Energiewende – Vielfalt gegen Einfalt

(Forum für Zukunftsenergien e.V.) – Wie können die im Verkehrssektor gesteckten Klimaziele erreicht werden? In Bezug auf einen Wechsel des Antriebs bzw. des Kraftstoffes wird häufig von einem notwendigen Technologiemix gesprochen. Über das Potenzial von E-Fuels als einer möglichen Technologieoption, diskutierte der Arbeitskreis „Energie & Verkehr“ am 23. Oktober 2019 und erörterte die notwendigen Rahmenbedingungen, um den Markthochlauf zu ermöglichen.

Es sei unbestritten, dass die batterieelektrische Mobilität in einigen Anwendungsbereichen, wie der Luft- und Schifffahrt sowie in Teilen des Schwerlastverkehrs, nicht sinnvoll bzw. derzeit nicht möglich sei, betonte RDir Dr. Hendrik Haßheider, Referatsleiter G 22 – Alternative Kraftstoffe und Antriebe, Infrastruktur, Energie im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Dort könnten alternative Kraftstoffe wie E-Fuels eine sinnvolle Anwendung finden. In Bezug auf deren Markthochlauf gebe es derzeit jedoch noch drei große Herausforderungen, die zu meistern seien. Zum einen sei Power-to-X eine komplexe Technologie, etliche Aspekte bedürften noch einer Klärung. Die Erfahrungen im „Labor-Maßstab“ reichten nicht aus, es käme darauf an, Erfahrungen mit einer Hochskalierung zu sammeln. Die augenblicklich hohen Kraftstoffpreise stellten eine weitere Herausforderung dar – eine deutliche Degression sei aber wahrscheinlich, so Dr. Haßheider. Schließlich sei die Energieintensivität bei der Herstellung von E-Fuels die dritte große Herausforderung. Eine Abschätzung des Potenzials von E-Fuels falle darüber hinaus schwer – eine präzise Aussage dazu sei mit großen Unsicherheiten verbunden. So gebe es weltweit zahlreiche gute Produktionsregionen für E-Fuels, deren Kapazität werde allerdings auch weltweit nachgefragt.

Mit ihrem Klimaschutzprogramm 2030 zur Umsetzung des Klimaschutzplans 2050 gebe die Bundesregierung nun den Rahmen für den Markthochlauf vor. So werde auf EU-Ebene eine industriepolitische Initiative zum Aufbau einer E-Fuel-Versorgung gestartet und bis Ende des Jahres eine Nationale Wasserstoffstrategie erarbeitet. Mögliche Instrumente seien dabei verschiedene Förderprogramme zur Schaffung eines Angebots und eine Anreizung der Nachfrage durch Quoten und CO2-Bepreisung.

Der Geschäftsführer des Verbands der Automobilindustrie e.V. sowie Kurator des Forum für Zukunftsenergien e.V., Dr. Kurt-Christian Scheel, hob in seinem Statement hervor, dass eine vollständige Elektrifizierung des Verkehrssektors zum Erreichen der Klimaschutzziele wirtschaftlich und zeitlich nicht zu empfehlen sei. Für den Bereich „Luft- und Schifffahrt“ sowie für den Schwerlastverkehr seien vielmehr E-Fuels erforderlich. Mit der neuen CO2-Flottenregulierung und der Renewable Energy Directive II (RED II) gebe es allerdings zwei nicht aufeinander abgestimmte Regulierungsmaßnahmen. Bei der nationalen Umsetzung der RED II setze sich der VDA u.a. für ambitionierte Zielquoten und eine Unterquote für E-Fuels ein, in Bezug auf die CO2-Flottenregulierung schlage man eine freiwillige Anrechnung von E-Fuels vor.

Dr. David Bothe, Associate Director bei Frontier Economics Ltd., erläuterte, dass eine Defossilisierung ohne alternative Kraftstoffe und Power-to-X aus verschiedenen Gründen wohl nicht gelingen werde. So seien E-Fuels trotz Umwandlungsverlusten aus Systemsicht günstiger als eine Elektrifizierung, da z.B. bestehende Infrastrukturen genutzt werden könnten. Zudem seien chemische Energieträger in vielen Anwendungsbereichen alternativlos. Auch beim Thema „Akzeptanz“ seien E-Fuels durch den geringeren Netzausbaubedarf und aufgrund der Erhaltung der Wahlfreiheit für den Kunden im Vorteil gegenüber einer überwiegenden Elektrifizierung. Zusätzlich brauche ein vorschneller Austausch der Fahrzeugflotte das noch zur Verfügung stehende Emissionsbudget ineffizient auf und sei daher nicht nachhaltig. Nicht zuletzt sei eine Energiewende, die in die internationale Arbeitsteilung eingebunden werden kann, nur in dieser Form umsetzbar und biete industrie- und geopolitisch zahlreiche Chancen. Daher sei es geboten, mit einer konzertierten Aktion von Industrie, Politik und Verbrauchern kurzfristig in den Markthochlauf einzusteigen, so Dr. Bothe.

