Die Idee von Fairtrade startete in Köln. Es war vor allen Dingen Dieter Overath, der langjährige Vorsitzende, der mich als verantwortlicher Redakteur im Fernsehen des WDR für Naturwissenschaft und Technik und Verbraucherfragen auf die extreme Armut vieler Kolonialwaren-Produzenten aus den Entwicklungsländern aufmerksam machte. Irgend etwas im Handel mit diesen Ländern musste schief laufen. Es waren vor allen Dingen Börsen-notierte Lebensmittel-Großkonzerne, die den Bauern ihren verdienten Lohn vorenthielten. Mit dem beliebten Kaffee begann die Initiative. Kaffee, dieses ursprüngliche Luxusprodukt, welches ich in Nachkriegszeiten noch als Muckefuck kennen gelernt habe, also Kaffee-Ersatz aus geröstetem Getreide. Aber unser Luxus ging und geht immer noch auf Kosten der Menschen in der 3. Welt.
Diese Tatsache musste jeden kritischen Journalisten aufrütteln. Also machte ich mich auf den Weg nach Costa Rica und lernte zunächst viel über den Kaffee, woher er kam, welche Sorten es gibt, welche Kunst darin besteht, ihn zu rösten. Die roten kirschenroten Früchte der Kaffee-Pflanze, meist auf steilen Berghängen angebaut, mussten mit viel Mühe gepflückt werden. Dann wurden sie einem Fermentations-Prozess (Gährung) unterworfen. Das Fruchtfleisch war aber nicht das Ziel wie z. B. bei unseren Kirschen, sondern die Kerne. Diese ließen sich dann vom Fruchtfleisch entfernen, wurden getrocknet und bildeten dann den Rohkaffee. Aber die armen Kaffeebauern hatten keine Möglichkeit, diesen Prozess selbst in die Hand zu nehmen.
Ich erinnere mich noch gut an die mit roten Kaffee-Kirschen voll gepackten Kaffeesäcke am Straßenrand. Um ihre Familien zu ernähren brauchten die Bauern dringend Geld. Das nutzen die Konzerne aus und boten ihnen einen Minimalpreis für den Sack. Fairtrade wollte dieser erzwungenen Verkaufsmethode entgegenwirken. Die Organisation sorgte dafür, dass es möglich wurde, dass die Bauern sich zu Cooperativen zusammen schlossen, diese Aufbereitung zu Kaffeebohnen selbst übernahmen. Fairtrade garantierte einen fairen Preis, offenbar war das langfristig von Erfolg gekrönt.
Später kamen dann viele andere Produkte hinzu, alles, was früher unter Kolonialwaren lief. Allein schon dieser Begriff beweist, dass sie durch Ausbeutung der Kolonien – teils mit Sklavenarbeit – in Europa das Warenangebot vermehrten, aber meist für die hiesigen Reichen.
Auch die Elfenbeinküste habe ich diesbezüglich besucht und fand die gleichen Armutsstrukturen vor wie in Costa Rica. Die Bauern der Elfenbeinküste allerdings bauen vorwiegend Kakao, Bananen und Zitrusfrüchte an, insbesondere die Bergamotte-Frucht, eine Art grüne Mini-Orange. Diese sind in der europäischen Parfum-Fabrikation sehr begehrt. Im Kölnischwasser ist ein hoher Anteil aus dem aus den Bergamotte-Fruchten enthaltenen Ölen enthalten und bestimmen den Duft. Während der faire Handel mit Kakao und Bananen große Erfolge gebracht haben, ist die Bergamotte noch nicht in dieses Sortiment mit einbezogen. Darüber ließe sich nachdenken.
Nachfolgend eine Pressemitteilung des TransFair e. V.
Ihr Jean Pütz
Köln/Bonn 29. Juli 2021: Fairtrade-Kakaobäuerinnen und -bauern im westafrikanischen Côte d’Ivoire haben ihr Einkommen in den letzten Jahren um 85 Prozent gesteigert. Der Anteil derer, die in extremer Armut leben, sank deutlich. Das zeigen Ergebnisse einer aktuellen Studie. Durchschnittlich lag das jährliche Haushaltseinkommen einer Kakaobauernfamilie 2020/2021 demnach bei 4.937 USD und damit 85 Prozent höher als im Untersuchungszeitraum der Vergleichsstudie von 2016/2017.
Diversifizierung und höhere Kakao-Einnahmen
Das Einkommenswachstum ist einerseits auf höhere Einnahmen aus dem Kakaoverkauf zurückzuführen, andererseits darauf, dass Einkünfte diversifiziert wurden. Daddurch sind Geld und Sachleistungen aus anderen Bereichen als dem Kakaoanbau in die Haushaltskassen geflossen.
