Die Zukunft des Wissenschaftsjournalismus liegt mir als Mitinitiator der WPK und Gründer der Redaktion Naturwissenschaft und Technik im Westdeutschen Fernsehen am Herzen. Ich beobachte allerdings in letzter Zeit, dass unsere Kollegen – insbesondere die freien Wissenschaftsjournalisten – von institutionalisierten Redaktionen immer weniger Aufträge erhalten – ob das die schreibende Presse, die Rundfunk- oder Fernseh-Anstalten anbelangt – die teilweise unter der Existenzgrenze ihre Arbeit verrichten müssen. Manchmal ist der vorgeschriebene Mindestlohn ein Hohn, wenn sie ihre Recherchen verantwortungsvoll ernst nehmen. Das liegt zum Teil auch am Internet, weil Allgemein-Journalisten – selbst wenn sie die Prinzipien der Wissenschaft nicht beherrschen – meinen, durch einfache Recherchen aus dem WEB ihre Beiträge schreiben oder gestalten zu können. Deshalb möchte ich einmal hier versuchen, den Wissenschaftsjournalismus im Unterschied zum Allgemein-Journalismus herauszuarbeiten, und zwar Methoden, die unentbehrlich für eine funktionierende Demokratie sind:
Wissenschaftsjournalisten müssen vor allen Dingen in der Lage sein, peinlich darauf zu achten, dass Zusammenhänge erkannt werden. Das gilt nicht nur für Technologieabschätzung und gesellschaftliche Entwicklungen, sondern auch für politische Entscheidungen und deren Tragweite unter streng objektiven und wissenschaftlichen Prinzipien.
Ich beobachte in letzter Zeit, trotz Vielfalt der Presseorgane, eine Entwicklung, die sehr stark von Emotionen und Gleichmacherei geprägt ist. Was in der heutigen Presse völlig in Vergessenheit geriet ist, dass nicht nurdie Technik, sondern auch Sozialsysteme einem Regelkreis unterworfen sind. In den 60er-70er Jahren des vorigen Jahrhunderts nannte man das Kybernetik. Dieser Begriff fand sogar Einlass in philosophisches Denken und wurde seinerzeit zurecht zu einem Modewort.Die empirische Soziologie belegt, dass im Verhalten menschlicher Gruppen bestimmte Gesetzmäßigkeiten existieren, die sozusagen Naturgesetz-Charakter haben. Als Beispiel möchte ich die Thermodynamik nennen, bei der Atome und Moleküle einen großen Freiheitsgrad besitzen und trotzdem empirisch exakte Voraussagen getroffen werden können. Jeder Thermometer kann auf einfachste Weise den Energiezustand der jeweiligen Materie beschreiben.
Ähnliches gilt im Bereich der Volkswirtschaft, der Finanzwirtschaft usw. die zwar bestimmter Axiome bedürfen, aber stets einem Regelmechanismus unterworfen sind.Ganz besonders ist dies der Fall bei der sozialen und ökologischen Marktwirtschaft, einer der größten Erfindungen der Menschheit, die allerdings nur unter ganz bestimmten Randbedingungen funktionstüchtig bleibt (strenge Kartellgesetze, Antikorruption usw.). In gewissen Grenzen kann frei gewirtschaftet werden, aber soziale und ökologische Exzesse werden verhindert.
Wenn in all diesen Bereichen die Zusammenhänge nicht erkannt oder bewusst negiert werden, bilden sich sehr schnell Seilschaften, die das Prinzip derChaostheorie: „Der Teufel scheißt immer auf den gleichen Haufen“ trefflich beschreibt. Auf diese Weise funktioniert in der Regel der Mainstream, zu demnur noch Außenseiter eine kritische Distanz entwickeln. Und hier möchte ich wieder eine Lanze für den Wissenschaftsjournalismus brechen. Auf Grund der besseren Sachkenntnis und Informationstiefe kann der Wissenschaftsjournalist solche Tendenzen früher erkennen und konterkarieren. Im Besonderen muss er bei seinen Produkten seine persönlichen Emotionenüberwinden im Rahmen der seiner wissenschaftlichen Analyse, die nur dann Sinn hat, wenn sie objektiv und nicht subjektiv geprägt ist. Viele von dem vermisse ich in der heutigen Presselandschaft.