(FAZ) – Nur bis 2026 können sich die Betreiberunternehmen demnach in Ausschreibungen um Stilllegungsbeihilfen bewerben. Sollte das nicht genügen, um den Fahrplan für den bis 2038 vollständig angestrebten Ausstieg aus der Kohleverstromung zu erfüllen, kann die Bundesnetzagentur festlegen, welche Kraftwerke in welcher Reihenfolge entschädigungslos vom Netz gehen müssen. Wichtigste Kriterien sind das Alter der Anlagen, der Nachrüstungsstand und die Auswirkungen auf die Netzsicherheit.
Eine Ministeriumssprecherin sagte, Ziel sei es, das Gesetz möglichst schnell ins Kabinett zu bringen. Der nächste Sitzungstermin wäre dafür der 3. Dezember. Ob der neue Entwurf schon mit anderen Ressorts abgestimmt worden ist, wollte sie nicht sagen. Weil die Zeit für einen Kompromiss drängt, hat das Ministerium besonders umstrittene Themen rund um den Ausbau der Erneuerbaren Energien ausgeklammert. Das gilt unter anderem für den ursprünglich geplanten Mindestabstand von 1000 Metern zwischen neuen Windrädern und der Wohnbebauung sowie die Anhebung des Förderdeckels für die Photovoltaik.
Klimaschutzeffekt droht zu verpuffen
In Berlin wird vermutet, dass die Bundesregierung dazu erst im Frühjahr eine Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes auf den Weg bringen könnte. Bei Klimaschutzverbänden und den Grünen stößt die Verzögerung auf Widerstand. „Die Erneuerbaren-Branche braucht Klarheit, ob sie noch in diesem Land gewollt ist“, sagte der stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Oliver Krischer. „So kann man nicht mit mehreren Hunderttausend Arbeitsplätzen in der Branche umgehen“. Wegen der politischen Unsicherheit lägen viele Planungen schon auf Eis.
Für scharfe Kritik sorgte ebenfalls, dass der Entwurf keine zwingende Löschung von Rechten für den Kohlendioxid-Ausstoß vorsieht. Nach der Abschaltung von Kohlekraftwerken frei werdende Emissionszertifikate könnten deshalb verkauft und anderweitig genutzt werden. Der mit dem Kohleausstieg angestrebte Klimaschutzeffekt drohe zu verpuffen, warnte die Klima-Allianz.
Weiterhin ausklammern musste das Ministerium auch das Vorgehen zur Beendigung der Braunkohleverstromung. Für diese Kraftwerke und Tagebauen laufen noch Verhandlungen mit RWE, Uniper Leag und EnBW über die Höhe der Entschädigungen und den genauen Stilllegungs-Fahrplan. Nach Angaben aus dem Wirtschaftsministerium soll es eine Annäherung gegeben haben. Welche Gesamtkosten für den Kohleausstieg zu kalkulieren sind, lässt der Entwurf weiter offen.
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Gibt es zur Zeit noch Steinkohlemeiler mit einer Kapazität von rund 21 Gigawatt, soll die Leistung bis 2022 auf rund 15 Gigawatt reduziert werden. Ein erstes verkürztes Ausschreibungsverfahren ist schon für das kommende Jahr geplant, wobei Steinkohleanlagen in Süddeutschland mit Rücksicht auf die Versorgungssicherheit ausgeschlossen werden. In der zweiten Phase bis 2030 soll die Kapazität auf 8 Gigawatt sinken. Ende 2038 wäre endgültig Schluss mit der Kohleverstromung.
Für die Ausschreibungen soll die Netzagentur zu jedem Gebotstermin die Kapazität festlegen, die vom Netz gehen soll. Für die Stilllegungsbeihilfen soll jeweils eine Obergrenze festgelegt werden. Wie hoch sie ausfällt, ist noch offen. Davon dürfte entscheidend abhängen, auf welche Resonanz die Auktionen stoßen und ob es gelingt, die Zwischenziele allein auf freiwilliger Grundlage zu erreichen. Unbeeindruckt zeigt sich das Ministerium von dem Streit über das neue Kohlekraftwerk in Datteln: Dem Entwurf zufolge dürfen bereits genehmigte, aber noch nicht fertiggestellte Anlagen trotz des Kohleausstiegs in Betrieb gehen.
Helmut Bünder