Hämorrhoiden – ein Volksleiden. Muss das sein? – Mit einer Einführung von Jean Pütz

Die anschließende Pressemitteilung widmet sich endlich der Forschung auf breiter Ebene dieser quälenden Erscheinung am After. Ich weiß nicht, ob diese wissenschaftlichen Ergebnisse Ihnen, liebe Leser, ganz persönlich helfen. bisher war man ja auf wohlmeinende Ratschläge angewiesen, die durchaus Sinn hatten. Allerdings darf das Hämorrhoiden selbst bei leichten Schmerzen nicht unterschätzt werden. Ich empfehle Ihnen unbedingt ärztlichen Rat.

Da ich selbst ab meinem 30. Lebensjahr darunter gelitten habe, habe ich natürlich sehr viel recherchiert und letztlich sogar in meinem sehr erfolgreichen Hobbythekbuch ‚Darm und Po‘ (200.000 Aufl.) ein ganzes Kapitel gewidmet. Leider ist es vergriffen, aber in bekannten Antiquariatsquellen erhältlich und heute noch lesenswert. Wie ich aus Ihren Zuschriften weiß, hat es auch viele Menschen aufgeklärt, sich möglichst regelmäßig einer ärztlichen Darmuntersuchung (Koloskopie) zu unterwerfen. Auf den ersten Blick ist das unangenehm, aber vielen hat es das Leben gerettet, denn der häufig vorkommende Darmkrebs ist, wenn er früh genug erkannt wird, nicht nur durch operativen Eingriff heilbar und keinesfalls heutzutage Todesurteil. Auch die Co-Autorin des Buches und ich, wir haben von dieser Einsicht profitiert.

Gestatten Sie mir aber einen Tipp zum Thema Hämorrhoiden über das hinaus, was in der unten stehenden wissenschaftlichen Meldung beschrieben wird: Ich selbst bin das Leiden vor etwa 20 Jahren durch Eigeninitiative losgeworden, weil ich unter sehr hartem Stuhl litt. Das ist kein Beinbruch, aber wenn der Kot heraus soll, oft nur unter kräftigen Nachhelfen, entstehen kleinere Risse in der Haut des Afters. Insbesondere, wenn es nicht täglich klappt, wird der Darminhalt durch die Darmwände so entwässert, dass er diese feste Konsistenz annimmt. In dem Buch habe ich auch ausführlich beschrieben, dass der Kot beim gesunden Menschen mindestens zu 50% aus abgestorbenen Darmbakterien besteht. Diese sogenannte Darmflora ist für unsere Gesundheit extrem wichtig, was Immunologen erst vor etwa 10 Jahren wissenschaftlich herausgestellt haben.

Der Darm ist auch die Ausgangsquelle unseres Immunsystems. Man kann sogar freimütig behaupten, ist der Darm gesund, ist der Mensch gesund. Doch eins ist dringend zu berücksichtigen: Diese Darmbakterien, auch wenn sie extrem nützlich sind, z. B. sogenannte Coli-Bakterien, dürfen auf keinen Fall in den Blutkreislauf gelangen, da erzeugen sie Blutvergiftungen. Daher ist es so gefährlich, wenn der Blinddarm sich entzündet und einen Durchbruch verursacht und die Darmbakterien in den Bauchraum geraten.

Die Mediziner behaupten sogar, dass der gesamte Verdauungstrakt vom Mund bis zum Austritt eigentlich gar nicht zum Körper gehört. Umso wichtiger ist die Gesundheit der Darmwände, die als Filter die nötigen Nahrungsbestandteile passieren lassen. Im Magen wird die Nahrung zur Verdauung vorbereitet und die Enzyme der Verdauungsflüssigkeiten aus der Bauchspeicheldrüse zerlegen unseren Lebenstreibstoff so, dass seine kalorienhaltigen Bestandteile ebenso wie Vitamine und sekundären Pflanzenstoffe uns das Leben ermöglichen.

