(DGG) – Mindestens ein Drittel aller Unfallopfer stirbt durch Verbluten. Dabei ist es für unbeteiligte Zeugen einfach, eine lebensbedrohliche Blutung an Armen oder Beinen zu stoppen – das Abbinden mit einem Hosengürtel eine Handbreit über der Wunde kann Leben retten. Experten der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin e.V. (DGG) fordern daher, Blutungsstillung in Erste-Hilfe-Kurse aufzunehmen. Warum Abbinde-Geräte, sogenannte Tourniquets, auch in jeden Erste-Hilfe-Kasten gehören, erläutern Experten morgen auf einer Pressekonferenz der DGG in Mannheim.
Ob in Würzburg, München und Ansbach im Jahr 2016 oder in Hamburg in 2017 – bei all diesen Anschlägen gab es Opfer, die einer ungestillten Blutung erlagen. „Die unkontrollierte, lebensbedrohliche Blutung ist nach wie vor die Haupttodesursache bei schwerverletzten Patienten sowohl im zivilen als auch im militärischen Umfeld“, sagt Dr. med. Daniel Hinck, Stellvertretender Klinikdirektor Klinik II am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg. „Dies gilt für kriegerische Auseinandersetzungen, aber auch etwa für Unfälle im Straßenverkehr“, fügt der Gefäßchirurg und Oberfeldarzt hinzu.
Bisher liegen noch nicht genügend Untersuchungen vor, um die Zahl der Menschen zuverlässig beziffern zu können, die durch adäquate medizinische Versorgung – etwa durch das Abbinden der Verletzung – vor dem Verblutungstod gerettet werden könnten. „Wir gehen aber davon aus, dass eine unkontrollierte Blutung in 50 Prozent der Fälle die Ursache für den Tod eines Soldaten ist“, berichtet Hinck. Für schwerstverletzte Unfallopfer in der Zivilbevölkerung wird diese Quote bei 33 bis 56 Prozent angesetzt.
Abbinde-Systeme für alle professionellen Rettungskräfte
Um die Versorgung von Gefäßverletzungen zu verbessern, hat die DGG 2013 die Kommission für Katastrophenmedizin und Gefäßtraumatologie gegründet. Sie widmet sich zusammen mit anderen medizinischen Gesellschaften unter anderem der bundesweiten Verbreitung von Abbinde-Systemen, sogenannten Tourniquets. „Ziel ist, die Tourniquets in der Ersten Hilfe und in der Laienrettung zu etablieren. Im deutschen Rettungswesen, bei polizeidienstlichen Kräften und im deutschen Militär sind diese schon fast flächendeckend verbreitet, auch bei der Deutschen Bahn und Bundespolizei“, erläutert Hinck.
Nur wenige Minuten Zeit: Oberhalb der Wunde abbinden, bis es schmerzt
Unabhängig davon kann jeder Bürger, der Zeuge eines Unfalls wird, einen Verblutungstod an Armen oder Beinen verhindern – auch wenn kein Tourniquet zur Stelle ist. „Man muss sich einfach nur ein Herz fassen und einen Gürtel oder ein Stück Laken eine Handbreit oberhalb der Blutung so fest zu ziehen, bis die Blutung stoppt“, erklärt Gefäßchirurg Hinck. Angst, bei dem Abbinde-Manöver etwa Nerven des Unfallopfers zu verletzen, braucht der Hilfeleistende nicht zu haben. „Die Befürchtung ist unbegründet“, versichert Hinck. Was aber sehr wohl zählt, ist Zeit. „Es bleiben mitunter nur Minuten, um einen Verblutungstod zu verhindern“, betont Hinck.
Der DGG-Experte plädiert deshalb dafür, das Abbinden von Blutungen mit Tourniquets regulär in allen Erste-Hilfe-Kursen zu schulen. „Wer den Führerschein macht, sollte nicht nur die stabile Seitenlage kennen, sondern auch wissen, wie man eine lebensbedrohliche Blutung an Armen und Beinen stillt“, so Hinck. „Darüber hinaus gehört ein Tourniquet in jeden Erste-Hilfe-Kasten im Kofferraum“, ergänzt Professor Dr. med. Dittmar Böckler, Präsident der DGG.
Welche neuen Erkenntnisse es zur Versorgung schwerer Gefäßverletzungen gibt, erläutern Experten auf der Pressekonferenz anlässlich der 35. Jahrestagung der DGG in Mannheim. Programm und Akkreditierungsmöglichkeit finden Sie unten stehend.