Unser Obst, Gemüse und Getreide – eine Züchtung aus Jahrtausenden. Wie gefährlich ist heutzutage die Methode der Gentechnologie

Der Ruf von Nahrungsmitteln mit modifiziertem Erbgut ist gerade in Deutschland denkbar schlecht. In der Gesellschaft befürchtet man negative Auswirkungen durch den Eingriff in die Natur. Ist diese Sorge aus medizinischer Sicht berechtigt?

Die Übernahme des amerikanischen Saatgutkonzerns Monsanto durch das deutsche Traditionsunternehmen Bayer führte zwar nicht zu Protestmärschen, stieß aber dennoch auf massive Kritik. Monsanto hat den zweifelhaften Ruf, landwirtschaftliche Gewinnmaximierung auch mit ethisch und ökologisch bedenklichen Zuchtmethoden für Nutzpflanzen zu erreichen.

„Frei von Gentechnik“ steht inzwischen auf vielen Bauernhöfen und Lebensmittelverpackungen. Aber ist gentechnisch verändertes Getreide aus dem Labor der Molekularbiologen wirklich so viel gefährlicher und unberechenbarer als solches, dessen Erbgut landwirtschaftliche Versuchsanstalten durch Züchtung über Jahrhunderte hinweg auf maximalen Ertrag und Widerstandskraft gegen Schädlinge entwickelt haben?

Mehr Tomatengeschmack durch Gentechnik?

Die Züchtung von Nutzpflanzen ist inzwischen rund 10.000 Jahre alt. Besonders Getreide, Brokkoli sowie Äpfel und Bananen wuchsen auf diese Weise von Winzlingen zu ertragreichen Früchten, Gemüsen und Körnern heran. Vor etwa 40 Jahren fingen Agrarwissenschaftler dann an, direkt auf die DNA von Pflanzen zuzugreifen. In den 80er und Anfang der 90er Jahre waren es zunächst Resistenzgene gegen Antibiotika und Viren, die Tabak und Petunien zu größerer Widerstandskraft verhalfen.

Bald begannen Wissenschaftler auch damit, Lebensmittel mithilfe gentechnischer Methoden zu verändern. Im Jahr 1994 startete in den USA mit der „FLAVR-SAVR-Tomate“ erstmals der Verkauf eines gentechnisch veränderten Lebensmittels. Bei der „geschmackskonservierenden“ Tomate schalteten Forscher das Enzym Polygalakturonase in den Samen aus. Die Frucht reift dadurch mit dem verzögerten Abbau der Zellwände später und ist unempfindlicher gegen Fäulnis. Sie musste dementsprechend nicht schon grün vom St

rauch gepflückt werden und kam somit auch mit intensiverem Geschmack in den Laden.Doch das kurze Leben der Gen-Tomate endete schon drei Jahre später, obwohl die FDA für die Züchtung grünes Licht gab. Das Misstrauen der Verbraucher in gentechnisch veränderte Lebensmittel war damals zu groß. Zudem war die Lebensmittel-verarbeitende Industrie auf die eigentlich positiven Eigenschaften nicht eingestellt. Für die Verarbeitung und Verpackung der reifen Tomaten hätten neue Verarbeitungsmaschinen angeschafft werden müssen.

Gesundheitlich optimierte Fett- und Ölproduktion

Doch die Skepsis gegenüber derart manipulierten Lebensmitteln scheint bei Verbrauchern in den USA inzwischen abgenommen zu haben. Immerhin sind dort andere Lebensmittel mit veränderten Genen erhältlich, wie die „Innate“-Kartoffeln. Ein teilweiser Block der Gene für Asparaginsynthese sowie von Glukose- und Fruktose-Stoffwechselenzymen mithilfe von RNA-Interferenz führt dazu, dass die Kartoffeln nach dem Aufschneiden nicht so schnell braun werden. Und als besonders gesundes Merkmal entstehen beim Braten und Frittieren sehr viel weniger giftige Acrylamide.  In den Vereinigten Staaten und Kanada beliefern die Bauern damit große Fast-Food Ketten. Auch in Australien und Neuseeland sind diese Kartoffeln bereits auf dem Markt.

In der EU sind bislang Getreide, Mais und Kartoffeln mit veränderten Gene gegen Schädlingsbefall oder Resistenzen gegen Bekämpfungsmittel erhältlich. Zudem sind Raps, Sojabohnen, Zuckerrüben und Baumwollpflanzen mit veränderten Genen zugelassen.

