Sehr geehrter Herr Professor Dittmeyer !
Zunächst einmal ein großes Kompliment, dass sich die Wissenschaft diesem fundamental ökologischen Thema so engagiert widmet – und vor allen Dingen, dass das KIT wieder eine so bedeutende Rolle übernommen hat.
Dass im Jahr 2038 unser Strom ausschließlich aus regenerativen Quellen geliefert werden kann, ist für mich ein Schimäre. Das Fraunhofer Institut für Energiesysteme in Kassel behauptet das zwar, aber auf meine Rückfrage erfuhr ich in einer Videokonferenz, dass dies nur im europäischen Verbund möglich sei. Praktisch heißt das, weil die Franzosen auf keinen Fall auf ihre Kernenergie verzichten möchten und die Osteuropäer nicht auf ihren Kohlestrom, häufen sich da enorme Widersprüche an. Wenn die Sonne bei uns nicht scheint, dafür aber in Andalusien, möchte ich gerne wissen, wie hier ein unproblematischer Austausch innerhalb des Hochspannungsnetzes möglich ist.
Allein in der Nacht bestehen Tausende Terrawatt-Stunden-Lücken. Wo die – nehmen wir einmal an, es gäbe am Tag einen Überschuss, Solar- oder Windstrom – gespeichert werden können, ist mir als Physiker und Dipl. Ing. der Elektrotechnik im wahren Sinne des Wortes spanisch.
Pumpspeicherwerke und Wasserkraft reichen selbst unter Bezugnahme auf die Alpenländer bei weitem nicht aus. Die von Fantasten propagierte elektro-chemische Speicherung ist sowieso aus Kosten- und Gewichtsgründen illusorisch. Leider wird hier eine Mainstream-Ideologie gepflegt, die das Wunschdenken zur Realität erklärt. Das böse Erwachen scheint nicht fern zu sein, denn der Gau von stundenlangem Stromout, zeichnet sich selbst heute schon ab. In letzter Zeit – im vorigen Jahr – sind wir gerade einmal mehrfach daran vorbei geschrammt.
Insofern begrüße ich sehr Ihre Forschungen, habe dabei aber eine Frage:
Warum nimmt man für die Produktion von regenerativen Brennstoffen nicht den CO2-Abfall aus Braunkohle- oder Gaskraftwerken und verwandelt ihn unter Zuhilfenahme von Sonne und Wind als Wertstoff der Zukunft in speicherfähige Energie ?
Das hätte den Vorteil, dass einige größere den Frequenztakt vorgebende Kraftwerke die komplizierte nur durch künstliche Intelligenz realisierbare dezentrale Einspeisung sicher triggern könnten. Natürlich dann wieder reaktiviert werden können, wenn Strombedarf besteht.
Die Schwarmintelligenz der Deutschen gibt ja in gewisser Weise vor, man könnte Strompakete hin und her schieben wie eine Ware im In- und Export. Dem aber steht die Physik und der 2. Hauptsatz der Thermodynamik entgegen. Wenn auch nur sekundenweise der Strombedarf die Stromproduktion übersteigt, dann steht der Gau vor der Tür.
Also habe ich die große Befürchtung, dass wir immer mehr in diese Zwickmühle hineingeraten und es den Partei-Ideologen gelingt, auf Grund mangelndem physikalischen Grundwissen der Bevölkerung, Systeme zu verkaufen, die nicht zusammenfinden. Wissenschaftler, die da Zweifel anmelden werden ja gerne als Ewig-Gestrige apostrophiert. Das leider auch für das reine Batterie-Auto, was keinerlei ökologischen Nutzen in den nächsten 30 Jahren verspricht, aber unsere weltweit führende Automobilindustrie inkl. Maschinenbau dezimiert.
Ihre Studien können zumindest beweisen, dass die Abgabe von Kohlendioxid als Wertstoff recyclebar ist. Das ist zwar das kleinere Übel, aber hilft sowohl praktisch als auch sozialpolitisch darüber hinweg, dass wir in Deutschland nur 2 % am CO2-Ausstoß weltweit beteiligt sind. Gleichzeitig würde die Integration über die Wärmeverwertung in Verbrennungsmotoren und Kraftwerken den Wärmemarkt erfassen, der wesentlich stärker an der CO2-Produktion weltweit beteiligt ist, aber das wird bei uns unter den Tisch gekehrt. Dabei könnten durch bessere und weitsichtigere Wärme-Isolationen der Gebäude etwa doppelt so viel Energie eingespart werden wie durch Verteufelung der Mobilität, die man nur durch Verbote und soziale Revolution erreichen könnte, die bekanntlich immer ihre Kinder frisst.
Ihr Jean Pütz
PS: Am deutschen Wesen kann die Welt nicht genesen, aber wir können der Welt – insbesondere den Schwellenländern – Technologien zur Verfügung stellen, die ihnen den Klimawandel praktikabel macht. Diese Probleme können nur Wissenschaftler und Techniker durch Kreativität erreichen.
(KIT) – Die Sektoren Strom und Mobilität zu verbinden, kann einige Herausforderungen der Energiewende bewältigen: Ökostrom ließe sich langfristig speichern, Kraftstoffe mit hoher Energiedichte wären kohlendioxidneutral nutzbar. Wie Sektorenkopplung aussehen kann, haben Forschungspartner des Kopernikus-Projektes P2X nun auf dem Gelände des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) gezeigt und die ersten Liter Kraftstoff aus Kohlendioxid, Wasser und Ökostrom produziert. Sie integrierten in einer containerbasierten Versuchsanlage erstmals alle vier benötigten chemischen Prozessschritte zu einem kontinuierlichen Verfahren mit maximaler Kohlendioxidausnutzung und besonders hoher Energieeffizienz.
