Ich habe durchaus begrüßt, dass staatliche Instanzen mit Milliarden Euro oder Dollar die schnelle Suche nach einem wirksamen Impfstoff subventioniert haben. Dabei scheint der EU und auch Deutschland ein Fehler unterlaufen zu sein. Offenbar waren die Bedingungen so samtweich, dass die Konzerne mittlerweile – sowohl was die Preisgestaltung als auch die Lieferbedingungen angeht – selbst bestimmen können. Dort, wo ein Vertrag existiert, konnten sich die meisten aus den Lieferfristen herausstehlen mit scheinheiligen Begründungen.
Aber dieser Geldsegen hat auch peinliche Nebenwirkungen. Es ist offenbar der Politik völlig entgangen, dass dabei vergessen wurde, mit der gleichen treibenden Kraft Medikamente für die Menschen parallel zu entwickeln, die bereits vom Corona-Virus erwischt wurden und Corona-spezifische schwere Krankheiten bis hin zum Tod. Das war insofern fahrlässig, als dass mit den gleichen genetischen Methoden, die auch den schnellen Erfolg beim Impfstoff entwickelten, ebenso für neue Medikamente hervorragend geeignet sind. Möglicherweise hätte man dann den Tod von über einer Million Menschen bremsen können. Jetzt auf die Schnelle ein Medikament auf der Basis von monoklonalen Antikörper aus dem Hut zu zaubern, getriggert durch Donald Trumps Genesung, ist ein Armutszeugnis und kostete – weil noch keine Konkurrenz besteht, viele Millionen Euro, um die Chance zu haben über ein noch nicht von der EU zugelassenes Medikament zu beziehen. Das ist keine Kritik an Bundesgesundheitsminister Spahn. Ich hoffe, dass wir später sagen können: Wer heilt hat recht.
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Jean Pütz
(Spiegel) – Gesundheitsminister Spahn hat 200.000 Dosen zweier Antikörper-Medikamente aus den USA eingekauft. Die Hoffnung: Eine »passive Impfung« mit den Wirkstoffen könnte schwere Covid-19-Verläufe verhindern.
Deutschland wird als erstes EU-Land Corona-Medikamente mit sogenannten monoklonalen Antikörpern zur Bekämpfung des Sars-CoV-2-Virus einsetzen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte der »Bild am Sonntag«, die Bundesregierung habe 200.000 Dosen für 400 Millionen Euro eingekauft. Offenbar handelt es sich dabei zum einen um das Medikament des US-Herstellers Regeneron, mit dem im vergangenen Herbst bereits der damalige US-Präsident Donald Trump behandelt worden war, und zum anderen um das Präparat »Bamlanivimab« des ebenfalls amerikanischen Pharmaunternehmens Eli Lilly. Schon ab kommender Woche sollen die Arzneimittel in Deutschland eingesetzt werden, so Spahn, zunächst in Universitätskliniken. Zugelassen sind Antikörper-Medikamente in Europa bisher allerdings noch nicht.
Was sind monoklonale Antikörper-Wirkstoffe?
Bei der Therapie mit Antikörpern erhalten die an Covid-19 erkrankten Patientinnen und
Patienten einen Cocktail aus künstlich erzeugten Corona-Abwehrstoffen, die im Labor
geklont, also identisch vervielfältigt wurden. Monoklonal bedeutet, dass die eingesetzten Antikörper alle gleich sind und das Virus an einem fest definierten Ziel angreifen. Sie
richten sich gegen ein Schlüsselprotein des Sars-CoV-2-Virus, docken also an das
Coronavirus an und verhindern so, dass es in die Zellen eindringt. Nur dort kann sich das Virus nämlich vermehren.
Die Wirkstoffdosis enthält im Fall des Regeneron-Präparats zwei verschiedene
monoklonale Antikörper-Varianten, um auch eine mögliche Mutation des Virus
einzuschließen. Geforscht wird auch bereits an Kombinationen mit drei Abwehrstoffen.
Regeneron und Eli Lilly sind momentan die Einzigen, die mit ihren Antikörper-Medikamenten REGN-COV2 und »Bamlanivimab« in den USA Notfallzulassungen erhalten haben. In
beiden Fällen können die Mittel bei Patientinnen und Patienten mit einer milden bis mittelschweren Covid-19-Erkrankung eingesetzt werden, die ein hohes Risiko für einen
schweren Verlauf haben. Abschließend durch umfangreiche Studien in unterschiedlichen Stadien und Symptomatiken der Infektionen erforscht sind jedoch beide Präparate noch nicht, die Datenlage ist bisher eher dünn. Unter anderem ist noch offen, ob sie auch
schwer erkrankten Patienten helfen können.
Zurzeit wird das Regeneron-Mittel in einer Phase-II/III-Studie mit ambulant behandelten
Patienten erprobt. Auch bei hospitalisierten Covid-19-Patienten zeige REGN-COV2 laut
dem Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) antivirale Effekte. Außerdem laufe
parallel eine Phase-III-Studie, in der es Freiwillige zur Prävention erhalten.
