(rnd) – Wasserstoff gilt als großer Hoffnungsträger, um die Energiewende zu schaffen. Jetzt hat die Ampel mit der nationalen Wasserstoffstrategie einen neuen Fahrplan erarbeitet. Am Mittwoch ist er im Kabinett. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was ist Wasserstoff, und wie wird er gewonnen?
Vereinfacht ausgedrückt: Um Wasserstoff zu gewinnen, muss Wasser in seine Einzelteile zerlegt werden. Durch diese Abspaltung entsteht gasförmiger Wasserstoff – auch als H2 bekannt. Allerdings hat dieser Prozess einen Haken: Er ist sehr energieintensiv. Deshalb wird bei den einzelnen Verfahren genau unterschieden – und Wasserstoff in verschiedene Farben eingeteilt.
Grün, türkis, blau: Was bedeuten die Farben?
Er gilt als zentral zum Erreichen der Klimaziele: grüner Wasserstoff. Um ihn herzustellen, kommen nur erneuerbare Quellen zum Einsatz, Wind- oder Solarenergie beispielsweise. Grüner Wasserstoff ist also tatsächlich „grün“ im ökologischen Sinne. Anders sieht es beim grauen Wasserstoff aus: Der wird durch den Einsatz fossiler Brennstoffe wie Erdgas gewonnen, wodurch CO₂ entsteht.
Dann gibt es noch blauen Wasserstoff: Das ist im Prinzip grauer Wasserstoff, bei dem das entstandene CO₂ jedoch abgeschieden und eingelagert wird (CCS-Technologie). Bei türkisem Wasserstoff ist das Verfahren ähnlich, allerdings basiert es auf einer sogenannte Methanpyrolyse, sodass anstelle von CO₂ fester Kohlenstoff entsteht. Als pink oder gelb wird Wasserstoff bezeichnet, wenn dafür Atomenergie zum Einsatz kommt. Bei orangefarbenem Wasserstoff kommt die Energie aus der Abfallverwertung.
Warum eine Wasserstoffstrategie?
Schon die vorige Bundesregierung hatte sich vorgenommen, dass Wasserstoff künftig eine viel größere Rolle einnehmen solle. 2020 wurde eine nationale Wasserstoffstrategie verabschiedet. Die Pläne der großen Koalition sahen unter anderem vor, dass bis 2030 Erzeugungsanlagen mit einer Gesamtleistung von bis zu fünf Gigawatt entstehen. Bis spätestens 2040 sollte noch einmal die gleiche Kapazität dazukommen. Die Regierung ging davon aus, dass bis 2030 der Bedarf an Wasserstoff zwischen 90 und 110 Terawattstunden liegen würde.
Was ist jetzt neu?
Gegenüber der bisherigen Wasserstoffstrategie geht die Regierung von einem höheren Bedarf aus. Wurde bisher für 2030 mit bis zu 110 Terawattstunden (TWh) gerechnet, liegt die Prognose nun bei bis zu 130 TWh. Deshalb soll das Ziel für die heimische Produktion von Wasserstoff in Elektrolyseanlagen von fünf Gigawatt auf mindestens zehn Gigawatt verdoppelt werden. Das entspricht einer grünen Wasserstoffproduktion von bis zu 30 TWh. Die Masse des Bedarfs soll über Importe gedeckt werden. Um den Hochlauf der Produktion zu beschleunigen, soll es im Unterschied zur bisherigen Planung auch eine begrenzte Förderung für blauen, türkisen und orangefarbenen Wasserstoff geben.
Erstmals gibt es auch für die Infrastruktur eine Zielvorgabe. Bis 2027/28 soll ein „Startnetz“ von mehr als 1800 Kilometern aus umgestellten und neu erbauten Leitungen entstehen. Bis 2030 sollen alle großen Erzeugungs-, Import- und Speicheranlagen mit den „relevanten“ Abnehmern verbunden sein. Der Aufbau des Netzes wird der Privatwirtschaft überlassen – Pläne für eine staatliche Netzgesellschaft hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) fallen lassen.
Welche Schwerpunkte gibt es beim Import?
Im Gegensatz zur bisherigen Wasserstoffstrategie wird nunmehr ein größerer Schwerpunkt darauf gelegt, wie und unter welchen Bedingungen Wasserstoff aus dem Ausland bezogen werden kann. Dazu soll bis Ende des Jahres eine gesonderte Importstrategie erarbeitet werden. Zu den Leitplanken soll insbesondere ein fairer Umgang mit Entwicklungs- und Schwellenländern gehören, die als Exporteure infrage kommen. Zwar bestehe die Chance, dass die neue Wasserstoffwirtschaft ökologisch, ökonomisch und sozial zu einer besseren Entwicklung führe als die alte fossile Weltwirtschaft, heißt es in einem ergänzenden Papier des Entwicklungsministeriums, dazu müsse aber bei der Produktion von Wasserstoff zum Beispiel sichergestellt werden, dass der Zugang zu Trinkwasser oder zu Bewässerung in der Landwirtschaft nicht gefährdet werde.
