Der Staat treibt die Deutschen in eine Mentalität der Abhängigkeit – Mit einer Einführung von Jean Pütz

Auch die Volkswirtschaft ist ehernen Gesetzen unterlaufen. Es sind statistische Gesetze, die aber an naturwissenschaftliche Gesetzmäßigkeiten heranreichen – vergleichbar mit den Gesetzen der Thermodynamik.
Sie sind deshalb so schwer zu formulieren, weil sie starken, psychologischen und soziologischen Einflüssen unterworfen sind. Oft zeigen sich die Auswirkungen erst Jahre später und sind dann nicht mehr rückführbar. Das gilt ganz besonders für die Geldpolitik. Kaum ein Wissenschaftler hat in den 1920er Jahren vorausgesehen, welche Dynamik und explosionsartige Entwicklung der Inflation vorausgesehen. Das ging so weit, dass selbst Milliarden und Trilliarden Mark für einen Laib Brot gezahlt werden musste.
Die Finanzwissenschaft ist zwar heute klüger als damals, aber wer weiß, ob den handelnden Politikern das immer bewusst ist. Sie werden getrieben von vielen irrationalen Einflüssen. Oft wird nur ein Loch mit einem anderen gestopft. Deshalb halte ich den nachfolgenden Artikel für so hervorragend und lesenswert.
Jean Pütz

(WELT) – Arbeits- und Wirtschaftsminister liefern sich einen Überbietungswettbewerb um die üppigsten Hilfszahlungen für krisengeplagte Unternehmen. Sie risikieren damit eine Politik endloser Nothilfen – aus der schon die Europäische Zentralbank keinen Ausweg findet.

Noch ist es ein Jahr hin bis zur Bundestagswahl, doch unter den Großkoalitionären läuft bereits ein Überbietungswettbewerb: Wer lobt die üppigsten Sozialleistungen aus? Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) fordert, die Laufzeit des erweiterten Kurzarbeitergeldes von bisher zwölf auf bis zu 24 Monate zu verdoppeln. Dann würden Löhne und Gehälter bis ins Jahr 2022 aufgestockt und subventioniert.

Da will sein Kollege Peter Altmaier von der CDU nicht hintanstehen. Der Wirtschaftsminister schlägt eine Ausweitung der Überbrückungshilfen für den Mittelstand vor. Die Unterstützung soll bis mindestens Ende des Jahres verlängert werden.

Nun ist nicht jede staatliche Hilfe verkehrt. Wie die Finanzkrise von 2008/09 lehrt, konnte das Kurzarbeitergeld Tausende Entlassungen verhindern helfen. Diese deutsche Erfindung wird inzwischen in vielen Volkswirtschaften eingesetzt.

Wer noch weiter in die Geschichte zurückgeht, findet in der Großen Depression Anfang der 1930er Jahre den Beleg dafür, dass die Verweigerung staatlichen Rückhalts das Leiden der Betriebe und ihrer Mitarbeiter unnötig verschlimmerte.

Eine Regierung, die den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft verpflichtet ist, darf jedoch auch die Gefahren nicht aus den Augen verlieren. Eine davon: Der deutsche Staat verhält sich mehr und mehr wie die Europäische Zentralbank. Die Unterstützung, die die Zentralbank klammen Banken und indirekt Staaten einmal in Zeiten der Not gewährte, ist längst zum Normalzustand geworden.

Nach dem Motto „Krise ist immer“ wird Geld gedruckt, was das Zeug hält. Die langfristigen Folgen sind schwer abzuschätzen, der steile Anstieg des Goldpreises lässt aber darauf schließen, dass das Vertrauen in unser Geld erodiert.

Mehr schaden als nutzen
Die große Koalition sollte der Versuchung widerstehen, die Corona-Maßnahmen immer weiter fortzuschreiben – auch wenn dies gut ankommt und gepumptes Geld gerade billig ist. Das Kurzarbeitergeld scheint gut geeignet, vermeidbare Entlassungen in Unternehmen zu stoppen, die im Kern gesund sind und solide gewirtschaftet haben.

Die Mittelstandshilfen sollen Betriebe vor der Pleite bewahren, die ohne Pandemie und ohne Lockdown und andere staatliche Abwehr-Maßnahmen nie in Schwierigkeiten gekommen wären.

Werden die milliardenschweren Hilfen ohne Ansehen der Situation zum Normalzustand, bringen sie auf Dauer Zombiefirmen hervor: nicht überlebensfähige Betriebe, deren schiere Existenz die wirtschaftliche Dynamik und die Erneuerungskraft dämpft. Deren Zahl könnte schon bald auf 800.000 hochschnellen.

Auch die Belastung künftiger Generationen muss bedacht werden. Wird der Wohlfahrtsstaat strukturell überlastet, rächt sich das in Form von Vertrauensschwund.

Schon jetzt sind für die Firmen-Zuschüsse im Haushalt 25 Milliarden Euro eingeplant. Die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes auf 24 Monate würde nach Angaben der Bundesregierung weitere fünf bis zehn Milliarden Euro kosten.

Schwerer als die Milliardensummen, die die verewigten Corona-Hilfen kosten, wiegt die Gefahr, dass sich in Deutschland eine Mentalität der Abhängigkeit vom Wohltäter Staat breitmacht: Das Kurzarbeitergeld und die Unterstützung für den Mittelstand würden dann zu einer Art Grundeinkommen. Das würde mehr Schaden anrichten, als es Nutzen bringt.