Astra Zeneca – aus der Sicht eines Statistikers

Professor Ulrich Trottenberg, der bekannte Mathematiker hat etwas zusammengetragen, was uns alle, die von Statistik Ahnung haben, auf den Nägeln brennt. Ein wirklich empfehlenswerter Artikel zum Nachdenken.

Jean Pütz

Liebe Freunde der InterScience-Akademie,

dass wir in der Corona-Berichterstattung und -Bewertung (durch Experten und die Politik) viel kommunikatives Chaos erleben, daran haben wir uns ja fast schon gewöhnt. Aber was uns jetzt im Zusammenhang mit dem Impfstoff AstraZeneca zugemutet wird, halte ich für unerträglich und skandalös. Ich habe dazu einen kurzen empörten Leserbrief an die SZ geschickt.

Herzliche Grüße
Ulrich Trottenberg

Statistische Ignoranz in Deutschland: lebensgefährlich
(Leserbrief für die Süddeutsche Zeitung)

Statistik hat in Deutschland einen besonders schweren Stand, in der Schule und in der Öffentlichkeit. Dabei könnte gerade jetzt, in diesen harten Corona-Zeiten, richtig verstandene Statistik ein Minimum an Klarheit und Wahrheit in die Welt bringen. Und elementares statistisches Verständnis der Öffentlichkeit könnte – zum Beispiel bei der Einschätzung von Risiken – eine echte Lebenshilfe für alle sein.
Aber was wir jetzt im Zusammenhang mit dem Impfstoff AstraZeneca an Ignoranz erlebt haben und noch erleben, ist skandalös. Da verbreitet irgendeine verantwortungslose Agentur, AstraZeneca habe („möglicherweise“) nur eine Wirksamkeit von 8 oder 10%, und mehrere Fernsehmoderatoren (auch im WDR!) geben diesen statistischen Unsinn ungeprüft weiter. Dann setzt die Ständige Impfkommission nach und entscheidet, dass der Impfstoff für Über-64-Jährige zunächst nicht zugelassen wird. Anstatt sich über die internationalen Statistiken zu informieren, teilt der Vorsitzende der Kommission mit, dass ihm die Datenlage nicht ausreicht, um den Impfstoff für alle freizugeben.
Und dann wundert sich die Politik darüber, dass die Öffentlichkeit essentiell verunsichert ist und der Impfstoff ungenutzt liegen bleibt. Wann endlich werden die für solche Fehlinformationen und todbringenden Fehlentscheidungen Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen?
Prof. Dr. Ulrich Trottenberg, Köln