Bochum, 13. Juli 2015:
Im British Medical Journal (BMJ) erschien am 1. Juli 2015 eine Analyse aller
Publikationen von randomisiert- kontrollierten Studien (RCT´s) über
blutzuckersenkende Medikamente von 1993 bis 2013 (1). Von den 110 „Top“-Autoren,
die auf den Veröffentlichungen von 991 RCT´s erschienen, wurden pro Autor im
Durchschnitt 20 Arbeiten (4-47), von 11 unter ihnen sogar 42 Arbeiten (36-77)
publiziert. 48 der 110 Top-Autoren waren Angestellte pharmazeutischer
Unternehmen, von den 991 RCT´s waren 906 kommerziell gesponsert. Bei 704
Artikeln konnte ein Interessenskonflikt untersucht werden: Nur 6% (n=42) waren
völlig unabhängig. Schreibagenturen wurde in den Publikationen über die 991
RCT´s in 439 Fällen (44% ) gedankt.
Von 1993-2013 fanden sich in PubMed 3782 Artikel von 13 592 Autoren über neue
blutzuckersenkende Substanzen. Davon wurden die 110 „profiliertesten“ Autoren
ausgewählt, die 991 RCT´s veröffentlicht hatten. Namen von Personen werden in
der Publikation im British Medical Journal nicht genannt. Die meisten Teilnehmer
an internationalen Diabeteskongressen werden aber wohl zumindest einige von
ihnen schon gesehen und gehört haben. Die Namen kann man auch immer wieder in
den medizinischen Zeitschriften lesen. Eine Wertung dieser Tatsache bzw.
derartiger Publikationen von „Super-Trialisten“ wird im BMJ nicht vorgenommen,
wohl aber wird empfohlen, zukünftig den Anteil eines Autors bei der
Studienplanung, der Durchführung, der Auswertung, Analyse oder der
Manuskriptabfassung besser kenntlich zu machen. Ein Editorial des BMJ zu dieser
Analyse formuliert als Titel die Frage: „Are profilic authors too much for a
good thing?“ (2).
Kommentar
Das International Committee of Medical Journal Editors (ICMJE) hat vier
Kriterien für eine Autorenschaft aufgestellt, die alle erfüllt sein müssen: 1.
Wesentlicher Beitrag zu Planung, Protokoll, Beschaffung, Analyse oder
Interpretation der Daten. 2. Manuskriptentwurf oder Revision des Artikels. 3.
Finale Approbation vor Veröffentlichung. 4. Verantwortlichkeit für die
Richtigkeit und Vollständigkeit. Dies betrifft jeden einzelnen der Autoren (3).
Eine retrospektive Analyse hatte nur bei 21% der Artikel ergeben, dass diese
Kriterien erfüllt waren. Es wurden weiterhin oft Namen von „honorary authors“
ohne wesentlichen Beitrag genannt, umgekehrt wurden Namen von „ghost authors“
weggelassen.
Auf internationalen Kongressen wie etwa dem Europäischen Diabeteskongress in
Wien 2014 wurden in manchen Plenarvorträgen zu neuen Antidiabetika jedoch
mitwirkende Schreibagenturen schon erwähnt.
Der Referent kennt aus seiner aktiven Zeit als Klinikdirektor Manuskripte für
Übersichtsartikel zu neuen Diabetesmedikamenten, die von Ghost-Writern verfasst
waren und renommierten Zeitschriften angeboten werden sollten. Die Texte wurden
ihm von Firmen mit der Bitte vorgelegt, sie durchzusehen und als Erstautor zu
fungieren. Er hat dies, und auch das angebotene Honorar, abgelehnt. Diese
Entwürfe der Schreibagenturen enthielten zwar keine Fehler oder nicht
zutreffende Aussagen, allerdings manche Auslassungen. Die Formulierungen waren
so gewählt, dass man ungünstige Befunde oder negative Tatsachen etwa über neue
Diabetesmedikamente beim üblichen Durchlesen kaum oder nicht bemerkte, wenn man
sie nicht schon vorher schon gekannt hatte.
Helmut Schatz