Wenn dieser bakterienstrotzende Kot am After durch feine Risse in den Blutkreislauf gerät, erzeugt er dort Wunden. So war das jedenfalls bei mir der Fall, so dass sich regelrechte Ausstülpungen gebildet haben, die entfernt werden mussten. Verhindert habe ich dass dann durch extreme Hygiene nach jedem Stuhlgang. Entschuldigen Sie, dass ich Ihnen die folgende Prozedur nicht vorenthalten kann. Oft bleiben Kot-Reste am Ausgang hängen, die diese schmerzhaften Entzündungen verursachen. Sie müssen peinlichst durch Waschen entfernt werden. Dazu hilft mir eine milde Flüssigseife, die nicht brennt,  und natürlich viel Wasser. Bitte nicht nur äußerlich, sondern durchaus den Finger, der nicht umsonst Stinkefinger heißt – verwenden. Überall dort, wo ich konnte, habe ich mir ein Bidet angeschafft. In Frankreich ist das üblich, aber leider gibt es viele Hotels, die darauf aus Kostengründen verzichtet haben. Dann muss man es halt etwas umständlich am Waschtisch besorgen.

Ich habe in meinem Leben von diesen Maßnahmen so profitiert, dass ich das Ihnen nicht vorenthalten wollte. Meine Frau meint, ich hätte ein stark entwickeltes Helfersyndrom, sorry, hier stehe ich und kann nicht anders. Jetzt kann ich Ihnen nur noch in Zukunft gesunden Po wünschen.

Ihr Jean Pütz

(Uni Kiel) – DNA-Analysen von fast einer Million Menschen erlauben internationalem Forschungsteam unter Beteiligung des Exzellenzclusters PMI Einblicke in Krankheitsmechanismen der bisher kaum erforschten Volkskrankheit

Hämorrhoiden sind blutgefüllte Polster am Ende des Verdauungstraktes, die dazu dienen den After zu verschließen und den Stuhlgang zu kontrollieren. Umgangssprachlich bezeichnet man mit Hämorrhoiden oft auch die krankhafte Vergrößerung und Ausstülpung dieser Polster. Bei dieser formal als Hämorrhoidalleiden bezeichneten Erkrankung schwellen die Hämorrhoiden an, was zu Juckreiz, Brennen und Blutungen führen kann und den Alltag teilweise massiv einschränkt. Häufig bleibt es bei einer milden Ausprägung, die mit konservativen Maßnahmen behandelt werden kann. Fortgeschrittene, symptomatische Stadien hingegen sind mit erheblichen Einschränkungen verbunden und erfordern dann eine chirurgische Behandlung. Die Erkrankung wurde bereits in der Antike beschrieben und betrifft heute Schätzungen zu Folge einen großen Teil der Bevölkerung, auch wenn hierzu genaue Angaben fehlen. Trotzdem ist das Hämorrhoidalleiden wenig erforscht – möglicherweise auch, da es ein Tabuthema ist, über das nur ungerne gesprochen wird. Sowohl die genauen molekularen Mechanismen als auch die Gründe, warum nur manche Menschen ein ausgeprägtes Hämorrhoidalleiden entwickeln, sind bisher ungeklärt. Zu möglichen Risikofaktoren zählen vermehrtes Sitzen, Übergewicht, ballaststoffarme Ernährung, übermäßig lange Toilettengänge oder zu starkes Pressen sowie das Heben von schweren Gegenständen. Allerdings gibt es bisher dazu keine eindeutigen wissenschaftlichen Erkenntnisse. Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung des Exzellenzclusters „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) konnte nun anhand von genetischen Analysen wichtige Erkenntnisse über dieses Volksleiden liefern. Ihre Ergebnisse haben sie heute in der renommierten Fachzeitschrift Gut veröffentlicht.

Die Forschenden haben dazu Erbinformationen von 218.920 Patientinnen und Patienten mit Hämorrhoidalleiden und 725.213 Vergleichspersonen untersucht. Sie griffen dabei auf eingelagerte Proben aus verschiedenen großen populationsbasierten Kohorten zurück, also für die Gesamtbevölkerung repräsentative Sammlungen von Bioproben. Durch die Analysen konnten sie 102 Regionen im menschlichen Genom identifizieren, die Gene enthalten, die zu einem erhöhten Risiko für Hämorrhoidalleiden beitragen – also sogenannte Risikogene. Bis dahin war noch kein einziges Risikogen bekannt.

