösungen der CO2-Umwandlung trägt erste Früchte“, sagt Dr. Johannes Heithoff, Leiter Forschung und Entwicklung bei RWE Power. „Wir sind von den Resultaten, die das Forscherteam von BRAIN zusammen mit unseren Kraftwerksexperten erarbeitet hat, so überzeugt, dass wir das Programm weiter ausbauen wollen.“ Bisher sind mehr als zwei Millionen Euro in das Forschungsvorhaben geflossen. Dazu ergänzt BRAIN-Forschungsvorstand Dr. Jürgen Eck: „Unser Ziel ist es, einen nachhaltigen Beitrag zur CO2-Nutzung in einem industriell skalierbaren System zu liefern. Dabei nutzen wir die vielfältigen Möglichkeiten, die die mikrobiellen Stoffwechselwege und die Synthetische Biologie bieten, um durch leistungsstarke Designer-Mikroorganismen eine möglichst effiziente CO2-Konversion zu erzielen“. Zwischen 10 und 15 Prozent des CO2 könnten zukünftig von Mikroorganismen gebunden werden, schätzt RWE gegenüber der Rheinischen Post. Allerdings stehe man noch in einem frühen Stadium der Forschung und rechne erst 2025 mit einer kommerziellen Nutzung.
RWE Power beabsichtigt, noch weitere kohlenstoffreiche Abfallströme mit in das Projekt einzubeziehen, wie sie zum Beispiel in Abwässern, bei der Produktion von Lebensmitteln oder in Raffinerien entstehen. Das Unternehmen will hierzu eine Innovationsallianz formieren, in der sich insgesamt 21 Industrieunternehmen, kleine, mittelständische Unternehmen sowie akademische Forschungseinrichtungen zusammenschließen, um im intensiven Austausch Projekte zur Nutzung dieser Abfallströme voranzutreiben. Im Innovationszentrum Kohle am Kraftwerksstandort Niederaußem betreibt RWE Power Deutschlands erste CO2-Wäsche und eine Prototypanlage zur Vortrocknung von Braunkohle (WTA). Außerdem erforscht ein REAplus-Hochleistungswäscher, wie Staub und Schwefeldioxid besser aus dem Rauchgas abgetrennt werden können. Alle Projekte, für die das Unternehmen mehr als 100 Millionen Euro aufbringt, arbeiten im Verbund mit dem zurzeit modernsten und effizientesten Braunkohlenkraftwerk der Welt (BoA 1).
Der Artikel "Vom Abgas zum Rohstoff" beschreibt weitere aktuelle Projekte zum Verwerten von CO2 (CCU).