Coronakrise: Deutsche erwarten zweiten Lockdown – und schwere Schäden für Wirtschaft

(Spiegel) – Im öffentlichen Leben ist längst eingekehrt, was dem Begriff „Normalität“ relativ nahe kommt. Sicher, ohne Maske geht fast niemand aus dem Haus, und durchtanzte Klubnächte oder Rockfestivals bleiben vorerst ferne Sehnsüchte. Aber ansonsten sind die Einkaufsstraßen gut gefüllt, die Strände sowieso, Menschen sitzen in Restaurants. Besuche beim Friseur und im Fitnessstudio gehören wieder zur Routine. In den ersten Bundesländern beginnt das neue Schuljahr mit Unterricht für alle in fast vollem Umfang. Das Leben in Deutschland Anfang August 2020 fühlt sich sehr viel freier an als noch im April.

Eine deutliche Mehrheit der Menschen in Deutschland glaubt allerdings nicht, dass es so bleiben wird. Sie rechnet mit einem erneuten Lockdown – und mit erheblichem Schaden für die deutsche Wirtschaft, wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag des SPIEGEL unter rund 5000 Menschen in Deutschland zeigt.

Mehr als vier von fünf Befragten – 82 Prozent – erwarten noch für dieses Jahr eine erneute Verschärfung der Corona-Schutzmaßnahmen. Mit 32 Prozent geht etwa ein Drittel sogar „auf jeden Fall“ davon aus, weitere 50 Prozent rechnen „eher“ damit. Nur etwas mehr als jede zehnte befragte Person geht nicht von neuerlichen Beschränkungen aus.

Es liegt nahe, dass die jüngsten Nachrichten zu diesem sehr eindeutigen Meinungsbild beigetragen haben. Seit einigen Wochen liegt die Zahl der Neuinfektionen wieder deutlich über dem Niveau des Juni, das Robert Koch-Institut sprach in diesem Zusammenhang von „großer Sorge“. Meldungen über Ausbrüche in Urlaubsgebieten dürften die Furcht davor gemehrt haben, dass Reiserückkehrer die Ausbreitung des Coronavirus wieder anfachen könnten. Hinzu kommen die bevorstehenden Schulöffnungen, die nachlassende Umsicht vieler Menschen im Alltag – und die Bilder von Tausenden dicht gedrängten Protestierenden bei den Anti-Corona-Demos.

Weniger naheliegend ist allerdings: Wer mit einem neuen Lockdown rechnet, erwartet häufig sogar noch strengere Maßnahmen als im Frühjahr. Das gab eine relative Mehrheit von 42 Prozent derer an, die allgemein mit neuen Beschränkungen rechnen. 27 Prozent aus dieser Gruppe glauben, dass der zweite Lockdown so sein wird wie der erste – also mit geschlossenen Geschäften, Restaurants und recht strikten Kontaktbeschränkungen. Weitere 30 Prozent rechnen hingegen mit lockereren Beschränkungen als im Frühjahr.

Dass so viele Deutsche einen so harten zweiten Lockdown erwarten, ist angesichts der Einschätzung von Fachleuten überraschend. So verweisen etwa der Virologe Christian Drosten und der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach auf die Erfahrungen, die bislang gesammelt wurden und die es ermöglichen, künftig gezieltere und damit weniger drastische, flächendeckende Maßnahmen zu ergreifen.

Für die erwartete Härte des zweiten Lockdowns spielt das Alter eine wichtige Rolle. Bei den Befragten unter 40 Jahren überwiegen deutlich diejenigen, die mit lockereren Maßnahmen rechnen, bei den über 40-Jährigen rechnet eine Mehrheit mit strengeren Beschränkungen. Dabei gilt durchgehend: Je älter die Befragten, desto höher ist der Anteil derer, die einen strengeren zweiten Lockdown erwarten.