Head of Strategy and Business Development Hydrogen Solutions bei der Siemens AG, Ilona Dickschas, unterstrich in ihrem Statement, dass Power-to-X und die Sektorenkopplung essentielle Bausteine für das Erreichen der Klimaschutzziele seien. Erneuerbare Kraftstoffe könnten durch ihre gute Transportfähigkeit einen wichtigen Beitrag leisten. Dabei sei die notwendige Elektrolysetechnologie bereits soweit fertig entwickelt, dass sie nun im industriellen Maßstab skaliert werden könnte, womit die Basis für E-Fuels gelegt sei – diese Chance dürfe laut Dickschas nicht vergeben werden.

An der anschließenden Podiumsdiskussion beteiligten sich Dr. Christoph Ploß, MdB (CDU/CSU), Oliver Luksic, MdB (FDP), und Jörg Cezanne, MdB (Die Linke), unter Moderation von MR Helge Pols, Referatsleiter G 20 – Grundsatzfragen der klimafreundlichen Mobilität und Klimakabinett im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur sowie ehrenamtlicher Vorsitzender des Arbeitskreises „Energie & Verkehr“. Die Abgeordneten waren sich einig, dass E-Fuels zumindest für Luft- und Schifffahrt sowie Schwerlastverkehre sinnvoll und notwendig seien. Darüber hinaus stellte Dr. Ploß insbesondere heraus, dass es ein großer Vorteil sei, bestehende Infrastrukturen weiterhin nutzen zu können – eine sofortige Umstellung des Fahrzeugparks sei zudem nicht nachhaltig. Ein Einsatz von E-Fuels im Luftverkehr biete die Chance, das Fliegen nicht verbieten zu müssen, sondern klimaneutral zu machen. Dabei dürfe man auch nicht kategorisch Anwendungsbereiche für E-Fuels beschränken – nur mit Offenheit könne man die notwendigen Investitionen anreizen. Am Ende sei es entscheidend, dass die Pariser Klimaziele erreicht würden – mit welchen Technologien, das dürfe von der Politik nicht aus ideologischen Gründen vorgegeben werden.

Luksic unterstütze Dr. Ploß grundsätzlich in seinen Aussagen zur Bedeutung der E-Fuels, kritisierte jedoch, dass die Bundesregierung in ihren Entscheidungen eher in Richtung Elektrifizierung tendiere. Wie auch Dr. Ploß betonte er die durch E-Fuels gebotene geopolitische Chance bei einer internationalen Arbeitsteilung. Für ihn sei es klar, dass die deutsche Wirtschaft auch in die Batterieherstellung investieren müsse. Jedoch sei es aus industriepolitischer Sicht nicht sinnvoll, einseitig auf eine Technologie zu setzen – erst recht vor dem Hintergrund, dass die deutsche Automobilindustrie stark auf den Verbrennungsmotor fokussiert sei.

Cezanne hob die Bedeutung von E-Fuels zur Emissionsminderung in der Luft- und Schifffahrt hervor. Er plädierte allerdings für eine „wahre“ Verkehrswende mit weniger Fahrzeugen und neuen Mobilitätskonzepten anstelle einer reinen Antriebswende. Der Versuch, den Verbrennungsmotor durch E-Fuels am „Leben zu halten“, werde nicht gelingen, denn der Verbrennungsmotor sei bereits „tot“. Zudem hätten batterieelektrische Fahrzeuge im PKW-Massenmarkt viele Vorteile. Um E-Fuels zum Durchbruch in der Luft- und Schifffahrt zu verhelfen, hält Cezanne Grenzwerte in beiden Sektoren für sinnvoll.

Wir danken dem MEW Mittelständische Energiewirtschaft Deutschland e.V. für die Unterstützung sowie der Robert Bosch GmbH für die Gastfreundschaft.

Die Präsentationen stehen in Kürze für die Mitglieder des Forum für Zukunftsenergien e.V. auf der Website (Presse/Publikationen) zum Download bereit. Sollten Sie persönlich oder Ihr Unternehmen / Ihre Institution Mitglied im Forum für Zukunftsenergien sein und noch keine Zugangsdaten haben, senden Sie bitte eine E-Mail an: info@zukunftsenergien.de.

Über das Forum für Zukunftsenergien e.V.

Das Forum für Zukunftsenergien engagiert sich als einzige branchenneutrale und parteipolitisch unabhängige Institution der Energiewirtschaft im vorparlamentarischen Raum in Deutschland. Der eingetragene Verein setzt sich für erneuerbare und nicht-erneuerbare Energien sowie rationelle und sparsame Energieverwendung ein. Ziel ist die Förderung einer sicheren, preisgünstigen, ressourcen- und umweltschonenden Energieversorgung. Dem Verein gehören ca. 230 Mitglieder aus der Industrie, der Energiewirtschaft, Verbänden, Forschungs- und Dienstleistungseinrichtungen sowie Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung an.