Wie die Politik das RKI beeinflusste – Mit einer Einführung von Jean Pütz

Die Forschung ist auf Drittmittel angewiesen und das nutzt die Politik um die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft generell in Frage zu stellen – leider ist dadurch das Prinzip des political correctness entstanden, das häufig Ergebnisse nach dem Motto. „Was nicht sein darf, das nicht sein kann“ erbringt. Darunter leidet nicht nur die gesamte Medizin, sondern vor allen Dingen alles was sich um die notwendige Klimarettung dreht.
Jean Pütz

(Pioneer) – Die öffentlich gewordenen vollständigen Protokolle des Robert Koch-Instituts (RKI-Files) lassen Zweifel an der Unabhängigkeit der Institution während der Pandemie aufkommen – trotz gegenteiliger Darstellung der damals verantwortlichen Minister Jens Spahn und Karl Lauterbach.

„Das RKI ist in seiner fachlichen Bewertung von Krankheiten absolut unabhängig“, sagte Lauterbach nachdem nach der teilweisen Veröffentlichung der RKI-Protokollen Anfang Juni erste Zweifel daran laut wurden.

Auch ein Sprecher des ehemaligen Gesundheitsministers Jens Spahn sagt unserer Kollegin Clara Meyer-Horn auf Nachfrage: „Die wissenschaftliche Unabhängigkeit des RKI als Behörde des Bundes sieht Herr Spahn als gewährleistet.“

Doch dem widersprechen etliche Protokolle in den nun geleakten RKI-Dokumenten, die unsere Kollegen Jan Schroeder und Michael Bassewitz gesichtet haben.

Zum Hintergrund: Am Dienstag wurden die vollständigen Protokolle aus den internen Sitzungen des RKIs aus der Corona-Zeit von einer Aktivistin veröffentlicht, die die Datensätze zuvor von einem Whistleblower aus dem RKI erhalten hatten. Dort enthalten: über 4.000 Seiten an Dokumenten aus der Krisenzeit, die bisher von niemandem vollständig gesichteten wurden.

Folgende vier Passagen aus den RKI-Files lassen an der Einschätzung der Minister zweifeln:

1) Das RKI wurde vom Gesundheitsministerium beeinflusst

Das Gesundheitsministerium hatte offenbar Ergänzungen in eine wissenschaftliche Veröffentlichung des RKI eingefügt. Auf RKI-Seite gab es dazu Bedenken, die am 10. September 2021 zu Protokoll gegeben wurden: „Die Weisungsbefugnis des Ministers bei technischen Dokumenten des RKI wird derzeit von L1 [die Rechtsabteilung des RKI, Anmerkung d. Verf.] rechtlich geprüft.“

Die RKI-Leitung war dem Protokoll zufolge der Meinung, dass man den Weisungen des Gesundheitsministeriums nachkommen müsse, da das Institut der Fachaufsicht des Ministeriums unterstehe und sich das „Institut daher nicht auf die Freiheit der Wissenschaft berufen kann“. Das jedoch war im RKI intern offenbar umstritten oder unklar. Das Protokoll stellt daher fest:

Die wissenschaftliche Unabhängigkeit des RKI von der Politik ist insofern eingeschränkt.

2) Das RKI schwieg bei Falschaussagen des Gesundheitsministers – sogar bei vermeintlichen RKI-Zahlen

Als Gesundheitsminister Spahn im Herbst 2021 von einer „Pandemie der Ungeimpften“ sprach und damit der Ausschluss von Ungeimpften von großen Teilen des öffentlichen Lebens rechtfertigte, gab das RKI intern zu Protokoll (am 5. November 2021): „In den Medien wird von einer Pandemie der Ungeimpften gesprochen. Aus fachlicher Sicht nicht korrekt. Gesamtbevölkerung trägt bei. Soll das in Kommunikation aufgegriffen werden?“ Und weiter:

Dient als Appell an alle, die nicht geimpft sind, sich impfen zu lassen. Sagt Minister bei jeder Pressekonferenz, vermutlich bewusst, kann eher nicht korrigiert werden.

Gesundheitsminister Spahn hatte öffentlich sogar behauptet, das RKI habe die These von der Pandemie der Ungeimpften „mit Zahlen belegt“. Auch diese Behauptung korrigierte das Institut nie.

3) Politik beeinflusste die wissenschaftliche Rechtfertigung

Die Politik hatte die Risikobewertungen des RKI als wissenschaftliche Grundlage für Lockdown-Maßnahmen und -Lockerungen herangezogen. Diese wurden – so suggerieren die Protokolle – von der Politik beeinflusst. Am 25. Februar 2022 heißt es etwa:

Reduzierung des Risikos von sehr hoch auf hoch wurde vom BMG abgelehnt.

4) Politische Entscheidungen wurden im Nachhinein „wissenschaftlich“ abgesegnet

Die Entscheidungen über die Corona-Maßnahmen wurden maßgeblich auf der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) getroffen. Erst nachträglich wurden diese dann offenbar zumindest in einzelnen Fällen vom RKI als wissenschaftlich gerechtfertigt.

Am 24. Januar 2022 heißt es in den Protokollen des RKIs:

Es wurde beschlossen, die Ergebnisse der heutigen MPK abzuwarten. Erst dann einen Termin mit BMG zur weiteren Abstimmung machen, um Punkt für Punkt zu bestimmen und zu besprechen, wie Beschlüsse in gemeinsame Empfehlungen umgesetzt werden und auf der Website des RKI dargestellt werden.

In einem Protokoll vom 11. April 2022 äußert das RKI Zweifel an der Vorgehensweise, zumindest für weitere Vorgänge: „Es soll kein Präzedenzfall werden, dass politische Vorgaben nachträglich wissenschaftlich begründet werden, eher Anreicherung von Begleitmaterial zu den Vorgaben, vorsichtige Formulierung.“

Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der Union, wirft dem RKI eine „Zwitterstellung“ vor, das einerseits unabhängig beraten soll und andererseits in die Außenkommunikation des Ministeriums direkt eingebunden ist. Er sagt unserem Kollegen Michael Bassewitz:

Diese Lage bedingt naturgemäß Interessenkonflikte, die nur durch eine stärkere Eigenständigkeit des Institutes gelöst werden könnten. Mehr Unabhängigkeit für das RKI, sowohl in struktureller wie auch finanzieller Hinsicht, sollte daher das Ziel sein.

Diese Fragen gehörten daher in die notwendige Aufarbeitung der Pandemie, so Sorge.

Fazit: „Zu verbergen gibt es nichts“, sagt Karl Lauterbach über die Protokolle. Zum Aufarbeiten schon.