Für Menschen mit Zöliakie gibt es auf dem Lebensmittelmarkt Hoffnung. In Spanien wurden bereits klinische Studien mit einer Weizensorte begonnen, bei der ein Großteil der Gliadin-Gene inaktiv und damit nur mehr in geringem Maße allergen ist.

Beim Anbau von Sojabohnen sorgt der genetisch programmierte hohe Gehalt an Ölsäure beim starken Erhitzen dafür, dass sich weniger ungesunde Trans-Fettsäuren bilden. Speiseöl, Salatdressing und gesunde Müsliriegel sollen damit dem Verbraucher zu einer gesünderen Ernährung verhelfen. Diese Trans-Fettsäuren werden in Kanada und den USA demnächst ganz aus fertigen Lebensmitteln verschwinden. Aber auch Dänemark hat schon 2003 mit einem Verbot für Produkte mit mehr als zwei Prozent solcher Subtanzen reagiert. Gesunde Omega-3-Fettsäuren tauchen dafür per Gentechnik inzwischen in erhöhter Konzentration in Raps, Soja und sogar in Algen- und Bakterienkulturen auf, zunächst in Form von Futtermittel.

Weniger Futter für größere Lachse?

Eine natürliche Quelle von Omega-3-Fettsäuren ist der Speisefisch. Zu den beliebtesten gehört der Lachs, dessen Nachfrage schon längst nicht mehr allein aus Wildfang gedeckt werden kann. Jene Entwickler, die Omega-3-Fettsäuren in Getreide und Gemüse bringen wollen, argumentieren, dass durch alternative Quellen von Omega-3-Fettsäuren in Getreide und Gemüse weniger Fischfarming notwendig. Dadurch gewänne auch nachhaltiger Fischfang wieder an Bedeutung.

Alternativ wollen Wissenschaftler den Speisefische genetisch so verändern, dass sie weniger Futter verbrauchen: Mit dem Wachstumshormon des Königslachses und einem genetisch codierten Frostschutz wächst das Tier wesentlich schneller und verbraucht deswegen ein Viertel weniger Futter als unveränderte Fische. Den Bedenken von Kritikern nach einer Möglichkeit einer Vermischung mit Wildlachsen bei einer Flucht aus dem Gehege kamen die Züchter entgegen: Die aufgezogenen weiblichen Lachse sind steril und lassen sich nicht von wildlebenden Lachsmännern befruchten. Dennoch ließ sich die FDA bei ihrer Zulassung lange Zeit und konnte nicht alle Bedenken wie die eines veränderten Hormonhaushalts bezüglich IGF-1 oder der Gefahr einer Übertragung von Pilzkrankheiten auf wilde Lachse ausräumen.

Genfood gegen den Hunger der Welt?

Ein positives Beispiel dafür, ob gentechnisch veränderte Lebensmittel überhaupt notwendig sind, ist der „Goldene Reis“. Durch ein Gen aus dem Mais produziert diese Reissorte ß-Carotin. Entsprechend der WHO könnte damit ein Vitamin-A-Mangel von rund 250 Millionen Kindern weltweit gelindert und möglicherweise bis zu einer halben Million Erblindungen verhindert werden. Nach langer kontroverser Diskussion sollen die ersten großen Pflanzungen in diesem Sommer auf den Äckern Asiens stehen.

Zwischen 20 und 40 Prozent ihrer erhofften Ernte verlieren Bauern weltweit durch Schädlinge, das sind rund 250 Mio Euro. Um diese Verluste auszugleichen und zusätzliche Flächen für die Landwirtschaft zu generieren, müssen immer mehr Bäume weichen. Rund vier Fünftel des Jährlichen Verlusts an Wald wird zu landwirtschaftlicher Nutzfläche und inzwischen gehen rund 70 Prozent des weltweiten Wasserverbrauchs auf Kosten der Feldbewässerung. Auch hier, so scheint es, können die neuen Pflanzen Trümpfe ausspielen. Dort wo sie wachsen, ist der Pestizidverbrauch um rund 40 Prozent niedriger. Neue Sorten für wasserarme Gebiete, niedrige Temperaturen oder Resistenz gegen Salzwasser sind in der Entwicklung.

