(Wirtschaftswoche) – Geimpft, genesen oder getestet: Die Politik setzt auf 3G- und 2G-Regeln zur Bekämpfung der Pandemie – und kostenlose Bürger-Schnelltests. Die Hersteller der Kits profitieren vom Run auf die Tests – aber nicht jedes Produkt kann überzeugen.
Plötzlich geht es wieder ganz schnell. Deutschland führt die 3G- und 2G-Regeln ein – und setzt damit eine erhöhte Nachfrage nach Schnelltests in Gang. Bei den Kits für Privatpersonen kommt es bereits zu vereinzelten Engpässen. „Seit September verzeichnen wir einen kontinuierlichen Anstieg der Nachfrage nach Corona-Selbsttests“, teilt die Drogeriekette Rossmann auf Nachfrage mit. „Die Verfügbarkeit ist grundsätzlich gesichert, es kann jedoch aufgrund der derzeit hohen Nachfrage punktuell zu kurzfristigen Engpässen kommen.“ Ähnlich äußert sich Konkurrent dm.
Die vierte Welle rollt gerade über Deutschland und die Menschen statten sich offenbar mit den Testkits aus. Regelmäßiges Testen wird zum Türöffner am Arbeitsplatz, bei Events und im Restaurant. Häufig sogar dann, wenn die Leute bereits vollständig geimpft oder genesen sind. „2G plus“, nennt die Politik die doppelte Sicherheit. Testzentren schießen erneut aus dem Boden.
Für die Hersteller der Schnelltests bedeutet das ein Millionengeschäft. Pharmafirmen wie Roche, Abbott, Eurofins und Qiagen verdienen gut am Testgeschäft – selbst wenn die Kits im Großhandel inzwischen zu Centbeträgen gehandelt werden. Privatkunden zahlen dann bei der Drogeriekette dm 1,75 Euro pro Test, bei Rossmann ist er laut Onlineshop etwas teurer – Anfang 2020 lag der Preis bei etwa dem Dreifachen.
„Bis Ende des Jahres dürfte der Produktionsausstoß im hohen dreistelligen Millionenbereich liegen“, heißt es etwa beim Verband der Diagnostica-Industrie (VDGH). Die Politik hat die Bürgertests nun wieder zu einer kostenfreien Dienstleistung erklärt. Einen nennenswerten Einbruch hat es ohnehin in diesem Jahr kaum gegeben. „Letztlich betrug der Zeitraum, in welchem Bürgertests nicht für alle kostenfrei zur Verfügung standen, lediglich vier Wochen“, heißt es beim VDGH. Für die Diagnostikabranche sei die Herausforderung nun, „auf kurzfristige politische Entscheidungen schnell und flexibel mit entsprechenden Angeboten reagieren zu können“. Und künftig würden 2G-plus oder 3G-plus-Regelungen, die unmittelbar Einfluss auf den Testbedarf haben, von den Bundesländern beschlossen – „also 16-fache Flexibilität“, so der Verband.
Der Schweizer Pharmakonzern Roche ist überzeugt, dass er seine Produktion flexibel anpassen kann. „Wir können derzeit weltweit 50 Millionen Antigen-Schnelltests monatlich bereitstellen und können diese Kapazität, je nach Bedarf der Gesundheitssysteme weltweit, noch weiter steigern“, heißt es auf Anfrage. Mit einem Ende der Teststrategie rechnet bei Roche kaum jemand: „Tests sind neben Impfungen und Therapien der Schlüssel zur Eindämmung der Pandemie“, sagt eine Sprecherin.
Zur Begründung heißt es, dass es im Laufe der Zeit neue Coronavirus-Varianten geben werde, „so dass es unwahrscheinlich ist, dass wir eine Herdenimmunität erreichen werden“. Wenn Menschen geimpft seien, könnten sie das Virus immer noch in sich tragen. „Deshalb werden wir in den nächsten Jahren mit kontinuierlichen Tests rechnen müssen.“ Nicht vorhersehbar sei das Ausmaß der Tests. „Dies hängt unter anderem von der Wirksamkeit der Impfstoffe gegen neue Varianten ab und davon, wie schnell die Menschen weltweit geimpft werden.“
Einer der Marktführer ist der US-Hersteller Abbott. „Bis heute haben wir etwa eine Milliarde COVID-19-Tests in die ganze Welt verschickt“, heißt es auf Anfrage. Und ein Ende ist auch laut Abbott nicht in Sicht: „Schnelltests werden in den kommenden Monaten von entscheidender Bedeutung bleiben, insbesondere wenn die Menschen die Feiertage feiern. Es kommt weiterhin zu Infektionsausbrüchen, der Flugverkehr wird wieder aufgenommen und die Menschen ziehen aufgrund des Wetterwechsels ins Haus.“ Impfstoffe seien das effektivste Mittel zur Bekämpfung von COVID-19 – „aber es ist wichtig, die entscheidende Rolle zu erkennen, die auch Tests spielen. Dies ist keine Situation von entweder/oder – es muss beides sein: Impfstoffe und Tests“, sagt eine Sprecherin.