Eine kurze Geschichte des Genussmittels
(BZfE) – Heute kaum vorstellbar: Bis vor rund 200 Jahren war Zucker ein
sehr kostbares Gut. Erst die Entdeckung, dass auch die heimische
Runkelrübe – aus der später die Zuckerrübe gezüchtet wurde – den
begehrten Stoff enthält, leitete den „süßen Siegeszug“ zu einem der
heute preiswertesten Lebensmittel ein. Unser Haushaltszucker ist zunächst
einmal ganz nüchtern und chemisch betrachtet ein Kohlenhydrat, das aus den
beiden Einzelbausteinen Fruchtzucker und Traubenzucker besteht.
Umgangssprachlich deshalb auch Zweifachzucker genannt. Egal ob aus
Zuckerrohr oder Zuckerrübe gewonnen, ganz gleich ob einfacher Weißzucker,
brauner Rohzucker, feine Raffinade, Puder-, Würfel-, Einmach- oder
Kandiszucker – es ist und bleibt der oben definierte Zweifachzucker. Und
der hat positive und negative Seiten.
Positiv: Viele Lebensmittel entfalten ihr volles Aroma erst, wenn sie
gezuckert werden. Gezuckerte Erdbeeren beispielsweise schmecken nicht nur
aromatischer, sie duften auch intensiver. Zucker hat haltbarmachende
Eigenschaften, denn er bindet frei verfügbares Wasser in Marmeladen,
Konfitüren, Gelees sowie Sirup-Getränken und entzieht dadurch Bakterien,
Hefen und Schimmelpilzen den Lebensraum. Bei Kuchen und Gebäck gibt Zucker
nicht nur Geschmack, sondern ist auch Struktur gebend und für die
Festigkeit des Teigs mitverantwortlich. Last but not least – Zucker
schmeckt süß und ist ein preiswerter Rohstoff. Und da sind wir auch schon
beim Dilemma: Wir essen zu viel Zucker.
Nach Zollaufzeichnungen des Deutschen Reiches lag der Pro-Kopf-Zuckerkonsum
im Jahr 1874 bei 6,2 Kilogramm. Heute sind es in Deutschland
durchschnittlich rund 35 Kilogramm pro Kopf und Jahr, beziehungsweise 100
Gramm pro Tag oder 32 Zuckerwürfel. Zu üppig, sagen die
Fachgesellschaften für Ernährung und die Weltgesundheitsorganisation WHO:
höchstens 50 Gramm sollten es sein, bei strenger Auslegung sogar nur 25
Gramm; und zwar in der Summe des in natürlichen und verarbeiteten
Lebensmitteln enthaltenen Zuckers sowie des zu Hause verbrauchten Zuckers.
Diese Empfehlung bezieht sich nicht auf den natürlichen, in frischem
Obst/Gemüse oder in Milch vorkommenden Zucker.
Eine hohe und häufige Zuckerzufuhr fördert die Entstehung von
Übergewicht und Adipositas sowie zahlreiche mit Übergewicht assoziierte
Erkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2 und kardiovaskuläre Erkrankungen
sowie die Entstehung von Karies. Hingegen ist eine zuckerarme Ernährung
gesundheitsfördernd.
Zucker ist kein notwendiger Nahrungsbestandteil, sondern ein Genussmittel.
Je weniger man davon genießt, umso besser für die eigene Gesundheit. Wer
reduzieren möchte, muss insbesondere auf verarbeitete Produkte schauen:
Fruchtjoghurts, Feinkostsalate, Müslis, Instantgetränke, Softdrinks, um
nur einige zu nennen. Obacht: Auch hinter Glukose, Dextrose, Fructose,
Laktose, Saccharose, Maltose, Maltodextrin, Fruktose-Glukose-Sirup,
Stärkesirup, Weizendextrin, Süßmolkenpulver, Magermilchpulver u.a.
steckt letzten Endes Zucker.
Übrigens, der Zuckerkonsum von 1874 entspricht gerade mal etwa 6
Zuckerwürfeln pro Kopf und Tag!
Rüdiger Lobitz