04.03.2020 Appell an unsere Mitbürger türkischer Herkunft

Ich möchte unsere türkischen Mitbürger ansprechen, sie haben offenbar meinen Kommentar bei Facebook (Folge 70: Mit Vernunft in die Zukunft, oder??) nicht richtig verstanden.

Damit diese wissen, wer ich bin: Ich bin einer der Initiatoren von „Asch huh, Zäng ussenander (hebt den Hintern und macht den Mund auf), wenn einer deinen ausländischen Nachbarn in der Öffentlichkeit angreift,  z. B. in der Straßenbahn oder Straße.

Diese Demonstration gegen Fremdenfeindlichkeit haben wir damals in Köln organisiert nach dem Verbrechen von Solingen, wo neun türkische Landsleute durch Brandstiftung zu Tode gekommen sind. Damals habe ich in Köln am Chlodwigplatz an der Severins-Torburg vor ca. 150.000 empörten Bürgern, die sich ebenfalls dort eingefunden hatten,  eine gehalten und in dem dazu erschienenen Buch ein Kapitel geschrieben. Ich war einer der ersten, der mit türkischen Bürgern gemeinsam an einem langen Tisch im Restaurant Bosporus in Köln im Rahmen meiner Sendereihe Hobbythek einen Hammel verspeist habe – live vor den Kameras. Natürlich war ich auch entsetzt, als ich von den Verbrechen der rechts-terroristischen NSU-Clique erfuhr, die verantwortlich für Morde an vielen Bürgern türkischer Herkunft waren. Leider hat sich jetzt in Deutschland wieder eine rechtslastige Partei, die AFD, etabliert, auf deren Konto viele Fremdenhass-Kommentare in den neuen Medien zurückgehen, die jetzt in Hanau zu weiteren Morden führten.

Das heißt nicht, dass ich z. B. auch die undemokratischen Verhältnisse in der Türkei kritisieren muss, für die vorwiegend Präsident Recep Tayyip Erdogan und seine von ihm abhängige AKP verantwortlich gemacht werden kann. Ich weiß, dass viele Deutsch-Türken leider ganz anders sehen, und insofern verstehe ich auch die teils wütenden Kommentare, die sie mir auf meine Facebook-Eingabe gesendet haben. Aber ich möchte nicht mit gleicher Münze antworten, sondern es meistens mit dem Emotion ‚traurig‘ versehen. Denn – nur um ein Beispiel zu nennen – viele meiner Kollegen Journalisten in der Türkei sind entweder mund-tod gemacht worden oder schmachten auch heute noch langfristig in Untersuchungshaft oder werden mit fragwürdigen Urteilen zu langjährigen Haft-Strafen verurteilt. Pressefreiheit ist die Voraussetzung für jedwede Demokratie, sonst kann sich der Staat nicht mit diesem Attribut schmücken.  Auch der militärische Einfall in die Randgebiete Syriens kann ich als objektiver Beobachter nicht gutheißen. Das war völkerrechtswidrig. Und ist einer der Ursachen für viele Flüchtlingsbewegungen.

Umgekehrt verurteile ich auch die terroristischen Aktivitäten der radikalen kurdischen Aktivisten, obwohl ich auch diesem Kulturvolk eine unbedingte Daseinsberechtigung zuspreche. Wie einfach wäre es, wenn man diesem Volk im Rahmen eines türkischen Bundesstaates eine begrenzte Autonomie zukommen ließe, wie wir das ja auch mit Bayern und Sachsen machen.

Um ein wenig Humor mit einzubringen: Das deutsche Volk muss auch die rheinische Nonchalance ertragen und profitiert davon.

Das, was Erdogan jetzt mit den Flüchtlingen treibt, halte dich ebenso für unverantwortlich. Er weiß ganz genau, wenn er diese unkontrolliert in die EU schickt, dass dann der Zusammenhalt in der EU zerbricht. Er greift damit unmittelbar in unseren Angelegenheiten ein, was er sich selbst stets verbittet.

Aber ich möchte jetzt hier nicht einen Roman verfassen. Bitte hören oder lesen Sie in meinen nächsten Facebook-Kommentar, in dem ich weitere Aspekte zum Flüchtlingselend aufzähle, die nicht unter den Tisch gefegt werden können. Selbstverständlich würdige ich auch die bisherige Tatsache, dass das türkische Volk sehr vielen Flüchtlingen Asyl gewährt hat, alle Achtung. Sie sollten wissen, dass ich eine große Sympathie für das türkische Volk besitze, und mir auch bewusst ist, dass wir ohne Migration aus der Türkei große wirtschaftliche Probleme entstanden wären.  Es ist ein Geben und Nehmen. Wir Deutschen müssen nicht nur Gleichberechtigung pflegen, können aber auch von der anderen Seite erwarten, dass sie sich integrieren lassen, ohne auf ihr Individualität zu verzichten. Es lebe die Multikulturelle Gesellschaft.

Um noch einmal auf das Thema Flüchtlinge zurück zu kommen: Auch die EU und die deutsche Regierung spreche ich nicht frei von vielen Fehlern. Aber wir können nicht alle Probleme, die in Nahost oder ganz Afrika, die teilweise auf interne islamische Auseinandersetzungen und den daraus resultierendem Terror beruhen,  lösen. Ich appelliere nochmals auch an unsere türkischen Mitbürger: Wenn sie noch so sehr solidarisch mit Erdogan sind, sich in ihren Methoden und insbesondere ihrem Hass zurückzuhalten und die Gastfreundschaft zu respektieren.

Herzlichst

Ihr Jean Pütz