Warten bis die Kohlenstoff-Spekulationsblase platzt?

Divestment – oder Warten bis die Kohlenstoff-Spekulationsblase platzt?

Vorbemerkung: In der gleichlautenden Internet-Version finden Sie zu
desem Beitrag noch zwei erhellende Karikaturen von Gerhard Mester.
http://www.sfv.de/artikel/divestment_-_die_kohlenstoff-spekulationsblase_zum_platzen_bringen_.htm

Seit 100 Jahren investieren Versicherungen, Banken, Rentenfonds,
Stiftungen, Kommunen, Universitäten und Privatpersonen ihr Kapital in
Unternehmen, die hohe Gewinne versprechen. Sie investieren in der
Hoffnung auf Reichtum und damit verbundene Macht. Ob festverzinsliche
Staatsanleihen, ob Produktion von Giftgas oder Streuminen, von
Zigaretten oder Kettensägen, von energieintensiven Grundstoffen wie
Aluminium oder Kunstdünger, oder eben auch direkt von Strom aus
Braunkohle,– die Anleger fragen nur nach der Rendite.

So werden ohne Skrupel auch Unternehmen gestützt, die mit der Nutzung
von fossilen Energien und der Ruinierung des Weltklimas befasst sind.
Das gilt bisher als todsicheres Geschäftsmodell, denn der
Energiehunger steigt weltweit, und die Verfügungsrechte über Kohle,
Erdöl und Erdgas, die noch unter der Erd- oder Meeresoberfläche
vermutet werden, werden sogar mit militärischer Macht gesichert.

Angst vor dem Klimawandel? Diejenigen, die in das Spiel um den großen
Geld- und Machtgewinn verwickelt sind, interessiert alles Übrige nur
noch am Rande. Vielleicht ist das ähnlich, wie das Fieber bei der
Fußballweltmeisterschaft oder beim Sex? Während des Spiels empfindet
man alles, was nicht unmittelbar dazu gehört, nur als störende
Ablenkung: "Klimawandel??? Das hat doch noch Zeit!"

Der jämmerliche Hungertod von König Midas, dem wunschgemäß alles, was
er anfasste, zu Gold wurde, ist offenbar nicht abschreckend genug. Wer
ausschließlich im Abwägen von finanziellem Gewinn oder Verlust
befangen ist, lässt sich nur noch ansprechen, wenn ihm ein Risiko vor
Augen geführt wird, das zu seinen Begrifflichkeiten passt. Dass eine
„Spekulationsblase“ platzen kann,– dieses Risiko leuchtet jedem
Börsenspekulanten sofort ein, und davor hat er echt Angst.

Damit kommen wir zur Kohlenstoff-Spekulationsblase: Die derzeitige
Bewertung der Fossilunternehmen ergibt sich aus der unhinterfragten
Vorstellung, dass alle bekannten und vermuteten fossilen Bodenschätze
noch gefördert und energetisch genutzt werden. Wem allerdings bewusst
ist, dass jede weitere Tonne Kohle den Klimakollaps noch verschlimmert
und dass die Ressourcen deshalb in der Erde bleiben müssen, der erkennt,
dass die fossilen Unternehmen völlig überbewertet sind.

Die von Sigmar Gabriel vorgeschlagene Klimaabgabe hat offensichtlich
trotz ihrer unzureichenden Höhe den Fossil-Spekulanten einen Schock
versetzt, wie die überschießend heftigen Reaktionen zeigen. Eine
administrative Beschränkung der Kohle- und Ölförderung würde dazu
führen, dass die Gewinnaussichten von einigen ernüchterten Analysten
geringer eingeschätzt werden. Vorsichtige Anleger werden ihr Kapital
abziehen. Damit sinkt der Aktienkurs. Das alarmiert andere Anleger;
sie überprüfen die Gewinnaussichten und ziehen –- möglichst solange die
Papiere noch einen guten Wert darstellen – ebenfalls ihr Kapital ab.

So kommt es zu einer sich selbst verstärkenden Abwärtsbewegung. Von
Stunde zu Stunde sind die Papiere weniger wert. Für die Anleger heißt
es dann: „Rette sich wer kann“. Kommunen, die an den fossilen
Unternehmen beteiligt sind, werden in den Strudel gerissen. Staaten,
die ihre Banken retten wollen, bekommen Probleme. Die Ratingagenturen
werden mit ihren Abwertungen kaum noch mitkommen. So könnte die
"Kohlenstoffblase" platzen.

Ein Vergleich mit der geplatzten „Immobilienblase“ im August 2007
liegt nahe, doch die "Kohlenstoffblase" ist voluminöser und die
Angriffe kommen diesmal von zwei Seiten – einmal von denjenigen, die
um ihre Gewinne fürchten, andererseits von der ethisch motivierten
"Divestment-Bewegung", die durch einen Ausstieg aus allen fossilen
Beteiligungen die Welt vor der Klimakatastrophe retten will. Diese
Zangenbewegung könnte sich als unwiderstehlich erweisen. Die
einstimmige Entscheidung des norwegischen Parlaments vom 6. Juni 2015,
dass der norwegische Rentenfond (der zweitgrößte der Welt) alle
Anteile von Firmen verkaufen soll, die mit mehr als 30 % an
Kohlenutzungen beteiligt sind, liefert einen Vorgeschmack davon, was
noch geschehen kann.

Wenn niemand mehr in den Erhalt der fossilen Kraftwerke investieren
will, könnte das fossile Zeitalter innerhalb weniger Jahre zu Ende
gehen. Mit fast dreißig-jähriger energietechnischer Erfahrung sehen
wir aber auch die Gefahr, dass es zu einem ERSATZLOSEN Zusammenbruch
der fossilen Energieversorgung kommen kann, denn insolvente
Unternehmen können keinen Strom mehr liefern. Wir empfehlen deshalb
dringend, dass die finanziellen Anstrengungen sich den Erneuerbaren
Energien und ihren Speichern zuwenden. Erst mit einer ausreichenden
Menge von Energiespeichern können Wind- und Sonnenenergie die Atom-
und Fossilenergien vollständig ersetzen.

Deshalb – investiert das "divestierte" Geld in Speicher!