Hinweise zu Krankheitsmechanismen

Zusätzlich haben die Forschenden Zellen aus Hämorrhoiden-Gewebeproben analysiert, die bei Operationen entnommen worden waren. Dabei haben sie die Proteinprodukte, für die die neu entdeckten Risikogene kodieren, direkt im menschlichen Hämorrhoidalgewebe nachgewiesen und damit gezeigt, in welchen Bereichen die Risikogene aktiv sind. Dadurch konnten sie erstmals Hinweise darauf finden, welche Funktionen bei der Erkrankung möglicherweise gestört sind und zu den Symptomen führen. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Hämorrhoidalleiden zumindest teilweise aus einer Fehlfunktion der glatten Muskulatur, der Blutgefäße und des Bindegewebes in diesem Bereich resultiert. Damit haben wir erste Hinweise auf mögliche Krankheitsmechanismen dieser bisher so unzureichend charakterisierten Volkskrankheit. Langfristig könnte das bei der Entwicklung zusätzlicher nicht-invasiver Therapieoptionen helfen“, sagt einer der federführenden Autoren, Professor Andre Franke, Mitglied im Exzellenzcluster PMI und Direktor des Instituts für Institut für Klinische Molekularbiologie (IKMB) der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel. Bisher werden Hämorrhoidalleiden schwereren Grades überwiegend chirurgisch, also durch Entfernen des überschüssigen Gewebes entfernt. Ein besseres Krankheitsverständnis könnte zukünftig auch zur Entwicklung von Therapien beitragen, die direkt an möglichen Ursachen ansetzen.

Hohes Erkrankungsrisiko frühzeitig erkennen

Aus den identifizierten Risikogenen haben die Forschenden sogenannte polygene Risikoscores (PRS) berechnet. Diese Werte geben für Kombinationen mehrerer Risikogene jeweils das Risiko für ein Hämorrhoidalleiden an. Um diese rechnerisch gewonnenen Risikoscores zu testen und ihre Korrektheit zu bestätigen, haben sie diese an genetischen Daten von Patientinnen und Patienten überprüft, die nicht in der ursprünglichen Analyse eingeschlossen waren. Die Erkrankten, die alle schwerere Ausprägungen des Hämorrhoidalleidens hatten, waren klinisch ausführlich charakterisiert, so dass die Risikoscores mit den realen klinischen Daten abgeglichen werden konnten. Es zeigte sich, dass höhere Werte tatsächlich mit einem erhöhten Risiko korrelieren: Bei den analysierten 180.435 zusätzlichen Personen wiesen diejenigen, die besonders jung erkrankten oder häufiger operiert werden mussten, besonders hohe Werte an Risikoscores auf. „Zukünftig könnten diese Angaben uns dabei helfen, Menschen mit erhöhtem Risiko für schwere Ausprägungen frühzeitig zu identifizieren und genauer zu begleiten. Auch könnten die so identifizierten Personen möglicherweise besonders von einer präventiven Lebensweise profitieren“, sagt einer der Co-Autoren, Professor Volker Kahlke, niedergelassener Proktologe in Kiel, von dessen Patientinnen und Patienten ein großer Anteil der zur Validierung genutzten Proben stammen.

Hämorrhoiden offenbar spezifisch für den Menschen

Nicht nur das Hämorrhoidalleiden war bisher wenig erforscht. Auch über die Hämorrhoiden selbst ist bisher nur wenig bekannt. Die Co-Autoren Professor Thilo Wedel und Professor Francois Cossais, Direktoren des Anatomischen Institutes der CAU, haben daher zusätzlich zum Hämorrhoidalleiden beim Menschen vergleichende Untersuchungen an verschiedenen Tierarten durchgeführt, um zu klären, ob bei diesen solche analen Blutgefäßschwellkörper ebenfalls vorhanden sind. Wedel beschäftigt sich schon seit langem mit dem anatomischen Aufbau des Enddarms und des darin eingelagerten Hämorrhoidalplexus. Nun hatte er die Gelegenheit, erstmals Gewebeproben eines Gorillas und eines Pavians zu analysieren. „Während der Mensch über sehr gut entwickelte Hämorrhoidalpolster verfügt, sind diese beim Gorilla und Pavian zunehmend geringer ausgeprägt und bei der Maus gar nicht mehr zu finden, wie wir zeigen konnten. Wahrscheinlich ist dies dem aufrechten Gang des Menschen geschuldet, bei dem ein sicherer Analkanalverschluss besonders wichtig ist,“ fassen Wedel und Cossais zusammen.