Batterieproduktion: Europa im Hintertreffen

Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler des vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
gegründeten Helmholtz-Instituts Ulm (HIU) und ihre europäischen
Kooperationspartner entwickeln ein nachhaltiges Zellkonzept, das
ausschließlich auf ökologisch und ökonomisch unkritischen Materialien
basiert. In dem Projekt Si-DRIVE bildet das Konsortium die gesamte
Batterie-Wertschöpfungskette ab und strebt bis 2030 einen Plan für eine
europäische Produktion an. Die Europäische Union (EU) finanziert das
Projekt mit acht Millionen Euro bei einer Laufzeit von vier Jahren.

Derzeit werden rund 90
Prozent der Lithium-Ionen-Zellen in Asien produziert. In Europa gibt es
verschiedene Bestrebungen, eine eigene Batterieproduktion aufzubauen.
Ziel von Si-DRIVE ist es, eine Zelle zu entwickeln, die aus einer
nanostrukturierten Silizium-Anode, einem neuartigen auf ionischen
Flüssigkeiten basierenden Festelektrolyten und einer vollständig
kobaltfreien, aber lithiumreichen Kathode besteht. Eine Zelle mit diesem
Aufbau sowie ein umfassendes Recyclingprogramm könnten eine nachhaltige
Batterieproduktion ermöglichen.

„Das Besondere an dem
Projekt ist, dass wir im Verbund von der Materialentwicklung über
Prototypzellenfabrikation bis hin zum Recycling alle Schritte der
Wertschöpfungskette einer Batterie abdecken“, erklärt Professor Stefano
Passerini, Direktor des HIU. Seine Forschungsgruppe entwickelt dabei das
neuartige, kobaltfreie Kathodenmaterial mit unkritischen Elementen wie
Eisen oder Aluminium. Kobalt wird von der Europäischen Kommission als
kritischer Rohstoff aufgelistet, da es eine knappe Ressource und
geopolitisch schwer zugänglich ist, was zu Versorgungsengpässen führen
kann. Darüber hinaus wird das Element in der Demokratischen Republik
Kongo, wo der Abbau hauptsächlich erfolgt, bisweilen mit Kinderarbeit
und unter menschenunwürdigen Bedingungen gewonnen. „Gleichzeitig wollen
wir den Lithiumgehalt in der Schichtoxid-Kathode gegenüber den
herkömmlichen Materialien signifikant erhöhen, um eine deutliche
Steigerung der Energiedichte zu erzielen“, so Passerini.

Fünf Projektpartner
werden sich zudem mit dem Konzept einer Kreislaufwirtschaft
beschäftigen, um weitere Anwendungen zu identifizieren. Denkbar sind
Szenarien, in denen „altersschwache“ Batterien von Elektroautos
zusammengelegt werden und als stationäre Speicher weiterverwendet
werden. Auch Anoden- und Elektrolytkonzept folgen diesem
Nachhaltigkeitsgedanken, sodass am Ende eine Recyclingrate von über 50
Prozent erzielt werden soll. Die Nanostrukturen der Anode werden so
designt, dass eine lange Zyklenstabilität durch eine ideale Geometrie
mit hohen Massenbeladungen ermöglicht werden kann. Die Struktur der
Anode wird durch Modellierung dahingehend optimiert, dass
Volumenausdehnung und mechanische Deformation bestmöglich abgepuffert
werden und gleichzeitig eine maximale Energiedichte aufrechterhalten
werden kann. Der neuentwickelte Festelektrolyt basiert auf ionischen
Flüssigkeiten, die für mehr Stabilität bei hohen Spannungen, höchste
Sicherheit und niedrige Entflammbarkeit sorgen.

Das vom europäischen
Rahmenprogramm für Forschung und Innovation Horizon 2020 geförderte
Projekt bündelt die Aktivitäten von insgesamt 17 Einrichtungen aus
Wissenschaft und Industrie aus acht Ländern. Mit den Forschungsgruppen
von Professor Arnulf Latz vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt
(DLR) sowie von Dr. Margret Wohlfahrt-Mehrens vom Zentrum für
Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) sind
zwei weitere Partner des HIU involviert.

Über das Helmholtz-Institut Ulm

Das Helmholtz-Institut
Ulm (HIU) wurde im Januar 2011 vom Karlsruher Institut für Technologie
(KIT) als Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft in Kooperation mit der
Universität Ulm gegründet. Mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und
Raumfahrt (DLR) sowie dem Zentrum für Sonnenenergie- und
Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) sind zwei weitere
renommierte Einrichtungen als assoziierte Partner in das HIU
eingebunden. Das internationale Team aus rund 120 Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftlern forscht im HIU an der Weiterentwicklung der
Grundlagen von zukunftsfähigen Energiespeichern für den stationären und
mobilen Einsatz.