„Wind und Sonne versorgen uns weltweit mit einer ausreichenden Menge an Energie, aber nicht immer zur richtigen Zeit“, beschreibt Professor Roland Dittmeyer vom KIT, Koordinator des Forschungsclusters „Kohlenwasserstoffe und langkettige Alkohole“ innerhalb des Kopernikus-Projektes Power-to-X (P2X), das Dilemma der Energiewende. „Zudem brauchen einige wichtige Verkehrssegmente wie Flug- oder Schwerlastverkehr auch langfristig Kraftstoffe, da diese eine hohe Energiedichte aufweisen.“ Daher liege es nahe, den bisher ungenutzten Ökostrom in chemischen Energieträgern zu speichern.
Die notwendigen chemischen Prozessschritte haben nun die Partner Climeworks, Ineratec, Sunfire und KIT in einer kompakten Anlage zusammengeschlossen, den gekoppelten Betrieb erreicht und damit das Funktionsprinzip demonstriert. Die Technologiekombination verspricht die optimale Ausnutzung des eingesetzten Kohlendioxids und den größtmöglichen energetischen Wirkungsgrad, da die Stoff- und Energieströme intern recycelt werden. Die derzeitige Versuchsanlage kann rund zehn Liter Kraftstoff pro Tag produzieren. In der zweiten Phase des Kopernikus-Projektes P2X wird bald eine Anlage mit 200 Litern pro Tag entwickelt. Danach soll eine vorindustrielle Demonstrationsanlage im Megawattbereich, also mit rund 1 500 bis 2 000 Litern Produktionskapazität pro Tag, entstehen. Damit wäre es theoretisch möglich, Wirkungsgrade von rund 60 Prozent zu erreichen, also 60 Prozent des eingesetzten Ökostroms als chemische Energie im Kraftstoff zu speichern.
Vier Schritte zum Benzin
Im ersten Schritt gewinnt die Anlage Kohlendioxid aus der Umgebungsluft in einem zyklischen Prozess. Die Direct-Air-Capture-Technologie von Climeworks, eines Spin-offs der ETH Zürich, nutzt dazu ein speziell behandeltes Filtermaterial. Wie ein Schwamm nehmen die luftdurchströmten Filter Kohlendioxidmoleküle auf. Unter Vakuum und bei 95 Grad Celsius löst sich das anhaftende Kohlendioxid wieder von der Oberfläche und wird abgepumpt.
Im zweiten Schritt erfolgt die gleichzeitige elektrolytische Spaltung von Kohlenstoffdioxid und Wasserdampf. Diese sogenannte Co-Elektrolyse des Technologieunternehmens Sunfire produziert in einem einzigen Prozessschritt Wasserstoff und Kohlenstoffmonoxid, ein Synthesegas, welches die Grundlage für vielfältige Verfahren in der chemischen Industrie ist. Die Co-Elektrolyse mit einem hohen Wirkungsgrad kann im industriellen Maßstab 80 Prozent des eingesetzten Ökostroms chemisch im Synthesegas binden.
Im dritten Schritt werden nach dem Fischer-Tropsch-Verfahren aus dem Synthesegas langkettige Kohlenwasserstoffmoleküle gebildet, die Rohprodukte für Kraftstoffe. Dazu liefert Ineratec, eine Ausgründung aus dem KIT, einen mikrostrukturierten Reaktor, der auf kleinstem Raum eine große Oberfläche bietet, um Prozesswärme sicher abzuleiten und für andere Prozessschritte zu nutzen. Der Prozess lässt sich auf diese Art leicht steuern, kann Lastwechsel gut verkraften und ist modular erweiterbar.
Der vierte Schritt optimiert schließlich die Qualität des Kraftstoffes und die Ausbeute. Diesen Teilprozess, das sogenannte Hydrocracken, hat das KIT in die Prozesskette integriert. Unter Wasserstoffatmosphäre spalten sich die langen Kohlenwasserstoffketten in Gegenwart eines Platin-Zeolith-Katalysators teilweise auf und verändern somit das Produktspektrum hin zu mehr verwendbaren Kraftstoffen wie Benzin, Kerosin und Diesel.
Besonders großes Potenzial bietet das Verfahren hinsichtlich seines modularen Charakters. Die Schwelle für eine Realisierung ist durch das geringe Skalierungsrisiko deutlich niedriger als bei einer zentralen, chemischen Großanlage. Das Verfahren kann dezentral installiert werden und ist somit dort einsetzbar, wo Solar-, Wind- oder Wasserkraft zur Verfügung stehen.
Kopernikus-Projekt „P2X“: Flexible Nutzung erneuerbarer Ressourcen
„Power-to-X“ bezeichnet Technologien, die Strom aus erneuerbaren Quellen in stoffliche Energiespeicher, Energieträger und energieintensive Chemieprodukte umwandeln. Damit können Erneuerbare Energien in Form von maßgeschneiderten Kraftstoffen für Kraftfahrzeuge oder in verbesserten Kunststoffen und Chemieprodukten mit hoher Wertschöpfung genutzt werden. Im Rahmen des Kopernikus-Programms der Bundesregierung wurde für dieses komplexe Themenfeld mit dem Projekt „Power-to-X“ (P2X) eine nationale Forschungsplattform aufgebaut. Insgesamt sind 18 Forschungseinrichtungen, 27 Industrieunternehmen sowie drei zivilgesellschaftliche Organisationen an P2X beteiligt. Innerhalb von zehn Jahren sollen neue technologische Entwicklungen bis zur industriellen Reife gebracht werden. In der ersten Förderphase stehen Forschungsarbeiten zur kompletten Wertschöpfungskette von elektrischer Energie bis zu stofflichen Energieträgern und Produkten im Fokus.