Sicherheitsrisiken: unklare Datenlage

Ist der Anbau genmodifizerter Pflanzen sicher? 1999 schien eine Publikation in Nature darauf hinzuweisen, dass Pollen von transgenen Maispflanzen an einem verringerten Wachstum von Raupen des amerikanischen Monarchfalters schuld seien. Die Insekten ernähren sich von der Seidenpflanze, die meist in der Nähe von Maisfeldern wächst. Spätere Studie  konnten diese These allerdings nicht erhärten. Vielmehr scheinen intensive Landwirtschaft mit mit Monokulturen und dem Einsatz von Giften den Nahrungspflanzen der Schmetterlinge zugesetzt zu haben. Ähnlich umstritten ist eine Studie von Gilles-Eric Seralini, nach der Mais mit Herbizid-Resistenzgenen zu gesundheitlichen Schäden im Rattenmodell führen soll. Auch diese Ergebnisse konnten nicht unabhängig verifiziert werden.

Generell gibt es zur Sicherheit genetisch modifizierter Organismen bisher noch nicht allzu viele Daten und auch etliche Wissenschaftler halten die Vorsicht und Skepsis gegenüber Eingriffen ins Genom mittels Gentechnologie für gerechtfertigt.

Unvorhergesehene Effekte von Gen-Insertionen oder dem Block von Regulationsgenen lassen sich nicht ausschließen. So wurden etwa potentielle Allergene von modifiziertem Mais trotz Verbot in Nahrungsmitteln für den menschlichen Verzehr gefunden. Diese Funde weisen auch auf das Problem hin, dass es wohl etliche Betriebe etwa in der Gastwirtschaft gibt, die es mit den Restriktionen solcher Feldfrüchte nicht allzu genau nehmen. Zumindest in Großbritannien berichten Initiativen gegen den Einsatz von Gentechnologie bei Nahrungsmitteln immer wieder von Bruch entsprechender Vorschriften.

Gentechnologie nein Danke – Gründe für das Misstrauen

Weltweit wachsen auf rund 200 Mio Hektar Nutzpflanzen mit modifiziertem Genom, das entspricht etwa der Fläche Mexikos. Vor allem die USA, Brasilien, Argentinien, Kanada und Indien sind dabei die großen Produzenten. Neben Soja als wichtigster Feldfrucht sind es Mais und Raps, die eine bedeutende Rolle spielen.

In Europa überwiegt dagegen die Skepsis. Von den Anbauländern sind nur mehr Spanien und Portugal übrig geblieben. Seit 2013 genehmigen deutsche Behörden für diese Pflanzen auch keine Versuchsflächen mehr. Was aber führt zu diesem Misstrauen? Der Risikoforscher Ortwin Renn erörtert mögliche Gründe im vierten Gentechnologiebericht: Die Skepsis gegen jede Veränderung von als natürlich empfundener Landwirtschaft, also dem Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmittel oder nichtbiologischem Dünger. Gleichzeitig ist es wohl die Angst vor der Ungewissheit, ob es nicht langfristig doch unerwünschte Nebenwirkungen des veränderten Genoms der Pflanze geben könnte – zusammen mit einem tiefen Misstrauen gegenüber Wissenschaftlern, die an unverständlichen Techniken zur Veränderungen des Erbguts nicht nur bei Pflanzen arbeiten.

Auf der anderen Seite sind mögliche Vorteile der Gentechnik gerade in hochentwickelten Staaten wie Deutschland nur zu einem kleinen Teil wahrnehmbar. Preisunterschiede zugunsten der Neuzüchtungen fallen bei den ohnehin niedrigen Lebensmittelpreisen kaum ins Gewicht, gesundheitliche Vorteile bei der Zubereitung (wie etwa bei Kartoffeln) fallen kaum auf. Daher bleiben rund zwei Drittel der Deutschen bei ihre negativen Einstellung gegenüber Gen-Nahrung.

Hat genoptimierte Nahrung eine Zukunft?

Renn schließt sein Kapitel über die Risikowahrnehmung der grünen Gentechnik mit einem Appell zur Aufklärung und Diskussion. Die wichtigen Fragen wären dabei:

  • Auswirkung des Anbaus auf das Recht der Grundversorgung mit Nahrung
  • Umweltverträglichkeit der konventionellen und transgenen Nutzpflanzen
  • Auswirkungen auf soziale Gerechtigkeit und Armutsbekämpfung
  • Auswirkung auf die Selbstbestimmung und Menschenwürde
  • Langzeiteffekte auf Gesundheit, Umwelt und Entwicklung
  • Möglichkeit der Koexistenz von konventionellen und transgenen Nutzpflanzen

Ob es in naher Zukunft hierzulande gentechnisch veränderte Lebensmittel im Supermarkt zu kaufen gibt, ist fraglich. Mit einer transparenten Diskussion um Chancen und Risiken der grünen Gentechnik, ließen sich aber zumindest Vorbehalte und Ängste in der Bevölkerung reduzieren.