Geburtstag: Kein Wert an sich, sondern Anlass zum Nachdenken.
(Mit herzlichem Gruß an meine Facebook Feinde)
Zunächst möchte ich mich für die Tausenden von Glückwünschen danken, die Sie mir per Mail, über Facebook und Whatsapp und die altehrwürde Postkarte haben zukommen lassen. Allerdings feiere ich meinen Geburtstag nur alle fünf Jahre, damit ich nicht merke, wie schnell ich alt werde. Sie können verstehen, dass ich mich nicht bei jedem einzelnen bedanken kann.
Die Technik gibt uns heute die Möglichkeit, wie früher am Leben teilzunehmen. Vor allen Dingen, sich nicht sprachlos ärgern zu müssen, wenn sich Widersprüche in Politik und Alltag ergeben. So etwas in sich hineinfressen, verkürzt das Leben. Aber nicht nur deswegen melde ich mich ja auch in den Medien zu Wort, es könnte ja sein, dass unsere Kinder und Kindeskinder von den Erfahrungen profitieren, die die Alten in ihrem Leben gemacht haben. Ich ärgere mich über meine ehemals bekannten und kompetenten Moderator-Kollegen, die sich, nachdem sie pensioniert wurden, völlig zurückgezogen haben, obwohl sie früher sehr glaubwürdig berichteten. Aber jeder muss nach seiner Fasson selig werden.
Was mich anbelangt, trainiere ich damit auch meine Gehirnzellen, die müssen bis ins späte Alter genauso gefordert werden wie die Muskeln. Der Körper hat ja sonst die unangenehme Eigenschaft, dass er alles abstößt, wovon er glaubt, es nicht mehr zu gebrauchen. Jeder, der einmal einen Knochenbruch erlebt hat, wird mir das bestätigen, die Muskeln bauen sich innerhalb kürzester Zeit ab und müssen später auswendig regeneriert werden. Ich meine sogar, dass das eine Vorbeugung vor Alzheimer sein könnte, lebenslang lernen und agieren. Das ist mein Tipp für sie alle, ich habe davon profitiert.
Heute steht in den ‚Westfälischen Nachrichten‘ ein ganzseitiger Artikel anlässlich meines 84sten Geburtstags über mich, in dem ich als ‚Glückspilz bezeichnet werde. Dem stimme ich nur insofern zu, als man verdammt viel zu diesem Glück beitragen muss und nicht die Hände in den Schoß legen kann – auch nicht im hohen Alter.
Nun möchte ich noch einmal kurz auf meinen letzten Kommentar hier bei Facebook zurückkommen, in dem ich unter dem Titel ‚einige wenige Polizisten im Abseits‘ die Gefahren angesprochen habe, die unserer Demokratie durch extrem rechte Gesinnung in diesem Kreis drohen. Wehret den Anfängen, ohne vorzuverurteilen und alle Polizisten in einen Topf zu werfen. Die Polizei muss unser Freund und Helfer bleiben.
Als der Polizeipräsident von Essen, Frank Arno Richter, mich seinerzeit in die Jury zur Verleihung des Polizei-Awards für besonders couragiertes Verhalten von Bürgern und Polizisten gerufen hat, habe ich gerne zugestimmt. Auch, weil mir Herr Richter mit seiner gesamten Philosophie imponierte. Sein Bezirk ist leider in die diese Affäre involviert, ich nehme ihm allerdings auch seine ehrliche und emotionale Entrüstung in der Pressekonferenz mit dem Innenminister Herbert Reul, der auch in der Jury ist, voll ab.
Wenn man Geburtstag hat, denkt man auch etwas über die Zukunft nach – nicht mehr über die eigene, sondern über die unserer Kinder und Kindeskinder. Deshalb habe ich den schon angesprochenen Kommentar bei Facebook ( ‚Polizisten im Abseits‘) veröffentlicht. Aber die Reaktion einiger, offenbar der AFD sehr nahestehender Facebook-Freunde, hat mich ein wenig unsicher gemacht. Obwohl ich, was die Bestätigung durch ‚Daumen hoch‘ und ‚Herz‘ ganz zufrieden sein könnte, denn 95% haben mir zugestimmt. Aber ich bin doch entsetzt über den Shitstorm, der in der Rubrik ‚Schriftliche Kommentare‘ auf mich heruntergeprasselt ist. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass ein solcher rechts-extremer Bodensatz in der deutschen Bevölkerung Raum gegriffen hat. Nicht jeder, der AFD wählt, gehört in diese Kategorie, das weiß ich. Hier möchte ich ebenfalls auf keinen Fall verallgemeinern. Auch ich habe vieles an der Regierung und an den Zukunftsmaßnahmen zu kritisieren. Doch weil Meinungsfreiheit in unserer Republik existiert, kann ich meiner Kritik ungehindert Ausdruck geben. Aber ich käme niemals auf die Idee, in verbrecherische faschistische Zeiten zurückzurudern. Wo bleibt da das Geschichtsbewusstsein?.
Acht Jahre habe ich neben meinen naturwissenschaftlichen Studien in Köln Soziologie bei René König und Erwin K. Scheuch studiert, um zu begreifen, wie ein zivilisiertes Volk in eine solche Barbarei zurückfallen konnte und einem Verbrecher und Psychopaten wie Hitler die Chance gegeben hat, ein ganzes Volk in den Untergang zu führen. Als Jugendlicher bin ich den Schrecken des Krieges gerade so entkommen. Mir ist klar, dass ich, sollten diese extremen Rechten einmal wieder ans Ruder kommen, irgendwo im Kazet landen würde.
AFD hin, AFD her, eine Demokratie muss auch solche Parteien ertragen, aber dass sie die echten Faschisten und Menschenfeinde nicht aus ihren Reihen entfernen, dass macht mich zum entschiedenen Gegner. Dass sie das deswegen nicht machen, weil sie auf diesen entarteten Bodensatz in der Bevölkerung zielen und den mit einfangen wollen, das nehme ich ihnen besonders übel. Deswegen bitte ich alle diejenigen, die diesen rechten Gedanken anhängen, sich von meinen mehr als 84.000 Abonnenten zu verabschieden, sie finden bei mir keine Heimat, auch wenn ich bestimmte Entscheidungen der Politik vernunftbezogen kritisiere. So nebenbei finde ich es unerträglich, wenn z. B. in Berlin unter dem Aspekt ‚Querdenken‘ für Freiheit demonstriert wird. Seit dem nenne ich mich nicht mehr ‚Querdenker‘, der ich eigentlich bin, sondern ‚Querkopf‘. Wenn Vernunft, Fairness und Fakten nicht mehr gelten, ist unser Grundgesetz und unsere relativ freie Lebensart in Gefahr.
Nichts für Ungut
Jean Pütz