Was sagen Umweltschützer?
„Die nationale Wasserstoffstrategie stellt zwar die Verdoppelung der Ziele für grünen Wasserstoff voran, will aber vor allem Importkapazitäten und vorerst die H2-Produktion aus fossilem Gas massiv fördern“, kritisierte Greenpeace-Chef Martin Kaiser die erwartete Strategie. Grüner Wasserstoff könne und müsse in Zukunft ein Baustein der Energiewende in sehr ausgewählten Bereichen sein, bei denen es keine wirkliche Alternative gebe, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Die Ampelregierung schafft mit den völlig überdimensionierten Importzielen der Wasserstoffstrategie jedoch erneute Abhängigkeiten von autokratischen Regierungen.“
Sollte Wasserstoff importiert werden, müssten strenge ökologische und soziale Kriterien angelegt werden, forderte er. „Unser Energiehunger darf nicht dazu führen, dass wir im globalen Süden weiter Land- und Wasserressourcen ausbeuten und neokoloniale Strukturen fortschreiben.“
Ein weiterer Kritikpunkt: „Die Regierung von Bundeskanzler Scholz will blauen und türkisen – also aus Erdgas gewonnenen – Wasserstoff mit Steuergeldern fördern“, sagte Kaiser. „Das ist nichts anderes als eine Fortführung überkommener fossiler Geschäftsmodelle und damit keine Option im Kampf gegen die Klimakatastrophe.“
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bewertete die Strategie laut Entwurf als gut, damit der Einstieg in grünen Wasserstoff gelingen könne. Allerdings sei eine stärkere Beschränkung bei den Anwendungsfeldern erforderlich. Grüner Wasserstoff habe nur eine Chance, wenn man ihn richtig dosiere, sagte DUH-Energieexpertin Ricarda Dubbert. „Die Aufnahme von fossil-blauem Wasserstoff in die Strategie ist ein massiver klimapolitischer Rückschritt“, kritisierte sie hingegen. Nur grüner Wasserstoff könne einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Welche Forderungen gibt es noch?
„Es ist gut, dass die Bundesregierung die Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie nun endlich vorlegt“, sagte Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführerin des Energie- und Wasserwirtschaftsverbandes BDEW. Die Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft sei für die künftige Energieversorgung und für die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts unverzichtbar.
Mit dem Inflation Reduction Act in den USA – aber auch anderen Entwicklungen – habe sich der internationale Wettbewerb verschärft, sagte Andreae. „Deutschland kann hier nur mithalten, wenn hierzulande ebenfalls ein attraktives Investitionsumfeld geschaffen wird.“ Insbesondere das Ziel, bis 2030 10 Gigawatt heimische Elektrolysekapazität hochzufahren, müsse mit konkreten Maßnahmen und Förderprogrammen sowohl auf Erzeugungs- als auch auf Nachfrageseite unterfüttert werden.
Welche Reaktionen gibt es?
„Um Klimaneutralität in der Industrie und Mobilität zu erreichen, brauchen wir dringend Wasserstoff in großen Mengen zu günstigen Preisen“, sagte Michael Theurer (FDP), Parlamentarischer Staatssekretär im Verkehrsministerium. Mit der Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie schaffe man technologieoffenere Rahmenbedingungen, um die Produktion auszuweiten. Dass in der Hochlaufphase nicht nur grüner, sondern auch blauer, türkiser und organgfarbener Wasserstoff als förderfähig angewesen werde, sei ein „klares Bekenntnis für die Wasserstoffwirtschaft“ und zeige, welche riesigen Wachstumschancen in der Schlüsseltechnologie lägen.
Die Strategie der Bundesregierung erkennt auf Wirken der FDP in der Hochlaufphase nicht nur grünen, sondern auch blauen, türkisen sowie orangen Wasserstoff als förderfähig an. Das ist ein klares Bekenntnis für die Wasserstoffwirtschaft und zeigt, welche riesigen Wachstumschancen in der Schlüsseltechnologie liegen, insbesondere auch für die Herstellung synthetischer Kraftstoffe. Das Ziel muss sein, Deutschland zum Leitmarkt für Wasserstofftechnologien zu machen und den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft innerhalb einer Europäischen Wasserstoffunion umzusetzen. Sonst droht das Abwandern der Schlüsseltechnologien aus Deutschland und Europa in die USA und nach Asien.“