Wissenschaftlich belegt: Yoga hilft bei unterschiedlichen Krankheitsbildern
fzm, Stuttgart, Dezember 2017 – Ist Yoga ein
Trendsport oder eine gesundheitsfördernde Maßnahme? Wissenschaftler
haben in den letzten Jahren zahlreiche Studien angestoßen, in denen sie
das therapeutische Potenzial von Yoga bei chronischen Schmerzen,
Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder psychischen Belastungen untersuchten.
In der Fachzeitschrift „DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift“ (Georg
Thieme Verlag, Stuttgart. 2017) fasst Diplom-Psychologe PD Dr. rer.
medic. Holger Cramer die wissenschaftliche Datenlage zusammen und zieht
eine positive Bilanz.
Die Beliebtheit der altindischen Bewegungs- und Geisteslehre
ist seit Jahrzehnten ungebrochen hoch. „Zurzeit praktizieren knapp 16
Millionen Menschen in Deutschland Yoga oder möchten gerne damit
anfangen“, erklärt PD Dr. Holger Cramer. Der Forschungsleiter an der
Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin, Kliniken Essen-Mitte,
Medizinische Fakultät der Universität Duisburg-Essen, promovierte 2012
zur Wirksamkeit von Yoga bei chronischen Nackenschmerzen. Im Yoga einen
bloßen Modetrend zu sehen, greife zu kurz, ist der Psychologe überzeugt.
Meist seien es gesundheitliche Gründe, die die Menschen zum Yoga
brächten, so Cramer. Auch einige Krankenkassen stuften Yoga inzwischen
als wirksamen Therapie- und Präventionsansatz ein.
Dafür gibt es offenbar gute Gründe: In den über 300
randomisierten Studien, die Cramer in seine Auswertung einbezogen hat,
wirkte sich Yoga nachweislich positiv auf unterschiedliche Beschwerden
aus. Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und chronischen Schmerzen
profitierten ebenso von der indischen Lehre wie Menschen mit
psychischen Problemen.
„Dabei ist Yoga nicht gleich Yoga“, betont Cramer. Während
Laien Yoga meist mit dem Einnehmen teils skurriler Haltungen
gleichsetzten, umfasse die ursprüngliche Lehre noch eine Vielzahl
weiterer Aspekte. „Dazu zählen auch Übungen zur Konzentration und
Meditation, zu Selbstdisziplin und Atemkontrolle“, erläutert er.
Entsprechend gebe es auch eine große Bandbreite von Yoga-Stilen und
-Übungen. Die Art der Übungen sei dabei mit entscheidend für den
therapeutischen Erfolg. Gegen Bluthochdruck etwa haben sich Yoga-Übungen
als besonders wirksam erwiesen, die sich auf die Atmung konzentrieren.
Offenbar setzen diese als Pranayama bezeichneten Übungen körpereigene
Mechanismen in Gang, die die Auswirkungen von chronischem Stress
mildern.
Der meditative Aspekt des Yoga wiederum scheint Patienten mit
leichten Depressionen gut zu tun. Die angestrebte „Beruhigung der
Gedankenwellen des Geistes“ kann den Betroffenen helfen, aus dem
belastenden Grübeln auszubrechen. „Bildgebungsstudien konnten zeigen,
dass Yoga in den Stoffwechsel der hierfür verantwortlichen Botenstoffe
eingreift“, so Cramer.
Für Schmerzpatienten dagegen sind die speziellen
Haltungsübungen hilfreich, die sogenannten Asanas. Die isometrischen
Übungen, bei denen Muskeln angespannt werden, aber nicht ihre Länge
ändern, verlangen eine hohe Konzentration auf Gelenkstellung und
Muskeltonus. So brechen sie eingeschliffene Bewegungsmuster auf, fördern
die Körperwahrnehmung und führen außerdem zu einer besseren
Schmerzakzeptanz.
Die positiven Effekte lassen sich oft noch ein Jahr nach Ende
des Kurses nachweisen. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die
Teilnehmer zu Hause selbstständig weiterüben. „Schließlich geht es beim
Yoga nicht darum, sich behandeln zu lassen, sondern selbst aktiv zu
werden“, fasst Cramer zusammen.
H. Cramer:
Wo und wie wirkt Yoga? – Eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2017; 142 (25); S.1925–1929