Auch der britische Impfstoffhersteller AstraZeneca hat laut vfa ein Medikament mit zwei
gentechnisch hergestellten Antikörpern entwickelt. In Deutschland arbeitet zudem ein
Konsortium aus Forschern der Uniklinik Köln, der Universität Marburg, dem Deutschen
Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) und dem Unternehmen Boehringer Ingelheim an dem Medikament BI 767551, dessen monoklonaler Antikörper-Wirkstoff von einem
Antikörper aus dem Plasma von rekonvaleszenten Patienten abgeleitet sein soll, wie es bei dem Verband heißt. In einer Studie wird zurzeit sowohl eine Anwendung durch Injektion
als auch durch Inhalation geprüft. An einem ähnlichen Projekt arbeite die Berliner Charité unter anderem mit der Firma Miltenyi Biotec.
Welche Hoffnung ist mit der Antikörper-Therapie verknüpft?
Jens Spahn bezeichnete die Wirkung von Antikörper-Medikamenten im Interview mit der »Bild am Sonntag« als »passive Impfung«. Die Mittel könnten »Risikopatienten in der Frühphase helfen, dass ein schwerer Verlauf verhindert wird«, so der Gesundheitsminister.
Möglicherweise können die Antikörper-Gaben darüber hinaus auch gesunde Menschen
vor einer Infektion bewahren und bei Ärzten und Krankenpflegepersonal eingesetzt
werden, solange noch nicht flächendeckend geimpft wurde.
Gerade in der Übergangsphase, in der viele Menschen noch über Monate hinweg auf eine
Impfung warten müssen, könnten sich die Antikörper-Medikamente als nützlich erweisen, um schwere Fälle zu vermeiden, Zeit zu gewinnen und Krankenhäuser zu entlasten.
Anders als bei einer Impfung hält die Wirkung eines Antikörper-Medikaments jedoch weitaus weniger lange an, auch wenn die Antikörper durch Veränderungen haltbarer gemacht werden. Impfungen, zumal die mit einem RNA-Botenstoff verknüpften, wirken, indem sie
den Körper trainieren, zielgerichtete Maßnahmen gegen den Krankheitserreger aufbauen und die natürlichen Abwehrkräfte unterstützen. Deshalb dauert es auch einige Wochen,
bis sich die Schutzwirkung der Impfung im Körper voll entfaltet hat, eine zweite Impfdosis soll dann für Nachhaltigkeit sorgen.
Durch eine Antikörper-Injektion erhält der Körper zwar Abwehrmechanismen, die er
sofort anwenden kann, das Immunsystem erlernt dadurch jedoch nichts. Sobald die
Wirkstoffmoleküle ihre Lebensdauer im Körper überschritten haben, ist der Patient
genauso ungeschützt wie vor der Behandlung.
Wer kommt für eine Antikörper-Behandlung infrage?
In den USA dürfen die Präparate momentan zur Behandlung von Patienten ab zwölf Jahren eingesetzt werden, bei denen das Risiko besteht, schwere Covid-19-Symptome zu
entwickeln. Patienten, die sich bereits im Krankenhaus befinden oder eine Beatmung mit Sauerstoff benötigen, dürfen das Medikament nicht bekommen. Am stärksten profitierten laut Regeneron jene Probanden, deren Immunsystem noch keine eigenen Antikörper
gegen das Virus gebildet hatte.
Innerhalb der ersten zehn Tage nach der Infektion habe es in Studien die besten Ergebnisse gegeben, sagte Stephen Hahn, Chef der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA. US-Hersteller Eli Lilly gibt in einer aktuellen Studie an, dass sein Antikörper-Medikament »Bamlanivimab« das Risiko einer schweren Covid-19-Erkrankung bei Bewohnern und
Bewohnerinnen eines Pflegeheims um 80 Prozent gesenkt habe, beim Personal des Heims um 60 Prozent.
Bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA läuft bislang jedoch kein
Zulassungsprozess für Antikörper-Behandlungen. Regeneron plant aber, gemeinsam mit dem Pharmakonzern Roche auch in der EU Zulassungen zu beantragen, wie eine Sprecherin der Behörde der Nachrichtenagentur dpa sagte. Nach einer Bewertung des für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel in Deutschland zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts
(PEI) steht einer Anwendung nach individueller Nutzen-Risiko-Einschätzung grundsätzlich nichts im Wege. Behandelt werden könnten »in bestimmten einzelnen Fällen« an Covid-19 erkrankte Erwachsene mit milden oder moderaten Symptomen und Risiko für schwere
Verläufe.
Eine Fachgruppe am Robert Koch-Institut befasste sich bereits im Dezember mit
REGN-COV2 und kam zu dem Schluss, dass das Mittel im Rahmen von kontrollierten
klinischen Prüfungen eingesetzt werden kann. Es sei eine vielversprechende
Therapieoption in der frühen Phase einer Coronavirus-Infektion und komme auch als
Prophylaxe nach Kontakt mit dem Erreger infrage.