Was den Bewohnern von Peking den Atem raubt

der Smog-Alarm in dieser Woche in
Peking zeigt, wie brisant das Thema Luftverschmutzung in der
chinesischen Hauptstadt ist. Welche Faktoren die Luftqualität in der
Megametropole bestimmen, untersuchen Forscher des Karlsruher Instituts
für Technologie (KIT) bereits seit zehn Jahren. In der Arbeitsgruppe
Umweltmineralogie und Umweltsystemanalyse um Professor Stefan Norra
befassen sich die Forscher unter anderem mit der Entwicklung der
Feinstaubbelastung. Vor wenigen Tagen richteten die chinesischen Partner
um Professor Kuang Cen von der China University of Geosciences in
Peking dazu ein Symposium aus.

Schlechte Sicht, Menschen mit Atemmasken,
Fahrverbote, geschlossene Fabriken und stillgelegte Baustellen: In
dieser Woche hat Chinas Hauptstadt Peking erstmals die höchste Stufe des
Smog-Alarms ausgerufen. Eine graue Dunstglocke hängt über der
Megametropole. Smog, das heißt eine stark erhöhte Konzentration von
Luftschadstoffen, die bei bestimmten meteorologischen Bedingungen über
dicht besiedelten Gebieten auftritt, stellt schon seit vielen Jahren
immer wieder ein Problem in chinesischen Metropolen dar.
Feinstaubpartikel von wenigen Mikrometern Größe können tief in die Lunge
eindringen, von dort in die Blutbahn gelangen und Entzündungen
auslösen. Mögliche Folgen sind Reizungen der Schleimhäute und Atemwege,
Herz-Kreislauf-Erkrankungen und sogar Krebs.

Die Arbeitsgruppe Umweltmineralogie und
Umweltsystemanalyse um Professor Stefan Norra am KIT befasst sich
bereits seit 2005 mit der Luftqualität in Peking. So untersuchen die
Forscherinnen und Forscher die langfristige Entwicklung der
Staubbelastung, Wechselwirkungen zwischen natürlichen und vom Menschen
verursachten Partikeln sowie die Auswirkungen der jeweiligen städtischen
Nutzungstypen auf die Luftbelastung. Die Arbeitsgruppe ist am Institut
für Angewandte Geowissenschaften (AGW) und am Institut für Geographie
und Geoökologie (IfGG) angesiedelt.

Jüngst untersuchten Professor Stefan Norra und Dr.
Nina Jasmin Schleicher vom KIT gemeinsam mit Wissenschaftlern aus
Bordeaux und Peking die zeitliche und räumliche Verteilung sowie die
Quellen von partikelgebundenem Quecksilber (HgP) in der Luft über Peking
(N. J. Schleicher, J. Schäfer, G. Blanc, Y. Chen, F. Chai, K. Cen, S.
Norra: Atmospheric particulate mercury in the megacity Beijing:
Spatio-temporal variations and source apportionment. Atmospheric
Environment 109, 2015. DOI: 10.1016/j.atmosenv.2015.03.018). Quecksilber
kann Mensch und Umwelt schädigen. „Wie unsere Messungen ergaben, sind
die Quecksilberkonzentrationen in Peking gerade in der Heizperiode
alarmierend hoch“, berichtet der Geoökologe Stefan Norra. Denn die
Konzentrationen waren zeitlich im Winter, räumlich in der Innenstadt
innerhalb der dritten Ringstraße am höchsten. Als Hauptquelle der
Quecksilberemissionen ermittelten die Forscher besonders die
Kohleverbrennung; außerdem tragen Industrie, Verkehr sowie in geringerem
Maße auch die rote Farbe an historischen Gebäuden dazu bei.
„Quecksilber in der Luft sollte aufgrund seiner Toxizität künftig
stärker im Fokus von Beobachtungsaktivitäten und Minderungsmaßnahmen
stehen“, erklärt Norra.

Welchen Erfolg Maßnahmen zur Verringerung
atmosphärischer Partikelbelastung haben können, zeigten die Olympischen
Spiele 2008 in Peking. Damals durften in der Stadt und den umliegenden
Provinzen nur halb so viele Fahrzeuge wie sonst fahren, Restaurants mit
Kohleherden sollten Rußfilter einsetzen, die Produktion in der
Schwerindustrie wurde teilweise unterbrochen. Stefan Norra und sein Team
nahmen täglich Proben von Partikeln in der Luft, untersuchten Masse und
chemische Zusammensetzung. Tatsächlich verringerten die Maßnahmen die
Staubbelastung, aber nur solange sie in Kraft waren. Nach dem Ende der
Olympischen Spiele nahm die Luftverschmutzung rasch wieder zu.

Vor einigen Tagen stiegen in Peking die Werte für
den besonders gesundheitsschädigenden PM 2,5-Feinstaub (Partikel mit
einem Durchmesser von 2,5 Mikrometern und weniger) auf über 600
Mikrogramm pro Kubikmeter – mehr als das 24-Fache des Grenzwerts der
Weltgesundheitsorganisation. Vor allem Industrie, Verkehr und private
Haushalte sind für die Feinstaubbelastung verantwortlich. Zu den vom
Menschen verursachten Partikeln kommt in Peking noch geogener Staub
hinzu, der durch natürliche Prozesse aus Trockengebieten
herantransportiert wird. Er verursacht vor allem in den Frühjahrsmonaten
weitere intensive Staubbelastungen, sogenannte Staubstürme.

Neben kontinuierlichen Messungen über Jahre zu
verschiedenen Tageszeiten und an verschiedenen Standorten wurden in
dieser Kooperation unter anderem die vertikale Ausdehnung der
Luftbelastung mit Kolleginnen und Kollegen vom Institut für Meteorologie
und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung und dem Institut
für Regionalwissenschaften des KIT untersucht sowie das von Dr. Heike
Vogel und  Dr. Bernhard Vogel  am Institut für Meteorologie und
Klimaforschung – Forschungsbereich Troposphäre am KIT entwickelte
Programm COSMO-ART angewendet, um die Ausbreitung der Partikel zu
modellieren. Für Peking ist ein wichtiges Ziel, Methoden zu entwickeln,
um die Feinstaubbelastung für die jeweils nächsten Tage vorhersagen zu
können.