Ein beträchtlicher Anteil der untersuchten ivorischen Kakaobäuerinnen und -bauern hat so die Grenze der extremen Armut überwunden: 61 Prozent der in der Studie untersuchten Bauernhaushalte leben oberhalb der extremen Armutsgrenze. Im Vergleichszeitraum 2016/17 waren es 42 Prozent.
Preisdruck, Produktion, Produktnachfrage: „Es gibt noch viel mehr zu tun“
„Dass die Haushaltseinkommen gestiegen sind, ist eine gute Nachricht für die Fairtrade-Haushalte in diesen schwierigen Zeiten. Dennoch gibt es immer noch viel zu viele Kakaobäuerinnen und -bauern, die kein existenzsicherndes Einkommen erzielen“, erklärt Jon Walker, Kakao-Experte bei Fairtrade. „Angesichts des anhaltenden Preisdrucks, der hohen Produktion und der gedämpften weltweiten Nachfrage sollten Markenhersteller und Einzelhändler deshalb aktiv werden: Durch langfristige Verträge, stabile Preise und programmatische Unterstützung, die Effizienz und Diversifizierung der Farmen voranbringt, können wir weitere Fortschritte für existenzsichernde Einkommen erzielen. Es gibt noch viel mehr zu tun“.
Höherer Mindestpreis für Kakao zeigt Wirkung
Die Studie „Cocoa Farmer Income“ wurde von Fairtrade beauftragt und durch das niederländische Impact Institute durchgeführt. Für die Studie wurden 384 Bäuerinnen und Bauern aus 16 Fairtrade-zertifizierten Kakao-Kooperativen befragt, um Verbesserungen und Veränderungen zu messen, die seit 2016/17 stattgefunden haben – unter anderem bei der Haushaltsgröße, dem Kakaoertrag und der Diversifizierung im Anbau.
Die damalige Studie führte dazu, dass der Fairtrade-Mindestpreis und die Prämie um 20 Prozent angehoben wurden (gültig seit Oktober 2019). Fairtrade ist das einzige Zertifizierungssystem mit einem festgelegten Mindestpreis, der als Sicherheitsnetz dient, wenn die Marktpreise fallen.
Höhere Fairtrade-Verkäufe würden die Einkommen weiter steigern
In einer zweiten Forschungsfrage zeigt die Studie anhand der Befragung von 482 Farmen in 20 Kooperativen außerdem, dass weitere Einkommenssteigerungen möglich wären, würde Fairtrade stärker nachgefragt. So könnten die durchschnittlichen Haushaltseinkommen um weitere neun Prozent steigen, wenn die Kleinbäuerinnen und -bauern ihre gesamte Kakaomengen unter Fairtrade-Bedingungen verkauften könnten. Noch deutlicher sähe die Einkommenssteigerung aus, würde für den Kakao der freiwillige Referenzpreis für existenzsichernde Einkommen gezahlt, der Fairtrade-Living-Income-Reference-Preis – der höher liegt als der Mindestpreis. Der „Best Case“: Nahezu alle Haushalte würden die Armutsgrenze hinter sich lassen, würden sie eine Produktionsmenge von 800 kg pro Hektar erreichen und dafür den Referenzpreis erhalten, so die Modellrechnung der Forschenden.
Existenzsichernde Einkommen – für eine sichere Zukunft für Mensch und Umwelt
Fairtrade setzt sich seit langem für ein existenzsicherndes Einkommen für Kleinbäuerinnen und -bauern sowie Beschäftigte in Ländern des globalen Südens ein. Definiert wird dieses „Living Income“ als ein Einkommen, das allen Haushaltsmitgliedern einen angemessenen Lebensstandard ermöglicht, einschließlich einer ausgewogenen Ernährung, sauberem Wasser, angemessenem Wohnraum, Bildung, Gesundheitsfürsorge und anderer grundlegender Bedürfnisse. Für Fairtrade ist ein existenzsicherndes Einkommen von entscheidender Bedeutung, um die nachhaltigen Entwicklungsziele zu erreichen.
Engagiert: Partner beteiligen sich an Living Income Projekten
Verschiedene Partner arbeiten bereits mit Fairtrade in Living-Income Projekten zusammen – darunter unter anderem Tony’s Chocolonely, Rewe mit der Very Fair-Schokolade, Lidl mit Way2Go und Aldi mit Choco Changer